Cover

Impressum

BONOBOS SCHWARZ-WEIß

 

© Norma Banzi

 

Die Einzelteile des Coverbildes stammen von depositphotos

Herz auf Holztisch: © avgustin

Brennendes Kreuz: © alanuster

Drei Affen: © Stadtratte

 

Die Blutspritzer stellte mir die liebe Autorenkollegin Coco Zinva zur Verfügung.

(Haha, nicht was ihr denkt. Nein, sie musst dafür nicht bluten.)

 

Gestaltung des Covers:

Norma Banzi

 

Edition Banzini

Kurvenstraße 25

22043 Hamburg

www.banzini.de

 

Klappentext

  In "Die Scherben der Kindheit und das brüchige Glück der Gegenwart" erwischt James Carter seinen farbigen Geschäftspartner Richy bei einem Kuss mit dem Rassisten Tyler. Leidet Richy nur unter einer vorübergehenden Geschmacksverirrung oder ist es Mehr - vielleicht sogar Liebe?

 

 

Bonobos schwarz-weiß

Im Aufzug mustert mich Tylers Vater misstrauisch, so, als könne er es nicht fassen, dass sich ein Farbiger mit Braids ein New Yorker Luxusloft leisten kann. Ich bin leider zu früh nach Hause gekommen. Hätte ich gewusst, dass Tylers Eltern ihn heute besuchen, dann wäre ich länger in der Firma geblieben. Meine Firma heißt Carter & Weber Security und ich führe sie zusammen mit meinem Freund James. Wir beide sind SEALS und die Navy hat uns halb gehen lassen, James, weil er wegen eines Schadens im Innenohr nicht mehr richtig tauchen kann, und mich, weil ich eine Allergie gegen verschiedene Substanzen entwickelt habe, die bei Sprengstoffen eingesetzt werden. Dumm, wenn der Sprengstoffexperte allergisch gegen sein Arbeitsmaterial wird. Halb gehen lassen bedeutet für uns, wir sind Reservisten und können jederzeit aktiviert werden, wenn es der Navy so gefällt. Mich haben sie bisher in Ruhe gelassen, James musste den Sohn eines Admirals aus Mexikos schwuler Untergrundszene retten. Wie Admiral Bannister es geschafft hat, ein SEAL Team für seine privaten Angelegenheiten in Bewegung zu setzen, ohne dafür aus der Navy zu fliegen oder wenigstens degradiert zu werden? Da kann ich nur mit den Schultern zucken. Ich habe nicht die geringste Ahnung. Vielleicht hat er Gefallen eingelöst, die ihm die Leute von ganz oben schuldeten.

James ist ein Pretender, jemand, der sich in jede Rolle hineinversetzen kann, der mit der gesellschaftlichen Gruppe verschmilzt, die er auskundschaften soll. Ich habe es selbst in unserer aktiven Zeit erlebt. Es ist phänomenal, zu was er mit seinem Sprachtalent und Latexveränderungen im Gesicht alles fähig ist. Außerdem ist mein Freund ungeheuer sexy. Von der Bettkante würde ich ihn nicht stoßen, allerdings steht James nicht auf so kaffeebraune Haut wie meine. Nope, jetzt nicht das Falsche denken. James ist kein Rassist, nicht einmal ansatzweise. Von allen Weißen, die ich kenne, ist James derjenige, der sich mir gegenüber die wenigsten kleinen Ausrutscher erlaubt hat. Himmel, da ist er sogar besser als mein Vater, und Dad liebt meiner Mutter und mich von ganzem Herzen. Dad macht das nicht bewusst und Mom verabreicht ihm kleine Schläge auf den Hinterkopf, wenn er sich daneben benimmt. Ich stamme aus einer gemischtrassigen Familie. Meine Mutter ist schwarz, mein Vater weiß.

Ich stehe beispielsweise nicht auf Frauen und bin deshalb noch lange kein Frauenfeind. Twinks könnte man mir auf dem Silbertablett servieren und es würde sich nichts bei mir regen. Ich mag große, muskulöse Männer vom Typ SEAL, solche wie mich. Gut, etwas zu klein geratene SEALS würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen – oder Marines. Einmal hatte ich einen Offizier von der französischen Fremdenlegion im Bett. French Kisses, ha, ha …

Ich bin einfach für James das Äquivalent zu einem Twink und das ist für mich auch in Ordnung so. Selbst wenn wir einige Male im Bett gewesen wären, würde sein Anblick mein Herz wahrscheinlich nicht schneller schlagen lassen. Das verräterische Ding reagiert nämlich nur auf einen Mann namens Tyler Christian, den Mann, der gerade im Lift neben seinen Eltern steht und etwas gestresst aus der Wäsche guckt. Wird er mich ihnen als seinen Geschäftspartner vorstellen, was immerhin höflich wäre, oder geht er aus dem Feld? Gespannt schaue ich ihn an und er hebt die Braue. Himmel! Es ist nicht meine Schuld, dass er mir nichts von dem Besuch seiner Eltern erzählt hat. Vielleicht wusste er davon aber auch nichts. Bei Eltern kann man sich nie sicher sein, was sie für einen planen.

„Mom, Dad, das ist Richard Weber von Carter & Weber Security“, höre ich da James sagen. „Richard, das sind meine Eltern Josef und Ellen Christian.“

Ich bin zahm und versuche nicht, dem grimmig dreinschauenden Rassisten und seiner lupenrein weißen Gattin die Hand zu schütteln. Ich kenne diesen Typ Mensch, ich weiß, sie mögen es nicht, wenn sie jemanden wie mich berühren müssen. Immerhin nicken sie mir höflich zu. „Ma`am, Sir!“, sage ich friedlich. Ich muss mich nicht gleich mit jedem Rassisten, dem ich begegne, in eine Grundsatzdiskussion verstricken. Dafür ist mir meistens meine Zeit zu schade. Ich diskutiere auch nicht mit Tyler, habe ich nie getan. In der Navy hatte er seine Freunde und ich meine. Wie das geht, ein Farbiger und ein Rassist in einem SEAL-Team? Mit Regeln, Drill und politischer Korrektheit. Na ja, ganz so einfach war es auch nicht. Aber ein SEAL ist in erster Linie ein SEAL und erst dann ein Mitglied seiner ethnischen Gruppe. Wer es durch die Höllenwoche geschafft hat, gehört dazu. Punkt! Ohne Wenn und Aber! Tyler und ich haben uns am Ende sogar dabei geholfen. Mein Buddy war wegen einer Kopfverletzung abtransportiert worden, seiner hatte das eiskalte Wasser im Meer nicht vertragen und war freiwillig gegangen. Seit damals weiß ich, was Kälte ist. Das beschissene Wasser hätte mich fast gebrochen und ich war kurz davor aufzugeben, nur eine Haaresbreite davon entfernt. Als ich gerade anfange, meinen Muskeln zu befehlen, sich in Bewegung zu setzen, um aus dem Wasser zu kriechen, hakt der neben mir liegende Tyler seinen Arm in meine Armbeuge und starrt mich wütend an. Wahrscheinlich wollte er etwas sagen, nur ließen das seine klappernden Zähne nicht zu. Keine Ahnung, ob ich ein Wort herausgebracht hätte, ich versuchte es erst gar nicht. War ich dankbar, dass der Musterrassist unter den Rekruten mir half? Himmel, nein, ich hasste es. Und mein Hass ließ mich durchhalten. Später half ich ihm durch eine Phase seiner eigenen Verzweiflung.

„Zeig dem Nigger, dass du kein Weichei bist!“, krächzte ich ihm stotternd und schlotternd zu. Sein wütender Blick zeigte mir, er hatte es verstanden. Tyler und ich haben die Höllenwoche überstanden, weil unsere gegenseitige Abneigung in uns Energiereserven mobilisiert hat, die wir eigentlich gar nicht mehr hatten. Unser Hass aufeinander hat uns gerettet. Total schräg, ich weiß. Noch schräger war, dass sie uns später extra in ein Team steckten, gerade weil wir so gut funktionierten, wenn wir uns gegenseitig aneinander rieben – verbal natürlich, nicht körperlich.

„Sie wohnen hier?“, fragt Tylers Mutter mich und ich sehe ihre Zweifel.

„Tyler und ich wohnen in derselben Etage“, kläre ich sie auf und sie wirkt für einen Moment entsetzt, bevor sie ihre Gesichtszüge wieder im Griff hat. Wenn die gute Frau wüsste, dass ich ihren Sohn am morgen noch gefickt habe, wie ich meinen großen braunen Schwanz bis zum Anschlag in seinen weißen Arsch geschoben habe, würde sie wahrscheinlich schreiend davon laufen – oder ihn eigenhändig erschießen. Ein weißer Herrenmensch durfte nicht schwul sein. Na ja, Tyler ist nicht schwul, er ist bi. In unserer Zeit bei der Navy habe ich ihn oft mit Frauen anbandeln sehen und ich kann mit Fug und Recht sagen, wie sehr ihm weibliche Gesellschaft gefällt. Dass seine Neigungen auch in eine andere Richtung gehen, habe ich erst lange nach unserer Zeit bei der Navy erfahren.

Auch Tyler scheint unsere morgendliche Bettgymnastik im Kopf zu spuken, denn bei aller Vorsicht funkelt auch so etwas wie Belustigung in seinen Augen. Nein, er schämt sich nicht dafür, mit mir ins Bett zu gehen, nur würde er sich niemals outen. Er lässt mich als erstes aus dem Lift aussteigen, als wir in unserer Etage angekommen sind. Ich werfe ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu, dass ich sein Manöver genau durchschaue. Natürlich will er seinem Vater beweisen, was für ein guter Sicherheitsunternehmer er ist. Niemals den Feind im Rücken haben. Ich lasse ihm sein kleines Vater/Sohn-Spiel und verschwinde in meiner Wohnung. Tyler führt das Unternehmen seines Vaters in Washington. Eigentlich sind wir Konkurrenten, mittlerweile aber über eine Briefkastenfirma im Bereich Militärdienstleistungen so wirtschaftlich miteinander verflochten, dass wir diese Firmenteile eigentlich auch fusionieren könnten, wenn das Unternehmen von Tyler nicht so sehr in der Szene der christlichen Rechten verwurzelt wäre. Klar, mittlerweile ist Tyler der alleinige Chef von Christian Consulting, aber James und ich leben offen schwul, James ist sogar mit einem Mann verheiratet, unserem Firmenanwalt Samuel. Die politischen Ausrichtungen der beiden Firmen unterscheiden sich so eklatant voneinander, dass Tyler wahrscheinlich in Schwierigkeiten geraten würde, wüssten die Rechten, wie eng wir wirklich zusammenarbeiten. Weshalb wir es tun? Weshalb sich Tyler mit den schwulen Affen abgibt und wir mit dem rechten Pack? Geld, ganz einfach! Wir sahnen gemeinsam Staatsaufträge ab und erfüllen in verschiedenen Krisengebieten logistische Aufgaben für die Navy. Zwischen Tyler auf der einen Seite und James und mir auf der anderen gibt es eine geheime Vereinbarung, dass er zu einem Viertel an einem riesigen Staatsauftrag beteiligt wird, dessen Zuschlag wir erhalten haben.

In meinem Schlafzimmerbereich schlüpfe ich aus meinem Maßanzug und streife einen Overall über. Ich habe Lust zu sprühen, stelle eine der großen Leinwände gegen die Wand meines Lofts und fange an. Die Farben stinken nicht sehr, weil ich welche auf Wasserbasis verwende, denn ich habe keine Lust, mich in meiner eigenen Wohnung mit Lösungsmitteln das Hirn wegzupusten. Nach einer Weile sehe ich, dass ich eine Art Karikatur von Tyler gesprüht habe, eine sehr gefällige, die ihm schmeichelt. Soll ich sie ihm schenken? Wahrscheinlich hängt er sie doch nicht bei sich auf, weil er das Bild bestimmt zu verräterisch findet. Ich lasse es erst einmal stehen, drehe es aber um, damit ich es nicht direkt anschauen muss. Jetzt kann ich eine Dusche gebrauchen und unter der Brause wichse ich mir einen, während ich an Tylers und meinen ersten Kuss mit ihm denke. James überraschte uns in meinem Büro dabei. Das ist noch gar nicht so lange her. Weshalb wir uns ausgerechnet an dem Tag näher gekommen sind? Die Bonobos sind schuld. Seit wir uns kennen, werfen Tyler und ich uns zur Begrüßung oder auch gerne zwischendurch Sprüche an den Kopf. Ich trampele auf seinem Südstaatenstolz herum und er ist nicht zimperlich dabei, meine Wenigkeit mit sehr viel verbaler Eloquenz in die Nähe von Affen zu rücken. Wobei Affen manchmal die besseren Menschen sind, sagte meine Mutter einmal, als ich heulend von einem Schulausflug in den Zoo zurück nach Hause kam, weil mich ein Mitschüler mit einem Schimpansen verglichen hatte. Mom muss es wissen, sie ist eine der klügsten Frauen, die mir jemals begegnet sind. Ich bekam von ihr mehrere Bildbände über verschiedene Menschenaffenarten geschenkt. Ich hatte eine Woche Zeit, sie mir anzusehen und dann musste ich Mom davon erzählen, was für Erkenntnisse mir diese Bücher vermittelt haben. Himmel! Ich war ein Vierzehnjähriger in der Pubertät. Am meisten sind mir die Bonobos in Erinnerung geblieben, die Sex in allen möglichen Konstellationen miteinander treiben, um soziale Spannungen innerhalb der Gruppe zu lösen. Dad bekam vor Peinlichkeit einen roten Kopf, als Mom und ich bei Kartoffelpüree, Erbsen und Steaks über Bonobosex parlierten. Gesagt hat er nichts, denn meistens zieht er bei einer Diskussion mit ihr den Kürzeren, wenn er es überhaupt wagt, sich mit ihr verbal messen zu wollen. Mom ist eine der brillantesten Herzchirurginnen der Gegenwart und Dad vergöttert sie. Dad ist übrigens Bauunternehmer und hat ein Herz aus Gold. Vorsichtig ausgedrückt sind ihre Kompetenzen etwas ungleich verteilt. Nein, Dad ist nicht dumm, er ist sogar schlau und gewitzt, solange es um sein Geschäft geht. Immerhin hat er es vom einfachen Handwerker zum millionenschweren Unternehmer gebracht, der sich auch wacker auf dem Parket der New Yorker High Society zu behaupten versteht. Muss er ja auch, um die guten Aufträge einsacken zu können. Bei einer Gala, auf der irgendein wichtiger Medizinerpreis verliehen worden ist, wurde Mom von einem etwas angetrunkenen Nobelpreisträger gefragt, weshalb sich so eine kluge Frau wie sie ausgerechnet mit einem Mann vom Bau verheiratet hätte.

„Weil er gut im Bett ist und toll aussieht“, hatte sie geantwortet. Armer Dad. Das Superhirn hielt ihn für dumm und Mom reduzierte ihn auf seine körperlichen Vorzüge. Zu ihrer Rettung, sie meinte es ironisch. Überliefert ist, dass ihr Gesprächspartner einen roten Kopf bekam und schnell flüchtete.

Ich komme übrigens mehr nach Dad, soll heißen, ich habe nicht die Brillanz von Mom geerbt, sondern sein tolles Aussehen und sein Sexappeal. Na ja, vielleicht habe ich doch ein bisschen was von ihr, denn ich war mit meinem Physik- und Chemiestudium in der Hälfte der Zeit durch. Sie war etwas enttäuscht, als ich zur Navy gegangen bin und nicht in die Forschung. Weshalb ich ausgerechnet zu den SEALS wollte? See, Air, Land – SEALS werden für alle drei Einsatzorte ausgebildet und das war für mich die ultimative Herausforderung.

Am Tag unseres ersten Kusses war Tyler frustriert, weil er James nicht finden konnte und schalt mich einen Affen, weil ich ihn neckte, wie rührend er, der Schwulenhasser, um die Sicherheit eines Mannes besorgt war, dessen Sexualität er widerwärtig fand.

„Musst du immer alles auf dieses eine Thema reduzieren?“, grummelt mich Tyler an. „Schließlich geht es um die Sicherheit deines Freundes.“

Okay, eigentlich hatte Tyler recht. Damals war auf James eine Art Kopfgeld ausgesetzt gewesen und Tyler wollte ihn lediglich beschützen. Nur konnte James in seiner Situation niemanden gebrauchen, der sich an seine Fersen heftete, und sei es auch aus wohlmeinenden Gründen. Deshalb verschwand James mit seinen Pretenderfähigkeiten unter Tylers Nase. Das konnte ich Tyler aber nicht auf eben diese binden.

„Ich bin ein Affe und mach`s dir wie ein Bonobo“, amüsierte ich mich und wippte mit meinen Hüften provokant in seine Richtung. Tyler packte mich an der Krawatte und zog mich dicht zu sich heran.

„Halt die Klappe!“

„Oder?“, fragte ich ihn. Da war etwas in seinen Augen, das mich weiterreden ließ, auch wenn ich wenig Lust auf ein blaues Auge oder eine aufgeplatzte Lippe hatte, verursacht durch seine Fäuste. Seine Lippen auf meinen schockierten mich. Tyler küsste nicht sanft oder zurückhaltend, er wollte mich bestrafen. Mit Zunge! Nach dem ersten Schreck öffnete ich meinen Mund und ging auf Gegenwehr. Ah, mein Schwanz stand. Ich presste meinen Unterleib an seinen. Gute Güte! Seiner stand auch. Tylers Mund praktisch auffressen und dabei seinen Schwanz spüren, das war, das war – wow! Himmel, ich hob ein Bein und schlang es um seine Taille, um ihm noch näher zu kommen. Statt zurückzuweichen hielt Tyler es fest und stöhnte. Leider hinderte mich James plötzliches Erscheinen daran, Tylers Leidenschaft weiter genießen zu können.

„Hat Tyler Atemnot oder weshalb presst du so eifrig deine Lippen auf seinen Mund?“, fragte James. Ich grollte und Tyler fluchte: „Fuck!“ Wir beide managten es immerhin so, dass wir nicht wie zwei ertappte Teenager auseinanderstoben. Gott, für einen Moment sah ich Bedauern in Tylers Augen. Bedauerte er den Kuss oder die Störung? Diese Frage wollte ich ihm so bald wie möglich stellen, wenn wir wieder alleine waren.

Wie seine Antwort lautete? Nun, mein Schwanz war heute morgen in seinem Arsch. Das ist doch Antwort genug! Seit unserem ersten Kuss ist ein Jahr vergangen. Vor etwa fünf Monaten hat er sich das Loft neben meinem gekauft. Es ist sein kleiner Freiraum vor seinem Leben in Washington. Jedes zweite Wochenende ist er hier. Ich war noch nicht oft bei ihm drüben, er kommt fast immer zu mir, durch die versteckte Tür, die unsere Wohnungen miteinander verbindet. Manchmal frage ich mich, wie lange das so weitergehen soll. Ich kann ihn nicht meinen Eltern vorstellen, meinen mustergültigen Rassisten, und er wird seinen gegenüber nie zugeben, dass es mich in seinem Leben gibt. Wahrscheinlich heiratet er irgendwann eine Südstaatenblondine. Ob er dann noch zu mir kommt? Ob ich ihn dann noch kommen lasse? Haha, wie komisch. Nein, ich meine das nicht in einem sexuellen Sinn. Tyler ist kein schlechter Mensch. Ich glaube, seine Zeit bei der Navy hat ihn verändert, zum Besseren meine ich. Ein Teil der Scheiße, die er noch am Anfang von sich gegeben hat, verlor sich mit seinen Dienstjahren. Tatsächlich hat er mir einmal das Leben gerettet und mich unter dem Einsatz seines eigenen mehrere Kilometer bis zu einem Hubschraubelandeplatz geschleppt. Letztens erzählte er mir sogar, dass er die Firma seines Vaters eigentlich nicht hatte übernehmen wollen. Er wäre lieber in der Navy geblieben. Das FBI hat ihn darum gebeten, die Firma nach dem Schlaganfall seines Vaters nicht zu verkaufen, sondern sich um eine Entlassung aus der Navy aus familiären Gründen zu bemühen. Himmel! Als ich erfahren habe, dass er ein verdeckter Ermittler von denen ist, wäre ich fast aus den Latschen gekippt. Tyler würde nie für die Rechte von ethnischen Minderheiten auf die Straße gehen oder dafür sein, dass illegale mexikanische Einwanderer leichter die us-amerikanische Staatsbürgerschaft erlangen können. Als Schwarzer steht man bei ihm unter Generalverdacht, bis man das Gegenteil bewiesen hat, so wie ich. Ich bin für ihn und einige Rechte die Ausnahme, der Farbige, der ganz in Ordnung ist und mit dem man sich auch schon einmal gesellschaftlich abgeben kann. Himmel, ich wurde sogar schon von einem von ihnen zum Barbecue auf dem Campingplatz des Daytona International Speedway eingeladen. Das Wochenende war ziemlich kurios. Da gibt es einen Campinglatz, der mitten im Innenbereich eines NASCAR-Stadions steht. Das Selbstbewusstsein muss felsenfest sitzen, wenn man dort der einzige milchkaffebraune Farbklecks unter lauter weißen Campern und Feiernden ist. Zum Glück waren James und einige Jungs von der Firma mit dabei. Was soll ich sagen, es war nett. Einige Leute haben mich zwar angestarrt als käme ich vom Mars, aber als Gast eines der reichsten Rednecks vor Ort wurde ich meistens zuvorkommend behandelt. Trotzdem war ich froh, als ich dort wieder raus war.

Ich liege im Bett, als Tyler endlich seine Eltern losgeworden ist und zu mir schlüpft. Er schiebt meine Braids beiseite und küsst meinen Nacken. Beflissen hebe ich die Hüften, als er mir die Boxershorts abstreift. Bei uns muss es ausgeglichen sein. Heute morgen habe ich ihn gefickt, also ist jetzt mein Arsch fällig. Zum Glück bin ich versatile, er auch, so wenig Umstände wie er gemacht hat, als ich ihn das erste Mal getoppt habe.

Ah, ich liebe es, wie er erst sanft mit einem Finger prüft, ob ich bereit für ihn bin oder ob mein Eingang mehr Vorbereitung braucht. Etwas Gleitgel aufgetragen und er ist in mir. Yeah, die Bonobos machen es schon richtig. Erst fickt er mich von der Seite und dann lege ich mich für ihn auf den Rücken. Wir reden nur wenig. Was sollten wir einander auch schon sagen, uns liebevolle Worte ins Ohr flüstern? Emotionen sind etwas, was wir uns in unserer Lage nicht leisten können. Seine Züge sind weich und ich kann es ihm ansehen, dass ich nicht nur irgendein Fick für ihn bin. Sieht er es mir auch an? Wir küssen uns innig und ich schmecke zu viel Gefühl auf seinen Lippen. Himmel! Wo soll das hinführen? Wir können unseren Weg nicht gemeinsam gehen. Alles, was wir uns gönnen dürfen, sind flüchtige Begegnungen. Schon seine Wohnung neben der meinen ist eigentlich zu viel. Ich schlinge meine Beine um seinen muskulösen Körper und komme seinen Stößen entgegen. Gemeinsam heben wir ab und landen im Orgasmushimmel, bevor wir wieder zur Erde schweben und das Glücksgefühl abebbt. Er entsorgt das Kondom, wischt mir noch kurz den Glibber vom Arsch und dann liegen wir wieder nebeneinander, Arm in Arm. Er küsst meine Schläfe und wir gleiten in den Schlaf. Am nächsten Morgen beim Frühstück zeige ich ihm das Bild. Ich biete es ihm nicht an und er fragt nicht danach, ob ich es ihm schenke. Wahrscheinlich weiß er, dass ich es ihm wahnsinnig gerne geben würde, sollte er sein Interesse bekunden. Tyler macht ein Foto davon und lächelt, als er es in einen zugangsgeschützten Ordner absortiert. Ich lächele zurück.

Verdammt! Können die Menschen es nicht machen wie die Bonobos und alle ethnischen Differenzen vergessen? Dann bräuchte er nicht für das FBI arbeiten, um die Planung von Anschlägen durch rechte Extremisten schon frühzeitig erkennen und unterbinden zu können. Ich schlucke meine Sehnsucht nach etwas, was ich doch nicht haben kann, ihn für immer, beiseite. Ich habe ihn jetzt, das Wochenende gehört uns ganz alleine. Vielleicht müssen wir ein paar Telefonate führen und ein paar E-Mails an unseren Notebooks beantworten. Aber wir sind zusammen.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 17.10.2015

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