Ich sah wieder dieses irre Flackern in den Augen meiner vier Jahre jüngeren Schwester Nele und fragte mich zum wiederholten Male, was mit ihr los war. In letzter Zeit war sie so anders. Immer wieder, wenn sie mich ansah, überfiel mich ein Gefühl der Angst und ich bekam eine Gänsehaut. 'Das ist doch lächerlich', sagte ich mir immer wieder. 'Mit 14 Jahren Angst vor seiner kleinen Schwester zu haben...' Ich drehte mich weg, um sie nicht mehr ansehen zu müssen. Sonst würde ich mir nur noch mehr Einbilden. Ich hatte einfach eine blühende Fantasie. Dachte ich zu der Zeit zumindest.
Länger darüber nachdenken wollte ich auf keinen Fall und Ablenkung kam auch prompt.
"Kati, Essen", rief meine Mutter Dorothy von unten und befreite mich somit aus meinen schrecklichen Gedanken.
Ich lief die Treppe runter und setzte mich an den Tisch. Als ich mir gerade die letze Gabel Spaghetti in den Mund stecken wollte, klingelte es an der Haustür. Wer das sein konnte? Ich erwartete niemanden und auch meine Mutter schien überrascht. Nur Nele ging unbeeindruckt an die Tür, wo ihre Freundin Christin stand. Sie kam herein und strahlte uns an. Als sie unseren verwirrten Gesichtsausdruck sah, erlosch dieses Strahlen jedoch. "Hast du nicht bescheid gesagt, dass ich komme?", fragte sie Nele mit einem leicht vorwurfsvollem Ton, woraufhin diese entnervt die Augen verdrehte. Sie nahm Christin bei der Hand und zog sie zur Treppe rauf. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, folgte ich ihnen. Im Vorbeigehen sah ich meiner Schwester kurz ins Gesicht und erblickte ihr fieses Grinsen. Ich blieb stocksteif stehen und starrte den beiden nach, als sie an mir vorbeieilten. Schon wieder so ein schockierender Gesichtsausdruck. 'Was ist bloß mit ihr los?', fragte ich mich. Es war nicht zu verstehen. Das Einzige was ich wusste war, dass irgendwas nicht stimmte.
Später saß ich mit den beiden zusammen im Zimmer von Nele. Christin hatte ihren Zwerghamster mitgebracht, den wir alle zusammen beturtelten. Alles war wieder so, als wäre nie etwas geschehen. "Ich gehe mal auf die Toilette, ja Nele?", hörte ich Christin gerade sagen, als ich ihren Hamster auf den Schoß nahm. "Klar,ich gehe in die Küche und hole mir etwas zu trinken", entgegnete Nele und stand ebenfalls auf. Die beiden verließen zusammen lachend das Zimmer. Ich spielte währenddessen mit dem Hamster und wartete. Doch nach einer Weile, überkam mich die Langeweile und ich fragte mich, wo die beiden bloß steckten. Ich legte den Hamster vorsichtig zurück in den Käfig und ging aus dem Zimmer, die Treppe runter. Auf dem Weg in die Küche, hörte ich noch, wie Christin die Spülung betätigte und sich die Hände wusch. Beim Betreten der Küche, sah ich wie meine Schwester irgendetwas am Küchentisch machte. Meine Mutter war nirgends zu sehen, was hieß, dass sie nebenan bei Tante Lucy war. Meine Neugier siegte und ich ging auf sie zu. Da sie mit dem Rücken zu mir stand, bemerkte sie mich nicht. Ich wollte sie gerade ansprechen,als mein Blick auf den Küchentisch fiel und ich erstarrte.
'Oh,mein Gott', dachte ich und musste meine ganze Konzentration darauf verwenden, das nicht laut zu sagen. Ich hätte doch merken sollen, dass etwas überhaupt nicht stimmte. Stattdessen habe ich die ganzen Zeichen ignoriert. Das war doch alles nicht zu fassen! Meine kleine Schwester war verrückt. Das was sie da tat, konnte man nur auf eine Weise deuten, sie mischte Gift zusammen. Ungläubig und schockiert beobachtete ich, wie sie drei rosarote Schlaftabletten zerbröselte - welche einen schon die ganze Nacht durchschlafen ließen, wenn man nur eine Halbe davon nahm - sie in eine Flasche mit zehn Milliliter Morphium streute und als Krönung noch zehn tropfen Schlafmittel, von einer mir unbekannten Marke, dazu gab. Ich wagte es nicht zu atmen, was hatte sie damit vor? Da ich mich für Medizin interessierte, wusste ich sehr genau, wozu dieses kleine, unscheinbare Fläschchen imstande war und das ließ mich erschaudern. Ein Gedanke, den ich erfolglos versuchte aus meinem Kopf zu verbannen, ließ mich abermals am ganzen Körper erzittern. Bei WEM wollte sie es anwenden, bei Christin, bei Mum oder letztendlich sogar bei mir?! Sie war so tief in ihre "Arbeit" vertieft, dass sie mich nicht bemerkte. Damit das auch so blieb, zog ich mich langsam zur Treppe zurück. Ich merkte noch,wie sie das Gebräu in einen rosafarbenen Becher kippte, dann lief ich auf Zehenspitzen die Treppe rauf. Als ich die Zimmertür meiner Schwester öffnete, saß Christin schon auf dem Sofa und guckte mich fragend an. Mir rasten tausende Gedanken durch den Kopf. 'Was hatte Nele damit vor? Wieso tat sie das?Wer war schuld daran?' Die antworten darauf würde ich schneller bekommen als mir lieb war, denn Nele kam in diesem Moment ins Zimmer.
Anfangs hatte ich noch die verrückte Hoffnung, dass die ganze Situation nur ein schlechter, jedoch sehr realistischer Traum war. Doch nachdem ich mich so oft in den Arm gezwickt hatte, dass es schon anfing zu kribbeln, gab ich diese Hoffnung wieder auf. Das alles war kein Traum, das war mir von Anfang an klar, doch die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen und blinzelte diese schnell weg, damit Nele sie nicht sah und nochverdacht schöpfte. Sie setzte sich übermütig zwischen mich und Christin unf Sofa."Hi, ihr beiden! Schaut, ich hab uns allen was zu trinken mit hoch gebracht!", rief sie fröhlich, doch in ihren Augen leuchtete das, was ich jetzt als Mordlust identifizieren konnte. Geschockt schaute ich auf die drei becher in ihrem Schoß. Ein Grüner, ein Blauer... und ein Rosafarbener. Sie selbst nahm sich den Grünen, während sie mir den Blauen reichte, damit blieb für Christin nur noch der Rosane, der, der den Tod verheißen sollte. Nele reichte ihr den Becher und Christin bedankte sich höflich.
'Nicht trinken sie darf das auch gar keinen Fall trinken', wirbelten die Gedanken panisch in meinem Kopf herum. "STOPP!", entfuhr es mir unbeabsichtigt laut, als sie den Becher zum Mund führte. Christin hielt inne und guckte mich verwirrt an, während Nele versuchte mich mit Blicken zu erdolchen. "Jetzt oder nie", murmelte ich leise und redete drauf los, bevor ich es mir noch anders überlegen konnte.
"Trink das nicht, nele hat es vergiftet!", dafür, dass mich diese Worte einen Haufen überwindung gekostet hatten, erntete ich nur einen spöttisch-ungläubigen Blick.
"Ich schwöre es, ich hab es mit eigenen Augen gesehen, bitte Christin!"
"Ja klar, wer's glaubt. Für wie alt hälst du mich? Ich las mich doch nicht verarschen", Fuhr mich die Angesprochene empört an und nahm zur Bestätigung ihrer Worte zwei große Schlückte aus dem todbringendem Becher. Nele grinste über das ganze Gesicht.
Ich handelte schneller, als ich denken konnte. Ich entriss Christin den Becher und schleuderte ihn aus dem, zum Glück offen stehenden, Fenster. Schnell zückte ich mein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer der Notrufzentrale.
"Hier Notrufzentrale, wer spricht und was kann ich für sie tun?", ertönte eine gelangweilte Stimme aus dem Telefon. Ich redete so schnell ich konnte, ohne dass es zu undeutlich wurde, weil ich wusste, dass ich nicht viel zeit hatte. Nele guckte am Anfang zwar ziemlich geschockt, doch ich wusste diese Starre würde nicht lange anhalten.
"Hier ist Kathrin telger, Rosenstraße 11, schicken sie UMGEHEND einen Krankenwagen und die Polizei hierher! Meine Schwester hat ihre Freudnin vergif...", weiter kam ich nicht, denn besagte Schwester rannte auf mich zu und packte mich am Arm, sodass mir das Handy aus der Hand fiel.
"Wenn ICH verhaftet werde", schrie sie außer sich vor Wut, "kommst DU auch nicht ungeschoren davon!" Während ihrer kleinen Rede, hielt sie die ganze Zeit mit der linken Hand mein Handgelenk umklammert. Nachdem sie geendet hatte, holte sie eine Spritze aus ihrer Jackentasche verhor, die ich Angsterfüllt anstarrte. Mir viel zum ersten mal auf, wie stark sie für ihr Alter war, denn ich konnte mich einfach nicht aus ihrem griff befreien. Ich wurde leichenblass.
"Warum?", hörten wir beide Christin leise flüstern, die die ganze Zeit nur ängstlich in der Ecke des Sofas gekauert hatte.
"Warum... WARUM?!", jetzt wurde sie hysterisch. "Weil ich es satt habe, immer mit euch beiden verglichen zu werden!" spuckte sie mir jedes Wort förmlich ins Gesicht und guckte auch Christin hasserfüllt an. "Ihr seid ja immer soo toll. Und ich werde IMMER NUR MIT EUCH VERGLICHEN. Immer zeigt sich, wie schlecht ich doch bin." Obwohl ich wusste, dass Nele Maßlos übertrieb, fühlte ich mich schuldig. Als sie ihren Blick wieder au mich richtete, sah sie vollkommen verrückt aus. "Deshalb tue ich DAS!" Als sie das letze Wort aussprach, stach sie mir mit der Sptze der Nadel gezielt in meine Armbeuge. Ich hatte das Gefühl die Zeit stand still, als die Nadel meine Vene traf. Sekundenlang starrte ich geschockt auf die Stelle, wo meine kleine Schwester mir das Zeug injiziert hatte. Ich wollte schreien, doch der Schrei blieb mir im Halse stecken. Schon nach wenigen minuten wurde mir schwindelig und schwarze Flecken tanzten vor meinen Augen Cha Cha Cha. ich endspannte mich, ohne das ich entwas dagegen tun konnte, weil meine muskeln nicht mehr auf mich hörten und sank an die Rückenlehne des Sofas.
"Keine Sorge Chrissi", hörte ich ele hinter dem Rauschen in meinem Kopf hämisch sagen, "das was du getrunken hast, sollte gerade noch so reichen, leider wirkt es quälend langsam, da hat es die liebe Kati bedeutend leichter.", Beim erwähnen meines Namens, öffnete ich müde meine Augen und sah Christin an, die jetzt ebenfalls die Kontrolle über ihre Muskeln verlor. Ich fühlte mich gut. Als ich die Sirenen aus weiter ferne hörte, war ich auf eine sanfte Art sehr sehr müde. Wach zubleiben fiel mir immer schwerer, als ich mich ein letztes Mal zwang etwas zu sagen.
"Neid ist die beste Art die Seele eines Menschen zu zerstören." Trotz der Tatsache, dass ich flüsterte, wusste ich, dass Nele mich verstanden hatte. 'Ich liebe dich trotz allem noch', war mein letzer Gedanke. Danach wurde alles schwarz.
Ende...
Texte: Irina Gildt
Bildmaterialien: Irina Gildt
Lektorat:
Übersetzung:
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
ich widme dieses buch meiner kleinen Schwester ,weil sie mich auf die Idee gebracht hat