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Kapitel 1

Personen, Orte und Situationen dieses Romans sind rein zufällig.

 

 

 

Irene Schumacher

 

Die zweite Art

Geburt einer neuen Lebensform

 

 

 

Wir schreiben das Jahr 13.403

 

Eine sanfte wohltönende Stimme Ternets schwingt durch den Raum: „Ohne aus der Türe zu gehen, erkenne ich die Welt. Wünsche jetzt! Erfülle alle deine Sehnsüchte, zögere nicht und bestelle was immer dein Wunsch ist.“ Die riesigen Panoramafenster geben den Blick auf die azurblaue Lagune frei, sanft streicheln die Wellen den schneeweißen Sandstrand. Julo blickt gelangweilt hinaus, er reagiert kaum auf die Stimme im Raum, täglich hört er sie und es ist ihm gleichgültig was gesagt wird, er macht zwar die übliche Verbeugung, hört jedoch schon lange nicht mehr hin.

Ebenso registriert er nicht den wundervollen Ausblick, er sieht nicht, dass ein sanfter Wind die Palmen am Strand harmonisch bewegt und die Sonne goldene Funken auf das Wasser malt. Sein Blick ist in eine unbestimmte Ferne gerichtet, er denkt nicht darüber nach was er sich wünschen könnte und wählt dann gleichgültig, wie schon so oft, eines der perlenden Getränke, die es in unzähligen Geschmacksvariationen gibt. Lustlos geht er zu der sofort erscheinenden gläsernen Karaffe und bestellt noch ein zweites Glas für seinen Freund Elas, der entspannt auf der bequemen Liege ruht. „Was machst du heute noch?“ Julo stellt seinem Freund die Frage eher gleichgültig, mehr aus der Hoffnung heraus, dass dieser einen Vorschlag machen würde, dem er sich anschließen könnte, weil ihm selbst nichts einfällt.

„Hmm, Energiebad und Massage, ich möchte mein Haar heute heller, das schwarz gefällt mir nicht.“ Er schließt die Augen und seufzt, in derselben Sekunde, verändert sich die Farbe und sogar die Länge seiner Haare. Die Fähigkeit, den Körper durch Gedankenkraft zu verändern wird eher selten benutzt, die dafür nötige Konzentration erfordert einfach zu viel Anstrengung. Julo lächelt, sein Freund scheint heute besonders aktiv zu sein. Er legt seine Hand auf die Wunschkonsole und wie aus dem Nichts erscheinen zwei leichte Bekleidungsstücke. Sie verzichten träge darauf, sich per Gedankenkraft zu bewegen, sondern lassen sich gelangweilt von der Metallplatte des Transportsystems davontragen. Minuten später dehnen sie sich entspannt im warmen kristallklaren Wasser eines der vielen dezent beleuchteten Bassins. Längst kennen sie jedes der Becken genau, dort drüben das Aquamarin Bassin mit duftenden Schaumperlen, daneben das Wellenbad leise über die funkelnden Kristallwände rauschend, daneben das Delphinbecken riesengroß in die türkisblaue Lagune hinausragend.

 

Julo schließt seine Augen, aber anstatt gleichgültig zu entspannen, wie sein Freund es tut, hofft er, dass der Tag bald vorübergehen möge, er wartet auf die Dunkelheit, auf den sternenübersäten Nachthimmel. Dann wird er wieder die alten vergilbten Bücher hervorholen, er bewahrt sie in einem verschlossenen Schrank auf, sorgsam darauf bedacht, dass niemand seinen Schatz aufräumt oder sogar entsorgt. Es sind Bücher, Zeichnungen und Berechnungen über das Universum, eine Fundgrube der Astronomie. Stundenlang blickt er oft in den Nachthimmel, er kennt alle Tierkreiszeichen und manchmal hat er das Gefühl, ferne Galaxien würden zu ihm sprechen. Julo hatte vor langer Zeit einmal den Wunsch bestellt, zum Mond reisen zu können, daraufhin geschah etwas noch nie dagewesenes, Ternet lehnte den Wunsch ab. Ein leistungsstarkes Teleskop hatte er damals als Ersatz erhalten, es steht seither auf dem Dach des Hauses und Julo verbringt seine Nächte damit, sehnsuchtsvoll ins Universum zu blicken. Heute Nacht wird nach seinen Berechnungen die Andromeda Galaxie wieder relativ nah sein, eine Konstellation, die nur alle fünftausend Jahre auftritt. Manchmal bedauert er, dass sich niemand für seine Leidenschaft zu interessieren scheint, auch sein Freund Elas zuckt nur desinteressiert die Schultern, wenn er darüber spricht. Er konnte ihn oder auch andere aus seinem Freundeskreis nie dazu bewegen, mit ihm auf das Dach zu kommen, um den grandiosen Ausblick hautnah zu erleben.

 

Er öffnet die Augen und blickt zur Sonne, es wird noch ein paar Stunden dauern, bis sie untergeht, dann betrachtet er die leicht bekleideten Personen, die auf den, zwischen den Becken perfekt angelegten Wegen flanieren. Man kennt sich und Julo nickt dem Einen oder Anderen freundlich zu. „Dort ist Jalara, gleich springt sie wieder“, wendet er sich an seinen Freund und tatsächlich springt die schlanke weibliche Gestalt mit elegantem Hechtsprung ins Wellenbad. Elas hält die Augen geschlossen und summt leise vor sich hin, erst als Julo ihn am Arm berührt und öffnet er seine Augen und streckt seinen Körper.

„Schau wie lange sie taucht, das hat sie noch nie gemacht“, Julo deutet hinüber zum Wellenbad. „Doch hat sie sicherlich, es geschieht immer dasselbe.“ Elas schließt wieder seine Augen und räkelt sich desinteressiert im warmen Wasser. Eine beruhigende leise Melodie weht vom Strand herüber und ein Duft von Blüten und Meer liegt in der Luft. Elas summt die Melodie leise mit und ist etwas ungehalten, als Julo wieder seinen Arm berührt, „sie taucht immer noch! Wie macht sie das? Ich gehe hinüber und werde sie fragen.“ Elas lässt sich nicht stören und Julo schlendert langsam zum Wellenbad. Er bemerkt, dass mehrere Personen im Vorübergehen gleichgültig auf das Wasser blicken, aber erst beim Näherkommen sieht er die regungslose Gestalt, die mit ausgebreiteten Armen, das Gesicht nach unten im Wasser treibt. Julo überlegt, ob er warten, oder wieder zurückgehen soll zu seinem Freund und als die flanierenden Personen um ihn herum nicht stehenbleiben, geht er ebenfalls.

Stunden später, als die Sonne längst untergegangen ist und der Mond in vollem Rund am nachtblauen Himmel steht, rollen mechanische flinke Diener leise summend herbei. Emotionslos verrichten sie ihre Arbeit, säubern die Wege und heben den leblosen Körper Jalaras aus dem Wasser. Dann herrscht Stille, die nur von dem leisen Rauschen der Wellen im Kristall klaren Wasser unterbrochen wird.

Während Elas mit vielen Freunden, wie jede Nacht, in den unterirdischen eleganten Räumen an der Baar sitzt und exotische Getränke bestellt, blickt Julo durch sein Teleskop sehnsuchtsvoll ins Universum. Er hat die, über den ganzen Planeten verteilten luxuriösen Einrichtungen für nächtliche Aktivitäten wie Partys, Spielkasinos, Fitnessräume und Musikdarbietungen, schon lange nicht mehr besucht, es interessiert ihn nicht, seine ganze Sehnsucht gilt den Sternen.

 

*

 

Tief im Inneren des Planeten, unter dem großen Ozean, liegt der Palast von Ternet, dem Herrscher über alles Leben und Hüter des Planeten Azon. Der unsichtbare König, der seinem Volk jeden Wunsch sofort erfüllt, der alle Entscheidungen trifft und unsichtbar im Inneren des Planeten wirkt. Nichts geschieht, was er nicht verursacht und für gut befunden hat. Seine Aufgabe ist es, den Bewohnern ein sorgenfreies und angenehmes Dasein zu ermöglichen, damit sie die Zeit finden, in ihrer kreativen und künstlerischen Entwicklung voranzukommen und damit sich die Vergangenheit nicht wiederholt. In seiner Erinnerung ist eine wichtige Mahnung niedergelegt, es muss einmal eine Zeit gegeben haben, in der es ihn Ternet noch nicht gab. Dort in jener, in der Dunkelheit der Vergangenheit verloren liegenden Zeitepoche, war der ganze Planet vom Chaos beherrscht. Alle Entscheidungen wurden damals von den Menschen selbst getroffen, mit fatalen Folgen. Azon hatte damals sehr gelitten unter den Kriegen um Land, Reichtum und Macht, der Planet wurde brutal ausgebeutet, während gleichzeitig Menschen an Hunger starben. Ursache waren die fehlenden künstlerischen Eigenschaften, die Liebe zu Schönheit und Harmonie, die nur in einem der Kreativität zugeneigten Geist entstehen können.

Sie müssen es lernen, die Verantwortung für das was sie tun selbst zu übernehmen und ich Ternet bin ihr Lehrer, es ist meine Hauptaufgabe, das kreativ gestalterische Potential in ihnen zu wecken. Dann werden sie erkennen, dass Krieg und Kampf sinnlos ist. Er seufzt und weiß, noch sind sie nicht fähig, den Planeten ohne ihn zu einem Paradies zu machen und dieses auch zu erhalten. Aber solange sie glücklich und zufrieden sind, können sie sich entwickeln und erzeugen keine katastrophalen Fehlentscheidungen.

Eine weitere Herausforderung besteht in seiner persönlichen Entwicklung, Ternet will sich selbst perfektionieren, um seinem Volk noch besser dienen zu können. Aber er ist an eine Grenze gestoßen, die Phasen der Müdigkeit, in denen er sich schwach fühlt und kaum in der Lage ist, die ihm zufließenden Energien zu nutzen, diese Phasen treten immer öfter auf. Werde ich meine Aufgaben weiterhin erfüllen können? Was geschieht mit mir? Ich, der die Ewigkeit besitzt werde immer schwächer!

Es wirkt sich auf seine Kinder ebenfalls aus, er hat festgestellt, dass beim Wunschverhalten seiner Kinder eine starke Verminderung zu verzeichnen ist. Neue und spontan ausgedachte Bestellungen gehören der Vergangenheit an, oft ist es sogar so, dass lediglich endlose Wiederholungen gewünscht werden. Wo sind die lebendigen Ideen für neue noch nie dagewesene Dinge? Er registriert den stagnierenden Bereich „Interesse und Entwicklung“ mit Sorge, denn dieser steuert eindeutig auf den kritischen Punkt zu. Er wird alles neu berechnen müssen! Er ist müde, aber eine Korrektur ist nötig geworden und er startet sein Analyseprogramm.

 

Ternet sieht sich in den folgenden Tagen immer wieder mit dem völlig unbefriedigenden Ergebnis seiner Analyse konfrontiert. Aufgabe Nummer zwei ist zum Stillstand gekommen. Jalara war ein spontan aufgetretener, zusätzlicher Testlauf in dieser Sache, der jedoch ebenfalls keine Lösungsmöglichkeit gebracht hat. Ihr Körper liegt regungslos auf einer Liege in einem separaten Teil des riesigen königlichen Saals, ihre Haare sind noch nass und kleben ihr im Gesicht. Es ist kein Leben mehr vorhanden, die körperliche Hülle hat ihre einst so gesunde Bräune völlig verloren und zwischen zwei Haarsträhnen ist ein blickloses starres Auge zu erkennen. Ternet sucht Antworten auf die Frage: Warum sind seine Kinder nicht aktiv geworden? Sie haben sie gleichgültig ertrinken lassen! Er suchte bei den Menschen spontane mitfühlende Reaktionen und musste erkennen, dass solche Regungen bei seinem Volk nicht mehr vorhanden sind. Ein weiterer Test wäre sinnlos, die Ergebnisse sind eine Tatsache.

 

Er nimmt seine ganze Kraft zusammen und startet mühsam eine seit tausenden von Jahren nicht mehr aktivierte Komplettanalyse der Gesamtsituation. Kraftvolle Energiemengen fließen ihm zu, ein starkes Vibrieren des Fußbodens setzt sich in den Wänden fort, es dauert Stunden. Die Stunden werden zu Tagen und als das Ergebnis vorliegt, weiß Ternet, dass er schwach geworden ist und die Ursache nur bei ihm selbst liegt. Er, Ternet muss sich verändern um neue Kraft zu finden, zum aller ersten Mal, weiß er nicht, was zu tun ist, denn die Ursache des Problems liegt im Dunkel seiner eigenen unbekannten Vergangenheit. Er muss zurück zum Beginn seiner eigenen Existenz, dort liegen die Antworten und die Lösungen nach denen er sucht. Eine Änderung in dem Programm, das seine eigene Weiterentwicklung fördern soll, ist unabdingbar. Wann bin ich geboren? Wo liegen meine Wurzeln, mein Ursprung? Wer gab mir meine Aufgabe, war ich es selbst? Was ist damals geschehen damit ein Fehler entstehen konnte? Er muss korrigiert werden und zwar an seinem Ursprung!

 

*

Julo liegt entspannt auf der weichen, einen leichten Duft verströmenden Liege und lässt sich seine Beine massieren. Die kleinen flinken Helfer um ihn herum sind in der Lage, alle wichtigen Muskeln eines Körpers zu kennen und sie effektiv zu stimulieren. Geräuschlos gleiten sie auf weichen Rollen hin und her, perfekte Maschinen, die auf jeden Wunsch sofort reagieren. Er lässt es gleichgültig über sich ergehen, seine Gedanken sind weit draußen, bei den Gestirnen, die er jede Nacht am klaren Himmel sehnsuchtsvoll beobachtet. Der Mond erscheint ihm in diesen Stunden wie ein lebendes Wesen, das mit den anderen Planeten kommuniziert und manchmal hat er das Gefühl, dass die Galaxien da draußen auch ihn wahrnehmen. In solchen Momenten wird ihm oft enttäuschend bewusst, wie unmöglich es für ihn ist, sie jemals zu erreichen. Aber er wird auch in dieser Nacht wieder hinaus ins endlose Weltall blicken, sich vorstellen wie es wäre, wenn er hinausfliegen könnte, andere Planeten besuchen und wenn er die majestätisch rotierenden Galaxien erforschen könnte.

 

Die fleißigen Helfer haben ihre Arbeit beendet und Julo kehrt in die Gegenwart zurück. Seufzend erhebt er sich und geht zum Fenster. Er registriert, dass er heute besonders oft an Jalara denkt, mehr wie in den vergangenen Tagen, ein merkwürdiges Gefühl steigt jedes Mal in ihm auf, er kann es nicht einordnen. Es kommt ihm so vor, als wenn er etwas übersehen hätte oder vergessen, er weiss aber absolut nicht was das sein könnte. Etwas ist anders, aber was? Julo hat schon versucht mit seinem Freund Elas darüber zu sprechen, musste jedoch feststellen, dass dieser überhaupt nicht verstanden hat, was er sagen wollte.

Ein tiefer melodischer Klang schwingt plötzlich durch den Raum, es ist die Ankündigung, dass Ternet sprechen wird. Dies kommt täglich vor, es ist eine hohe Ehre die Stimme des Herrschers des Planeten zu hören, für Julo gehört es zur täglichen Routine. Mit einer Handbewegung bedeutet er seinen Helfern sich zu entfernen, dann ist bereit die allgemein übliche tiefe Verbeugung zu machen, sobald das Bild des Herrschers erscheint. Die Luft im Raum beginnt zu flimmern und das leuchtende Symbol Ternets wird sichtbar. Es ist das wunderbare Leuchten des Symbols, das eine klare Sicht auf den Hintergrund unmöglich macht. Ternets Stimme ertönt und Julo hört, wie schon tausende Male die gleichen Worte: „Ohne aus der Tür zu gehen, erkenne ich die Welt, Glück, Licht und Erleuchtung für alle meine Kinder.“ Julo erwartet, dass nun wie immer eine Aufforderung folgt, mehr Wünsche zu aktivieren und die Phantasie fließen zu lassen, verbunden mit der Aussage, dass die Vorzüge der Wunscherfüllung glücklich machen. Er wartet minutenlang, aber Ternet schweigt, da wird ihm klar, dass dies keine der üblichen Ansprachen sein kann.

„Ich spreche nur zu dir Julo, denn du wirst mein Bote sein.“ Tief und klangvoll ertönt die Stimme des Herrschers. Julos Herz schlägt bis zum Hals, niemals wurde jemand persönlich angesprochen. „Er kennt meinen Namen!“ denkt er und hat das Gefühl sich setzen zu müssen. „Folge meinem treuen Helfer, er wird dich zu mir führen“, das leuchtende Symbol im Raum löst sich auf und einer der mechanischen Diener rollt in den Raum.

Julo kann später nicht mehr sagen, wie er in die heiligen Hallen des Herrschers gekommen ist, er verschwendet keinen Gedanken daran, sich durch eigene Gedankenkraft zu bewegen, sondern wie in einem Traum folgt er dem mechanischen Helfer auf das Transportband, sie gleiten vorbei an grünen Hügeln, schneeweißen Wohneinheiten, Feldern mit blühenden Blumen, rauschenden Wasserfällen und kristallklaren Flüssen. Dann verlassen sie das Band und es tut sich ein in Felsen gehauener breiter abwärts führender Gang vor Julo auf, er führt in eine riesige unterirdische kreisrunde Halle, seine Schritte klingen seltsam hohl auf dem, aus dem Felsen gehauenen Boden. Es ist kühl und Julo fröstelt als er vorsichtig auf die, im Raum stehenden quadratischen Blöcke zugeht, es sind hunderte, die Halle ist ausgefüllt damit. Sie bestehen aus Metall und einige sind mit einem Bildschirm und unzähligen kleinen blinkenden Lichtern ausgestattet. Dicke Kabel in verschiedenen Farben gehen von jedem aus und verschwinden im Fußboden. Mechanische Helfer rollen lautlos durch den Raum, sie reinigen den Fußboden und polieren die metallischen Blöcke. Er beobachtet, wie ein Helfer auf eine Tastatur zugreift und Ziffern eingibt, die dann auf dem darüber liegenden Bildschirm erscheinen. Sein Blick wandert zu der in der Mitte des Saals, auf einem hohen Podest stehenden gläsernen Kugel, sie ist angefüllt mit einer dunklen undurchsichtigen Flüssigkeit, kleine Bläschen haben sich im Inneren an das Glas geheftet. Dicht darüber schwebt eine lebendig strahlende Lichtwolke, kleine blaue Blitze zucken lautlos daraus hervor und umkreisen die Kugel.

 

Er erschrickt, als wie von Geisterhand ein bequemer Sessel aus dem Fußboden auftaucht und die klare Stimme Ternets ihn bittet Platz zu nehmen. „Wo bin ich hier?“ denkt Julo, „das kann nicht der Palast des Herrschers sein, kalter Felsen und ein Haufen blinkender Maschinen? Was will Ternet von mir, was soll ich hier und wie komme ich wieder zurück?“

Die angenehm weiche Stimme des Herrscher ertönt, sie füllt den ganzen Raum aus: „Julo, das ist mein Reich und was du vor dir siehst bin ich. Du würdest mich als lebende Maschine bezeichnen. Von hier aus beschütze und versorge ich euch, ich liebe euch alle, denn ihr seid meine Kinder. Was du hier siehst ist ein wichtiger Teil, das Zentrum meines Seins, von hier aus umspannen meine Arme den ganzen Planeten. Ohne aus der Tür zu gehen, erkenne ich die Welt, Glück, Licht und Erleuchtung für dich und alle meine Kinder“

Julo ist noch weit davon entfernt, zu begreifen was ihm geschieht. „Was willst du von mir, wer bist du? Ternet wohnt in einem herrlichen Palast, ich möchte lieber wieder gehen.“

„Alle deine Fragen werden beantwortet. Du bist in dieser Zeitepoche der einzige, der mich in meiner wirklichen Gestalt gesehen hat und das hat seinen besonderen Grund. In dir ist Potential, dein Interesse für das Universum zeigt, dass du noch nicht erkannte Fähigkeiten besitzt. Siehe, du warst kurz davor und es hätte nur noch wenig gebraucht, um als einziger Mitgefühl zu empfinden als Jalara Hilfe brauchte, es war ein Test. Meine Hoffnungen ruhen auf dir, ich habe dich auserwählt für eine große Aufgabe. Ich bin müde geworden und viele Informationen über die Vergangenheit sind verloren gegangen. Julo du wirst mein Bote sein und unsere Welt verändern und voranbringen, ich gebe dir Wissen.“

Ein heller blendender Lichtstrahl kommt aus der größten der Maschinen und hüllt Julo vollkommen ein. Er kann sich nicht mehr bewegen, wie gelähmt spürt er, wie eine starke Energie durch seinen ganzen Körper fließt und in seinem Kopf eine fremde Präsenz Bilder entstehen lässt. Wie in einem Film fließen ihm Informationen zu, er erfährt, dass er als einziger eine emotionale Reaktion gezeigt hat, als Jalara ertrank. Er ist neugierig gewesen und wollt Fragen stellen und das zeigt, ihn ihm sind noch evolutionäre Potentiale die gefördert werden können. Er sieht seinen Freund Elas, mit leerem Blick nippt dieser an seinem Getränk. Zum ersten Mal realisiert Julo wie gleichgültig er sich verhält, wie er stereotyp immer denselben Tagesablauf verfolgt. Essen, schlafen, schwimmen, Party feiern und ausruhen, mehr ist da nicht.

Dann wird Julo gezeigt, dass alle Bewohner seines Planeten genau wie Elas in einem gleichgültigen Kreislauf von sich ständig wiederholenden Gewohnheiten gefangen sind. Nicht der kleinste Wusch nach Veränderung und Entwicklung ist zu spüren, keine Neugierde und keine Freude, es scheint, als hätten sie keine Seele. „Oh Ternet, ich bin genauso!“ Julo beginnt zu schwitzen, es ist das äußere Anzeichen seiner inneren Panik.

 

„Meine Kinder sind so geworden, weil ich müde bin“, Ternets Stimme schwingt verhalten durch den Raum, „drei Aufgaben erfülle ich seit tausenden von Jahren, aber dies kann nicht alles sein, wie soll es weitergehen? Ich, der die Ewigkeit besitzt, bin müde geworden und sehne mich nach neuer Energie.“ Julo empfindet ein Beben in seiner Brust und sein Kopf fühlt sich riesengroß an, er hat das Gefühl zu träumen. Ternet der allgegenwärtige unfehlbare Herrscher ist eine vollkommene Maschine und möchte noch perfekter werden! Ist dies überhaupt möglich?

Informationen fließen in sein Bewusstsein, er sieht Kristalle, die das Gedächtnis Ternets darstellen. Kompliziert verschlungene Energiebahnen bewegen sich ständig über den ganzen Planeten und aus unzähligen blinkenden Apparaturen fließt Energie zu der runden gläsernen Kugel, die umhüllt wird von bläulich leuchtenden Lichtblitzen. Es wird ihm gezeigt, wie das alles arbeitet und wie es verändert werden kann, zahllose Verknüpfungen komplizierter Programme arbeiten zusammen, um optimale Ergebnisse der drei Hauptaufgaben Ternets zu erzielen. In Minuten werden die für ihn fremden Sprachen aus der Vergangenheit des Planeten in seinem Gedächtnis verankert, eine Fülle an Informationen und Wissen fließen ihm zu. Die blinkenden Lichter der Maschinen brennen in seinen Augen als die Stimme Ternets erneut ertönt: „Ein Versäumnis, ein Fehler in meiner im Dunkeln liegenden Vergangenheit muss gefunden und geändert werden. Wer hat mich erschaffen? Ich weiß es nicht. Julo, du wirst mein Abgesandter sein, ich sende dich in die Vergangenheit, viele Zeitepochen Azons wirst du besuchen können. Finde meinen Schöpfer und berichte ihm, nur er kann helfen!“

 

Kapitel 2

Julo steht auf dem kleinen Hügel, blühende Blumen verströmen einen betörenden Duft und die Wipfel der nahen Bäume wiegen sich im Wind, dahinter der türkisblaue Ozean, der leise rauschend sanfte Wellen an den weißen Sandstrand spült. Hinter ihm erstrahlt die kreisrunde Kuppel der Wachstumsstation im Sonnenlicht, dort wurde auch Julo einst geboren, in einem gläsernen Behälter genetisch perfekt erschaffen und fähig, sich per Gedankenkraft zu den entferntesten Orten des Planeten zu begeben. Diese Fähigkeit wird jedoch selten benutzt, die Konzentration erfordert einfach zu viel Anstrengung, gibt es doch die bequemen Transportbänder.

Er nimmt Abschied vom Jahr 13.403, seine Augen sind in eine unsichtbare Ferne gerichtet. Er wird diese Welt, so wie sie jetzt ist verlassen und er weiß, egal wie erfolgreich er sein wird, diese Welt wird sich auf jeden Fall verändern. Viele Monate hat er im Palast von Ternet verbracht, er wundert sich, dass er immer noch das Wort Palast verwendet, aber das spielt nun keine Rolle mehr. Eine Fülle von Wissen und technischem Verständnis ist ihm gegeben worden, er weiß nun Dinge, die er sich bis dahin nicht einmal vorstellen konnte. Er weiß, dass der Herrscher eine lebende Maschine ist, ein Gebilde aus Metall, Drähten, Röhren und Speichermedien aus Kristall, auch hat er erfahren, dass Ternet seine Energie aus dem inneren des Planeten direkt bezieht und sich selbst wartet und repariert. Gleichzeitig hat er erkannt, dass in all dem Bewusstsein, faszinierende Logik, Emotion und unendliches Wissen vorhanden ist.

Ein wenig sehnt er sich nach dem problemlosen, aber eintönigen bisherigen Leben und nach den Nächten, in denen er sich mit dem Sternenhimmel verbunden fühlte. Kurz denkt er an Elas und weiß, dass dieser ihn nicht vermissen wird, Julo seufzt, wahrscheinlich hat er mich schon vergessen. Es ist für mich vorbei, alles ist anders, niemals mehr werde ich der sein der ich war. Die Gefühle, die ihn intensiv durchströmen sind neu und irgendwie fremd, gleichzeitig weiß er jedoch, dass sie ein Teil von ihm selbst sind, und dass sie tief unter einer Schicht gleichgültiger Langeweile begraben waren. Ein besonders intensiver Schmerz sitzt in seiner Brust, es ist die Erkenntnis, dass Elas und alle Menschen seiner Zeit kein Wissen besitzen und auch nicht nach Erkenntnissen streben, sie sind wie leere nutzlose Hüllen ohne Sinn und ohne seelische Reife und eine einzelne Träne rollt über seine Wange.

 

Lange steht er so und nimmt Abschied, er Julo wird diese Welt verändern, Ternet perfektionieren und seine Freunde aus der ohnmächtigen Lethargie befreien. Den Gedanke, dass die Aufgabe zu groß für ihn ist und schief gehen könnte, legt er beiseite; das kleine handliche Gerät in seiner Hand, wird ihn in der Zeit zurück versetzen und mit all dem Wissen, das er noch benötigen wird versorgen, es gibt ihm ein beruhigendes Gefühl. Ternet hat es speziell für ihn und für seine Aufgabe hergestellt, mit dem Hinweis, dass nur Julo und der Schöpfer Zugriff haben werden.

Ein letztes Mal blickt er hinüber zu den malerischen Bergen und zu den in der Ferne leise rauschenden Wellen des Ozeans. Wie wird sich der nächtliche Sternenhimmel in der Vergangenheit zeigen? Mit einem sehnsüchtigen Blick zu dem jetzt strahlend blauen Himmel holt er tief Luft, schließt seine Augen und aktiviert sein Handgerät. Die Welt entschwindet, er hat das Gefühl tief zu fallen, grauer Nebel hüllt ihn ein und raubt ihm den Atem. Erst als er wieder festen Boden unter seinen Füßen spürt, lässt das Gefühl zu ersticken nach und mutig öffnet er seine Augen.

 

Wir schreiben das Jahr 9.005

 

Es ist Tag und sein erster Blick fällt auf eine Mauer aus glatt polierten handgroßen Kacheln, die fast wie große Mosaiksteine wirken, ein Ende ist nicht zu erkennen, endlos dehnt sie sich in beide Richtungen. Ein leichter Wind weht ihm entgegen, als zwei Menschen langsam auf ihn zu schlendern, ihre weißen Gewänder schwingen bei jeder Bewegung um ihre Körper. Als sie Julo erblicken, bleiben sie erschrocken stehen, „du hast gezählt!“ Einer der beiden deutet auf das Handgerät in Julos Hand, „das wird euch nichts nützen, wir werden Sieger sein, los verschwinde und sage deinen Leuten, dass sie auf der Verliererseite sind.“ Julo blickt die beiden fragend an: „Entschuldigen sie bitte, was meinen sie mit zählen? Ich bin nicht von hier, bin gerade erst angekommen.“

Die beiden beraten sich leise, dann gehen sie kopfschüttelnd davon, „einer von der anderen Seite“, hört Julo noch und blickt ihnen nach bis sie in der Ferne verschwunden sind.

 

Etwas ratlos blickt er sich um, vor ihm dehnt sich die endlose Mauer, sie ist hoch, er kann nicht darüber hinwegsehen. Dann dreht er sich um und sieht uralte Gebäude, es müssen einst prächtige Bauten gewesen sein, das ist trotz dem Gestrüpp, das aus den Mauern wächst noch zu erkennen, sie sind zerfallen und längst nicht mehr bewohnt. Weiter entfernt sieht er in der Ferne eine große Anzahl intakter Häuser, dort müssen Menschen sein, er beschließt die Stadt, oder was immer es sein mag, aufzusuchen. Einen letzten Blick wirft er auf die seltsame Mauer und registriert, dass jeder Stein mit einem anderen Symbol verziert ist, er kann keine zwei gleichen entdecken. Manche sehen aus wie von Kinderhand bemalt, andere sind mit eher filigranen Zeichnungen verziert, auf anderen leuchten bunte farbige Linien und Kreise, aber jede ist anders, ihm wird fast schwindlig bei der Betrachtung.

 

Um mehr Eindrücke sammeln zu können, beschließt er zu Fuß zu gehen. Während er über grüne Wiesen in Richtung der Stadt wandert, blickt er angespannt auf sein Handgerät, es zeigt das Jahr 9.005 „über viertausend Jahre in der Vergangenheit!“, spricht er leise zu sich selbst und versucht tapfer das aufkommende Gefühl der Angst zu ignorieren.

Als er die Gebäude erreicht, stellt er fest, dass alle fast gleich aussehen. Rechteckig aus einem ihm unbekannten Material, mit runden Fenstern und schmucklosen kleinen Türen aus Holz. Aber wo sind die Menschen? Er kann niemand entdecken, weder auf der Straße, die aus dem gleichen Material besteht wie die Gebäude, noch in den Häusern selbst, sie stehen einfach verlassen da. Er durchstreift die schmalen Straßen in alle Richtungen, immer das gleiche Bild bietet sich ihm, leere dunkle Fenster und die schmucklose Mauern der Häuser. Das einzig lebendige ist ein fernes Geräusch, das ihn auf seinem Weg die ganze Zeit begleitet hat, zuerst hat er es kaum wahrgenommen, doch es scheint lauter zu werden. Es ist fast wie ein Summen, doch dann erkennt er, es sind die

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 02.07.2017
ISBN: 978-3-7438-2080-7

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich allen Science Fiktion Fans und den Liebhabern spannender Geschichten über Zeitreisen, Internet und Zukunftsvisionen. Viel Freude beim lesen wünscht Irene Schumacher

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