Die Saat der Zukunft
Roman
Trilidus liegt am Fuße des Hügels, nahe seinem Vater, er hat die Form eines Steins angenommen und es ist ihm langweilig. Die anderen Steine haben ein so kleines Bewusstsein, dass er es satt hat mit ihnen zu kommunizieren. Er nervt seinen Vater schon so lange mit der Frage: „Warum müssen wir denn immer noch einen Stein darstellen, können wir nicht damit aufhören und etwas Interessantes machen.“ Unzählige Planeten dieser Galaxie haben sie besucht, überall Wachstum und Lebenskraft etabliert und dann, im Sonnensystem mit der Bezeichnung alep0y nahe der Orion Zentralsonne geschah das Unfassbare, dabei wurden ihre Gefährten völlig ausgelöscht. Trilidus und sein Vater sind seither allein, andere ihrer Art, sind in unendlich fernen Weiten unterwegs. Sie konnten nur durch die, das Universum durchziehenden Resonanzbahnen der wandernden Galaxien über das Geschehen informiert werden.
Sein Vater ist in seiner Seele tief bewegt und möchte die feste Form des Steins noch beibehalten um Energie zu tanken und auch weil er noch trauern möchte um seine Gefährten, die in einem einzigen schrecklichen Augenblick ausgelöscht wurden. Er vermisst seine Freunde unendlich, sie wollten leichtsinnig die materiell verletzlichen Körper nicht ablegen. Eine Ruhephase ist nötig und dafür ist dieser Planet ideal. Er trägt kein bewusstes, denkendes Leben und Tilimin begrüßt die Kraft spendende Stille. Auch hat er seit wenigen Stunden telepathischen Kontakt zu einem einzelnen Wesen, dessen Volk die Katastrophe herbeigeführt hatte und er erfährt viel über das Schicksal jener untergehenden Spezies. Dieses Wesen befindet sich auf einer einsamen Mission und hat sich während der Katastrophe von seinen Artgenossen getrennt um hier in dieser Galaxie seine Bestimmung zu erfüllen.
Tilimin hofft sehr, dass sein Sohn nicht zu ungeduldig wird und hält ihn zurück, wenn dieser eine Blume oder einen Arm aus seiner Steinform herauswachsen lässt. Trilidus versteht das nicht, es ist niemand da, der dies bemerken könnte. Sie sind die einzige bewusste intelligente Gedankenform auf diesem Planeten und da liegen sie, in der geschützten Form eines Steins. Er weiß, dass es für ihn nicht so nicht weitergehen kann, und richtet die Bitte zu der kleinen Sonne, die diesem Planeten und acht weiteren Licht und Energie spendet: „Lass etwas passieren, ich langweile mich so schrecklich.“
Seine Bitte wird erfüllt und Trillidus jubelt, was für eine Abwechslung, was für ein Abenteuer, ein Besucher ist da! Leicht torkelnd, mit langsamer werdender Geschwindigkeit tritt ein merkwürdiges Ding in die dünne Atmosphäre des Planeten ein. Es dreht in geringer Höhe ein paar Kreise und lässt sich dann auf merkwürdig dünnen Beinen, die an ihrem Ende dicke schwarze Rollen besitzen, in der Nähe nieder. Trilidus nimmt Kontakt auf und ist völlig erstaunt, dass der Besucher aus Metall und primitiven künstlich hergestellten, ihm unbekannten Materialien besteht. Er stellt fest, dass der Besucher so gut wie kein Bewusstsein besitzt, aber eine gewisse Funktionalität vorhanden ist: „Das muss ich erforschen“, denkt er und ist voller Neugierde. Er beobachtet verwundert, dass das Ding zunächst vollkommen still und unbeweglich da steht und Trilidus vermutet, dass es genau wie sein Vater, Energie tanken und sich erholen möchte. Doch dem ist offensichtlich nicht so, denn plötzlich rollt es auf den komisch runden Rädern extrem langsam über die mit Sand und kleinen Steinen bedeckte Ebene. Es sammelt mit skurrilen Greifarmen Steine in eine Öffnung an seiner Unterseite und Trilidus hüpft spontan hinterher. Er hört in seiner Aufregung nicht die Rufe seines Vaters, der ihm verzweifelt befiehlt sofort zurückzukommen, stattdessen rollt er über das gesammelte Material hinweg und verschmilzt mit der Innenwand der Öffnung.
Sehr primitives Metall, stellt er fest, ein künstliches Gehirn, das nur auf Befehle reagiert und im einfachen plus-minus Bereich träge arbeitet, wo kommt denn das Ding bloß her? Diese Information scheint aber nicht verfügbar zu sein, jedoch sendet es Signale aus. Deshalb richtet Trillidus sein Bewusstsein auf die Sendeeinheit und verfolgt die Übertragungen zu ihrem Ursprungsort, gerne wäre er auf den Funkwellen dorthin gereist, aber die lahme und niedrige Frequenz ist dann doch unter seiner Würde. Er fängt an, nach einer besseren Lösung zu suchen. Er hat seinen Vater vor lauter Aufregung und Euphorie völlig vergessen, er fühlt sich wieder lebendig und sehr erwachsen: „So mein Freund“, teilt er kurz darauf dem Fremden mit, „jetzt werden wir dir mal kräftig Energie geben, dann können wir miteinander spielen.“
Im Raumfahrtzentrum ist die Kommandozentrale überfüllt mit Menschen, die sich gegenseitig gratulieren und voller Freude Sektflaschen öffnen, es gilt den Erfolg zu feiern. Die zahlreichen Monitore übertragen die Aufnahmen der Marssonde, die erfolgreich auf dem roten Planeten gelandet ist. Es sind Bilder einer hügeligen, kargen und von Steinen übersäten Landschaft, aber das wissenschaftliche Team und seine Mitarbeiter können sich nicht von dem großartigen Anblick lösen, die Sektkorken knallen und man prostet sich euphorisch zu. Zum aller ersten Mal setzt der Mensch, zwar nicht seinen Fuß auf den Mars, stellt aber den realen Kontakt mit der Oberfläche des Nachbarplaneten her.
Danach beginnt Phase zwei des Projekts, mit Spannung wartet man darauf, dass die Programmierung anläuft und die Sonde ihrer Aufgabe der Materialanalyse gerecht wird. Jetzt heist es Geduld zu haben, die Wissenschaftler lassen die Monitore nicht aus den Augen und flinke Finger bearbeiten hochkonzentriert die Tastaturen der hochmodernen Rechner. Niemand will den Beginn der Analyse Übertragungen verpassen. Dr. Samuel Acker, Nobelpreisträger auf dem Gebiet der Mineralogie, wirkt höchst angespannt, fast vergisst er zu atmen als um 24 Uhr und 37 Minuten Ortszeit die Bildschirme zu flackern beginnen. Etwas undeutlich, aber dennoch erkennbar werden Daten übermittelt: „Ja! Sie arbeitet, sie analysiert! Die Sonde ist voll in Funktion. Genau wie wir es uns vorgestellt haben!“, hoch erfreut hebt er sein Glas. Ein erneuter Sturm der Begeisterung lässt alle Anwesenden voll euphorischer Freude applaudieren, Mitarbeiter und Kollegen fallen sich in die Arme. Der Erfolg wirkt enorm motivierend und es beginnt eine zwar hektische, aber konzentrierte Aktivität, jeder nimmt seinen Platz vor den Monitoren ein, alle eingehenden Informationen werden automatisch gespeichert und gleichzeitig an entsprechende Laboratorien weitergeleitet. Dr. Acker beobachtet den Datenstrom: „Da! Seht doch, das ist eindeutig vulkanisches Gestein und hier… das könnte eine Art Erz sein“, er kann es kaum erwarten mit den eingehenden Analysen zu beginnen. Kaum jemals zuvor waren so viele Augenpaare gespannt auf die Monitore der Kommandozentrale gerichtet.
Dann geht ein Raunen durch die Reihe der Wissenschaftler und eine unruhige Spannung macht sich breit, denn urplötzlich und völlig überraschend ist auf allen Monitoren von einer Sekunde zur anderen nur noch ein schwaches flimmern zu sehen. Die Übertragung hat aufgehört, angespannte Stille herrscht im Raum man wartet darauf, dass weitere Informationen übermittelt werden, aber die Verbindung ist abgerissen. Nervosität macht sich breit und es wird intensiv daran gearbeitet, den Empfang wieder online zu bekommen. Unterschiedliche Meinungen über die Ursache des Abbruchs der Verbindung werden diskutiert, alle möglichen Veränderungen und Bandbreiten an den Empfängern werden getestet, jede noch so unwahrscheinliche Ursache wird in Erwägung gezogen. Aber auch nach stundenlangen hektischen Versuchen bleiben die Bildschirme tot, es kann keine Verbindung hergestellt werden.
Zwei Tage später und nach endlosen Versuchen ist es in der Kommandozentrale still geworden, die wenigen übertragenen Daten der Sonde werden inzwischen in Laboratorien ausgewertet. In der Zentrale sind drei Techniker mit Wartungsarbeiten beschäftigt, als plötzlich alle Bildschirme, die im Bereitschaftsmodus gehalten werden, aufleuchten und online gehen. Das Funksignal der Sonde wird übertragen und in den Arbeitsräumen der Wissenschaftler ertönt ein akustisches Signal. Ein Signal das man herbeigesehnt hatte und das alle in höchste Aufregung versetzt. „Mein Gott, sie sendet wieder!“, Samuel Acker ist wie elektrisiert und eilt mit seinen Kollegen hastig in den Kommandoraum.
Alle Blicke sind auf die Monitore gerichtet, jedes kleinste Detail wird aufgezeichnet und gespeichert, nur das leise Summen der Computer ist zu hören. Alle, auch Samuel stehen wie angewurzelt im Raum und keiner findet die passenden Worte, denn das was auf den Bildschirmen übertragen wird ist unmöglich, es kann einfach nicht sein. Ein Fuß der Sonde und ein Teil der Außenverkleidung ist zu sehen, offensichtlich funktioniert nur noch eine Kamera. Was die Wissenschaftler aber völlig sprachlos macht, ist die Tatsache, dass von der Marsoberfläche nichts mehr zu sehen ist, sondern der rote Planet in Fußballgröße hinter der Sonde steht und unmerklich kleiner wird.
„Überprüfen sie diesen Empfang genau, da treibt jemand einen Scherz mit uns!“, der Leiter der Kommandozentrale fasst sich mit beiden Händen verzweifelt an den Kopf und sein Team beginnt nervös mit intensiven Analysen der Übermittlung. Geheime Programm Codes und verschlüsselte Zugriffsdaten werden eingegeben, Ergebnisse abgerufen. Die Spannung und Nervosität im Raum ist auf dem Höhepunkt, als einer der Mitarbeiter, ein kleiner dunkelhaariger Mann mit einer dicken Brille hinter der seine Augen unnatürlich groß wirken, langsam aufsteht: „Sie kommt zurück,“ flüstert er, „ein genauer Kurs zur Erde… die Geschwindigkeit... sie übersteigt alles!“ Jeder der Anwesenden weiss, dass eine Rückkehr unmöglich ist, denn die Sonde hatte ihre Antriebsaggregate vor der Landung auf dem Mars abgesprengt und eine Programmierung zur Rückkehr gibt es nicht. Und … kein Raumfahrzeug der Erde hat bis jetzt auch nur annähernd die errechnete Geschwindigkeit erreicht, aber die Sonde rast damit eindeutig auf die Erde zu.
*
Zur gleichen Zeit sendet Trillidus ein Dankeschön zur Sonne, endlich geschieht etwas und noch viel phantastischer als er es zu hoffen wagte. Er macht mit seinem Besucher einen Ausflug und er blickt dabei nicht einmal zurück sondern nur nach vorne, zu dem blauen Planeten der langsam näher kommt. Er ist mit dem primitiven technischen Gehirn seines Gefährts verschmolzen und wundert sich, dass das ganze überhaupt funktionieren konnte. Wie dieses Ding es geschafft hat, einen anderen Planeten zu erreichen ist ihm ein Rätsel, der kann sich nicht einmal selbst reparieren, geschweige denn sich selbst verändern. Ob die Wesen auf seinem Planeten alle so sind? Na gut, denkt er, besser als keine Gesellschaft, werde ihm von mir und meinem Vater erzählen. Trillidus verringert die Geschwindigkeit etwas und nimmt Veränderungen am Gehirn seines Gefährten vor, so jetzt wird er mich verstehen können. Zufrieden nimmt er die Form eines flachen weichen Materials an und währen er es sich so richtig gemütlich macht, beginnt er seinem neuen Freund eine Geschichte zu erzählen.
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Am nächsten Tag kreisen ein halbes Dutzend Hubschrauber über dem atlantischen Ozean und unter ihnen kreuzt ein Flugzeugträger der US Navy. Alle Satelliten, das Radar, die Antennen und Kameras sind in den Himmel gerichtet und etwas abseits taucht ein U Boot aus den Fluten auf. Samuel Acker befindet sich mit dem Leiter der Mission, auf der Brücke des Flugzeugträgers und beide suchen angespannt mit ihren Ferngläsern den Himmel ab. „Sie muß jeden Augenblick in Sichtweite kommen“, Tom Rival leitet seit einem Jahr die Zentrale der Raumfahrtbehörde und eine solche Situation gab es noch nie: „Was denkst du?“, wendet er sich fragend an Samuel, „denkst du auch an Manipulation der Chinesen, oder wie einige Verrückte behaupten, dass Außerirdische die Sonde übernommen hätten?“ Die Gerüchte Küche unter den Wissenschaftlern blüht, denn keiner hat eine plausible Erklärung für die geheimnisvolle Rückkehr der Sonde. „Wir werden das Rätsel lösen“, meint Samuel, „ich hoffe nur, dass die Presse unser Statement für glaubwürdig hält. Nicht auszudenken wenn die Öffentlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt von der Geschichte erfährt.“ Man hatte in einer Pressekonferenz, die Erklärung abgegeben, dass Schrotteile einer abmontierten Weltraumstation ins Meer stürzen würden und dass man diese zu Analysezwecken bergen wolle.
Beide sind seit ihrer Schulzeit Freunde und betrachten es als glücklicher Umstand, dass sie beide für die NASA arbeiten, so konnte der Kontakt aus ihren Jugendtagen wieder aufleben. Erinnerungen an die gemeinsame Zeit als Pfadfinder und an die nicht immer ungefährlichen Indianerspiele haben dazu beigetragen, dass die Freundschaft auch heute noch besteht und oft verstehen sich die beiden auch ohne Worte. Als vor zehn Jahren die Lebensgefährtin von Tom durch einen Unfall ums Leben kam und Sam einfach nur für ihn da war, haben sie erkannt, dass gemeinsames Schweigen mehr sagen kann als jedes oberflächliche Gespräch. Doch heute in dieser Situation überstürzen sich ihre Gedanken und keiner kann die Vielzahl der eigenen, sich meist auch widersprechenden Spekulationen zurückhalten. Sie diskutieren immer noch angestrengt, als die Sonde bereits mit hoher Geschwindigkeit in den Pacific stürzt.
In der riesigen Lagerhalle, gut gesichert und nur einem ausgewählten Personenkreis zugänglich, ruht Tage später die aus dem Pazifik geborgene Sonde. Sie wird rund um die Uhr von mehreren wissenschaftlichen Teams eingehend untersucht. Die Annahme, die einige Kollegen vertreten, dass eine außerirdische Spezies sich an Bord befinden könnte um so Kontakt mit der Erde aufzunehmen, hat sich in keiner Weise bestätigt, außer den wenigen Sand- und Gesteinsproben, hat sie nichts mitgebracht. Die Geheimdienste arbeiten weltweit auf Hochtouren und Vertreter der Regierungen aller führenden Nationen halten geheime Treffen ab. Das einzige Land, das die Teilnahme und jegliche Stellungnahme abgelehnt hat ist China. Nach Informationen der Geheimdienste betreiben die Chinesen schon längere Zeit höchst geheime Forschungen im Bereich der Fernsteuerung von Weltraumsonden. Die mysteriöse Rückkehr der Marssonde kann nur damit, und dies auch nur äußerst spekulativ erklärt werden, daß die amerikanische Sonde ein Testobjekt für die Chinesen war. Oder aber zufällig in den Fangstrahl neuster und spektakulärer chinesischer Erfindungen geraden ist. Aber so richtig glauben kann dies niemand wirklich, es bleibt ein riesengroßes Fragezeichen, eine rätselhafte Situation die bald auf eine Art und Weise gelöst werden wird, die die Vorstellungskraft der Beteiligten weit übersteigt.
Samuel Acker und sein Team sind mit der Analyse der Gesteinsproben beschäftigt. Sein rechter Fuß macht ihm in Sorgen, seit einigen Tagen schmerzt die alte Verletzung aus der Kindheit wieder und das Hinken, das jeder an ihm kennt ist stärker geworden. Erleichtert lässt er sich auf einen der bequemen Sitze im Nebenraum der Lagerhalle sinken, hier findet die tägliche Besprechung wie an jedem Abend statt. Techniker, Computer Spezialisten, Astronomen, Funkelektroniker, Physiker, alles Experten auf ihrem Gebiet erstatten Bericht. Auch heute, wie an den Tagen zuvor, herrscht akuter Erklärungsnotstand. Nicht der kleinste Hinweis auf Manipulation oder Fremdeinwirkung wurde entdeckt, eine Sonde, die ohne Antrieb und Energie in extrem kurzer Zeit die Entfernung von ca. 170 Millionen Kilometern zurückgelegt hat. Die These, dass chinesische Technologie dies verursacht hat, wird als einzige logische, wenn auch mit vielen Fragezeichen behaftete Erklärung, notgedrungen in Erwägung gezogen.
Am Schluss der Besprechung trägt Samuel Acker seinen täglichen Bericht vor und erklärt, dass er bei den Proben vom Mars, neben den schon entdeckten Elementen wie Schwefel und Kupfer, auch einige Sulfate und Spuren von Titan Erz feststellen konnte. Einige Kollegen räumen bei diesen Ausführungen schon ihre Unterlagen zusammen, man geht davon aus, dass die Besprechung nun zu Ende ist.
Samuel Acker hebt jedoch seinen Arm und bedeutet, dass er weitere Erklärungen abgeben will: „Meine Damen und Herren Kollegen, ich möchte nun noch auf eine Besonderheit hinweisen und es ist mir bewusst, dass ich mich damit in einen Bereich hinein bewege, der völlig unerforscht und im Bereich der Spekulation zu finden ist. Sicher haben sie von dem kanadischen Kollegen gehört, der vor fünf Jahren aus den wissenschaftlichen Kreisen ausgeschlossen wurde, weil er unter anderem die These aufgestellt hat, dass so etwas wie organische Gedanken existieren. Er versuchte dies zu beweisen, indem er mit halb organischen Stoffen Forschungen durchgeführte, jedoch konnte er keinen Beweis für seine Theorie erbringen.“ Die Kollegen schauen leicht desinteressiert und die meisten wollen einfach nur endlich Feierabend.
Samuel ignoriert die allgemeine Aufbruchstimmung und fährt in seinem Vortrag fort:
„Nachdem ich die Proben unserer Sonde abschließend an dem neu entwickelten Laser Mikroskop in Denver ausgewertet habe, ergeben sich erstaunlich neue Erkenntnisse. Es wurden an der Innenwand und im Computergehäuse der Sonde mikroskopische, extrem kleine Spuren eines organischen Materials entdeckt. Es besteht in seiner Grundsubstanz aus Urea, ein Harnstoff, der uns allen bekannt sein dürfte, es enthält außerdem kaum nachweisbare Spuren die eine gewisse Ähnlichkeit der charakteristischen Merkmale von DNA aufweisen, die Proben sind jedoch zu gering um dies abschließend beweisen zu können. Was hoch interessant ist, die winzigen Partikel strahlen eine enorm hohe Energie aus, die in dieser verschwindend kleinen Menge, überhaupt nicht vorhanden sein dürfte. Außerdem sind noch nicht identifizierbare andere Substanzen im Grundstoff enthalten. Beim derzeitigen Stand meiner Erkenntnisse komme ich nicht umhin, die damalige These des kanadischen Kollegen in meine Überlegungen mit einzubeziehen. Eine fremde Intelligenz, eine halborganische Lebensform, die wir nicht als solche erkennen und die in der Lage ist, die Sonde zurück zu bringen. So etwas wie eine geistige Intelligenz, die sich nach Bedarf materialisiert indem sie ihre Frequenz in den für uns sichtbaren Bereich senkt und umgekehrt, meine Herren Kollegen, das wäre eine Erklärung.“
Nach diesem Vortrag sind die Kollegen aufmerksam geworden und keiner denkt mehr an Aufbruch, über eine Stunde wird heftig diskutiert, aber ohne Ergebnis und mit vielen Erklärungsversuchen, erst danach löst sich die Versammlung langsam auf.
Auch Samuel sammelt seine Unterlagen ein und greift nach seinem Kugelschreiber, er kann ihn aber nicht finden. „Ist das ihr Stift?“, ein Kollege reicht ihm das gute Stück, „er lag hier auf meinen Akten“. Samuel bedankt sich, steckt den Stift in die Brusttasche seines Hemdes und schließt sich den Kollegen an, die laut diskutierend den Besprechungsraum verlassen. Er weiß, dass er keine Ruhe finden wird und beschließt deshalb, noch einmal ins Labor zu gehen um einige Tests durchzuführen. Es ist sehr ruhig im Gebäude, nur einige Sicherheitsleute machen ihren Rundgang. Samuel unterhält sich kurz mit zwei Männern vom Wachpersonal. Man kennt sich untereinander und als Samuel nach dem kurzen Gespräch auf dem Weg zu seinem Labor ist, ruft ihn einer der Männer zurück: „Herr Acker, sie haben etwas verloren“, er hält Samuel seinen Kugelschreiber entgegen, „er lag hier auf dem Boden.“ „Danke“, sagt Samuel und greift zu seiner Brusttasche, sie ist leer, „ja das muss wohl meiner sein“, meint er und steckt ihn ein.
In seinem Labor nimmt er sich zuerst einen starken Kaffee aus dem Automaten und rührt gedankenverloren im Pappbecher, während er schriftliche Auswertungen durchsieht. Er stellt den Kaffeebecher auf den Tisch und erkennt einige Details, die er nochmals genauer analysieren möchte. Um sich Notizen zu machen greift er nach seinem Kugelschreiber in der Brusttasche, aber die Tasche ist leer. Er stutzt und schaut sich suchend um, dann traut er seinen Augen nicht, das Schreibgerät steckt in seinem Kaffee. Mit spitzen Fingern nimmt er den Kugelschreiber heraus und sucht nach etwas zum Säubern: „Bin ich überarbeitet?“, denkt er, „irgendetwas stimmt nicht!“ Er macht ein paar tiefe Atemzüge um seinen Kopf frei zu bekommen und um seine sonst so klare Konzentration wieder zu erlangen.
Da bemerkt er, dass die Kollegen die Untersuchung der Festplatte der Sonde offensichtlich abgeschlossen haben, denn sie liegt bereit zur mineralogischen Untersuchung auf seinem Tisch. Der Gedanke, hier vielleicht ebenfalls Spuren der unbekannten Substanz zu finden, lässt seine Müdigkeit verschwinden und er beginnt sofort damit, einige Proben von der Oberfläche zu nehmen und setzt sich an seinen Labortisch. Er schaltet die Analyse Geräte ein, fährt den Rechner hoch und freut sich wie jedes Mal, über die Laboreinrichtung nach dem aller neusten Stand.
Es ist still im Raum auch von draußen ist kein Geräusch zu hören: „ich bin wohl der letzte, der heute Nacht noch arbeitet“, denkt er und fährt erschrocken zusammen, als er ein klickendes Geräusch hört. Es kam eindeutig von der Speichereinheit, er dreht sich um und traut seinen Augen nicht, als sein Kugelschreiber senkrecht aufgerichtet direkt auf der Einheit steht. Wie gelähmt schaut er zu, wie das Schreibgerät seine Form verliert, durchscheinend wird und mit der metallischen Umhüllung der Einheit völlig verschmilzt. Ganz langsam erhebt sich Samuel von seinem Stuhl und umrundet wie in Zeitlupe vorsichtig den Schreibtisch, die Speichereinheit dabei genau beobachtend, sie sieht aus wie immer.
Vorsichtig streckt er einen Finger aus und berührt die Oberfläche. Die Umgebung, sein Labor, einfach alles verschwindet genau in dieser Sekunde urplötzlich aus seinem Bewusstsein. Es ist als würde seine Wahrnehmung der Außenwelt abgeschaltet. Stattdessen sieht er plötzlich Bilder, eine ganze Flut von Bildern in rasend schneller Reihenfolge wechselnd und in
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Irene Schumacher
Tag der Veröffentlichung: 06.02.2013
ISBN: 978-3-7309-1023-8
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