Vom ersten Moment an war es eindeutig. Es wurde mir direkt klar als wir uns gegenüber standen, die Blicke eisern miteinander verankert, dass keine Strömung der unberechenbaren See sie losreißen konnte. Als ich ich in die Augen dieses Mannes sah, war der Augenblick in dem ich in meine Zukunft sehen und diese Begegnung deuten konnte: Ich hasste diesen gottverdammten Kerl.
Der heulende Wind zerrte an dem stolzen Schiff, dass sich mutig seinen Weg über das unruhige Meer wagte. Wasser krachte von allen Seiten auf es ein, zerrend, stoßend, als wolle es jede einzelne Holzplanke herausreißen und es zerschmettern. Laute Rufe schallten über das Deck, Schritte trommelten auf den feuchten Holzboden ein. Aufgeschreckte Männer rannten hin und her, bemüht das Schiff unter Kontrolle zu behalten. Nur ein einziger stand ruhig da. Seinen Blick ließ er über das Deck schweifen, die Arme vor der Brust verschränkt. Schräg hinter im bemühte sich ein anderer Mann ächzend das Steuer zu halten. Die giftgrünen Augen huschten beiläufig zur Seite und fixierten ihn kurz, bevor sie sich wieder auf das Geschehen vor sich konzentrierten. Ausdruckslos starrten die im Licht der über den grauen Himmel zuckenden Blitze aufblitzenden Irden voraus. Kurz schlossen sich die Lider des Mannes und er ließ nun die Geräuschkulisse für einen Moment auf sich einwirken. Das Knarren des Holzes, das Flattern der Segel und der Flagge über ihm, das Poltern von Schritten und nicht festgeschnallten Gegenständen, die nun munter herum kugelten, unter ihm, das Prasseln des Regens auf seiner breiten Hutkrempe und seinen Schultern. Das Schlagen der Wellen gegen sein Schiff.
Der Mann holte tief Luft und öffnete seine Augen erneut. Der salzige Geruch hatte sich bei ihm bereits so gut eingeprägt, dass er ihn kaum noch wirklich wahrnahm, dennoch war er da. Wie der Geruch eines Zuhauses, in das man zurückkehrte. Ein warmer Ort an dem einen Sicherheit, Geborgenheit und vielleicht jemand erwartet. Das war doch nichts für ihn. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Der Mann wandte sich um und schaute triumphierend über die Reling am Ende des Schiffes.
„Spanische Bastarde.“, Zufriedenheit zierte sein Gesicht, als er seine Augenbrauen zusammenzog. Er lies sein Schiff doch nicht einfach beschießen, oh nein! Ihres hatte jedoch einige Schäden abbekommen und – eher aus einer Laune heraus – hatte er befohlen, weiter zu segeln. Die Spanier waren ihm in letzter Zeit ein wenig zu sehr auf die Nerven gegangen, da wollte er ihnen nicht auch noch Anerkennung gönnen und sie versenken, als wären sie seinen Zorn wert. Eine Erfahrung mehr für diese Trottel. Seinen Namen sollten sie lieber nicht so schnell vergessen, oder den Anblick dieses prachtvollen Gefährts sowie den seinen. Arthur Kirkland war niemand den man so schnell vergaß. Ein amüsierter Laut entfloh seiner Kehle, ehe er sich wieder umdrehte und wieder hinüber zu dem Steuermann hinüber schritt. Der Saum seines roten Mantels flatterte hinter ihm her und einige blonde Haarsträhnen strichen über sein Gesicht.
Arthur lehnte sich etwas zu dem Mann und gab ihm einige Instruktionen. Dieser nickte bloß und deutete an, dass er verstanden hatte.
„Wie weit noch?“, sich wieder von dem Steuermann abwendend, zog Arthur seinen Hut zurecht.
„Nicht mehr sehr, Cap'tain! In kürze werden wir angekommen und aus diesem Sturm heraus sein.“, lautete die Antwort.
Präzise war dies ja nicht gerade. Aber es konnte ihm gleich sein. Einem Sturm konnte er mit diesem Schiff Ewigkeiten lang trotzen, und diese unfähigen Spanier schienen auch nicht lebensmüde genug, ihnen zu folgen.
Als die Segel eingeholt, der Anker mit rasselnder Kette hinabgelassen und die Gangway bereits ausgefahren war, spazierte Arthur die Holzstufen zum Oberdeck hinab. Er hob den Blick und schaute knapp unter seiner Hutkrempe hervor um einen Blick auf den Hafen zu werfen. Die schäbigen Häuser standen dicht aneinander gedrängt, dunkel und verdreckt waren die Straßen, selbst das Licht der Laternen lies es nicht weniger schmutzig wirken. Im fielen direkt einige betrunkene, durch die Gegend schwankenden Seemänner, aufgetakelte Frauen – er konnte teilweise nicht sofort ausmachen, ob sie sich prostituierten, oder nicht – und die wenigen Leute, die sich bemühten einfach nur vorbei zu gehen. All dieser Schmutz, auch auf den menschlichen Teil bezogen, und diese abstürzenden Seelen zu Gesicht zu bekommen, lies sich kurz das Herz des Piraten zusammenziehen. Jedoch schluckte er sein Mitgefühl runter und wandte sich wieder seinen eigenen Leuten zu.
„Wir bleiben nicht lange. Vergnügt euch einige Stunden lang.“, richtete er einige knappe Worte an diese, welche ihre Begeisterung über den Aufenthalt ausdrückten, was ihrem Kapitän ein schiefes Lächeln aufs Gesicht zauberte. Arthur beobachtete, wie einer nach dem anderen das Schiff verließen. Er selbst griff nach kurzem Zögern in seine rechte Manteltasche und fischte einige Goldmünzen hervor. Unsicher beäugte er sie eine Weile.
Plötzlich klopfte ihm jemand auf die Schulter, sodass er reflexartig seine Hand zu einer Faust zusammenschloss und dem Angehörigen der Hand ins Gesicht sah. Irgendeine Rolle hatte er auf seinem Schiff auch, jedoch war es Kirkland im ersten Moment nicht klar. Ein Name fiel ihm auch nicht sofort ein.
„Kauf dir einfach mal 'n Weib. Gönn dir mal was.“
Der Typ lachte bloß auf den ein wenig genervten Blick seines Kapitäns und sprang ebenfalls die Gangway hinab.
Leicht angesäuert stierte Arthur ihm nach. Auch wenn er zugeben musste, dass dieser Vorschlag gar nicht mal so schlecht war. Der junge Brite seufzte und kratzte sich am blonden Haarschopf. Dann gab er sich doch noch einen Ruck und setzte einen Fuß in dickem Lederstiefel eingepackt auf die Holzplanke und ließ den anderen folgen. Er lies die Münzen einfach wieder in seine Tasche fallen und trat hinab, ehe er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Etwas komisch fühlte es sich schon an. Recht ungewohnt, da er den Großteil seiner Zeit wie gesagt auf dem Meer verbrachte. Trotzdem noch bekannt genug, dass er nicht taumelte oder das Gefühl hatte, der Boden würde schwanken. Bisher. Alkohol würde diesen Eindruck sicher verändern.
Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht und grüne Augen funkelten erwartungsvoll. Der Ausdruck auf seinem Gesicht strahlte Überlegenheit, wenn auch leichte Arroganz aus, sowie Selbstbewusstsein. Diesen trug er sehr oft und gerne. Es machte ihn aus. Arthur drängte sich an den Menschen auf der Straße vorbei, einen Schwung in seinem Gang, der ihn doch etwas hin und her schaukeln lies, was jedoch weniger lächerlich, als gelassen wirkte. Nach kurzem Überlegen hatte Cap'tain Kirkland sich für sein Ziel entschieden. Sein Grinsen wurde etwas breiter und er strahlte Zufriedenheit aus. Das Schild „The Contaminated Liver“ hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er steuerte nun diese Kneipe an.
Die stickige Luft war erfüllt von dem Geruch von Rauch, Alkohol, Erbrochenem, unzähligen Parfums und noch vielem mehr, was Arthur nicht ausmachen konnte und wollte. Ganz schlicht verlangte er nach Rum, nachdem er an einem kleinen, runden Tisch Platz genommen hatte. Die Kneipe war gut besucht, wenn auch nicht überfüllt. Arthur hatte diese am heutigen Tag zum ersten Mal betreten und konnte nicht einschätzen, ob er dies als gut oder schlecht deuten sollte. Er nahm seinen Hut ab und ließ ihn auf die Tischplatte fallen, ehe er sich mit der linken freien Hand durch die zotteligen Haare fuhr. Dabei lies er seinen Blick über die Anwesenden gleiten. Kaum einer schien wirklich Notiz von ihm zu nehmen, nur als er eingetreten war, hatten sie ihn angestarrt. Jetzt gingen sie ihren Beschäftigungen nach, tranken, lachten, stritten sich, oder was auch immer.
Der blonde Pirat konnte Klavierspiel unter den ganzen Stimmen ausmachen, welches wohl von der anderen Seite des Saales kam. Eine brünette Frau stellte sein Getränk vor ihm ab und er nickte ihr zu, bevor sie sich wieder verzog.
Als Arthur den Schnaps gerade an seine Lippen gesetzt hatte, bemerkte er sie. Die Person. Sie trug ein langes, violettes Kleid und hatte schulterlange blonde Haare. Ihre Lippen zierte ein Lächeln und der Blick der dunkelblauen Augen war auf ihn gerichtet. Kurz starrte er zurück, ehe er wieder in eine andere Richtung sah und den Rum seine Kehle hinabstürzte. Das war der erste. Und bei diesem einen allein sollte es nicht bleiben. Andere Getränke mischten sich auch unter seinen Konsum und langsam stierte Arthur ein wenig schief durch die Gegend. Erneut traf sein Blick dieser komischen Person. Irgendwie war sie ihm näher gekommen, stand nun vor seinem Tisch. Etwas überrascht schaute er sie an. Sie hatte feine Gesichtszüge, aber die Nase war doch ein wenig lang für eine Frau. Bei einem Mann wäre ihm das wohl kaum aufgefallen. Vielleicht lag es aber auch an seiner Sicht.
„Bonjour!“, wurde er begrüßt.
Ah, scheiße. Franzosen. Fast schon automatisch zogen sich seine Augenbrauen ein Stück zusammen. Einen Moment herrschte Schweigen, ehe er schnaubte.
„Was willst du von mir?“, wollte er wissen, seinen britischen Akzent nicht wirklich versteckend. Als Engländer und auch als Privatperson waren Franzosen nicht wirklich seine Lieblinge. Die Person vor ihm lächelte süß und ließ sich auf seinem Schoß nieder, die Arme um seinen Hals schlingend.
„Ich habe mich gefragt ob du nicht etwas Gesellschaft brauchst, mon cher.“, einerseits war es für ihn eine Qual seine wunderschöne Sprache mit diesem irren französischem Akzent vermischt wahrzunehmen, andererseits missfiel ihm die Situation auch wieder nicht. Da konnte er über diese Sache mal hinwegsehen.
„Wie kamst du denn darauf?“, verlangte er zu wissen, sie prüfend ansehend. Eine behandschuhte Hand löste sich von seinem Hals und wanderte zurück zur Tischplatte wo sie seinen Hut aufhob.
„Ein einsamer Seemann, trinkt alleine in einer fremden Stadt.“, geistesabwesend wirkend strich sie über die weiße und rote Feder, welche beide an dem Gegenstand angebracht waren, „Für einen kleinen Betrag würde man sich da doch glücklicher schätzen, non?“
Arthur beobachtete sie dabei. Sie setzte ihm seinen Hut auf und zupfte ihn wieder zurecht. Einerseits wollte er schlichtweg ablehnen – bemüht nicht zu fluchen, wie er es eigentlich ständig tat – aber andererseits …
Er willigte ein. Sein Mund hatte gesprochen, bevor es sein Gehirn realisiert hatte. Schon wurde er auf die Beine gezogen. Sie kam ihm jedoch ein Stück näher, ehe sie irgendwohin hätten verschwinden können. Sie lehnte sich auf seine Schulter, sodass sie ihm direkt ins Ohr sprechen konnte.
„Kannst du mich denn auch bezahlen?“Wortlos zog er sein restliches Geld hervor. Ein Grinsen ihrerseits.
„Trés bien. Merci~“, mit diesen Worten wandte sie sich von ihm ab und griff nach einer Flasche auf einem benachbarten Tisch. Diese wurde nun durch den Raum geworfen und knallte einem Fremden gegen den Kopf. Dieser kippte nach vorn. Mit einem konzentrierten Gesichtsausdruck – soweit es der Alkohol zuließ – beobachtete Arthur dies hinterfragend. Das hier lief jetzt falsch ab. Die Freunde des Unbekannten erhoben sich und brüllten durch den Raum. Jemand anderes deutete auf den englischen Piraten, der noch immer recht perplex war. Arthur warf einen Blick auf seine Hand. Leer. Das Geld verschwunden. In seinem Kopf machte es Klick und hastig schaute er sich um. Er entdeckte den Saum ihres Kleides nach draußen verschwinden.
„Du verdammte …!“
Arthur hechtete an den Gästen vorbei, nach draußen. Wütend blickte er sich um und rannte in die Richtung, in welcher er die flüchtige Person vermutete. Der Pirat sprintete voran, lauten Schrittes auf dem Stein. Immer wieder huschte sein inzwischen wieder aufmerksamer Blick hin und her. Suchte nach dem Gesicht, das jetzt doch etwas komisch wirkte, nach den blonden Haaren, welche mit einer Schleife im Nacken zusammengebunden waren, nach dem aufreizenden violetten Kleid.
Das Weib schien doch sehr schnell zu sein. Arthur stürmte jedoch unbehelligt weiter. Er würde sie auf keinen Fall mit seinem Geld davon kommen lassen. Flüssigkeit unter seinen Stiefeln spritzte hoch. Die grünen Augen huschten nach rechts, erhaschten einen Blick auf bekannte Handschuhe, welche achtlos auf ein herumstehendes Fass geworfen wurden. Vor kurzem lagen diese noch an seinem Hals und berührten die Federn seines Hutes.
Kirkland konnte etwas hören. Irgendwas war umgelaufen geworden. Siegessicher zuckten seine Mundwinkel, aber noch hatte er sie nicht erwischt. Um eine weitere Ecke gelaufen. Dort lag ein umgestoßener Krug, aus welchem irgendetwas auslief. Arthur beschleunigte seine Schritte und trampelte direkt über Stoff. Im Weiterrennen sah er zurück.
Moment, das … !
Der violette Stoff hatte sich gerade noch an die Figur dieser Person geschmiegt und diese wiederum an ihn. Lief sie jetzt nackt herum? Arthur wurde langsamer und blieb schließlich stehen, als er jemanden vorfand.
„Hab ich dich!“, er starrte die Gestalt vor sich an, welche sich erschrocken umdrehte. Lange blonde Haare, mit einer Schleife zusammengebunden. Die Größe stimmte, das Gesicht stimmte. Gekleidet in eine simple braune Hose und ein locker sitzendes, weißes Hemd starrte die Person ihn an. Alkohol hatte sein Urteilsvermögen wohl ein wenig sehr eingeschränkt.
„Ich will mein Geld wieder.“, verlangte er schlicht, finster drein blickend.
„Ah, mon cher!“, der Franzose trat näher. Die Stimme hatte nichts feminines an sich. Die Brust war nicht einfach nur flach, nein, auch hier nichts feminines. Die Person in dem Kleid war ein Mann.
Arthur funkelte ihn gereizt an. Der Franzose trat ihm ein Stück zu nahe.
„Das kann ich leider nicht tun, aber sieh dies als Entschädigung ein!“
Als er dem Briten nah genug war, legte er rasch seine Lippen auf die seines wütenden Gegenübers und fing ihn in einem flüchtigen Kuss, ehe er sich an ihm vorbei duckte und erneut flüchtete. Arthur lief rot an. Gleichzeitig vor Zorn und Scham. Er fuhr auf dem Absatz herum.
„BEWEGE DEINEN NUTZLOSEN ARSCH WIEDER HIER RÜBER!“
Da stahl ihm dieser Kerl nicht nur sein Geld, sondern auch noch einen Kuss. Der Pirat stürmte hinter ihm her. Jetzt hatte er etwas weiteres unfeminines entdeckt. Wobei auch einige Frauen Gesichtsbehaarung hatten. Dieser Franzose hatte jedoch seinen blonden Kinnbart recht weit gestutzt.
Nicht weiter über seinen nervigen Bart nachdenkend, rannte Arthur dessen Besitzer nach, den er leider nach einer Weile aus den Augen verlor.
Gleichzeitig hechtete dieser ein ganzes Stück weiter. Als er sich wieder einigermaßen sicher fühlte, blieb er stehen und schnappte nach Luft. Er warf einen Blick über die Schulter und konnte den idiotischen Briten nicht entdecken. Er grinste. So weit, so gut. Er holte das erlangte Geld hervor und betrachtete es schnell. Es war nicht all zu viel. Ob es wohl genügen würde? Diese Frage sollte ihm sogleich beantwortet werden. Jemand trat vor ihn, sodass er alarmiert zurücktrat und das Geld in seiner Faust versteckte. Jedoch war der Neuankömmling erwartet.
„Was ist, hast du das Geld?“, die auf französisch gestellte Frage, kam von einem rothaarigen Mann der ein Stück größer war und unfreundlich auf sein Gegenüber hinab starrte.
„Oui! Hier, nimm dies.“, der Blonde lies die Münzen in die ausgestreckte Hand des anderen fallen. Der Rothaarigen schob sie mit den Fingern der freien Hand ein Stück auf seiner beschmutzten Handfläche herum. Erwartungsvoll wurde er von dem anderen angestarrt.
„Nicht genug.“Das Herz rutschte ihm in die Hose.
„Ja, aber …“
Der kleinere zuckte erschrocken zusammen, als ihm eine Hand auf die Schulter gelegt wurde und schaute zu dem bulligen Kerl hinter ihm auf, Furcht in den Augen zeigend. Er wurde am Kragen gepackt und daran etwas hochgehoben. Seine eigenen Hände umklammerten die seines Gegenübers.
„Dir ist klar, dass du nicht einfach so davon kommst.“, vermutete der Rothaarige, den Anblick vor sich ausdruckslos beobachtend.
„Aber Jeanne -“Er wurde unterbrochen, als er in paar Kisten und Fässer krachte. Ein Huhn flatterte, erschrocken gackernd davon. Mit schmerzverzerrten Gesicht schaute der blonde Franzose zu seinen Peinigern auf. Dieses Mal würde er wohl nicht davon kommen. Sein Schutzengel hatte ihn endgültig verlassen. Er erhielt einen Tritt in den Magen und krümmte sich nach vorne. Erneut schnappte er nach Luft. Was hatte er denn falsch gemacht, dass er dies hier verdiente?
„Hey, Bastard!“
Blaue Augen wurden aufgerissen, bei dem Klang der englischen Stimme und der zugehörige Kopf schoss in die Höhe. Keuchend stand Arthur hinter den beiden anderen und trat näher, den Blick starr auf den Blonden gerichtet. Dieser konnte nichts anderes als ihn anstarren. Der Pirat schritt an dem Rothaarigen und seinem Begleiter vorbei und stellte sich vor den ehemaligen Träger eines violetten Kleides. Grüne Augen starrten auf den Franzosen hinab tadelnd, streng und nicht amüsiert.
„Wir haben da was zu klären.“
„Geh aus dem Weg, scheiß Engländer!“, der Rothaarige wollte Arthur an der Schulter packen, dieser hielt ihm sofort einen Degen an den Hals.
„Pfoten weg, Schneckenfresser, ich sagte grade, dass ich was zu klären habe und du Haufen Scheiße mischst dich da garantiert nicht ein!“
Arthur gab ihm einen aggressiven Blick, ehe er den am Boden hoch zerrte und von den anderen wegschleppte wollte. Dieser konnte gar nicht glauben, wie ihm geschah.
„Ähm, du … meinst du, sie werden uns einfach so gehen lassen?“, flüsterte der Franzose, unauffällig einen Blick zurückwerfend, der dann wieder zu Arthur glitt. Dieser starrte einfach weiter grade aus.
„Nein.“, meinte er dann.
Er drehte sich schwungvoll um und konnte so einem Faustschlag entgehen. Er zog seine Schusswaffe und feuerte sie auf den kräftigen Mann vor sich ab. Eine Kugel bohrte sich in dessen Schulter, sodass dieser einen Schrei ausstieß. Der Rothaarige beobachtete dies mit zusammengezogenen Augenbrauen, ehe er selbst eine Klinge hervorzog und sich nun selbst um den Piraten kümmern wollte. Arthur hielt ihm seinen Degen entgegen und parierte den Hieb. Er versuchte seinen Gegner von sich wegzudrücken, sodass sich ihre Waffen voneinander lösten. Der Blonde sah starr zu, wie die beiden aufeinander losgingen. Doch schon bald regte sich der Riesigere wieder und fixierte sein eigentliches Opfer erneut. Dieses schluckte.
„Oi, du Frosch!“
Arthur lenkte die Aufmerksamkeit des Franzosen nun auf sich.
„Verteidige dich gefälligst!“, er wollte ihm keine Gelegenheit abzuhauen bieten.
„Und womit bitte?“, der blonde Mann überging einfach mal die Bemerkung. Der Pirat kickte seinen Gegner vor die Brust und somit ein Stück nach hinten was ihm genügend Zeit gab, eine zweite Klinge von seinem Gürtel zu ziehen und dem Schuldigen für diese Situation zu reichen. Dieser schaute nur irritiert auf die Waffe in seinen Händen.
„Aber-“„Halt den Rand, ich hab jetzt keine Zeit mit dir zu schwatzen!“, Kirkland hatte eine defensive Aktion durchzuführen, ehe er wieder angriff. Der nun frisch bewaffnete Franzose blickte nun zu seinem eigenen Problemchen vor sich. Er schluckte erneut.
Die Waffe vor sich haltend bedeutete er ihm sich nicht zu nähern. Sein Gegenüber schien unbeeindruckt, obgleich er selbst keine Waffe trug. Der Blonde wich einigen Schlägen und Tritten aus, schlug oder stach aber ab und zu in die Richtung seines Angreifers. Die Klinge bohrte sich durch einen beherzten Versuch doch tatsächlich in den Oberschenkel des anderen, der schmerzerfüllt aufschrie und wieder etwas zusammensackte.
„I-Ich hab ihn getroffen!“
„Ist ja ganz toll, du Lusche.“ Arthur versuchte das Geschehen hinter sich weitgehend zu ignorieren und erwischte seinen eigenen Gegner auch einige Male, bis dieser schließlich zurück taumelte.
„Aller en enfer*, Françoise!“, damit wandte er sich um und stolperte davon.
„Ah, du heißt also Francis.“, Arthur drehte sich zu besagtem Mann um und fixierte ihn, deutlich die englische Version des Namens aussprechend. Francis verrenkte die Augen.
„Oui. Francis Bonnefoy. Und wer bist du?“, er beschloss sich jetzt auf keinen Streit wegen des Namens ein zu lassen.
„Vor dir steht Cap'tain Arthur Kirkland.“
„Aha.“, machte Francis unbeeindruckt.
„Wie auch immer, Francis.“, der Pirat hob seinen Degen, „Ich will immer noch mein Geld zurück. Also sag jetzt nicht, dass dieser dämliche Rotschopf damit weggerannt ist.“„Gut, dann sag ich's dir halt nicht.“
Arthur schlug seinem Gegenüber ins Gesicht.
„Du Idiot schuldest mir Geld!“
Francis war ein Stück zurück getorkelt und hielt sich die Nase.
„Da wärst du nicht der erste, mon ami.“
„Ich bin nicht dein beschissener Freund, Frosch.“
„Wie auch immer, was ich nicht habe kann ich dir nicht geben. Alles was ich gerade am Leib habe, ist mein Besitz. Kannst mich gerne ausziehen und inspizieren.“Bei letzterem grinste der Franzose anzüglich.
„Ich verzichte.“Für einen Moment herrschte Stille. Arthur starrte sein Gegenüber in Grund und Boden ehe er ihn am Ärmel packte und mit sich zog.
„W-Wohin gehen wir?“, verlangte Francis zu wissen.
„Zu meinem Schiff. Du kommst mit mir und wirst mir mit Arbeit das Geld zurückzahlen.“„Hm, dürfte kein sonderlich langer Aufenthalt werden, es war nicht gerade viel was du dabei hattest.“Nun war es an dem Briten zu grinsen.
„Mag schon sein, aber es dürfte lange dauern bis wir wieder irgendwo anlegen.“
In diesem Moment kam das Schiff in Sicht und Francis staunte nicht schlecht. Ehrlich gesagt stellten sich einige Nackenhaare auf, bei der Erkenntnis, dass es sich tatsächlich um Piraten handelte. Jetzt nur gelassen bleiben. Das wird schon … , dachte er sich halbherzig.
Sein Blick fiel auf den Schiffsnamen. Britannia Angel. Francis zog eine Augenbraue hoch. Arthur schien ja ganz besonders stolz auf seine Herkunft zu sein. Der Blick der blauen Augen wanderte weiter an dem dunklen Holz des Schiffs entlang und blieb an der Gallionsfigur hängen. Die Holzfigur stellte einen Engel dar. Lange Haare fielen auf die Brust der feminin wirkenden Gestalt und über die Flügel welche sich über an die Seiten des Schiffs schmiegten. Die Arme endeten an den Ellenbogen und die Augen der Figur waren leer. Der Kopf des Engels war gen Himmel geneigt, sehnsüchtig. Als wäre sie verstoßen worden und hatte nun hier unter den Menschen zu wandeln, welche sie nicht zu würdigen wussten.
Arthur bemerkte den Blick seines Begleiters und blieb stehen, dass Francis es ihm gleichtat.
„Was hältst du von ihr?“, der Pirat nickte in Richtung Gallionsfigur. Verwundert blinzelte der Angesprochene.
„Hah? … Ich denke sie ist schön. Auf eine traurige Weise. Wieso fragst du?“
Noch eine Weile starrte Arthur ihn prüfend an.
„Traurig, sagst du …“, seine Mundwinkel zuckten leicht nach oben, ehe etwas Luft durch die Nase aus lies und sich wieder um wandte.
„Was auch immer, los hoch da.“
Auf die Holzplanke, welche zum Schiff hinaufführte aufmerksam gemacht, setzte Francis etwas vorsichtig seinen Fuß auf eben diese und schritt sobald er sich sicher fühlte voran. Sofort begegnete er den missachtenden und fragenden Blicken einiger Männer, die an der Reling standen und ihn anstarrten, als er von seinen Stiefeln aufsah. Verunsichert blieb er stehen.
„Wer is'n das, Cap'tain?“, verlangte einer mit struppigen braunen Haaren zu wissen.
„Sein Name ist Francis, er kommt mit uns und das war's.“, erklärte Arthur ein wenig ungehalten. Wollte dieser Franzose denn nicht mal weitergehen? Besagter Franzose schluckte und lies ein Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen, da er die kurze Zeit, die er auf diesem Ding verbringen würde, möglichst angenehm gestalten wollte.
„Also, Francis, aye?“, sprach ihn jetzt ein hagerer Typ mit Bart an, „Woher kennst du denn Cap'tain Kirkland?“Mit dieser Frage schon gerechnet, versuchte Francis eine möglichst ungezwungene Antwort zu geben.
„Na ja, er hat sozusagen meinen Arsch gekauft und-AU!“Der Brite hinter ihm hatte seinen Zopf gepackt und kräftig daran gezogen, sodass sich der kaum größere Blonde seinen Kopf jetzt direkt neben dem von seinem Peiniger vorfand.
„Das war unnötig!“, zischte dieser.
„Das hier auch.“, Monsieur Bonnefoy rieb sich den schmerzenden Hinterkopf.
„Halt den Mund und geh weiter.“, Arthur stieß ihn ein Stück nach vorne. Francis kletterte auf des Engels Deck und schaute sich mit einem unsicheren Lächeln und weichen Knien unter den Piraten um. Hinter sich hörte den Kapitän ebenfalls an Bord springen.
„Wir legen ab.“, befahl dieser und sofort kam Bewegung in die Männermasse. Francis wandte sich zu Arthur um und fühlte sich doch sehr verloren.
„Ähm.“, der Franzose wusste nicht was er sagen sollte. Sein Gegenüber hatte schon das Interesse an einem Gespräch oder dergleichen verloren und unterhielt sich mit einem kleineren Mann der seine Haare in einem kurzen Zopf zusammengebunden hatte. Francis wurde angerempelt und entschuldigte sich dafür, dass er im Weg stand. Ein genervtes Knurren kam zurück. Francis trat einen Schritt zurück um mehr Platz frei zugeben und stieß jemand anderen an, wofür er sich ebenfalls direkt entschuldigte. Als er sich nun wieder umdrehte, hatte Arthur seinen Platz von eben verlassen.
Der langhaarige Blonde drehte sich einmal um die eigene Achse nach dem Kapitän Ausschau haltend. Er entdeckte ihn, die Stufen die zum Steuerrad führten hinabsteigend, noch einige Worte mit dem Steuermann wechselnd. Rasch bahnte sich Francis seinen Weg zu dem Briten und legte sich einige Worte diesmal direkt zurecht.
„Ähm, Arthur?“
Angesprochener hielt in der Bewegung in seine Kajüte zu verschwinden inne und warf ihm einen gereizten Blick zu. Damit verdeutlichte er seine kurzweilige Aufmerksamkeit.
„Was mach ich jetzt?“
Arthur blinzelte desinteressiert.
„Mach dich gefälligst nützlich.“, antwortete er dann.
„Und wie? Soll ich mich in eine Ecke stellen und niemandem im Weg stehen? Arthur, ich bin noch nie zur See gefahren und weiß nicht wie … so was“, er gestikulierte in Richtung Segel und dann Steuerrad,“geht! Was erwartest du von mir? Ich würde nämlich gerne so schnell wie möglich wieder gehen.“
Francis hatte beschlossen, Arthur nicht zu reizen. Solange er ihm sein Geld schuldete, wäre es wohl klug ihn nicht gegen sich aufzubringen. Obwohl wie viel schlimmer konnte es für ihn schon werden? Ihm war in den Sinn gekommen, dass man ihn einfach hätte töten können. Dass dieser Fall bisher nicht eingetreten war, lies den Franzosen den Schluss ziehen, dass Arthur den Preis schlicht abgearbeitet haben wollte. Was hätte er denn schließlich davon ihn einfach umzubringen? Damit hätte er sein Geld nicht zurückerlangt. Francis gab zu, dass seine neue Bekanntschaft nicht dumm war. Arthur schien immer noch Hintergedanken zu haben.
Der Brite hatte mit gelangweiltem Gesichtsausdruck zugehört.
„Ich erwarte von dir, dass du deine Schuld begleichst. Nicht mehr und nicht weniger. Tu was du kannst um hier zu helfen und steh nicht blöd rum. Putze oder koche, wenn dir der Rest nicht liegt. Kannst du kochen?“
„Ich bin Franzose, alles was ich koche, egal wie schlecht, wird besser sein, als das was-“, er biss sich auf die Unterlippe. Was nützte es hier einen Streit anzufangen?
Arthur hatte die Augenbrauen zusammengezogen und war einen Schritt näher getreten.
„Was wolltest du sagen, Frosch?“
Die eisige Stimme sorgte dafür, dass sich Francis' Nackenhaare aufstellten. Er schüttelte lediglich den Kopf.
„Aber eine Frage wäre da noch … Cap'tain.“, das Wort kam ihm nur schwer über die Lippen.
„Die da wäre?“, wieder recht genervt klingend, verschränkte Arthur die Arme vor der Brust.
„Was habe ich bitte mit einem Frosch gemeinsam?“
„Find's raus.“, damit wurde der Franzose links liegen gelassen und Arthur schloss die Tür zu seinem Privatbereich hinter sich.
Noch einen Moment stand Francis an dieser Stelle und starrte auf das Holz der Tür. Dann schüttelte er den Kopf und machte sich fluchend auf den Weg etwas wie einen Holzeimer und etwas zum schrubben zu finden.
Erschöpft lies er den 'Leuwagen' in den Eimer Wasser fallen und strich sich einige Haare aus dem Gesicht. Als er nach einem Schrubber gefragt hatte, war er bloß angegrinst worden und hatte diesen erhalten, nur unter der Bezeichnung Leuwagen. Das klang nicht sehr englisch und außerdem verstand der Franzose nicht, inwiefern diese Bezeichnung passte.
Das Gesicht leicht verziehend griff sich der blonde Mann an den Rücken. Direkt nachdem man verprügelt wurde und zum ersten mal mit einem Degen gekämpft hatte, gleich ein Deck schrubben zu müssen tat ihm nicht sehr gut. Francis hoffte er könnte bald wieder gehen.
„Es dürfte lange dauern bis wir wieder irgendwo anlegen.“, die Worte des Briten erklangen in seinen Gedanken und seufzte gequält. Das sollte er nicht vergessen. Ebenso wie das süffisante Grinsen von diesem Kerl, der ihn den Boden putzen lies, während er wohl grade gemütlich faulenzte. In diesem Moment nahm Francis Schritte wahr und griff rasch wieder nach seinem Arbeitsgerät und lies es ruckartig über den Boden schrubben.
„-dämlichen Franzosen mitzunehmen.“, drang jetzt die Stimme eines der Männer an sein Ohr.
Francis verdrehte die Augen. Briten.
„Kirkland war ja schon immer etwas exzentrisch.“
„Der hat sie nicht alle. Wer nimmt seine neue Lieblingshure denn mit auf-“
Francis stieß gegen den Eimer der kurz davor war umzukippen sodass er ihn schnell festhalten musste. Der unerwartete Ausdruck hatte ihn doch ein wenig erschrocken.
„Was weiß ich, was er sich dabei denkt. Wenn er ihn über Bord wirft, sobald er ihn nicht mehr braucht, ist mir das eigentlich egal.“
„Und du denkst-...“
Die beiden waren nun außer Hörweite für den auf den Boden starrenden Franzosen, der hart schlucken musste. Stimmte ja, er hatte es mit Piraten zu tun. Er konnte froh sein, wenn er es jemals lebend wieder von diesem Schiff schaffte.
Aber würde Arthur ihn wirklich einfach umbringen? Francis gab zu, der Brite war nicht wirklich die sympathischste Person, oder jemand in dessen Nähe er sich wohlfühlte, aber konnte er es ihm zutrauen? In Gedanken versunken wischte er nur noch mit seinem Putzwerkzeug über den Boden, ohne wirklich darauf zu achten was er tat. Was könnten diese beiden außerdem damit gemeint haben, Arthur sei exzentrisch?
Seufzend klappte Arthur den Ledereinband über seine Aufzeichnungen und legte seine Schreibutensilien zur Seite. Mit der linken Hand griff er sich an die Stirn und stützte seinen Kopf darauf. Das ganze Nachdenken und Schreiben bereitete ihm Kopfschmerzen, ebenso wie das Studieren von Karten. Der junge Brite erhob sich von seinem Platz und schob den Stuhl an den Tisch. Er griff nach seinem Hut und platzierte ihn auf seinem aschblonden Haarschopf. Den Mantel hob er von der Stuhllehne und zog ihn sich über die Schultern, ehe er auf die Tür zu trat. Diese aufgeschoben schritt Arthur auf Deck und besah sich ihre Umgebung. Meer. Unendliche Massen an Wasser die wie ein Spiegel vor ihnen lagen. Kapitän Kirkland ging weiter, den Blick nicht von diesem Anblick abwendend. Die majestätische Oberfläche wurde von ihnen eingerissen und schickte Wellen von ihnen fort. Ein knappes Lächeln umspielte seine Lippen. Die schönsten Dinge waren meist die gefährlichsten.
Genau in diesem Moment verlor Arthur den Halt und knallte hart auf den Holzboden. Sein Hut rutschte ihm vom Kopf und seine Füße hingen noch in Luft. Nun ja, genau genommen lagen sie auf dem Etwas, wogegen seine Füße noch vor einigen Sekunden gegen gestoßen waren. Dieses Etwas bewegte sich erschrocken nach oben, sodass seine Füße ebenfalls ihren Weg nach unten fanden und nun auf den Oberschenkeln dieses 'Etwas' lagen.
„A-Arthur?“
Angesprochener stützte sich wütend knurrend auf den rechten Ellenbogen, ehe er sich mit der linken Hand nach oben drückte. Er schaute mit vor Aggression gefüllten Augen über die Schulter und fixierte den Franzosen, welcher für seinen uneleganten Sturz verantwortlich war.
„Du …!“
Entschuldigend hob Francis die Hände und rutschte mit einem leicht panischem Blick ein Stück zurück. Arthur packte ihn am Kragen und zog ihn ein Stück zu sich.
„Kannst du verdammter Idiot nicht was sagen?!“
„Es tut mir leid! Das war gar nicht meine Absicht-“
„Das will ich für dich auch hoffen! Was glaubst du wer du bist?!“
„Francis Bonnefoy! Und schrei mich nicht so an!“
„Ich schreie hier so viel ich will, du Frosch!“
„Nenne mich nicht so, du grotesker Engländer!“
„Französische Hure!“
Noch einige weitere Beleidigungen warfen sie einander an den Kopf. Einige der Piraten blieben stehen und beobachteten das Geschehen eine Weile, wurden jedoch anscheinend nicht mal von den beiden bemerkt. Schließlich räusperte sich jedoch einer von ihnen und schob sich nach vorne, direkt neben Arthur.
„Ähm, Cap'tain?“„Was?“, gereizt schaute der Angesprochene zu einem seiner Männer.
„Weitere Befehle?“
Kurz war der Brite sprachlos und blickte mit offenem Mund zu dem Seemann auf, als müsse er sich wieder sammeln und realisieren wo er war. Dann blinzelte er ein paar Mal, ehe er rasch von Francis ablies, als hätte er sich verbrannt und sich erhob. Der blonde Pirat klopfte sich etwas die Kleidung ab, ehe er sich räusperte.
„Ja. Genau.“, Arthur schnappte sich seinen Hut, der auf den Boden gefallen war und setzte ihn sich wieder auf, ehe er einem seiner Leute folgte.
Etwas verdutzt schaute Francis ihm nach. Arthur tat nichts? Er hatte ihn beleidigt, ihn zum fallen gebracht und Arthur bestrafte ihn nicht? Erst hatte sich der Franzose so erschrocken, als der Pirat über ihn gestürzt war, da er geglaubt hatte jetzt ginge es ihm an den Kragen. Aber wenn dem nicht so war, konnte er also dem Brite offen seine Meinung geigen?
Francis schüttelte den Kopf. Nein, das war doch zu riskant. Er begann wieder den Boden zu schrubben, dabei schlich sich sein Blick in die Richtung in der Arthur verschwunden war. Er sprach wieder mit einem der Matrosen, in eine Karte vertieft. Der blonde Franzose beobachtete sie eine Weile. Seine tiefblauen Augen musterten Arthur. Er konnte Leute wie ihn nicht leiden. Wegen jeder Kleinigkeit gingen sich gleich auf einen los und brüllten rum. Waren stets schlecht gelaunt und sagten schon durch ihre Körperhaltung aus, dass man sich ihnen nicht nähern sollte. Arthur war da keine Ausnahme. Ihn konnte Francis auch nicht leiden. Ihn ganz besonders nicht, wie er jetzt festgestellt hatte und das nur nach einigen Stunden. Unterbewusst gab er jedoch zu, dass er ihn trotzdem nicht abschreckend fand. Arthur schien etwas zu verstecken, was nicht direkt auffiel. Ein Grinsen huschte auf Francis' Gesicht. Irgendwie war es auch amüsant diesen neurotischen Briten zu reizen. Seine giftgrünen Augen waren wie dafür gemacht, richtig sauer zu gucken.
Kopfschüttelnd wandte der Franzose schließlich doch den Blick ab und schrubbte weiter. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt etwas so eintöniges gemacht hatte. Die Zeit zog sich dahin. Verlief für ihn viel zu langsam. Außerdem war es dunkel. Wer lies schon jemanden im Dunkeln den Boden schrubben? Ehe er sich versah, wurde er von der Seite angesprochen und leicht gegen den Oberschenkel getreten.
„Hey, du.“
Francis hielt inne und sah zu dem Mann neben ihm auf. Eine Narbe zog sich über Nasenrücken und Wange, die grauen Augen starrten unfreundlich auf ihn hinab und sein Mund war genervt verzogen. Braune fettige Haare fielen ihm in die Augen und hingen kraftlos seinen Nacken hinab. Ihm nicht sonderlich wohl gesonnen, wie Francis diesen Ausdruck in Gesicht und Stimme des Neuankömmlings deutete, hatte der Mann die Arme vor der Brust verschränkt. Francis setzte sich auf und schaute fragend zu dem Kerl auf, seinen Schrubber in den Eimer werfend.
„Oui?“
„Der Cap'tain meint, du könntest jetzt aufhören und dich ausruhen.“, der Braunhaarige deutete mit dem Daumen auf die Tür, hinter welcher Arthur vor kurzem verschwunden war. Durch diesen Umstand etwas unsicher, regte sich Francis erst nicht. Dann lächelte er den Mann vor sich nervös an, bevor er sich erhob.
„Äh, danke für die Information …?“, die Frage nach seinem Namen nicht aussprechend, aber deutlich machend schaute der Blonde ihn an.
„Neil.“, knurrte besagter unfreundlich.
„Neil.“, wiederholte Francis, um die Aufnahme des Namens zu bestätigen. Er schluckte.
Mit wackeligen Beinen schlurfte er nun in Richtung Tür. Er fühlte sich, als würde ihn jeder andere auf diesem Schiff anstarren. Ihre Blick in seinen Rücken bohrend, als wäre er ein Stück Fleisch. Ein Opfer, ihre Beute, nur darauf wartend, dass er zusammenbrach. Schnell verscheuchte Francis diese Gedanken. Das würde er sich nur einbilden. Oder auch nicht. Es handelte sich um Piraten. Die würden ihn demütigen, missbrauchen, verletzen und ihn schlussendlich auf grausamste Weise umbringen.
Der Franzose kniff die Augen zusammen. Er hatte eine viel zu angeregte Fantasie. Im Moment sollte er nicht an diese furchtbaren Dinge denken, er würde es schon schaffen! Er würde von hier relativ gesund verschwinden können, zurück zu Jean und am Ende wäre alles gut. Genau, alles würde gut werden.
Eine zittrige Hand fand ihren Weg zur Tür und zog sie langsam auf. Francis holte tief Luft und trat ein. Er stand in einem erleuchteten Raum, an dessen Decke eine Öllampe hing. Rechts stand ein ordentlich gemachtes Bett stand, während links ein Regal mit übermäßig vielen Büchern stand. Francis' Blick fiel jedoch direkt auf Arthur, welcher an einem Schreibtisch direkt gegenüber der Tür saß. Er hatte dem Franzosen den Rücken zugedreht und schien in Aufzeichnungen oder dergleichen vertieft.
„Mach ja die Tür hinter dir zu.“, war das Zeichen, welches Francis zeigen sollte, dass seine Anwesenheit wahrgenommen worden war. Er gehorchte schweigend.
Stille herrschte. Sich fehl am Platz fühlend stand Francis nur da. Auf den schmalen Rücken des Piraten starrend und sich immer wieder sagend, dass alles gut werden würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit, streckte sich der Brite, was Francis dazu veranlasste erschrocken zusammen zu zucken.
„Ist mal ganz angenehm wenn du die Klappe hältst.“, stellte Arthur fest, ehe er sich erhob.
„Du kannst mich nicht einschüchtern.“, trotz dieser eindeutigen Lüge, blieb seine Stimme fest und stark. Arthur zog eine der dicken Augenbrauen hoch.
„Ist das so?“
Er kam näher auf den Franzosen, der sich zunehmend unwohler fühlte zu. Francis zwang sich nicht zurückzuweichen oder irgendein Zeichen zu geben, dass er sehr wohl von dem Engländer eingeschüchtert wurde. Arthur stand nun bloß Zentimeter von ihm entfernt. Grüne Augen bohrten sich in Blaue.
„Dir ist doch bewusst wo du bist, aye?“, die Stimme des Briten war ruhig und leise.
„Oui.“, antwortete Francis mit dem gleichen Ton. Obwohl er fand, dass er Arthurs Stimme beunruhigender klang.
„Keiner hier würde dir helfen, egal was mit dir passieren würde.“
„Das ist mir bewusst.“
„Gut.“Sie starrten einander weiterhin ernst an. Unruhig hämmerte Francis' Herz gegen seine Brust, sodass er befürchtete der Pirat könne es hören und merken, wie unwohl es doch war. Arthur hatte etwas einschüchterndes, auch wenn er recht schmal und minimal kleiner als Francis war.
„Hast du sonst noch was zu sagen?“, zerriss dessen Stimme das Schweigen. Obwohl er leise gesprochen hatte, klang es für den Franzosen viel lauter und er bemühte sich nicht zu zucken.
„Oui. Du stinkst gewaltig, mon ami. Macht es dir etwas aus Abstand zu halten?“
„Nicht wirklich, denn du riechst auch nicht grade angenehm.“
Kurz hatte Francis geglaubt die Mundwinkel seines Gegenübers nach oben zucken zu sehen, aber er war sich nicht sicher. Arthur trat ein Stück von ihm weg.
„Also dann.“, er bugsierte den beunruhigten Franzosen neben das Regal und drückte ihn zu Boden. Er packte eines seiner Handgelenke und hielt es eisern fest. Francis schluckte. Er senkte seinen Kopf nach vorn, sodass ihm einige Haarsträhnen ins Gesicht fielen. Dahinter konnte er seine zusammengekniffenen Augen verstecken. Und wartete. Als sich jedoch lediglich etwas kaltes um sein Handgelenk schloss, riss er seine Augen auf und schaute verdutzt auf die Eisenkette welche nun von der Fessel an seiner Hand zur Wand führte.
„Ich habe keine Lust darauf von dir im Schlaf ermordet zu werden oder dergleichen.“, erklärte Arthur und griff nach Francis' anderer Hand.
„Aber du …“, erleichtert, dass ihm nichts geschah, dennoch verwirrt schaute der Franzose zu ihm hoch.
„Aber was, Frosch?“, genervt befestigte Arthur auch die andere Fessel an seinem Handgelenk, „Ich gebe nur persönlich darauf Acht, dass du meiner Mannschaft nichts tust. Oder umgekehrt. Wie auch immer.“
Arthur erhob sich und kratzte sich im Nacken.
„Nicht gerade bequem hier.“, stellte Francis fest und schaute etwas angesäuert zu dem Kapitän hinauf.
„Nicht mein Problem.“, entgegnete Arthur und verschränkte die Arme vor der Brust, ihn gleichgültig anstarrend.
„Du lässt mich wie einen Hund hier in der Ecke schlafen?“
„Einem Hund würde ich eine Decke geben und eine Schale Wasser. Hättest du gerne einen Napf?“
„Ich verzichte.“ Francis konnte nicht verhindern, dass sich einer seiner Mundwinkel nach oben schob, weswegen er den Blick abwandte. Arthur starrte ihn noch einen Moment an, bevor er sich umdrehte und durch den Raum stiefelte.
„Du meintest du könntest akzeptabel kochen?“, der Brite griff nach einem Buch, überflog kurz den Titel und nahm auf seinem Bett Platz.
Francis sah wieder zu ihm hinüber.
„Meine Kochkünste sind wunderbar.“
„Dann darfst du das morgen zeigen.“, Arthur hatte das Buch aufgeschlagen und blätterte bereits darin. Schon darin vertieft lies er die Worte auf sich wirken und war schon in seiner eigenen Welt verschwunden. Der Franzose seufzte und lehnte den Kopf gegen die Schiffswand. Klasse. Er schlief ab jetzt auf dem Boden. Ehrlich gesagt hätte er die Nähe des nicht unbedingt stoischen Engländers doch vorgezogen. Dann hätte er vermutlich im weichen Bett schlafen können, unter einer warmen Decke. Leicht schüttelte Francis den Kopf und schloss die Augen. Kein guter Zeitpunkt darüber nachzudenken. Er sollte wohl lieber schlafen.
„Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut, Francis.“
„Hey, Trottel.“Etwas stupste ihn gegen die Brust. Sich gestört fühlend verzog Francis leicht das Gesicht. Müdigkeit wollte ihn einfach nicht loslassen. Außerdem war er noch halb umgeben von den Flügeln des Schlafes. Er wollte diesen Ort nicht so schnell verlassen. Das Stupsen hörte schließlich auf und er entspannte sich etwas. Stattdessen erhielt er einen Tritt in die Seite, der ihn dazu brachte auf zu keuchen und seine blauen Augen aufzuschlagen. Ein schwarzer Stiefel schob sich unter sein Kinn und hob es an. Der junge Franzose schaute zu einem gewissen Piratenkapitän mit englischer Herkunft auf.
„Steh gefälligst auf.“, herrisch blickte Arthur ihn an. Das Sonnenlicht flutete herein und lies seine blonden Haare, die unter dem Hut hervor guckten glänzen. Auch einige Verzierungen an seinem Mantel leuchteten auf.
Francis verbiss sich irgendeinen Kommentar und rieb sich bloß beleidigt die Seite. Er stemmte sich auf, an die Wand gestützt und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Die Schleife darin hatte sich gelockert und hing nun seinen Rücken hinab, kaum noch in dem welligen Blond gehalten. Der Franzose zog sie heraus und wollte sie zunächst einstecken. Aber noch schlaftrunken lies er sie auf Arthurs Schreibtisch liegen. Wozu sollte er sie herum tragen, wenn nicht in den Haaren?
Er verbrachte den Tag damit, etwas Essbares herzustellen oder den Boden zu säubern. Ab und zu konnte er einen Blick auf Arthur erhaschen, der dann immer nur an ihm vorbei stolzierte. Ihn komplett ignorierend. Francis konnte nicht anders, als ihn anzusehen, wenn er in seiner Nähe war. Er war die einzige Person, mit der er ein spärliches Gespräch führen konnte. Niemanden hier kannte er und niemand schien sich mit ihm befassen zu wollen. Er konnte ab und zu mal einen Namen aufschnappen, aber die zugehörigen Gesichter fand er nicht. Abgesehen von dem unfreundlichen Neil und dem jungen Mann, der sich mit ihm in der 'Küche' aufhielt – sein Name war Peter und war einen Kopf kleiner, als Francis – kannte er niemanden beim Namen. Abgesehen von Arthur eben.
Während des Kochens beschloss der Franzose jedoch sich die Haare zusammenzubinden, da sie ihn ein wenig störten. Nachdem er Peter über diesen Verhalt aufgeklärt hatte, verschwand er aus der Kombüse und spazierte zu Arthurs Kabine. Der Kapitän gab zu diesem Zeitpunkt einige Befehle an seine Männer. Francis hielt an der Tür und beobachtete ihn kurz dabei. Die Art wie er an diesen Leuten vorbei marschierte, sie zum Folgen brachte und seine ganze Haltung passten perfekt zu ihm, stellte der Franzose fest. Er wirkte wie ganz in seinem Element.
Francis trat ein und ging auf den Schreibtisch zu. Sein Haarband lag noch genau da, wo er es zurückgelassen hatte. Zufrieden nahm er es an sich. Zufällig glitt sein Blick hinüber auf einige Blätter. Neugierig zog er sich eines heran, sodass er es genau ansehen konnte. In schwarzer Tinte war mit einer eleganten Handschrift darauf geschrieben. Die Buchstaben waren sehr schwungvoll dargelegt. Francis warf einen Blick über die Schulter zur Tür, ehe er sich in den Inhalt vertiefte. Es schien sich um Aufzeichnungen Arthurs zu handeln.
Die nächst liegende Inselgruppe sieht somit vielversprechend aus.
Er überflog einige Passagen, die ihn nicht interessierten oder nicht verstand. Er blieb schließlich an einem gewissen Punkt hängen.
Vermutlich sollte ich diesen nervigen Franzosen vorher irgendwo absetzen. Immerhin ist er nicht von großem Nutzen und wird wohl auch nicht den Wunsch verspüren an diesen Ort zu gehen. Aber was interessiert mich das... Ich glaube jedoch nicht, dass wir vorher einen Hafen passieren werden, also wird er sich wohl damit abfinden müssen zu warten.
Francis schob den Zettel zurück, als er merkte, dass sich Arthurs Stimme näherte. Rasch durchquerte er den Raum und verließ ihn, sich im Gehen das Band in die Haare bindend. Unsicher schaute er dabei auf den Briten, welcher ihm den Rücken zugedreht hatte. Wenn er seinen Schriften trauen konnte, würde er ihn also nicht umbringen? Oder schrieb man so etwas nicht auf? In Gedanken versunken kehrte Francis in die Kombüse zurück.
„Da bist du ja endlich. Kann doch wohl nicht solange dauern.“, beschwerte sich Peter und sah ihn abschätzend an.
„Ach, der Zopf wollte mir nur nicht richtig gelingen.“, log er.
Ein Augenrollen.
„Piekfeine Franzosen.“
Das war nun sein Tagesablauf. Er bekam nichts davon mit wenn sie tranken, sondern hielt sich im Hintergrund. Er gewöhnte sich auch langsam daran angekettet auf dem Boden zu schlafen – gefallen tat es ihm trotzdem nicht. Er gewöhnte sich an Peter, dem er jedoch nicht wirklich nahe stand. Und er gewöhnte sich daran Arthur beim Einschlafen zu sehen. Entweder las er, schrieb etwas oder saß nur da. Wartete, dass Francis endlich einschlief. Er war immer das Letzte was der Franzose abends sah und das Erste wenn er erwachte. Der bissige Unterton ihrer Wortwechsel war nie verflogen und doch behagten diese ihm. Sie waren spannender, als die Gespräche die er mit Peter oder gar einem anderen auf diesem Schiff führte. Wobei letztere kaum mit ihm sprachen. Nur wenn es nötig war.
An diesem bestimmten Tag erwachte Francis jedoch von selbst. Das Rauschen der Wellen drang an seine Ohren, sowie Rufe und die Geräusche des Schiffes. Langsam hoben sich seine Lider an. Mehrmals blinzelte er. Francis bemerkte, dass seine Fesseln bereist gelöst worden waren und ein Stück Brot lag daneben. Mit fragendem Blick hob er dieses auf und schaute dann durch den Raum. Leer. Kein Arthur zu sehen. Irritiert erhob sich der Franzose und trat, das Brot in seiner Hand haltend, zur Tür. Als er auf Deck trat konnte er tatsächlich Arthur entdecken. Wie versteinert stand Francis vor der Tür herum und sah leicht verloren aus.
Es dauerte einen Moment bis der Piratenkapitän ihn entdeckte. Arthur hob irritiert eine Augenbraue, bei dem Anblick des Franzosen, bevor er zu ihm schritt.
„Was guckst du so blöd?“Francis blinzelte und sah nun seinem Gegenüber in die Augen. Kurz schwieg er noch, sammelte seine Gedanken.
„Du warst weg.“, meinte er dann schlicht und klang noch immer verloren.
Ihn ansehend als wäre er beschränkt, dachte sich Arthur, dass er noch nicht komplett wach war.
„Ja.“, entgegnete er dann langgezogen, als spreche er mit einem Kind, „Ich hab hier zu tun.“
„Aber warum hast du“, Francis bemerkte, wie abhängig er sich anhörte, pausierte kurz, beschloss dann aber seinen Satz doch zu beenden, „mich dann nicht geweckt?“
„Du hast deine Schulden abgearbeitet. Wie du selbst gesagt hast, es war nicht viel Geld.“, erläuterte Arthur und klang bei letzterem eher nebensächlich.
„Also kann ich jetzt gehen?“„Sobald wir in einen Hafen kommen, kick ich dich hier raus.“
Der Brite klang etwas genervt. Francis war einerseits erleichtert, andererseits fühlte es sich komisch an zu gehen. Er sah Arthur nach, der wieder zu seinen Leuten zurückkehrte. Er hatte einen Blick auf das Leben eines Piraten erhaschen können, auch wenn uns nur ein sehr kleiner Eindruck war. Er war zum ersten Mal auf einem Schiff gewesen. Er hatte einen Piraten kennen gelernt, dem er die Pest an den Hals wünschte, dessen Anwesenheit er aber erfrischend fand. Irgendetwas in seinem Inneren verzog sich. Es wünschte sich zu bleiben und noch mehr zu sehen, den Wind in den Haaren und auf der Haut zu spüren, die Leute besser kennen zu lernen. Aber das ging nicht. Er hatte einen Grund nach Hause zu gehen. Er konnte nicht bei Piraten bleiben, er hatte keine Ahnung davon Pirat zu sein. Außerdem waren diese Piraten größtenteils Briten.
Francis seufzte und schlurfte in Richtung Küche, wo er auf Peter traf. Der Junge mit den hellblonden Haaren schaute auf.
„Francis!“ Der Franzose lächelte schief.
„Bonjour.“
„Kirkland meinte du müsstest nicht mehr arbeiten, aye?“Angesprochener nickte, ehe er sich auf ein kleines Tischchen setzte.
„Oui. Aber jetzt weiß ich nicht was ich machen soll. Es könnte ja noch ewig dauern, bis wir einen Hafen anlaufen.“Er erinnerte sich an Arthurs Aufzeichnungen.
„Kann schon sein.“, Peter ging unbehelligt seiner Arbeit nach, „Willst du nicht mal was essen? Du trägst jetzt schon die ganze Zeit dieses öde Brot mit dir rum, isst es aber nicht.
“„Woher willst du wissen, dass ich es mit mir herumtrage? Ich hätte es doch auch grade erst-“
„Kapitän Augenbraue hat das heute morgen geholt.“
Francis stutzte. Nicht wegen des Spitznamens, Arthurs Augenbrauen waren wirklich etwas dicker, als der Durchschnitt.
„Warum sollte er das machen?“
„Sag du's mir.“, Peter zwinkerte ihm über die Schulter zu.
„Zieh bloß keine falschen Schlüsse.“, etwas angesäuert drein blickend, begann der Ältere das Brot zu sich zu nehmen.
„Schon klar. Wie auch immer, hier drinnen ist es etwas stickig, warum gehst du nicht auf Deck und genießt es hier, solange du noch kannst?“, schlug der Junge vor.
„Brauchst du keine Hilfe? Ist doch recht doof so ganz alleine hier.“
„Bin dran gewöhnt. Abgesehen davon hab ich nicht viel zu tun im Moment.“
Francis schob sich den letzten Rest Brot in den Mund.
„Na wenn du meinst.“, beendete er darauf das Gespräch und erhob sich, „Ich komm später noch mal vorbei.“
Der blonde Mann trat nach draußen und lies seinen Blick über die Männer, ihre Umgebung und das Meer schweifen. Wahrlich, ein schöner Anblick. Er trat an die Reling neben ein Fass und stützte sich mit den Ellenbogen ab. Das Meer war so wunderschön. Die Luft war salzig und frisch und die
Sonne wärmte ihm den Rücken. Er konnte sich vorstellen was Arthur so an der Seefahrt liebte.
Er wurde aus den Gedanken gerissen, als sich eine Gestalt zu ihm gesellte. Mit dem Rücken an die Reling gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, waren die grünen Augen auf die Segel über ihnen gerichtet. Francis hob den Blick um zu sehen, wer aufgetaucht war – auch wenn er sich denken konnte um wen es sich handelte. Ein Lächeln huschte auf sein Gesicht und er schaute wieder auf die Wellen.
„Kriegt man hier eigentlich keinen Sonnenbrand?“
Arthur schaute ihn an.
„Was soll die Frage?“, entgegnete er.
„Ihr seid den ganzen Tag in der Sonne und wenn man dich so ansieht, recht blass. Und kein Sonnenbrand?“
„Ich trage einen Hut.“
Die Aussage drückte die Offensichtlichkeit dieser Tatsache aus. Der Brite empfand dieses Thema als uninteressant.
„Ach wirklich?“, Francis grinste ihn an, „Krieg ich auch einen?“
„Aber sicher, wir werden dir sofort einen machen. Welche Farbe soll er haben, du Trottel?“, den sarkastischen Unterton konnte man nicht ignorieren.
„Blau, wäre nett.“, neckte ihn der Franzose.
Arthur rollte die Augen und schüttelte amüsiert den Kopf.
„Du bist echt bescheuert.“
„Ja, was machst du bloß ohne mich, Arthur?“
Er erntete einen Schlag gegen den Arm von dem Engländer.
„Wenn ich mir genug dämliche Leute halte, sowie einen Frosch, dann werde ich wohl gar nicht merken, dass du wieder weg bist.“
„Mal im Ernst, was soll das mit 'Frosch'?“
„Find's heraus.“
Herausfordernd grinsend blickte Arthur ihn an, während sein Gegenüber leicht verstimmt aussah. Ein Kichern erklomm die Kehle des Briten, ehe er sich seufzend einige Haarsträhnen aus dem Gesicht strich und sich von der Reling abstieß. Etwas verwundert sah Francis ihm nach.
Arthur wusste nicht genau, was ihn so amüsierte. Der Typ war nur ein gewöhnlicher Franzose, weswegen ließ er sich dazu herab mit ihm zu reden? Seine giftgrünen Augen huschten hin und her, seine Leute genau im Blick behaltend. Der Engländer war sich sehr wohl bewusst, dass sie recht launisch werden konnten. Aus Sicherheitsgründen ließ er sie deswegen so gut wie nie aus den Augen. Er konnte sich schon auf sie verlassen, aber wusste schon was diese Männer dachten? Welche banale Angelegenheit sie dazu bringen würde, ihm zu misstrauen. Welcher Fehltritt ihn zu Fall brachte, bis er immer tiefer auf den Grund des Meeres sank, verstoßen, weil er nicht vorsichtig genug mit seiner Mannschaft umgegangen war. Man konnte nie sicher genug sein. Das hatte er von klein auf gelernt. Kopfschüttelnd presste er seine Augenlider aufeinander, um Erinnerungen zu verscheuchen.
Genau in diesem Moment hörte er es. Seine Augen flogen regelrecht auf. Gebrüll schallte über Deck, von oben nach unten, von vorne nach hinten.
„Spanier!“, Arthur entdeckte deren Schiff, welches sich ihnen näherte.
Auch Francis, der nun eine Weile neben einem Fass gesessen hatte, wurde aufgescheucht. Beunruhigt sprang er auf und schaute sich um. Alle liefen durcheinander, dennoch schien eine Ordnung dahinter zu stecken, denn Arthur gab Befehle! Der Franzose sah verwirrt zu ihm auf.
„Kanonen Steuerbord bereit machen. Wende!“
Einige Gegenstände kullerten über Deck, als sich das Schiff in eine Kurve lehnte. Francis hatte sein Gewicht nach hinten zu verlagern um nicht zu stolpern. Es war dieser Augenblick, als es knallte. Der erste Kanonenschuss war gefallen, der Gegner hatte angegriffen. Der britische Kapitän gab den Befehl zu feuern und es wurde sofort gehandelt. Auch von ihrem Standpunkt aus knallte es. Der Franzose erhaschte einen Blick darauf, wie es beim Abschuss qualmte und die Kugel auf das nun näher gekommene Schiff zusteuerte. Ihr folgten weitere. Die rechte Seite des Schiffes rauchte, als kleine Splitter flogen, Wasser aufspritzte und Rufe die Luft erfüllten. Wie erstarrt beobachtete Francis das Geschehen. Durch ihre bessere Position hatten sie es geschafft das gegnerische Schiff zu treffen, jedoch erhielten sie bereits eine Antwort. Eine Kugel schoss auf sie zu. Francis starrte auf das Geschoss, welches sich ihnen näherte. Er wagte nicht zu atmen. Es rauschte wenige Meter neben ihm vorbei, durchschlug Reling auf beiden Seiten und schlug auf die Wasseroberfläche auf. Noch immer wagte der Franzose sich nicht zu rühren. Würde er doch noch sterben? Und dies nicht durch die Hand des Briten? Sondern von irgendwelchen fremden Spaniern, die nicht einmal wussten, dass er nichts mit alledem zu tun hatte? Interessieren würde es sie wohl auch nicht. Lediglich minimal erleichtert ließ er die Luft aus seinen Lungen.
Er war wie versteinert gewesen, in einem tranceartigen Zustand, wie es schien. Denn plötzlich waren sie noch näher. Panisch schaute sich Francis nach dem Kapitän um. Er könnte doch irgendwas tun, nicht? Seine tiefblauen Augen fixierten nach einem Moment der Verwirrung den blonden Engländer, der mit gezogenen Waffen, den Befehl zum Angriff gab, sobald sie nah genug waren. Natürlich. Pirat, war Pirat. Aber was sollte er jetzt tun? Er hatte keine Kampferfahrung, gehörte hier nicht her, war kein Pirat. Er würde drauf gehen. Wenn nicht von den Spaniern erschossen oder aufgespießt, vermutlich von diesen netten Briten 'aus Versehen' über Bord geschubst, während des Kampfes. Er wollte doch noch nicht sterben. Er konnte doch noch nicht sterben! Bewegung erfasste seine Glieder und seine Füße trugen ihn rasch zu Arthur hinüber.
„Arthur!“Der Angesprochene sah zu ihm hinüber, ließ sich jedoch nicht großartig ablenken. Nur noch wenige Meter und es war möglich den Abstand zwischen den Schiffen so zu reduzieren und zu überqueren.
„Schlechter Zeitpunkt, bin beschäftigt!“, knurrte er bloß. Jedoch ließ sich Francis nicht einfach so abspeisen.
„Was kann ich denn tun?“
Kurz dachte Arthur nicht an seine Strategie, sondern an den nutzlosen Franzosen hinter ihm. Dann drückte er ihm einen Degen in die Hand und seinen Hut gegen die Brust.
„Da. Pass darauf auf und versuch wenigstens dich zu verteidigen.“
Unsicher wurde er angesehen.
„Du wolltest doch unbedingt einen Hut. Jetzt pass auf ihn auf oder ich reiße dir die Gedärme raus.“, Arthur konnte jetzt keine weiteren kostbaren Momente verschwenden.
„Attack!“
Metall schlug klirrend aufeinander, schob sich quietschend, schreiend aneinander vorbei, durchstieß lebendiges Fleisch, welches nachgab. Klingen wurden aus mit ihren letzten Atemzügen aufschreienden Körpern gezogen und fuhren singend durch die Luft ehe sie einer anderen begegneten. Die Degen, Schwerter, Säbel und Dolche tanzten von einem zum nächsten. Elegant und tödlich. Pistolenschüsse übertönte das Gebrüll der Männer die aufeinander mit ihren Waffen einschlugen. Es wurde sich geduckt, ausgewichen, sich gedreht, gesprungen. Francis beobachtete den Tanz des Todes mit weit aufgerissenen Augen. Dieses grausame Schauspiel direkt vor seinen Augen ergriff ihn und lies seine Welt für einen Moment einfrieren. Diese Männer strahlten Ehrgeiz aus, Mut und Vertrauen auf denjenigen der ihnen befohlen hatte zu handeln. Schmerz und Tod … für was? Warum bekämpften sich diese Menschen? Francis sah Arthur, der in der rechten Hand seinen Degen hielt, der gegen einen anderen krachte, während er mit der linken, in welcher eine Schusswaffe lag, feuerte. Die schlanke Gestalt des jungen Briten wirbelte herum, im Kreis, sprang zur Seite, stieß zu, parierte, schoss, … Francis schob sich rasch den Hut unter sein Hemd und hob den Degen. Seine gesamten Hoffnungen auf Leben in diese Waffe setzend, hob er sie an und versuchte sich so schnell wie möglich ins Gedächtnis zu rufen, wie Arthur kämpfte. Er hatte keine Ahnung von Techniken oder dergleichen. Wenn er Glück hatte, konnte er wenigstens eine defensive Haltung einnehmen. Diese Entscheidung schnell getroffen zu haben, als sich ihm ein Spanier näherte, versuchte der Franzose sein Gewicht etwas zu verlagern. Sein Gegner holte aus und lies seinen Degen auf den blonden Mann niedersausen, welchem Francis auswich und einen beherzten Versuch startete, dem anderen mit der spitzen Klinge in den Bauch zu pieken. So einfach war es dann natürlich nicht. Der Spanier hatte diesen Angriff sofort erkannt und parierte, schlug weiter auf den Franzosen ein, der hilflos lediglich seinen Degen vor sich hielt um nicht getroffen zu werden. Dies klappte jedoch überraschend gut. Verbissen bahnte sich Arthur seinen Weg durch die Masse an Männern. Hier und da erwischte er jemanden mit seiner Klinge, durchbohrte jemanden mit einer Kugel oder kickte jemanden über die Reling durch geschickte Taktik. Ihn selbst zierten einige Schrammen und kleine, unrelevante Wunden. Der Piratenkapitän gab nicht nach und kämpfte entschlossen weiter. Er würde sich keine Gelegenheit entgehen lassen, diesen vorlauten Spaniern eine Lektion zu erteilen. Wer es wagte sich mit Arthur Kirkland anzulegen, hatte sein Schicksal besiegelt. Arthur trat jemandem die Beine unter dem Körper weg und schoss ihm in die Schulter. Er sprang weiter und kreuzte schon mit dem nächsten die Klingen. Für einen kurzen Moment passte er nicht auf und Blut spritzte. Erleichtert bemerkte er, dass er lediglich eine geringe Schnittwunde am Unterarm erhalten hatte. Gereizt trat er seinem Gegner in den Magen, der nach vorne über sank. Arthur rammte ihm seinen Ellenbogen auf sein Kreuz, ehe er sich schwungvoll umwandte. So weit schienen sie die Situation unter Kontrolle zu kriegen. Sein Blick wanderte über zu dem Franzosen, der lediglich Schläge parierte. Der Brite hielt kurz inne, überlegte ob er helfen sollte. Dabei schien es so als könne sich Francis alleine wehren. Gerade als er dies dachte, wurde dem Langhaarigen der Degen aus der Hand geschlagen. Arthur konnte die blauen sich weitenden Augen erkennen, die Panik austrahlten.Wie aus einem Reflex heraus, hatte er sich bewegt. Arthur hatte es erst wirklich bemerkte als er schon seinen eigenen Degen dem Spanier vor die Kehle hielt. Dessen Waffe war über den Boden ein Stück weg gerutscht, woraus der Engländer schloss, sie ihm aus der Hand geschlagen zu haben. Der Spanier kniete nicht weit vor ihm, die Hände abwehrend erhoben, während ihm Schweißperlen die Schläfe hinabliefen. Arthur selbst stand halb über dem zu beschützenden Franzosen, die Hand in welcher sich seine Schusswaffe befand lag auf seinem Oberschenkel. Seine Brust hob und senkte sich recht schnell. Der Engländer hob seinen Degen und lies ihn einen Moment in der Luft verharren, sodass der Gegner diesen Augenblick nutzen und zu fliehen versuchen konnte. Als er ihm den Rücken zudrehte, schoss Arthur ihm in sein linkes Bein. Er schrie auf und strauchelte. Francis starrte seinen Retter mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Dankbarkeit an. „Ähm. Danke sehr.“, brachte er es schließlich über die Lippen.
„Wo ist mein Hut?“
Perplexes Schweigen.
„Eh?“, machte Francis dann.
„Mein Hut. Er ist in Ordnung, oder?“, fragend schaute Arthur auf ihn hinab. Die Augenbraue des Franzosen zuckte verdächtig. Wurde er nur wegen diesem dämlichen Hut gerettet?
„Dein Hut ist unverletzt, Arschloch.“
Arthur hob den Degen auf und hielt ihm Francis entgegen.
„Hier. Versuch weniger leichtsinnig zu sein, Frosch.“
„Hey! Das ist erst das zweite Mal, dass ich so eine Waffe in der Hand halte. Was erwartest du?“, genervt nahm der auf dem Boden hockende die Klinge entgegen.
„Ich komm nicht noch mal her um dich zu retten.“, ernst starrte das Paar grüner Augen auf ihn hinunter. Francis lies diesen Satz auf sich wirken und betrachtete den Ausdruck in den Smaragd Irden des anderen.
„Ich weiß.“, meinte er dann und stand auf. Arthur hatte ihm schon den Rücken zugedreht, machte aber keine Anstalten sich von ihm zu entfernen.
„Ey, Franzose.“ Angesprochener sah ihn, erneut genervt an.
„Was?“
„ … Versuche … dich in meiner Nähe aufzuhalten, da bist du sicherer. Es sei denn ich sage, du sollst verschwinden, dann verpiss dich einfach.“
Überrascht hob Francis eine Augenbraue.
„Pardon?“
Er erhielt jedoch keine weiteren Ergänzungen, denn der Brite hatte sich auf sein nächstes Opfer gestürzt. Francis biss sich unsicher auf die Unterlippe und schaute von dem Piraten auf den Degen. Er könnte ihm theoretisch den Rücken freihalten. Praktisch würde das wohl nicht so ganz funktionieren. Er sah wieder zu Arthur. Dieser vollführte gerade eine 360° Drehung. Sein Mantel flatterte ihm hinterher und seine Haare wirbelten durcheinander. Elegant feuerte er einen Schuss ab und lies seine Klinge waagerecht an einigen Körpern vorbei zischen. Der Engländer war in der Tat ein Einzelkämpfer, das konnte Francis auf den ersten Blick erkennen. Der Franzose schluckte alle Bedenken, Ängste und Zweifel hinunter, ehe er sich an Arthurs Rücken stellte.
„Kannst du mir vielleicht irgendeinen Tipp geben?“
Der Engländer hatte kurz einen überraschten Ausdruck auf dem Gesicht, als er den Körper des anderen an seinem Rücken spürte. Er fing sich jedoch schnell wieder, obwohl sein Mundwinkel nach oben zuckte.
„Kein guter Zeitpunkt danach zu fragen.“, Arthur durchstieß jemandes Brust, „Aber ich denke du weißt ungefähr wie es funktioniert.“
„Hat man ja gesehen, non?“, Francis hielt seinen Degen gegen einen vor ihm.
„Dir fehlt es einfach an Übung und Geschwindigkeit.“, Arthur hob seinen Arm und legte ihn über Francis' Schulter um dessen Gegner ins Gesicht zu schießen. Erschrocken starrte Francis auf den Körper, der vor ihm zusammenbrach und dann zu dem Briten hinter ihm.
„Lass dich einfach nicht ablenken und konzentriere dich. Dann schaffst du es.“, erklärte Arthur und schlug auf seine Gegner ein. Versuchte dieser miesgelaunte Engländer ihn gerade zu motivieren? Francis schluckte leicht berührt, ehe er den Kopf schüttelte und sich bemühte diese Ratschläge zu befolgen. Kanonenschüsse schallten durch die Luft. Lautes Krachen war von dem spanischen Schiff zu vernehmen. Brechendes, splitterndes Holz, einstürzende Balken und einschlagen auf die Wasseroberfläche. Francis hätte sich umgedreht um es zu beobachten, aber das war weder nötig noch möglich.
„Das Schiff …?“, er sprach die Frage nicht aus, aber Arthur verstand ihn.
„Ja. Nur noch Schrott.“
Es dauerte nicht mehr lange und die übrigen Spanier, die sich nicht ergeben wollten waren erledigt. Andere wollten weder sterben, noch gefangen genommen werden – was sie jedoch nicht ein mal in Betracht zogen bei Arthurs Reputation. Sie sprangen einfach von Bord, klammerten sich an Planken und das Wrack, welches ihr Schiff gewesen war. Arthur lies nicht auf sie schießen. Er schlurfte in seine Kajüte. Francis der noch ganz außer Atem war und noch weiche Knie hatte, schaute ihm nach. Er beruhigte seine Atmung und lief dem Kapitän nach. „Arthur!“ Er schob sich durch die Tür und schloss sie sofort wieder hinter sich. Er wusste, der Engländer hatte es nicht gerne wenn sie offen stand. Der blonde Pirat hatte sich auf seinem Stuhl niedergelassen, saß wirklich schief da und hatte einen Arm auf dem Tisch abgelegt. Francis hatte den Hut wieder hervor geholt, hielt aber bei dem Anblick des Briten inne.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er und näherte sich dem anderen.
„Natürlich.“, knurrte Arthur und als Francis eine Hand nach ihm ausstreckte schlug er sie weg, „Nerv mich gefälligst nicht.“
Francis zog die Augenbrauen zusammen. Er war ja wirklich kein umgänglicher Typ, aber irgendwas war komisch. Der Franzose legte den Hut auf dem Schreibtisch ab.
„Da. Hast ihn zurück.“, seine blauen Augen sahen nun wieder zu dem Engländer, „Du bist verletzt.“
Diese Feststellung verursachte einen amüsierten Laut, welcher durch Arthurs Nase entwich.
„Was du nicht sagst. Was glaubst du womit diese spanischen Trottel gekämpft haben? Federn?“ Francis überging diesen Kommentar und griff nach Arthurs Arm, der zuckte und ihn zurückziehen wollte.
„Lass das!“
„Halt den Mund und lass den großen Bruder das machen.“
„Haah?“, irritiert sah der Engländer ihn an, sich nicht mehr so stark wehrend. Francis grinste ihn an.
„Was ist?“
„Wer ist hier wessen großer Bruder?! Wir sind fast gleich groß und-“
„Ich wette ich bin älter als du.“, sich bis nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt hinunterbeugend, wuchs das neckische Grinsen auf dem Gesicht des Franzosen.
„Schwachsinn!“
„Wie alt bist du, mon ami?“
„21.“
„Ich bin 24.“
Schweigen. Mit rotem Gesicht – nicht sicher ob vor Scham oder Wut – starrte Arthur ihn an.
„Wie auch immer.“, genervt wandte er den Blick ab und wollte Francis seinen Arm entziehen, „Lass das. Ich werde damit alleine fertig.“
„Das glaub ich dir schon. Aber ich finde du könntest dir auch mal helfen lassen.“ Francis schob den roten Mantel von den Schultern des Piraten, der ihn nur noch genervt anstarrte. Protestieren tat er jedoch nicht mehr.
„Hab ich nicht nötig.“, knurrte er bloß.
„Hör mal, deine Wunden werden vermutlich weniger weh tun, wenn du dich nicht zu viel bewegst.“
„Vermutlich? Wow, du klingst ja sehr fachmännisch.“
„Tut mir leid, aber ich bin ja kein Arzt.“, Francis rollte die Augen und knöpfte das Hemd des Briten auf. Dieses schloss sich dem Mantel an, welcher bereits neben dem Stuhl lag. Arthur beäugte seine Kleidungsstücke.
„Netter könntest du damit auch nicht umgehen.“
„Deine unmodischen Stofffetzen brauchen keinen freundlichen Umgang.“ Francis tauchte ein sauberes Taschentuch in eine Schüssel Wasser, welches beides auf einem kleinen Tischchen am Ende des Bettes gestanden hatte, nun jedoch seinen Platz auf dem Schreibtisch gefunden hatte. Er tupfte damit über die Schnittwunden, die die Arme und Brustbereich des Briten übersäten. Dieser zuckte immer wieder zusammen, bei der Berührung des feuchten Tuches. Sie schwiegen einander an. Misstrauisch beobachtete Arthur den Franzosen bei seiner Arbeit, der es vermied ihn anzusehen. Francis tauchte das Tuch erneut ein und sein Blick huschte zu dem Gesicht des Engländers. Er grinste. Arthur schaute direkt wütend, als er etwas Blut in sein Gesicht schießen spürte und schaute weg. Francis kicherte.
„Ach, sei doch still.“, fauchte Arthur.
„Ich sage doch gar nichts.“
„Du weißt was ich meine.“, er seufzte genervt. Francis tupfte an einem Schnitt, welcher sich an Arthurs Unterkiefer befand und beendete damit das säubern.
„Trinkwasserverschwendung.“, meinte der Brite.
„Es gibt noch anderes was man trinken kann.“, entgegnete Francis.
„Die Kratzer bluten doch nicht mal mehr.“
„Woran liegt das wohl? Ich hab nicht nur deine Wunden gesäubert, sondern teilweise auch die Blutung gestoppt!“
„Willst du jetzt einen Orden?“
„Ja!“
Sie sahen einander einen Moment schweigend an. Arthur hielt sich schließlich die Hand vor den Mund, als er ein Lachen unterdrücken musste. Francis kicherte ebenfalls etwas. Der Franzose sank auf den Boden, den Rücken an die Wand gelehnt. Arthur angelte nach seinem Hemd und zog es sich über.
„Warum bist du eigentlich Pirat?“, wollte Francis schließlich wissen, während er den Engländer beobachtete. Arthurs Bewegungen froren ein. Er brauchte einen Augenblick ehe er sich weiter anzog, jedoch stumm. Francis seufzte leise. Er wollte also nicht darüber sprechen?
„Ich … will Dinge sehen.“
Als er dann doch die Stimme des Jüngeren vernahm, sah der Franzose auf.
„Dinge?“, fragte er nach.
„Ich will Orte sehen, die noch keiner vor mir gesehen hat. Ich will entdecken und aufzeichnen. Es ist aufregend. Als Pirat ist man an keine Regierung oder an Vorgesetzte gebunden. Ich kann überall hin. Wo ich hin will, dahin gehe ich.“, ein verträumtes Lächeln hatte sich auf seine Lippen geschlichen, „Ich will Wesen sehen, die es bei mir Zuhause nicht gab. Magische Gegenstände finden, heilige Stätten erkunden.“ Er verstummte. Zum ersten Mal seit Francis ihn kennen gelernt hatte, wirkte er komplett entspannt. Arthur war sich bewusst, wie gefährlich es war etwas derartiges preiszugeben. Magie zu praktizieren war nun nicht wirklich willkommen in der Gesellschaft. Er hatte nie vorgehabt irgendjemanden darin einzuweihen. Nur irgendwie hatte er sich einfach nicht mehr zurückhalten können.
„Magisch?“, fragte er nach einer Weile skeptisch nach. Sofort verhärteten sich die Gesichtszüge des Briten wieder.
„Ja.“, antwortete er und schien all seine Überzeugungen in dieses eine Worte zu legen, „Irgendein Problem damit?“
Entschuldigend hob Francis die Hände und ein nervöses Lächeln zeigte sich.
„Non, non, natürlich nicht. Ich habe nur bisher keinerlei Erfahrung mit Magie oder solchem Zeug gemacht und sie auch nie zu Gesicht bekommen. Deswegen ist mit dieses Thema fremd.“
Arthur schnaubte bloß, wirkte aber relativ überzeugt.
„Ich bin damit aufgewachsen. Wenn du jemandem davon erzählst, schneide ich dir die Zunge raus.“, fügte er nur noch hinzu. Wieder war es still. Diesmal fühlte sich Arthur verpflichtet etwas zu sagen und dachte nach.
„Du … willst du zu irgendwem auf dem Festland zurück, Frosch?“
„Was an mir ist denn nun ein Frosch?!“
„Find's heraus.“
„Das sagst du jedes Mal!“
„Gut erkannt. Jetzt antworte. Hast du Familie, Freunde oder sowas?“, Arthur blickte ihn auffordernd an, „Nicht dass es mich wirklich interessiert.“
Francis hörte letzteres kaum noch. Ein trauriges Lächeln im Gesicht schaute er von den Bodenplanken auf zu dem Engländer.
„Ich habe Jeanne.“ Arthur wusste erst nicht genau was er antworten sollte. Er hatte ja keine Ahnung wer das war.
„Und? Was ist sie? Deine Frau? Deine Schwester?“
„Eifersüchtig?“
„Antworte einfach!“
Kurz lachte der Franzose, dann kehrte der etwas traurige Blick zurück.
„Schwester trifft es wohl am ehesten, auch wenn wir nicht verwandt sind. Ich kenne sie seit langer Zeit und … sie ist schwer krank.“
„Oh.“, machte der Pirat und sah etwas betreten zur Seite, „Das …“ Er sprach dann doch nicht sein Beileid aus. Francis schien es jedoch bemerkt zu haben und lächelte.
„Schon sehr lange. Ich habe … diesen Leuten, die du auch kennen lernen durftest, Geld gegeben, weil sie meinten, sie könnten ihr helfen. Aber die Kosten wurden zu hoch und ich durfte Jeanne auch … nicht mehr sehen, seit einer Weile. Sie hat stark gehustet und wurde immer schwächer. Ihr Fieber war sehr hoch und …“
Francis schluckte. Er wollte nicht weiter darauf eingehen. Arthur schwieg. Er war sich nicht sicher ob er das nächste wirklich aussprechen wollte.
„Wenn sie schon lange daran litt, wird sie vermutlich inzwischen . . .“, er konnte den Satz doch nicht beenden.
„Ich weiß.“, die Stimme des Franzosen klang etwas rau. Stille herrschte. Keiner wollte etwas sagen. Arthur wollte ihn nicht weiter bedrängen und Francis bemühte sich keinen Gefühlsausbruch zu zeigen. Er war dabei es zu verarbeiten. Obgleich es ihm bewusst war, er hatte es nicht akzeptieren wollen und hatte versucht seine Schulden bei diesen Männern abzubezahlen. Aber irgendwann musste es auch ihm klar werden. Er atmete einmal tief durch.
„Hast du Geschwister?“, durchbrach er die Stille und sah Arthur an. Dieser verkrampfte sich stark und presste die Lippen aufeinander.
„Habe ich.“, meinte er dann. Mit dieser Reaktion hatte Francis nicht gerechnet.
„Stimmt was nicht?“
„Ich rede nicht über meine Brüder.“
„Warum?“
„Es gibt nichts Gutes was ich über sie preisgeben könnte. Nur so viel: Ich habe drei ältere Brüder. Nun, möglicher Weise sind es nur noch zwei, von Dylan hat man lange nichts mehr gehört.“
„Ach so.“, machte der Franzose unsicher, beschloss dann aber das Thema große Brüder nicht mehr anzusprechen, „Hast du sonst noch Familie?“
„Nein. Meine Mutter ist vor einer Weile verstorben. Sie war eine gütige Frau und eine ausgezeichnete Magierin. Von unserem Vater haben wir nie etwas gehört, ich für meinen Teil habe ihn nie kennen gelernt. Die anderen haben ihn auch so gut wie nie erwähnt, bin nicht sicher ob sie ihn gekannt haben.“, sprach Arthur weiter, „Ansonsten … nein, Freunde habe ich auch nicht.“
„Wollte niemand mit dem kleinen Arthur spielen?“, neckte Francis.
„Das war es nicht. Ich hatte einfach nie Kontakt zu anderen Menschen, abgesehen von diesen … na, meinen Brüdern.“
„Wieso das?“
„Ich hatte doch erwähnt, dass ich mit Magie aufgewachsen bin. Etwas anderes habe ich so gut wie nie gemacht.“
„Einsam?“, Francis schaute in die giftgrünen Augen des Briten. Diese starrten zurück in das tiefe Blau. Für einen sehr kurzen Moment war ein Ausdruck von Schwäche in Arthurs Augen zu sehen.
„So ein Unsinn. Wieso erzähle ich dir überhaupt irgendwas.“, rasch erhob er sich. Sein Stuhl scharrte über den Boden und schwankte leicht. „Ich geh mich ausruhen.“ Er stapfte auf sein Bett zu, wurde jedoch kurz davor durch die Stimme des Franzosen zurückgehalten.
„Arthur?“
„Hm?“
„Zeigst du mir …“, unsicher hielt Francis kurz inne, „Zeigst du mir so einen fantastischen Ort? Nimmst du mich bis dorthin noch mit?“
Der Pirat schien kurz zu überlegen, ehe er sich umdrehte. Er zeigte ein freches Grinsen.
„Wenn's sein muss.“
Auf hartem Boden lag er schwer atmend da. Sein winziger Körper fühlte sich fast taub ab, jedoch konnte er noch Schmerzen fühlen. Die Kleider hingen schwer an seinen Gliedmaßen und zogen ihn regelrecht zu Boden. Er blinzelte immer wieder, während er seine begierigen Lungen mit Luft füllte. In sein schummriges Lichtfeld schoben sich drei rote Haarschöpfe, einer von einem intensiveren, dunkleren rot als die übrigen zwei. Dieser ragte ein Stück als sie. Sie gehörten drei Gestalten, die vor ihm, halb über ihn gebeugt standen. Auf ihn hinab starrend. Die zwei kleineren, grinsten ihm entgegen. Einer der beiden stupste ihn mit seiner Hand an, bohrte seinen Finger in seine Wange. Er nahm die Stimme des anderen war, konnte aber keine Worte erfassen. Die drei wandten sich von ihm ab, ließen ihn liegen. Sein zarter Arm erhob sich zitternd und er ergriff den Saum des dunkelblauen Umhangs, welcher um die Schultern des Größten lag. Ein Gesicht wurde ihm zugewandt. Ausdruckslos. Er versuchte sich an Worten, konnte nicht sprechen. Sein Mund öffnete sich kläglich und es kamen nur krächzende Geräusche raus. Der Stoff löste sich von seinen Fingern.„Ich habe meine Gründe.“
Francis verlor den Halt und landete auf dem Hintern. Er verzog das Gesicht, den Degen noch schräg vor sich haltend.
„Ich hab doch gesagt, du stehst nicht sicher. Du musst dein Gewicht anders verlagern.“, Neil, einer der wenigen Männer, der Francis nicht gleich ins Gesicht spucken wollte, wenn er ihn sah, klopfte sich leicht mit seiner eigenen Klinge gegen die Schulter.
Schmollend murmelte der Franzose nur etwas unverständliches. Arthur beobachtete dies amüsiert und konnte ein Grinsen vor Schadensfreude nicht unterdrücken. Er selbst drehte das Steuerrad nach links und wandte seinen Blick gen Himmel. Der Wind lies ihre tiefschwarze Flagge erzittern. Zufrieden mit ihrem derzeitigen Kurs sah der Brite wieder zu den beiden Übenden hinunter. Da er den lästigen Franzosen jetzt doch noch eine Weile bei sich behalten würde, hatte er Neil angewiesen sich um dessen Kampffähigkeiten zu kümmern. Warum gerade Neil? Nun, er hatte Francis gefragt, zu welchen Personen er möglichst gering negativen Kontakt bisher hatte. Und das reduzierte sich auf ihn selbst, Peter und eben Neil. Aber auch der braunhaarige Mann war nicht all zu begeistert von dieser Anordnung. Er hatte den etwas kleineren Franzosen erst mürrisch angesehen, dann jedoch geschlagen geseufzt und mit einem 'Bringen wir es hinter uns' das Training begonnen. Auf einem geschäftigen Schiff war es relativ kompliziert jemandem etwas wie fechten beizubringen. Sie hatten sich einen möglichst freien Teil des Decks gesucht und mussten nur ab und zu unterbrechen. Francis schob sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, welches einen nicht gerade begeisterten Ausdruck trug und stemmte sich auf. Kaum hatte er sein Gleichgewicht wiedergefunden, hielt er seinen Degen herausfordernd vor sich. Klirrend krachten ihre Klingen aufeinander, Francis wich aus, sprang zur Seite, parierte. Er schlug sich recht gut, wie er fand und sein Blick huschte für einen kurzen Moment zu Arthur hinauf, der jedoch gerade gen Himmel sah. Erneut wurde er zu Fall gebracht und landete mit einem erschrockenen Aufschrei in einem Haufen Taue. Ein vertrautes Lachen drang an seine Ohren. Er warf dem blonden Briten einen wütenden Blick zu, da es gewissermaßen seine Schuld war. Diesem war er sich zwar nicht bewusst, aber es hätte ihn wohl sowieso nicht gekümmert. Arthur grinste ihn nur noch kopfschüttelnd an, ehe er sich wieder seiner Aufgabe zu wandte. Entnervt rappelte sich der Franzose auf.
„Schöne Augen kannst du ihm auch später machen. Konzentriere dich jetzt lieber.“, Neil seufzte.
„Quoi? Von wegen schöne Augen machen.“, Francis klopfte seine Kleidung ab, „Ich dachte nur, wann es mir möglich wäre ihn mal im Kampf zu besiegen. Das ist alles.“
„Uh-huh.“, machte der braunhaarige Mann vor ihm ungläubig und hob vielsagend eine Augenbraue, fuhr jedoch fort, „Gegen Kirkland gewinnt man nicht so einfach. Davon kannst du lediglich träumen.“
Francis kehrte in seine Kampfhaltung zurück.
„Wieso das?“
Erneut begegneten sich die Waffen.
„Nun ja.“, erklärte Neil währenddessen, „Der Kapitän ist speziell. Er kann nicht nur mit Degen und Pistolen gut umgehen. Er soll wohl auch verschiedene andere Waffen gut beherrschen. Abgesehen davon hat er noch andere Möglichkeiten zu kämpfen …“
Als hätte er etwas ausgesprochen was er lieber für sich behalten hätte, verstummte er plötzlich.
„Wie meinst du das?“, fragte Francis neugierig. Ihm war nicht entgangen, wie sich Unbehagen auf dem Gesicht des Braunhaarigen zeigte. Er erhielt jedoch keine Antwort.
Arthur platzierte eine zusammengefaltete Decke auf seinem Schreibtisch, ehe er seinen Hut daneben legte. Francis schlüpfte soeben erschöpft durch die Tür zu ihm herein. Auf Dauer war das Training wirklich hart.
„Länger nicht mehr durchgehalten?“, neckte der Brite, der sich seinen Mantel von den Schultern schob und ihn um die Stuhllehne hängte. Francis schnaubte.
„Ich bin einfach nur schon fertig.“
„Sicher.“, seufzend warf sich Arthur auf sein Bett, die Arme hinter seinem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen. Provoziert starrte Francis ihn an, ehe er seinen Zopf öffnete.
„Neil meinte neulich, es wäre wohl kaum möglich dich im Kampf zu besiegen.“
„Hmmhm.“, machte der Engländer lediglich als Zeichen, dass er diese Aussage wahrgenommen hatte.
„Soll ich das so verstehen, dass du dich für unbesiegbar hältst?“, abschätzend dreinblickend, verschränkte er die Arme vor der Brust. Jedoch hatte er die folgende Antwort in etwa schon erwartet und schlich leise an das Bett des anderen.
„In Anbetracht der momentanen Gesellschaft: Ja, auf jeden Fall.“
„Ach ist das so?“, Francis zog einen Dolch hervor und richtete diesen langsam auf den Hals des Briten.
„Lass das, Frosch. Du weißt nicht mit wem du es zu tun hast.“
Der Ältere hielt inne. Arthur hatte sich nicht bewegt.
„Ich habe es mit einem zynischen, englischen Piraten zu tun. Sollte ich sonst noch etwas wissen?“, ein nervöses Lächeln zeichnete sich auf dem Gesicht des Franzosen ab. Grinsend öffnete Arthur eines seiner smaragdgrünen Augen.
„Da gibt es noch so einiges.“
„Das glaub ich erst, wenn ich es sehe.“
Francis holte mit dem Dolch aus, jedoch war Arthur schnell genug sich zur Seite zu rollen und mit seiner Bettdecke nach ihm zu werfen. Den Stoff von sich zerrend, trat Francis einen Schritt zurück, da er mit einem Angriff von vorn rechnete. Der Engländer stand jedoch hinter ihm und trat ihm die Beine weg. Womit er nicht gerechnet hatte, war dass sich Francis an ihm festhalten würde. Beide gingen zu Boden. Der Franzose lag noch halb in die Decke gewickelt unter ihm, den Körper auf die Holzplanken gepresst. Arthur brauchte einen Moment um sich zu sammeln, aber ehe sich sein Opfer bewegen konnte, packte er ihn an den langen Haaren. Er zog ihn etwas hoch und warf ihm einige wütende Beschimpfungen an den Kopf. In diesem Moment hörte er sich schnell nähernde Schritte.
„Ist alles in Ordnung?“, die Tür wurde von einem schwarzhaarigen, jungen Mann, der einen besorgten Gesichtsausdruck zeigte aufgerissen. Jedoch wich dieser einem perplexen Ausdruck, als er die beiden Männer am Boden anstarrte, die etwas verdutzt zu ihm aufsahen. Keiner sagte ein Wort, ehe der Schwarzhaarige seine Sprache wiederfand.
„Oh, Verzeihung, ich wollte nicht- Ich gehe einfach wieder, ok?“, peinlich berührt verließ er den Raum und zog die Tür hinter sich zu. Das Blut schoss Arthur ins Gesicht und in Sekundenschnelle sprang er auf, als hätte er sich verbrannt. Er trat den am Boden liegenden noch ein mal.
„Deine Schuld, verdammter Franzose!“, immer noch hochrot wandte er sich ab und stapfte auf sein Bett zu. Francis rieb sich den leicht schmerzenden Punkt, der den Fuß des Briten kennenlernen durfte, hatte aber schon ein wieder ein neckisches Grinsen im Gesicht.
„Du scheinst mich ja sehr gern zu haben.“
„Halts Maul!“, gereizt drehte sich Arthur zu ihm um, „Ich könnte dich hier und jetzt umbringen!“
„Mach doch.“, Francis hob eine Augenbraue und erhob sich, „Immerhin habe ich dich zuerst angegriffen.“
Ein unterdrücktes Prusten seitens des Briten.
„Du hattest nicht wirklich vor mich zu verletzen. Was dir im Übrigen sowieso nicht gelungen wäre.“
„Deine Überheblichkeit ist zum kotzen.“, Francis trat näher zu ihm. Misstrauisch wurde er dabei beäugt.
„Es ist aber schon irgendwie niedlich wie du versuchst deine eigene Schwäche zu überspielen, mon petit pirate.“
„Ich bin nicht klein!“, knurrte Arthur.
„Du sprichst französisch?“, Francis hob eine Augenbraue.
„Zum einen war das nun wirklich nicht sehr schwer und ja, ein wenig.“
„Woher?“
„Als ich klein war, hat mir ein Mädchen ein paar Begriffe und Wendungen beigebracht.“
„War sie hübsch?“
„Was geht’s dich an?!“, er pausierte einen Moment indem er den Franzosen nur wütend anstarrte, „Ja, sie war hübsch. Na und?“
„Wie sah sie denn aus?“, wollte Francis weiter wissen, ihn grinsend ansehend und den Abstand zwischen ihnen auf wenige Zentimeter verringernd.
„Es ist lange her. Sie war etwas älter als ich und hatte längere, blonde Haare. Ist doch unwichtig!“
„Ah, das erklärt warum ich dir gefalle. Soll ich wieder ein Kleid für dich anziehen?“
Das linke Lid des Briten zuckte verdächtig, bevor er Francis sein Knie in den Magen rammte. Röchelnd sackte dieser zusammen und lehnte sich nach vorne, seine Stirn ungewollt gegen die Brust des Anderen lehnend. Ungerührt sah Arthur auf ihn hinab. Ein schwaches Lachen erhob sich in Francis, als er sich wieder aufrichtete.
„Ziemlich grausam.“, krächzte er.
„Ich hätte auch etwas weiter unten zutreten können. Soll ich das ändern?“
„Ah, non, non, non! Nicht nötig.“
Einen Augenblick starrten sie einander noch an. Der Brite genervt, der Franzose schief lächelnd. Arthur griff plötzlich nach Francis' Hemd und zog ihn daran zum anderen Ende des Raumes. Dort wollte er ihn stehen lassen und zu seinem Bett zurückkehren.
„Ach, darf ich heute nicht endlich im Bett schlafen?“, kicherte der Ältere und schlang seine Arme um die Schultern des Engländers. Dieser funkelte ihn nur an. Arthur wand sich aus der Umarmung und bugsierte Francis wieder an seinen Platz. Er drückte ihn auf den Boden und begann ihm die Ketten anzulegen.
„Muss das sein?“, seufzte der Franzose, „Ich meine, ich hab kein Problem damit von dir gefesselt zu werden, aber so langsam wird das doch lächerlich.“
„Ich hab keine Lust darauf, dass du mitten in der Nacht ausprobierst, wie gut ich mich verteidigen kann. Oder sonst irgendwas versuchst.“
Francis schob schmollend seine Unterlippe vor.
„Der Boden ist aber hart.“
„Du fühlst dich hier sowieso schon viel zu wohl.“, Arthur stand auf, „Beschwer' dich nicht.“
Immer noch schmollend, sah Francis zu ihm hoch. Der Pirat wandte ihm den Rücken zu und griff nach der Decke auf dem Schreibtisch. Grob warf er sie nach dem Franzosen und stapfte auf seinen Schlafplatz zu. Francis fischte sich die Decke vom Kopf und entfaltete diese lächelnd.
„Merci.“
„Schnauze.“, Arthur hatte sich hingelegt und ihm demonstrativ den Rücken zu gedreht. Sich an den Stoff der Decke schmiegend, seufzte Francis mehr als zufrieden.
„Mach da hinten gefälligst keine komischen Laute!“
Ein Kichern entkam der Kehle des Franzosen.
„Schon gut, schon gut. Hab verstanden. Schlaf gut, Arthur.“
„Wie auch immer.“, zischte der Angesprochene. Mit einem sanften Gesichtsausdruck blickte der Ältere zu ihm rüber. Urplötzlich hatte ihn so ein wohliges Gefühl überkommen, auch wenn der Brite nicht ganz freundlich war. Er zog sich die Decke über die Schultern und genoss die Wärme, die sie spendete. Seine Augen schlossen sich, doch sein Lächeln verschwand nicht.
„Du wirst schon gut schlafen …“, hörte Francis den Engländer knurren. Kurz hoben sich seine Mundwinkel ein Stück weiter an. Schon bald driftete er in seine Traumwelt ab.
Er stand im Freien, auf dem Festland. Frisches, grünes Gras so weit das Auge reichte. Über Hügel hinweg, durchzogen von einem kleinen Bach, der in einen Fluss mündete. Große, schmächtige, stark verwurzelte und schief stehende Bäume. Francis fuhr der Wind durch die Haare und lies sie ihm um das Gesicht wirbeln. Faszination in den tiefblauen Augen, streifte sein Blick über die Landschaft. Weit weg konnte er Berge erkennen und dicke, flauschige Wolken am Himmel. Wie aus dem Nichts tauchte vor ihm ein kleiner blonder Junge auf. Erstaunt schaute Francis ihn an. Er trug einen dunkelgrünen Umhang über einem schmutzigen, weißen Hemd, das um der Hüfte von einem Gürtel gefestigt wurde. Er trug eine ihm etwas zu große braune Hose, welche in kleinen schwarzen Stiefeln endete. Seine großen grünen Augen sahen zu seinen Füßen hinab, beinahe von den dicken Haarsträhnen verdeckt, die ihm ins Gesicht fielen. Dreck klebte an seiner Wange und er hatte ein blaues Auge, sowie getrocknetes Blut an seiner Unterlippe. Francis hockte sich vor ihn und schaute ihn besorgt an. „Hey, du.“ Der Junge sah auf. Sein kläglicher Blick lies sich das Herz des Franzosen verkrampfen. Er wollte den Jungen einfach in die Arme nehmen und trösten. Dieser wurde jedoch von einem stummen Ruf angelockt. Francis' Blick folgte dem Jungen, der auf eine Person zu lief. Sie hatte ein Lächeln auf dem Gesicht,welches von blonden Locken umgeben war. Der kleine Junge kam vor ihr zum Stehen und streckte die Arme nach ihr aus. Stumm lachend strich ihre zarte Hand über seinen struppigen Haarschopf. Nachdem sie diese von seinem Kopf genommen hatte, nahm sie ihn an die Hand und führte ihn weiter über die Wiesen gen Bach. Der blonde Junge schaute nach einem Moment des Gehens zurück und starrte Francis an, der zusammenzuckte. Das unschuldige Gesicht zeigte keinen Ausdruck starrte ihn nur mit großen Augen an. Der Franzose schluckte.
Seine Augen schlagartig aufreißend, erwachte Francis aus seinem merkwürdigen Traum. Tief durchatmend wanderte sein Blick von den Bodendielen zu dem leeren Bett am anderen Ende des Raumes. Es war schon hell. Folglich war Arthur wohl schon an Deck. Seine Fesseln waren auch bereits gelöst, wie Francis feststellte. Als er sich erhoben hatte, streckte er sich direkt und verspürte Muskelkater in seinen Gliedern. Aber was hätte er auch anderes erwarten sollen.
Auf den Teller in seinen Händen starrend, saß der Blauäugige auf einem Fass. Er hatte noch nicht begonnen zu essen. Hier und da standen oder saßen die Mitglieder der Crew, plauderten oder aßen schweigend. Francis sah sich nun um, nach Arthur Ausschau haltend. Hatte er gar keinen Hunger?
„Suchst du was?“
Etwas verblüfft wandte der Franzose seinen Kopf in Richtung der Stimme. Vor ihm stand ein Mann mit stumpfem braunen Haar, gekleidet in ein beiges Hemd, dessen Ärmel kurz vor seinen Ellenbogen endeten. Die Ränder davon waren eingerissen und einige Fransen hingen hinab. Die originale Farbe seiner Hose war kaum noch zu erahnen, inzwischen hatte sie einen dunkelbraunen Ton angenommen mit einigen Gras- und Ölflecken. Seine hellblauen Augen starrten ihm unfreundlich entgegen. Den Mund verzogen und die Arme vor der Brust verschränkt. wirkte er recht verstimmt, ja regelrecht angeekelt. Fragend hob Francis eine Augenbraue.
„Ähm. Non?“, er stellte seinen Teller auf dem Fass neben sich ab. Sicherheitshalber.Der Mann vor ihm musterte ihn flüchtig, seine Miene beibehaltend.
„Du gefällst mir nicht.“, meinte er dann.
„Was du nicht sagst.“, leicht verständnislos bohrte sich Francis' Blick in den Schädel seines Gegenübers, „Ich sitze hier nicht um dich zu beeindrucken, tut mir leid.“
Er wurde am Kragen gepackt und vom Fass gezerrt.
„Pass mal auf, du Abschaum. Der Kapitän mag vielleicht etwas für dich übrig haben, das trifft aber nicht auf uns zu. Lenk' den Mann nicht weiter ab, ist das klar? Du weißt nichts und bist nur aus einer Laune heraus hier gelandet, also bilde dir nichts ein!“
Hasserfüllt wurde Francis angestarrt. Wütend zurückblickend, lies er sich nicht anmerken, dass er die Worte und die Handlungen des Mannes hinterfragte. Ein falsches Lächeln auf den Lippen packte er das Handgelenk des Anderen.
„Hochinteressant, mon ami.“, entgegnete er sarkastisch, „Aber glaube mir, ich weiß einiges. Und ob niedere Hunde, wie du mich als Person akzeptieren oder nicht, geht mir am Arsch vorbei. Ist das klar?“
Mit Letzterem sein Gegenüber nachäffend löste er dessen Griff von sich und trat einen Schritt von ihm weg. Dieser knirschte wütend mit den Zähnen, ehe er zum Schlag ausholte.
„Halt dein Maul, du Ratte!“
Nur knapp konnte Francis ausweichen. Er verpasste dem Braunhaarigen einen Kinnhaken und hoffte, dass er dafür nicht über Bord geworfen wurde, solange Arthur nicht hinsah. Sein Gegner fasste sich fluchend mit schmerzverzerrtem Gesicht an sein Kinn, ehe er erneut ausholte und seine Faust die Wange des Blonden traf. Francis taumelte ein Stück zurück. Er rieb sich die Wange und sie starrten einander aggressiv an. Beide holten schon zum nächsten Schlag aus, da tauchte jemand zwischen ihnen auf.
„Aufhören!“
Peter. Francis schaute ihn an, unsicher ob er wirklich auf ihn hören sollte. Ihr Gegenüber wurde von einem Rothaarigen zurückgehalten. Dieser legte ihm eine Hand auf die Schulter und warf einen abschätzenden Blick zu Francis, einige Worte mit dem Braunhaarigen wechselnd. Der Franzose wurde von Peter mit in die Kombüse gezogen, wo er auf einem Stuhl platziert wurde.
„Wieso prügelst du dich mit George?“, Peter besah sich Francis' Gesicht. Dieser hob die Schultern.
„Er wollte mich plötzlich seiner Faust vorstellen, also fand ich es nur angebracht ihm meine nicht vorzuenthalten.“, er erntete einen bemüht ernsten Blick seitens des Jüngeren, doch er konnte das amüsierte Blitzen in seinen Augen erkennen, „Nun ja, er meinte, er könne mich nicht leiden und ich solle Arthur in Ruhe lassen, weil ich ja nur dieses und jenes bin, etc.“
Er hob gestikulierend die Hände beim Sprechen. Peter seufzte.
„So denken viele hier.“, er tippte gegen die Wange des Franzosen, der zurück zuckte und scharf die Luft einsog, „Augenbraue ist etwas anders, seit du hier bist. Scheint denen halt nicht zu gefallen.“
„Anders?“, fragend schaute Francis den Jungen an, der nur grinsend abwinkte.
„Wie auch immer. Vielleicht solltest du Kontakt zu den Anderen besser vermeiden.“, schlug Peter vor und setzte sich auf den Tisch.
„Ich habe keine Angst vor denen.“, minimal beleidigt beäugte der Franzose einige Schüsseln, die neben dem Jungen standen. Er hatte auch seinen Stolz.
„Hab ich nie behauptet.“, abwehrend hob der Jüngere die Hände, „Nur wäre es für den allgemeinen Frieden hier fördernder, wenn du dich nicht mit ihnen anlegst.“
„Er hat angefangen!“, Francis bemerkte selbst, dass er nun anfing, wie ein Kind zu klingen. Das brachte Peter zu lachen.
„Ich weiß, ich weiß.“
In diesem Moment drangen Rufe durch die Tür herein. Erstaunt sahen sich die beiden an, ehe sie sich erhoben und hinaus spähten.
„Was meint er mit 'Land'?“, fragte Francis.
„Was glaubst du was er damit meint?“, Stiefel erklangen auf dem Holz, „Sicherlich nicht, dass es regnet.“
Der Franzose rollte die Augen.
„Dein Sarkasmus nervt, Arthur.“
„Scheinst ihn aber auch gerne in den Mund zu nehmen.“, entgegnete der Kapitän, als er sich ihnen näherte.
„Sarkasmus ist da nicht das einzige.“
Schockiert schaute Francis zu dem Jungen neben sich. Obwohl dieser geflüstert hatte, hatte er das gut verstanden.
„Bitte?“
„Was? Denkt doch jeder hier.“, ein freches Grinsen zeigte sich auf Peters Gesicht, kurz bevor er verschwand.
„Hey-“
„Was ist denn mit ihm?“, fragend schaute Arthur dem Jungen nach.
„Ach nichts.“, Francis winkte nervös ab. Wenn der Brite erfuhr, was er selbst grade gehört hatte, könnte das wohl Ärger geben. Er wechselte rasch das Thema.
„Also Land?“
„Ja.“, bestätigend nickte der Pirat und reichte seinem Gesprächspartner ein Fernrohr, „Die Insel dort ist unser Ziel.
“Neugierig sah Francis durch die Apparatur, die ihm soeben in die Hände gefallen war. Tatsächlich konnte man einen grünen Fleck nicht weit von ihnen erkennen.
„Dahin gehen wir?“, er setzte das Fernrohr ab und blickte zu dem Briten.
„Sagte ich doch grade. Jedenfalls hab ich vor mir das etwas genauer anzusehen.“, Arthur wandte sich in Richtung Insel, „Wirst du … mich begleiten?“
Überrascht schoben sich Francis' Augenbrauen nach oben.
„Es ist nicht so, als wolle ich dich unbedingt dabei haben.“, fügte der Engländer rasch hinzu, „Nur du meintest ja, dass du unbedingt neue Dinge sehen wolltest, und so weiter und sofort.“
Francis seufzte und schüttelte amüsiert den Kopf. Dieser Kerl war doch nicht zu fassen.
„Ja, ja. Ich begleite dich.“
Arthur überprüfte seine Munition, bevor er seine Waffe zurück an seinen Gürtel steckte. Er spürte Francis' Blick, der erst auf der Schusswaffe in seinen Händen und dann an seinem Gesicht hing. Der Franzose saß neben ihm in dem Ruderboot, welches sich dem Festland näherte. Hinter ihnen lag sein Engel auf den ruhigen Wellen, seine Flügel zusammengefaltet in Form der eingeholten Segel. Der Pirat versuchte seine Aufregung nicht offen zu zeigen, was ihm auch gut gelang. Er blickte mit diesem strengen, konzentrierten Ausdruck auf den Sandstrand, den sie beinahe erreicht hatten. Dieser lugte zwischen Ästen und verschiedenen Pflanzenvegetationen hervor, die vom salzigen Wasser des Meeres umspült wurden. Bäume drängten sich weiter entfernt vom sandigen Landepunkt, den sie nun erreichten dicht aneinander. Dazwischen wuchsen viele Sträucher von verschiedener Farbe. Neugierig sah sich Francis um, als er aus dem Boot stieg. Alles so neu und ungewohnt. Dieser Anblick faszinierte ihn jetzt bereits. Arthur wies seine Leute an da Boot zu befestigen und stapfte auf Francis zu. Der Sand gab unter seinen schweren Stiefeln nach und offenbarte Muscheln und bunte Steine. Der Brite hielt seinen Hut an der Krempe fest, als der den Kopf leicht in den Nacken legte. Die Augen kniff er etwas zu, um besser sehen zu können. Ein Felsenkomplex lag weiter im Landesinneren und überragte die Bäume. Sein Ziel hatte er nun wohl festgelegt. Er grinste leicht. Blieb nur die Frage offen, wie er seine uneingeweihten Leute loswerden sollte. Sie waren nur zu sechst, da fiel ihm schon was ein. Mit einem Räuspern wandte er sich wieder den anderen zu. Sofort hatte er die Aufmerksamkeit aller.
„Ich halte es für ratsam uns aufzuteilen. Ich begebe mich dorthin.“, er deutete auf die Felsen, „Zwei gehen nach Osten und zwei nach Westen. Bei Sonnenuntergang treffen wir uns wieder hier.“
„Was wenn wir Einwohnern begegnen?“, fragte ein hochgewachsener blonder Mann.
„Sofern sie euch nicht angreifen, lasst sie in Ruhe.“ Arthur nickte seinen Leuten noch ein mal zu, bevor er zu Francis sah und mit dem Kopf gen Wald deutete.
Er machte sich nicht die Mühe etwas zu sagen, sondern schritt schon voran. Francis folgte ihm, ohne Einwände. Sobald sie in dem Dickicht verschwunden waren, bemerkte der Ältere, wie angenehm der gespendete Schatten war. Das Blätterdach über ihnen lies nur schmale Strahlen Licht hinab und lies sie den Untergrund beflecken. Kleine Vögel schreckten auf, als sie über einige Blätter traten. Die Pflanzen strichen an ihrer Kleidung vorbei und raschelten verdächtig. Der Kompass der an Arthurs Gürtel klapperte, sobald er von irgendetwas berührt wurde. Sein Degen klopfte beim Gehen leicht gegen sein Bein, was er jedoch ignorierte. Konzentriert, als wisse er genau welchen Weg er einzuschlagen hatte, ging er voran. Francis wagte nicht zu sprechen. Die Geräusche der Tiere oder was sich auch immer hier verbarg waren das einzige was er hörte, abgesehen von ihren Schritten und seinem Atem. Das Rauschen der Wellen war vor kurzem verklungen, was darauf vermuten lies, dass sie ein gutes Stück hinter sich gelassen hatten. Er klammerte sich an den Griff seines Degens, den er ebenfalls am Gürtel trug. Seine Aufregung war etwas abgeklungen und er bemühte sich so ruhig zu bleiben, wie der Brite vor ihm. Doch langsam nagte dieses Schweigen an seinen Nerven.
„Was suchen wir?“, erhob er die Stimme.
Arthur wandte sich nicht ein mal zu ihm um.
„Eine geheiligte Stätte. Dort befindet sich etwas.“
„Das da wäre?“
„Siehst du noch früh genug.“
Misstrauisch zog der Franzose eine Augenbraue hoch. Verschweigen schien ja ein Hobby des Engländers zu sein.
„Jetzt mach doch nicht so ein großes Geheimnis daraus.“
„Nerv mich nicht!“
„Sag es mir!“
„Nein!“
„Warum nicht?“, Francis packte den Piraten am Arm und hielt ihn zurück.
„Darum, eben!“
„Das ist kein Grund.“
„Ach halt's Maul!“ Arthur drückte den Anderen gewaltsam von sich. Francis stolperte rückwärts und landete auf dem Hosenboden in einem Busch. Genervt starrte er zu dem Briten hinauf.
„Dir ist klar, dass ich mir bloß von dir rumschubsen lasse, weil ich mit dir reisen darf. Ansonsten würdest du nicht so glimpflich davon kommen.“
„Ach ja?“, provokant grinsend verschränkte der Pirat die Arme vor der Brust und legte interessiert den Kopf schief, „Glaubst du das wirklich?“
Seinen Blick nicht abwendend schwieg Francis, immer noch mit verhärteten Blick.
„Ich dachte zwar, dass wir das schon geklärt hätten, aber dann …“, Arthur zog seine Schusswaffe und lies sie auf den Boden fallen. Auch sein Degen fand den Weg dorthin und klirrte leise beim Aufprall.
„Ich bin unbewaffnet. Hier wird uns niemand aufhalten. Keine Wände, keine Personen. Nur du und ich. Und weil ich so ein Gentleman bin, überlasse ich dir den ersten Schritt.“
Arthur breitete die Arme aus und zeigte sich sichtlich schutzlos.
„Na komm.“
Francis unterdrückte ein wütendes Knurren. Arthur nahm ihn nicht ernst. Dieses überhebliche Grinsen in seinem Gesicht verhöhnte ihn. Es machte ihm deutlich, dass er den Briten gar nicht angreifen wollte, auch wenn er es konnte. Er selbst war bewaffnet, das gab ihm einen Vorteil. Er zuckte leicht zusammen, als die behandschuhte Hand des anderen vor seinem Gesicht auftauchte.
„Los, steh auf. Hier zwischen den Bäumen ist es nicht so einfach sich zu bewegen.“, er zog den Franzosen auf die Beine und mit sich. Nach einigen Metern standen sie plötzlich im Freien. Überrascht über den Wind der durch seine Haare fuhr, blickte sich Francis um. Ein Fluss, der zum Meer führte schlängelte sich zwischen den Bäumen entlang. Darum herum bedeckte Felsen den Boden. Keine Bäume nah am Wasser. Arthur lies ihn los, was dafür sorgte, dass die Aufmerksamkeit des Älteren nun wieder auf seinem Begleiter lag.
„Also dann, french boy!“, Arthur positionierte sich einige Schritte entfernt vor ihm, „Zeig was du kannst.“
„Tch.“, Francis biss die Zähne zusammen.
Er konnte das! Er hatte seinen Degen gezogen und holte bereits damit aus, als er auf den Engländer zusprang, dieser wich mit einem Schritt zur Seite elegant aus. Francis stach nach ihm, welchem Arthur erneut auswich, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Provoziert hob Francis die Klinge nach oben und lies sie auf den blonden Haarschopf vor sich niedersausen, erwartend, dass er wieder ausweichen würde. Diesmal tat er es nicht. Francis' Arm wurde abrupt gestoppt. Arthur umklammerte sein Handgelenk mit unerwarteter Kraft und starrte ihm grinsend in die Augen. Francis spürte wie ihm vor Wut Blut ins Gesicht schoss. Den Degen lies er fallen, da es zu sehr wehtat. Das war wie ein Schlag in den Magen für seinen Stolz. Dieser Vergleich traf ihn danach wörtlich, sodass er röchelnd ein Stück nach vorne sackte, ehe er einmal um die eigene Achse gewirbelt wurde und dann mit dem Rücken auf dem harten Untergrund aufschlug. Stöhnend sog er scharf die Luft ein. Hatte dieser Kerl gar keine Schwäche?
„So viel dazu.“, seine Stimme klang recht gleichgültig, als Arthur sich umdrehte und vorhatte zu gehen. Francis rappelte sich auf und trat ihm einmal kräftig in den verlängerten Rücken. Der Brite taumelte vorwärts, wobei ihm sein Hut vom Kopf rutschte, bevor er sich geschwind umdrehte, nur um einem Faustschlag auszuweichen. Francis bemühte sich so sehr. Arthur wusste er nicht ob er das als bemitleidenswert oder anerkennend empfinden sollte. Er hatte keine große Mühe den Schlägen auszuweichen und er wäre durchaus in der Lage seinem Gegner sofort Schaden zuzufügen. Aber er tat es nicht. Francis sollte sich ruhig eine Weile austoben, um den Unterschied zwischen ihren Fähigkeiten anzuerkennen. Besagter Mann zielte mit seinem Schlag auf Arthurs Gesicht, welcher geschmeidig auswich. Was er jedoch nicht erwartet hatte war, dass sich die andere Hand des Langhaarigen plötzlich an seiner Schulter finden würde und ihn ruckartig nach vorne zerren würde. Mit vor Schreck geweiteten Augen starrten diese in die Blauen vor sich, welche unglaublich nah gekommen waren. Und nicht nur die blauen Irden. Ein Paar Lippen lag auf den seinen. Erneut. Seine Wangen nahmen die Farbe einer Tomate an, als er rückwärts stolperte und gemeinsam mit dem Franzosen auf dem Boden aufschlug. Die Luft wurde durch das Gewicht des anderen, der ihren Kuss doch noch unterbrochen hatte, aus seinen Lungen gepresst.
„Was zum Teufel sollte das denn?!“ Francis brauchte einen kurzen Moment um sich zu sammeln.
„Taktik.“
„Taktik?!“, fauchte Arthur.
„Genau, das habe ich grade gesagt.“, nun war es Francis zu grinsen.
„Das ist die bescheuertste Taktik die ich je gesehen habe! Was sollte sie dir im Kampf bringen?!“
„Na ja, ich nutze die Schwäche meines Gegners aus. In diesem Fall, bin ich deine Schwäche, non?“, er kicherte. Arthur zerrte wütend an den Haaren des Älteren.
„Einen Scheiß bist du!“
„Au! Auauauauau!! Ich habs ja verstanden, lass schon los!“
Nach einem noch ein mal kräftig ziehen, kam der Brite dieser Bitte nach. Francis hielt sich den schmerzenden Kopf.
„Reagier doch nicht gleich so aggressiv. Verstehst du keinen Spaß?“
„Doch das tue ich. Deine Sorte von Spaß widert mich lediglich an.“ Francis schnaubte.
„Wie auch immer.“ Er erhob sich und klopfte sich den Schmutz von den Klamotten. Auch Arthur stand auf, sah sich jedoch nach etwas um.
„Wo ist-AH, VERDAMMTE SCHEISSE!“, weiterhin laut fluchend rannte der Engländer den Fluss entlang.
„Arthur?“, Francis folgte ihm, laut fragend was denn los sei.
„MEIN VERDAMMTER HUT!“ Der Blick der dunkelblauen Augen wanderte zum Wasser und tatsächlich schwamm besagter Gegenstand munter in der Strömung. Francis holte langsam zu ihm auf.
„Von hier aus ist es wohl möglich ihn noch zu kriegen.“, stellte er dabei fest.
„Gut, dann los! Hol ihn!“
„Was? Wieso ich? Es ist dein blöder Hut!“
„Er ist nicht blöd! Schweig und hol ihn einfach!“
Arthur schubste den Franzosen ins Wasser. Überrumpelt klatschte dieser auf der Oberfläche auf und tauchte unter. Prustend tauchte er auf und schüttelte sich einige Haare aus dem Gesicht. Das würde Arthur bezahlen! Jedoch behielt er sich das für später. Francis schwamm weiter Richtung Hut. Er ergriff das durchnässte Ding und schob es sich rasch unter die Kleidung, damit er die Hände frei hatte. Jetzt hatte er das Problem selbst in der Strömung zu sein. Er kämpfte gegen diese an und versuchte das Ufer zu erreichen. Arthur hatte er aus den Augen verloren. Ganz toll, jetzt werde ich hier am Arsch der Welt ertrinken. Wegen eines Hutes! Wegen eines dämlichen Hutes von einem dämlichen englischen Piraten!
„Francis!“
Er wurde an der Kleidung gepackt und spürte, wie er aus dem Wasser gehoben wurde. Hustend sah er auf und blickte in Smaragdgrün. Arthur lag über einem Felsvorsprung der über dem Fluss hing und zerrte an ihm, sich deutlich abmühend. Er biss die Zähne zusammen und zog kräftig. Er schaffte es den durchweichten Franzosen auf den Fels zu ziehen. Dieser hustete noch einige Male, als er sich neben dem schwer atmenden Arthur aufsetzte. Nach Luft ringend saßen sie so da; Arthur sich den Schweiß von der Stirn wischend, Francis eine Pfütze um sich herum bildend. Letzterer zog langsam den Hut hervor und lies ihn neben sich fallen.
„Geh deinen scheiß Hut nächstes Mal selber fangen.“, murmelte der Franzose, als er schließlich wieder ruhig atmen konnte. Arthur schwieg, was ihn reizte.
„Im Ernst das war nun wirklich nicht so schwer. Wärst du sofort rein gesprungen, wäre es viel schneller und einfacher gewesen. Also echt. Ich bin doch nicht dein Sklave.“
„ … kann nicht.“, hörte der Ältere nun die Stimme neben sich undeutlich.
„Wie bitte?“, er schaute zu dem anderen.
„Ich kann nicht schwimmen!“, schnauzte der Brite ihn an. Leicht perplex und ungläubig sah Francis ihm in die Augen.
„Du kannst nicht schwimmen.“, meinte er zweifelnd.
„Hab ich doch grade gesagt.“, knurrte Arthur und vermied es dem anderen ins Gesicht zu sehen.
„Aber du bist doch Pirat!“, er wurde etwas lauter durch seine Irritation.
„Gut erkannt, du Genie.“Francis musterte ihn eingehend. Er schien die Wahrheit zu sagen. Er hatte das Gesicht verzogen, wütend, aber auch peinlich berührt. Dass er Nichtschwimmer war, schien er also lieber für sich behalten zu wollen.
„Dann solltest du aufpassen, dass du nicht so einfach ins Wasser fällst.“, Francis lächelte spielerisch und klopfte dem Jüngeren auf die Schulter. An dieser stützte er sich ebenfalls ab, als er aufstand.
„Selbst wenn ich schwimmen könnte …“, Arthur murmelte vor sich hin, den Blick starr auf einen kleinen Stein vor sich gerichtet. Seine Miene zeigte Konzentration und er schien etwas abwesend zu sein.
„Hm?Arthur?“, abwartend beobachtete der Franzose ihn. Einige Wassertropfen liefen sein Gesicht hinab. Langsam wurde ihm auch kalt, er sollte dringend etwas dagegen unternehmen.
„Ich würde auch dann verschlungen werden.“, der Engländer schien gar nicht mit ihm zu sprechen, sondern zu sich selbst. Francis zog verwirrt die Augenbrauen zusammen.
„Was meinst du mit 'verschlungen'?“ Regungslos fixierten die grünen Augen weiterhin den Stein ohne ihn wirklich anzusehen. Des Piraten Lippen waren aufeinander gepresst, darauf bedacht nichts preiszugeben, auch dies eher unbewusst. In seinem Kopf schien alles still zu stehen, als hätte man die Zeit angehalten, er nahm nichts wahr, keine Geräusche, keine Gerüche, auch nicht die Strahlen der Sonne. Irgendwas fehlte da. Etwas was er verdrängt hatte, verborgen in seinem Kopf saß etwas, woran er nicht denken wollte. Er blinzelte und alles war zurück. Die Sonnenstrahlen, das Rauschen des Wasser, das Zwitschern der Vögel, Francis, der sinnlos neben ihm stand und alles nass tropfte. Arthur holte tief Luft und erhob sich, seinen Hut in der Hand haltend.
„Wir gehen weiter. Wir haben schon zu viel Zeit verschwendet.“, beschloss er.
„Mir ist kalt.“, entgegnete Francis rüde. Der kurze Moment in dem er befürchtet hatte, Arthur hätte irgendetwas wichtiges zu sagen, was ihn ernsthaft beschäftigte und das Gefühl von minimaler Sorge war verschwunden. Kaum beschloss dieser Brite wieder zu sprechen klang es wieder barsch wie immer.
„Natürlich ist dir kalt, du bist nass.“, und er behielt diesen Klang in der Stimme bei. Francis zog eine beleidigte Grimasse. Er zog sich sein Hemd über den Kopf und schüttelte es aus. Er sah etwas vor sich aufblitzen und trat erschrocken aufschreiend einen Schritt zurück.
„Solltest du es wagen deine Hose ausziehen zu wollen,“ Arthur hatte ein Messer gezogen und hielt es ihm nun, ihn wütend anstarrend, vors Gesicht, „dann ramm ich dir dieses Teil in den unteren Bereich deines Bauchs.“
„Was denkst du denn von mir?“
„Genau das zutreffenste. Also was ist?“, er wedelte mit dem Messer etwas vor dem Gesicht des anderen herum. Nervös nickte der Franzose, sodass Arthur, ihn immer noch misstrauisch beäugend, die Klinge in seinen Stiefel schob.
„Es ist warm. Du wirst schon noch trocknen.“
„Mir ist trotzdem kalt.“, knurrte Francis, ihn angesäuert ansehend. Arthur bemühte sich den Seitenblick zu ignorieren, als er weiter ging. Neben sich spürte er den Blick des Franzosen, der ihm selbstverständlich folgte. Es schien als würden sich die blauen Augen in seine Haut brennen und ihn durchbohren. Genervt stöhnte er laut auf und zog sich seinen Mantel von den Schultern, um ihn dem anderen ins Gesicht zu werfen.
„Starr mich nicht an!“, brüllte er dabei. Rasch zog sich Francis das Kleidungsstück über. Dieses war noch immer warm von dem Körper um den es sich bis eben angeschmiegt hatte. Francis lächelte zufrieden.
„Merci.“, murmelte er. Ein wenig zu klein war ihm der Mantel schon. Aber er war warm und weich. Er sah gut aus. Außerdem hing der Geruch des Anderen daran, an welchen Francis sich inzwischen stark gewöhnt hatte. Arthur verscheuchte eine leicht Röte aus seinem Gesicht. Verärgert, dass dieses simple Wort und das Lächeln der zugehörigen Person ihn beeinflussen konnten. Er knurrte nur vor sich hin, ohne wirklich etwas zu sagen. Ein Kichern erhob sich in Francis' Kehle.
„So schüchtern?“
„Schnauze.“, Arthur bahnte sich seinen Weg durch das Gestrüpp und fand endlich die Stelle wieder an der er seine Waffen deponiert hatte. Diese hob er sogleich auf und befestigte sie erneut an seinem Gürtel. Francis klemmte sich unterdessen sein nasses Hemd unter seinen Gürtel, um es so nicht tragen zu müssen.
Nach geraumer Zeit die sie weiter durch den Wald gegangen waren, blieb Arthur stehen. Francis trat näher und blickte über seine Schulter. Vor ihnen lag der Felsenkomplex, den der Brite von weitem bereits gesehen hatte.
„Na bitte.“, murmelte er und schritt darauf zu, gefolgt von dem Älteren, der den Stein vor sich skeptisch beäugte. Viel von einer heiligen Stätte hatte dieser Anblick ja nicht. Zielstrebig sprang Arthur über einige Felsbrocken hinweg und kletterte ein Stück hinauf. Mit einem ungläubigen Ausdruck auf dem Gesicht beobachtete Francis ihn dabei. Erwartete der Engländer etwa, dass er ihm einfach so folgte? Das konnte er doch garantiert nicht.
„Worauf wartest du?“, der Pirat hatte sich, auf einem wirklich nicht sicher aussehenden Stein, umgedreht und schaute erwartungsvoll zu Francis hinab. Dieser schluckte.
„Das sieht ziemlich … ich weiß nicht, ungesichert aus.“, rief er nach oben.
„Was ist, hast du etwa Angst?“
„Natürlich nicht!“, log der Franzose, „Ich bin nur nicht lebensmüde. Meine Bedenken hegen lediglich von Vorsicht!“
„Francis.“
Angesprochener war etwas überrascht nur mit seinem Namen angesprochen zu werden und keinerlei Beleidigung zu hören. Irgendwie freute ihn das schon.
„Oui?“
„Du fällst schon nicht. So ungeschickt ist nicht mal ein richtiger Frosch.“
„Danke.“, Zähneknirschend trat der Franzose näher und folgte dem anderen, jedoch bedacht langsamer. Arthur sprang weiter und erreichte eine ebene Fläche. Vor ihm befand sich eine Höhle, bei dessen Anblick sich ein breites Grinsen auf sein Gesicht schlich. Francis krabbelte neben ihn, erleichtert, dass er anscheinend nicht mehr zu klettern hatte.
„Sind wir da?“, fragte er und schaute zu dem Briten auf. Grinsend hatte er ihn nicht erwartet, weswegen seine Augenbrauen sich ein Stück nach oben schoben. Arthur sah aus wie ein zufriedenes Kind das gerade ein Geschenk erhalten hatte.
„Fast.“, antwortete der Pirat und streckte sich, „Also dann.“
Er half dem Franzosen aufzustehen und klopfte ihm auf die Schulter.
„Wer bist du und wo hast du Arthur gelassen?“, perplex starrte Francis ihn an. Der Brite rollte die Augen.
„Nein im Ernst, hast du ihn nach unten geschubst, als ich grade nicht hingesehen habe?“, Francis lugte nach unten.
„Ach halt die Klappe und steh hier nicht so dämlich rum. Wir gehen.“, Arthur stapfte los. Sein Begleiter lächelte schweigend und folgte ihm. Die Schatten der beiden erstreckten sich in die ungewisse Dunkelheit vor ihnen und verschmolzen mit den Schatten vor ihnen. Zuerst glaubte Francis im Dunkeln gehen zu müssen, aber er entdecke eine Fackel an einer der Wände, die einen schwachen Lichtschein von sich gab. Immer mehr reihten sich an die grob beschlagenen Felswände. Ihre Schritte hallten von den Wänden wider und hin und wieder war ein leises Tropfen zu hören. Francis Augen gewöhnten sich an das herrschende Dämmerlicht, gerade rechtzeitig um etwas im Stein aufblitzen zu sehen. Neugierig blieb er stehen und wandte sich der Wand zu. Ein feiner silbrig blaue Kristall zog sich durch den Stein. Fein und verzweigt wie die Adern auf einem Blatt wand sich der funkelnde Stein die Wände entlang. Staunend folgte der Blick des Franzosen seinen Wegen, kurz bevor er an seinem Zopf ein ruckartiges Ziehen verspürte.
„Was bleibst du einfach stehen?“, Francis stolperte zurück und drehte sich Arthur, der diese Aktion durchgeführt hatte, zu, „Ich hab mich erschrock- ich war total verwundert als du nicht mehr da warst, du Idiot!“
Natürlich hatte Francis gehört, was der Brite eigentlich hatte sagen wollen und grinste innerlich.
„Desolé.“, entschuldigend hob er die Hände. Ein wenig gereizter starrte Arthur ihn an.
„Was?“
„Kannst du nicht einfach normal reden?“
„Non, ich bin stolz auf diese Sprache.“, neckisch grinste der Ältere. Genervt ließ der Engländer von dem Zopf des anderen ab und stapfte weiter. Sobald er zu ihm aufgeschlossen hatte, gesellte sich Francis an die Seite des Piraten.
„Also befindet sich diese heilige Stätte hier?“, mit gesenkter Stimme sah sich der Franzose ehrfürchtig um. Die funkelnden Kristalle nahmen ab diesem Teil der Höhle ihm unbekannte Formen und Zeichen an. Seinem Begleiter schienen sie wohl nicht so fremd zu sein, denn er überflog sie nur und schien Informationen aufzunehmen.
„Wir sind schon drin.“, Arthur nickte, „Aber unser Ziel befindet sich noch ein Stück vor uns.“
Fragend schaute Francis ihn an. Der Brite bemerkte das durch einen flüchtigen Seitenblick und schaute wieder konzentriert nach vorn.
„Der Hauptraum. Dort ist was ich suche.“
Aufregung prickelte durch Francis' Körper, als er dies hörte. Gleich würde er sehen auf was Arthur so versessen war. Wie sah diese heilige Stätte wohl aus? Wonach suchte er? Gab es vielleicht jemanden der sich ihnen in den Weg stellen würde? Würden sie ihn dann Seite an Seite bekämpfen und sich gegenseitig Deckung geben? Er konnte fühlen wie sein Herz schneller schlug. Bei den Gedanken daran fühlte er keine Sorge oder gar Angst. Nein, es war eher eine freudige Erwartung. Das Ungewisse rief nach ihnen und solange er diesen sturen Piraten bei sich hatte, würde er mit allem fertig werden. Das sagte ihm sein Gefühl. Francis war sich nicht sicher woher dieser plötzliche Gefühlsumschwung stammte. Seine Vermutung war, dass Arthurs Enthusiasmus beim Aufstieg ihn doch noch angesteckt hatte. Fühlte sich besagter Brite auch immer so? Kaum waren sie hinter einem Felsvorsprung hervor getreten blieb der Franzose stehen. Mit großen Augen und offenem Mund nahm er die ersten Eindrücke wahr, die auf ihn einprasselten. Der Hauptraum, wie Arthur ihn genannt hatte, war eine riesige Höhle. In der Decke war ein Loch durch das Licht herein flutete und an den Wänden hingen Schalen in denen wiederum Feuer loderte, als weitere Lichtquelle. Der Boden war nicht gänzlich aus Stein, hier und da wuchsen Pflanzen und Moos bedeckte auch einen Großteil. In der Mitte der Höhle war ein kreisrundes Becken, in welchem Wasser schwappte. Eine Art Altar stand ihnen genau gegenüber, auf welchem verschiedene Relikte und Schriftrollen, sowie Bücher lagen. Francis' Blick erhaschte auch einige glatte Gegenstände in einigen Plätzen in dem Raum, welche mit dunkelblauen Tüchern abgedeckt waren. Während der Franzose noch staunend da stand, war Arthur bereits eingetreten. Mit einem deutlichen Abstand zu dem Loch in der Mitte stapfte er direkt auf den Altar zu. Mit konzentriertem Blick durchsuchte er die Aufzeichnungen und Gegenstände vor sich. Francis schritt, sich beeindruckt um die eigene Achse drehend, herein und versuchte den bestmöglichen Eindruck zu erhalten. Diesen Anblick wollte er niemals vergessen. Er bemerkte, dass auch an diesen Wänden der bläuliche Kristall zu sehen war. Er formte Bilder und schlängelte sich gen Loch in der Decke.
„Fantastisch.“, hauchte er. Der Brite schaute über die Schulter zu ihm, als dies an seine Ohren drang. Er grinste für einen kurzen Moment.
„Nicht wahr?“, seine Finger ertasteten einen Ledereinband. Arthur hielt die Luft an und zog das Buch welches nun in seinen Händen lag hervor. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er dieses in die Ledertasche, welche um seinen rechten Oberschenkel geschnallt war, steckte.
„Einfach nur fantastisch.“, wiederholte sich Francis und drehte sich erneut um sich selbst. Arthur hatte nun was er wollte, also beschloss er sich dazu herabzulassen sich mit Francis zu beschäftigen. Das tat er natürlich nur aus Höflichkeit, die inzwischen eine Seltenheit in seinem Leben geworden war, nicht weil er Wert darauf legte.
„All die Begeisterung; dabei hast du diesen Ort nicht zu seiner schönsten Zeit gesehen.“, er war zu ihm getreten und betrachtete ebenfalls die Wände. Francis schaute in sein Gesicht.
„Was meinst du?“
„Die Schönheit dieses Ortes ist erst bei Nacht wirklich atemberaubend.“, stellte Arthur klar, „ Nur so viel Zeit haben wir nicht.“
Ein wenig betrübt sah der Franzose wieder zu den Wänden.
„Na ja. Wenigstens habe ich das hier gesehen. Es ist auch so wunderschön.“
Verstohlen sah der Engländer zu dem Mann neben sich. Ein Seufzen entkam seiner Kehle, ehe er nach der Hand des besagten griff. Erschrocken zuckte Francis zusammen und starrte perplex zu dem Piraten neben sich.
„Pardon?“
„Halt's Maul, ich tue dir grade einen Gefallen.“, die grünen Augen waren auf die Hand des Älteren fixiert und ein übernatürliches Blitzen war darin zu sehen. Arthur fuhr mit seinem Daumen über den Handrücken des anderen, lautlos etwas murmelnd. Dann sah er wieder auf.
„Schließ die Augen.“
Misstrauisch sah Francis zurück.
„Ich bin nicht du, ich werde schon nicht versuchen-“, der Brite rollte die Augen, „Vertrau mir einfach mal.“
Immer noch skeptisch, tat der Franzose wie ihm geheißen.
„Und jetzt?“
„Jetzt bist du still und hörst mir einfach zu.“, Arthurs Stimme umhüllte ihn und versetzte ihn in eine Art Trance, „Du hast doch sicher die abgehängten Gegenstände gesehen, nicht?“
Francis nickte bloß.
„Darunter befinden sich spiegelnde Kristallflächen. Bei Nacht, genauer gesagt bei Vollmond, scheint zu einem bestimmten Moment das Licht des Mondes genau hier herein. Das silberne Licht wird nicht nur durch diese blauen Spiegel an die Wände geworfen, es schlängelt sich durch den Kristall in den Wänden. Der ganze Raum ist in blausilbriges Licht gehüllt und vertreibt die Dunkelheit hier heraus. Das Licht ist reinigend und frischt Energien auf.“
Francis konnte es sehen. Um ihn herum tanzte das unwirkliche Licht, umarmte und liebkoste ihn, wie das schönste Mädchen dass er sich erträumen konnte.
„Kristallstaub wird aufgewirbelt, welcher ebenfalls eingefangen wird von dem Licht.“
Vor ihm funkelte dieser wie winzig kleine Sterne, die vom Himmel herabgefallen waren und sich um ihn herum versammelte. Sie wirbelten um ihn herum strahlten, als wäre er selbst ein Teil des Universums. Ein Stern, ein Planet, eine Sonne …
„Der Staub setzt sich auf den Blüten unter deinen Füßen ab und funkelt unter dir weiter, in einem Licht das nie zu erlöschen scheint.“
Als Francis zu Boden sah, konnte er tatsächlich strahlende Blumen sehen. Ihre Blüten waren geöffnet und sie schienen sich in dieses grandiose Licht zu erstrecken. Einen kurzen Moment lang nahm Francis diesen Anblick noch in sich auf.
„Arthur.“ Das Licht verschwand, war wie weggeblasen und der Franzose öffnete seine Augen und schaute zu dem Briten. Dieser schaute ihn mit einem schiefen Lächeln an.
„Ja?“
„Du hattest Recht. Das ist wirklich kein Vergleich.“, Francis lächelte sanft. Arthur riss sich von dem Blick des anderen los und räusperte sich, während er auch dessen Hand frei gab.
„Natürlich hatte ich Recht.“, meinte er dann, „Immerhin-“
Schlagartig verstummte er und seine Augen weiteten sich.
„Arthur?“, besorgt zogen sich Francis' Augenbrauen zusammen. Angesprochener hielt ihm den Zeigefinger vor die Lippen, ihn nicht ansehend.
„Sch! Hörst du das?“
Doch etwas beunruhigt lauschte der Franzose. Gerade wollte er antworten, dass er nichts hörte, als ein Kichern an seine Ohren drang. Als hätte er einen Stromschlag bekommen fuhr Arthur herum und hielt seine Schusswaffe in Richtung des Ursprungs.
„Na na na, ist das eine Art eine Lady zu begrüßen?“
Die Frauenstimme brachte auch Francis dazu sich umzudrehen. Aus dem Loch im Boden lugten Kopf und Schultern eines Mädchens. Sie schwamm im Wasser und hatte ihre Arme auf dem Rand vor sich gebettet, ein süffisantes Lächeln auf den Lippen. Sie hatte spitze Ohren die zwischen ihren langen silbrigen Haaren hervorlugten. Ihre Haut besaß einen leichten Blaustich, der etwas ungesund wirkte. Ihre mit langen dunklen Wimpern umrandeten Augen hatten einen dunkleren Blauton, jedoch waren in ihren Irden kleine grüne Punkte zu sehen, welche sich um die tiefschwarze Pupille reihten. Knapp unter ihrem Schlüsselbein war ein Symbol zu erkennen. Es war ein schwarzer Kreis mit einer verschnörkelten Linie darin. Der Blick ihrer ungewöhnlichen Augen war direkt auf den britischen Piraten vor sich gerichtet, der sie hasserfüllt anstarrte und seine Waffe entsicherte.
„In dem Fall von deinesgleichen definitiv.“, knurrte eben dieser. Das klirrende Kichern ertönte wieder, als sie eine Hand an ihren Mund führte.
„Arthur, warum sitzt da eine nackte, blaue Frau in dem Loch?“, wagte es Francis nun zu fragen. Der Brite antwortete nicht.
„Sieh an, sieh an. Dein neuer Freund? Dabei dachte ich du hast nicht so gerne Leute um dich.“, die Worte perlten wie Wassertropfen von ihrer Zunge, „Wie heißt er denn?“
„Das geht dich einen Scheißdreck an wie er heißt.“, fauchte Arthur, sie keinen Moment aus den Augen lassend. Die Frau spielte die Gekränkte und zog einen Schmollmund.
„Komm schon, Artie.“, als er jedoch nicht reagierte, huschten ihre Augen hinüber zu Francis, „Dann sag du mir doch wie du heißt, mein Hübscher. Ich sag dir dafür auch wie mein Name lautet.“
Unsicher schaute der Franzose zwischen ihr und Arthur hin und her.
„Wenn du es wagen solltest nur ein Wort über deine Lippen zu bringen, ramme ich dir die nächstbeste Harke in den Arsch, Froschgesicht.“, knurrte Letzterer. Minimal verstört schaute Francis ihn an und beschloss ihm einfach mal Folge zu leisten. Erneutes Kichern.
„Immer noch schlecht gelaunt und sadistisch wie sehe.“, ihr Gesicht auf einer aufgestellten Hand abstützen musterte sie wieder den Engländer, „Du hast dich kein bisschen verändert, Artie.“
„Woher kennst du sie?“, wagte es Francis dem Angesprochenen zu zuflüstern.
„Ich kenne sie nicht.“, gab Arthur zurück.
„Was? Aber-“
„Da hat er recht.“, mischte sich die Frau ein, „Wir beide hatten noch nicht das Vergnügen uns persönlich kennen zu lernen. Dabei weiß ich schon so viel über dich. Gehört habe ich auch so einiges. Sie hatten recht du siehst tatsächlich appetitlich aus.“
Misstrauisch hob Francis eine Augenbraue. Meinte sie das, was er vermutete? Ein falsches Grinsen schob sich auf Arthurs Gesicht.
„Ach wirklich?“, er trat einige Schritte näher, „Was gibt es denn sonst noch so interessantes zu hören, hm?“
„Das wüsstest du wohl gerne, was?“, eine blau-grüne Flosse schob sich aus dem Wasser und peitschte leicht hin und her.Francis blaue Augen weiteten sich erschrocken.
„Was-“
„Hat dir Artie noch nicht von Meerjungfrauen erzählt?“, ihre Aufmerksamkeit lag nun kurz wieder auf dem Franzosen, ehe sie wieder zu Arthur sah, „Oh so ein böser, böser Junge. Dabei hätte ich gedacht, dass du das als erstes preisgibst.“
„Es mag dir vielleicht seltsam vorkommen, aber man macht sich nicht gerade beliebt damit, herum zu erzählen, dass man so ekelhafte Kreaturen wie dich immer mal wieder zu Gesicht bekommt.“, Arthurs Blick war wieder verhärtet und er schien sie damit erdolchen zu wollen.
„Ja, das ist in der Tat seltsam.“, sie lächelte weiterhin, trotz der Waffe die auf sie gerichtet war, „Das muss echt einsam sein, niemandem etwas so spannendes erzählen zu können. Solche wunderbaren Gedanken, die in deinem Kopf herumwirbeln. Huch, ich hab ja ganz vergessen, dass sie ja nicht mehr darin stecken. Wie dumm von mir.“
Sie kicherte. Der Pirat knirschte mir den Zähnen.
„Gut dass du es erwähnst. Sag mir wo.“
„Ich weiß nicht-“
„Du weißt genau wovon ich spreche, Miststück. WO?!“, er konnte seine Wut nicht mehr zurückhalten, sodass seine Stimme an Lautstärke gewann. Sie rollte mit den Augen und stöhnte genervt auf.
„Ungeduldiges Kind. Also echt.“, sie stemmte sich ein Stück auf und zog an einem Faden, welcher um ihren Hals lag. Daran hing eine Phiole, die nun noch oben glitt und ihn Arthurs Sichtfeld rückte.
„Ich dachte ich nehme sie mit. Das macht es doch gleich interessanter. Wenn du mich jetzt erschießt lass sie aber auf den Meeresgrund versinken. Dahin wo sie hingehört.“
Wütend warf Arthur seine Waffe nach hinten, stürzte aber im selbigen Moment nach vorn und griff nach der Phiole. Die überraschte Meerjungfrau machte keine Anstalten zu flüchten. Die Fingerspitzen des Briten berührten die glatte Oberfläche des Fläschchens.
Blut floss die weiße Haut hinab. Schwer atmend starrte er auf das gigantische Schiff vor sich, welches sein Eigen war und auf die Gallionsfigur, die nun mehr war als nur ein Stück Holz. Der Regen prasselte erbarmungslos auf ihn hinab, ließ seine Haare an seiner Stirn und im Nacken kleben. Er wischte sich das Blut von der Oberlippe, welches aus seiner Nase getropft war. Er hatte seinen Atem immer noch nicht beruhigt, als er von hinten gepackt wurde und weg gezerrt wurde. Schreiend schlug er um sich. Die scharfen Finger bohrten sich in seine Haut und die spitzen Zähne schnappten nach seiner Kehle. Seine Brust wurde aufgekratzt, als er auf den Rücken in die Brandung fiel und hart aufschlug. Er trat nun nach dem Angreifer, der seine Zähne in seine Schulter schlug. Schmerzverzerrt schrie er auf und stieß sich nach hinten weg. Der Angreifer verschwand in den Wellen, während er zurückblieb. Blut verschmiert, die Wangen von Tränen besetzt und sich leerer als zuvor fühlend. Er fasste sich an den Kopf, an eine Wunde, deren Blut sich in seinen blonden Haaren festsetzte.
„Arthur!“
Mit Schrecken beobachtete Francis wie Arthur schreiend am Boden lag und seine Hände in seinem Kopf vergrub. Was sollte er tun? Er stolperte zu ihm und hob ihn an den Schultern an. Unbeholfen drückte er den Briten an seine Brust, unsicher was geschah. Wütend blickte er zu der Meerjungfrau, die ausdruckslos zu sah.
„Was tust du ihm an?“, forderte der Franzose aufgebracht zu wissen. Ihre Augen huschten zu ihm und ihr Blick schien ihn zu durchbohren.
„Er ist selbst schuld. Und das sollte er eigentlich wissen.“, seufzend hob sie die Phiole an und beäugte sie gelangweilt, „Das werde ich wieder mitnehmen. Wenn du lange genug überlebst sehen wir uns vielleicht wieder, mein Hübscher. Du siehst zwar lecker aus, aber ich hab noch was zu tun. Adieu!“
Damit tauchte sie unter und war verschwunden. Irritiert starrte Francis noch eine Weile auf die Wasseroberfläche, ehe er wieder auf den leidenden Engländer in seinen Armen schaute.
„Was kann ich tun?“, verzweifelt, wiegte sich Francis leicht hin und her, in eine Art Panikzustand, „Was kann ich tun? Arthur. Wie kann ich dir helfen?“
Immer weiter vor sich hin murmelnd, wartete er. Langsam verklang das Schreien und ebbte in ein schmerzhaftes Stöhnen ab. Francis drückte den Briten von sich und hielt ihn an seinen Schultern aufrecht. Besorgt schaute er ihm ins Gesicht.
„Arthur! Arthur, hörst du mich?“
„Natürlich hör ich dich, Frosch.“, der Pirat verzog das Gesicht und fasste sich an die Stirn.
„Dieu merci!“, erleichtert seufzte Francis.
„Gott hat damit nichts zu tun.“, Arthur hob den Kopf und schien sich schlagartig an die Geschehnisse zu erinnern, „Wo ist die Schlampe hin?!“
Er wollte aufspringen, taumelte jedoch, sodass der Ältere ihn festhalten musste.
„Sie ist weg.“, erklärte er dabei.
„Du hast sie einfach- Ach vergiss es.“, der Brite stoppte sich selbst und fasste sie erneut an den schmerzenden Kopf. Er hatte grade nicht die Energie für einen Streit.
„Bringen wir dich einfach hier raus.“, Francis wollte den Piraten nach draußen führen, jedoch hatte dieser keine Lust herum geschoben zu werden.
„Geh schon mal vor, ich komme gleich.“
„Ich lass dich doch hier nicht stehen. Was wenn du ins Wasser fällst und wie ein Kleinkind ertrinkst.“
Dafür erntete er einen Tritt auf den Fuß.
„Wie du willst. Dann stell dich schon mal in den Stollen.“, forderte Arthur.
„Wieso denn?“, verwirrt bewegte sich der Franzose kein Stück.
„Tu einfach was ich dir sage.“ Unzufrieden lies Francis Luft aus der Nase, ehe er doch noch diese Anordnung befolgte. Kaum war er dort angekommen und wollte sich umdrehen, hörte er etwas auflodern. Erschrocken fuhr er herum.
„Was tust du da?!“, schrie er auf. Arthur stand mitten in dem Raum, der von Flammen eingehüllt wurde. Er hatte Francis den Rücken zugedreht und den rechten Arm ausgestreckt. Die Flammen schlugen von den Wänden in die Höhe, um seine behandschuhte Hand züngelten Flammen, die ihn jedoch nicht anfraßen. Langsam lies er den Arm sinken und wandte sich um. Die Höhle wurde von Feuer verschluckt, als er seinen Begleiter an dessen Schulter mit sich zerrte.
Tag der Veröffentlichung: 13.09.2014
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Widmung:
Da dass hier eher einer Fanfic ähnelt, werde ich später noch die Nachnamen der Charaktere ändern. Nur so zur Info. Und verzeiht falls Fehler im Französischen vorkommen, ich spreche diese Sprache nämlich nicht.