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Das erste und einzige Kapitel

Ich weiß nicht, warum ich das schreibe. Ich weiß noch nicht mal, ob es jemanden interessiert.

Vielleicht mache ich das auch nur für mich. Das einzige was ich weiß, ist dass ich ein furchtbares Gefühl habe. Ich habe eine Unruhe in mir. Manchmal legt sich dieser Sturm, aber zeitweise kommt alles wieder hoch. Und wenn es hochkommt, hasse ich mich.

 

Ich stolpere in meinem Leben ohne ein ersichtliches Ziel.

 

Solange ich mich erinnern kann, hatte ich große Träume. Ich wollte etwas Besonderes sein. Ich wollte gut sein in dem was ich tue. Das Problem ist nur: Ich weiß gar nicht, was ich tun will.

 

Auch wenn es niemanden interessiert, werde ich hier einiges über mich preisgeben.

Nach der sechsten Klasse habe ich mich an einem Gymnasium eingeschrieben. Das erste Jahr ist gut gelaufen. Ich hatte mich angestrengt wirklich gut zu sein. Ich wollte die beste sein. Tja, man beachte das kleine Wörtliche „wollte“.  Trotz dem ganzen Ehrgeiz landete ich dauernd auf Platz drei.

 

Bis zum Ende der achten Klasse hatte ich es aufgegeben. Ich habe mich aufgegeben. Ich sah ein, nichts Besonderes zu sein. Wozu sollte ich mich anstrengen, wenn es sich nicht auszahlt? Wenn meine Anstrengungen nicht honoriert werden? Ich hatte angefangen nur das nötigste zu tun und selbst das auf den letzten Moment aufzuschieben.

 

Das Schulpraktikum in der neunten habe ich sehr bequem gekriegt und auch bequem absolviert. Dummerweise zog sich das so weiter. Das furchtbarste was ich mir selbst antun konnte kam erst später. Etwas, dessen Auswirkungen ich bis heute spüre. Vielleicht ist das für manche eine Kleinigkeit, doch für mich nicht.

 

Leute lasst es euch gesagt sein: Unterschätzt nicht den Unterricht, der euch die Möglichkeiten eurer beruflichen Zukunft aufzeigt. Denn genau das habe ich getan.

 

Ich wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Nach der Zehnten habe ich also noch ein zwei jähriges Abitur drangehängt, weil ich mehr Zeit für meine Entscheidung haben wollte. Nun, mehr Zeit hatte ich. Das heißt nicht, dass ich die auch genutzt hatte. So kamen nun die Abiturprüfungen, auf die ich mich auch nur sehr sporadisch vorbereitet hatte. Noch ein Strich auf meiner was-ich-bereue-Liste. Manchmal, wenn ich in meiner dunkelsten Phase befinde, wünsche ich mir eine Zeitmaschine. Ich wünschte alles ab der achten Klasse noch mal machen zu können. Dabei meine ich nicht nur die schulischen Leistungen.

 

Zeit mal die Hosen runter zu lassen. Nicht dass ich im Moment eine Trage. Die Wahrheit ist, dass ich durch die gesamte Oberstufenzeit Angst hatte. Ich hatte Angst davor verletzt zu werden, davor ausgegrenzt zu werden. Nun die Lösung des Problems war ebenso einfach wie genial: Ich grenze mich selbst ab. Ich stumpfe mich selbst ab. Wenn mir nichts nah ans Herz geht, kann mich auch nichts verletzen. Ich wünsche mir das ändern zu können. Wenn ich könnte, würde ich mich früher öffnen. Kann sein dass ich so einige Male verletzt worden wäre, aber wenigstens hätte ich (hoffentlich) ein Paar gute Freunde gehabt.

 

Nach dem ABI hatte ich null Ahnung, was ich machen sollte. Ich brauchte irgendeine Beschäftigung. Also bewarb ich mich für Praktika und FSJ. Glücklicherweise bekam ich einen FSJ Platz an einer demokratischen Schule, die in einem großen wunderschönen Haus angesiedelt war. Alles schien perfekt zu laufen. Ich hatte nette Leute um mich. Sie hatten mich nicht wie eine Untergebene behandelt. Sie begegneten mir auf Augenhöhe. Die Kinder mochte ich auch. Wie gesagt es schien alles perfekt zu sein. Bis zu dem Zeitpunkt an dem einer vom Gesundheitsamt drohte die Schule zu schließen, wenn die Küche nicht auf Vordermann gebracht wird. Nun, zu meinen Aufgaben zählte die Essensausgabe zur Mittagszeit und der tägliche Einkauf mit einem Bollerwagen für die Koch - AG. Jetzt kam auch die Sauberkeit der Küche dazu. Das Ende vom Lied: Ich durfte mich sechst Stunden am Tag in der beschissenen Küche aufhalten.

 

Die Kinder waren das Beste, was mir dort passiert war. Wir hatten Spaß zusammen. Ich habe es geliebt mit Ihnen zu basteln, zu spielen, ihnen bei den Aufführungen Ihrer Projekte zuzuschauen. Tja, irgendwann hatte ich nicht mal Zeit dazu. Am Ende habe ich es gehasst dort zu sein. Kein einziges Mal konnte ich den Unterricht mitgestalten, wie ich es mir am Anfang vorgenommen hatte. Nach nur 6 Monaten bin ich geflüchtet. Durch die motivierte Anregungen meiner Eltern schrieb ich einige Bewerbungen für verschiedene Berufe. Was soll ich sagen. Ich habe einen Ausbildungsplatz bekommen.

 

Es hat alles wunderbar angefangen. Ich hatte (fast alle) nette Kollegen und einen echt coolen Chef. Der Mitazubi hat mich zwar aufgeregt, weil er keinerlei Initiative für irgendwas gezeigt hatte, aber ich war angekommen. In meiner Berufsausbildungsklasse hatte ich auch ein Paar coole Menschen getroffen. Einigen gegenüber konnte ich mich sogar öffnen. Während dieser Zeit hatte ich auch eine beste Freundin in der Schwester meines Ex gefunden. Meine Schale begann sich zu öffnen. Worauf ich ziemlich stolz bin.

 

Auch wenn ich recht schnell festgestellt hatte, dass dieser Beruf nichts für mich ist, blieb ich dabei. Ich wollte es durchziehen. Um ganz ehrlich zu sein: Ich hatte Angst. Ich hatte schon ein Jahr in die Ausbildung investiert. Da lohn es sich ja nicht was anderes anzufangen, oder? Die Hauptfrage ist aber: Was sollte ich denn sonst machen? Während die Zeit voranschritt und ich mich lustlos durch die Ausbildung durchschleichte wurde die Beziehung zu meinen Kollegen anstrengend. Ich sehe mittlerweile ein, dass ich nicht ganz unschuldig daran war. Nach dreieinhalb Jahren der Ausbildung und den Abschlussprüfungen, für die ich mich auch in letzter Minute vorbereitet hatte, hatte ich einen Abschluss in der Tasche.

 

Tja, was soll ich sagen. Nur eine Woche nachdem ich den Abschlusszeugnis in der Hand hielt, flüchtete ich in eine andere Stadt. So voller Hoffnung, Träume und Enthusiasmus fing ich mein Studium an. Das erste Semester war wunderbar. Ich habe brav die Vorlesungen besucht und habe mir immer wieder gesagt, wie beschäftigt ich doch mit dem Nacharbeiten dieser und dem Vorbereiten für die Prüfungen bin. Nun ja, so viel hatte ich auch nicht getan. Das hatte sich spätestens nach den Prüfungen gezeigt. Zwei habe ich verhauen und eine gar nicht erst geschrieben. Mir aber vorgenommen dass im folgenden Semester alles anders läuft. Nun ja was soll ich sagen, ich hatte es mir vorgenommen. Heißt nicht, dass ich es auch umgesetzt hatte. Die Prüfungszeit des zweiten Semesters ist fast vorüber. Die vorletzte Klausur ist morgen. Die letzten Wochen waren mit anstrengenden aber noch lange nicht fruchtbaren Vorbereitungen und Zweifel gefüllt. Ich Angst zwei der Klausuren zu schreiben. Auf die morgige bin ich bei weitem nicht gut genug vorbereitet.

 

Nun sitze ich auf meinem Bett, in einem winzigen 11qm Zimmer, im versifftesten Studentenwohnheim der Stadt, tippe auf meinem roten Laptop, den ich für das Studium gekauft hatte und mache haufenweise Fehler bei der Kommasetzung. Nebenbei läuft eine echt geniale und überraschend tiefgründige Serie BoJack Horseman. Ich tippe nur um mir mein ganzes Versagen von der Seele zu reden. Ich tippe weil ich es satt habe mir selbst ständig Hürden in den Weg zu legen. Ich will damit aufhören. Ich will irgendwann gut verdienen, eine ausgebildete und geschätzte Fachkraft sein und zwei Mal im Jahr in den Urlaub zu fahren. Das Problem ist nur: Ich kriege meinen Arsch nicht hoch.

 

Ich bemitleide mich selbst und weiß doch ganz genau, das nur ich allein an all dem schuld bin, was in meinem Leben schief läuft. 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.07.2018

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