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Die Probe

In der nächsten Stunde, sagte er sich, würde sich alles entscheiden.

Er beobachtete sich. Wenn er die Flasche mit der Beimischung der tödlichen Dosis gegriffen hatte, würde er wenig später in Schlaf fallen und nicht mehr daraus erwachen.

Er wusste es nicht. Die Flaschen waren völlig identisch, glichen sich wie zwei Schlüssel desselben Schlosses.

Er hatte die Flasche bis auf den letzten Tropfen geleert.

Er wartete und beobachtete was geschah.

 

Er trat hinaus auf den Balkon, ließ seine Blicke über die Straße gleiten, die gegenüberliegende Häuserfront, die Dächer, die Wolken.

Er erlebte das mit der intensiven Vorstellung, dies alles zum letzten Mal zu sehen.

Für Augenblicke spürte er eine seltsame Sehnsucht nach Erde. Malte sich aus, er würde noch einmal über die Straße wandern, den leisen Aufschlag seiner Schritte hören. Einfach nur Erde wahrnehmen, wie er sie sein Leben lang unter den Füßen gefühlt hatte.

Doch jeder Spaziergang konnte rasch zu einer Gefährdung dieses Experimentes werden. Steigerten sich die Anzeichen von Schwäche und Benommenheit und würde er dort auf der Straße zusammenbrechen, dann wäre schnell ein Passant zur Stelle, der einen Notarztwagen rief, die anschließende Fahrt würde im Krankenhaus und mit einem eilig ausgepumpten Magen enden.

Nein, diese Abmachung sagte: Der Tod durfte kommen.

Wie dieses Leben bleiben durfte. Er hatte die Entscheidung darüber aus der Hand gegeben.

Seine Finger umspannten das Metallgitter der Brüstung, wieder schweifte sein Blick über die Straße, über die Dächer.

Zwei Autos schoben sich aneinander vorbei, sanft, streiften sich fast im Vorbeifahren, man hätte in diesem Moment nicht glauben können, dass jede tatsächliche Berührung die Fahrer darin erbost hätte.

Eine Frau, die eben aus einem Geschäft trat, band ihren Hund vom Haken los, eine junge Bulldogge, das Tier begrüßte sie mit heftigen Freudensprüngen, verfíng sich, während sie noch gebeugt stand, mit einer Pfote in ihrem Dutt, der sich plötzlich auflöste und in eine wippende Mähne verwandelte, als sie davon schritt.

Er wartete, beobachtete sich.

Kehrte nun wieder aufs Sofa am hinteren Ende des Zimmers zurück.

Dort lag er ruhig, lauschte in das weitgespannte Netz seiner Adern, kletterte in sich ein, das verzweigte geheimnisvolle Höhlenlabyrinth, das er war, stellte sich vor, dass es durchschwemmt war von Gift, ein gefährliches Wasser, das darin höher stieg.

Erst sechs Minuten waren vergangen.

 

Seine Gedanken zogen die Zeitschiene ein Stück voran in die Zukunft:

Die Stunde, in der man die Tür zu seinem Zimmer aufbrechen würde; die tuschelnde oder auch laute Aufregung der Nachbarn im Haus; die Fahrt zur Pathologie und die Untersuchung auf einem der Leichentische; seine Unterbringung in einem der Kühlfächer. Er sah es vor sich in allen Details.

Tage später: die Begräbniszeremonie. Die Versammlung der kleinen Trauergemeinde, die das noch offene Grab umstand. Andrea, seine Schwester darunter, einige seiner früheren Kommilitonen, die sie benachrichtigt hatte. Die Blicke auf seinen Sarg, als man ihn niederließ, ihn zuzuschütten begann.

Es könnte ein Tag sein mit heller Sonne, die die Friedhofswege mit ihren gepflegten Blumenbeeten und abgelegten Blumenbuketten farbenfroh aufleuchten ließ. Oder ein Tag mit Wolken-schleifendem Regenhimmel, die Trauergemeine eng zusammengedrängt und unter Schirmen verkrochen.

Verschiedene Variationen dieses Bilds waren möglich. Er malte sich alles aus. Sagte sich: In einer Woche, vielleicht auch in zwei, könnte man sich erzählen: So ist es geschehen.

 

Er erhob sich wieder, lief durch das Zimmer.

Eine vor Tagen neben dem Fenster abgenommene Wandvase fiel ihm auf, sie lehnte umgestülpt hinter dem Vorhang, er hängte sie an die frühere Stelle zurück und bemerkte wieder erstaunt, wie grundlegend diese Änderung war: wie sie alles an diesem Platz - Proportionen und Atmosphäre - beeinflusste, alle Gegenstände im näheren Umkreis scheinbar in neue Beziehungen setzte.

Die Geschichte, die sich für ihn mit der Vase verband, war für Sekunden lebendig, ein Stückchen Lebenslauf rollte vor ihm ab - farbenschillernd und von ganz eigener Wirklichkeit. Es war erstaunlich zu denken, dass keiner diese Vase je sehen konnte, wie er selber sie sah – mit derselben Geschichte.

Elf Minuten waren inzwischen vergangen.

 

Wieder stand er auf dem Balkon. In den Anblick einer Quellwolke versunken, die wie eine große Gehirnmasse über den Straßen schwebte, fühlte er auf einmal einen Anfall von Schwäche.

Stechendes Schwarz vor den Augen, die Knie zitterten. Er begriff es, war augenblicklich gefasst darauf: Dies ist das Ende. Er taumelte zurück in sein Zimmer.

Doch nach Sekunden schon war es vorüber. Wieder lag er nun ruhig auf seinem Sofa, lauschte auf seinen Puls, seinen Atem.

Weitere Minuten verstrichen, und mit der gleichen Unausweichlichkeit wie der Sog jener schwarzen Welle, die ihn soeben gestreift hatte, kam jetzt die andere auf ihn zu, unerbittlich, bedrohlich. Ihre Botschaft war: dass ihm dies Leben bewahrt bleiben würde.

Er besann sich auf die andere Flasche, die ungeleert weiter im Schrank stand.

Doch es war gegen die Abmachung.

Sein Herz schlug wie immer.

Er atmete.

Er lebte.

 

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Noch einmal zogen die Ereignisse der vergangenen drei Tage an ihm vorbei:

Sein Besuch in der Klinik, wieder nur einmal ein Besuch des schon lange eingeübten Abschieds, der ihn wie immer in einer schwarzen Trauer zurückließ.

Die dreistündige Verbrennungszeremonie vor zwei Tagen auf dem Balkon, mit der er seine Manuskripte, die nirgends willkommenen, für immer in schwarze Asche verwandelt hatte. Der Moment, in dem er auch alle Spuren in seinem Computer löschte.

Der gestrige Vormittag: Leichtfertig hatte er sich noch einmal in sein Auto gesetzt, das seit drei Wochen keine gültige Tüv-Plakette mehr hatte. Die mit einem raschen Spurt eingeleitete Überquerung der Kreuzung gelang, bei einer doch fahrlässigen Missachtung der auf Gelb gesprungenen Ampel, er hörte das laute Scheppern zweier Autos in seinem Rücken, die er damit in ein Ausweichmanöver gezwungen hatte. Es folgte seine Fahrerflucht, sein Fuß klebte weiter mit dem Gewicht eines Steins am Gaspedal. Er fuhr, wie ohne Besinnung, noch fast eine Stunde, weit hinaus aus der Stadt.

 

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Er hatte die Eltern von Marlies auf der Parkbank neben dem Krankenhaus getroffen.

Auch sie kamen eben von der Komastation.

Ihre Gesichter waren müde und grau.

Nein, die Ärzte machten ihnen keine Hoffnungen mehr.

Fünf Monate lag sie nun in völliger Starre, die Augen halb geöffnet und ins Leere gerichtet, angeschlossen an Schläuche, seit vier Wochen auch an eine Beatmungsmaschine.

Zuviel Gehirnsubstanz war abgestorben.

Marlies würde nie wieder sprechen, nie wieder lachen können.

Sie lag im Sarg ihres Krankenbettes begraben.

Die Mutter war bisher strikt dagegen gewesen, die Geräte abzustellen. Doch jetzt kamen ihre Einwände nur noch zögernd und schwach.

Jonas suchte Worte des Trostes.

Worte, die auch ihn selbst hätten trösten können.

Es gab sie nicht.

Marlies würde nie wieder in sein Leben zurückkehren.

 

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Die Verbrennung seiner Manuskripte – ein Befreiungsschlag, ein Todesstoß gegen all seine Ambitionen der letzten Jahre. Er hatte den Theaterautor, der seit zwei Jahren um die Gunst der Theater und Theaterverlage buhlte, zu Grabe getragen.

Eines der Manuskripte, ein surrealistisches mehrstündiges Theaterstück, an dem er seit Jahren feilte, hatte zum fünfzehnten Mal mit einer Ablehnung im Briefkasten gelegen.

Am nächsten Morgen bereute er, so schnell nach der Sektflasche gegriffen zu haben, die ungeöffnet im Schrank stand. Er trank selten, doch plötzlich lachte diese Flasche ihn an, er nahm Schluck für Schluck, und während er erneut das Manuskript durchblätterte, verstärkte sich in seinem Kopf der Chor der Stimmen, die erbarmungslos Schwächen und Mängel auflisteten. „Verwirrendes Handlungsgeflecht.“ „Zu skurril.“ „Keine Personen aus Fleisch und Blut.“ „Kunstsprache. Papierene Dialoge.“ So jedenfalls stand es in einigen der Ablehnungszeilen – wenn man sich überhaupt die Mühe machte, das Gelesene zu kommentieren und sich nicht auf eine Drei-Zeilen-Ablehnung beschränkte.

Er hatte nach Abschluss des Germanistikstudiums, abgesichert durch eine größere Geldreserve der Eltern, sich selbst zwei Jahre Zeit gegeben, ein gut durch geschliffenes Theaterstück vorzulegen, das ihm die Tür auf eine Bühne öffnen könnte. Theaterautor zu sein: sein seit Jahren gehegter Traum.

Der Alkohol sammelte sich in seinem Blut, er meinte es nun selbst zu sehen: papierene Dialoge, unfertige Handlungsstränge bei einer zugleich ausufernden Handlung, ein sich letztlich verzettelnder blass bleibender Plot, eine gekünstelte Sprache, die - in der Flucht vor dem nur Banalen - die Balance doch verloren hatte und artifiziell wurde.

Er hätte das zurückgeschickte Manuskript und das im Schrank liegende zweite einfach in den Müll werfen können. Doch eine innere Stimme verlangte etwas wie einen feierlichen Akt, so griff er ein altes Küchenblech und ging damit hinaus auf den Balkon, dort ließ er die Flamme des einen brennenden Blattes immer auf ein nächstes überspringen, mehr als drei Stunden lang, bis die Blätter beider Manuskripte als glühende Aschehäufchen über das Blech verteilt lagen.

Dann galt es noch, auch alle Spuren im Computer zu löschen. Erst schluckte der Computerpapierkorb die beiden Stücke, dann zerfiel es auch in diesem Papierkorb mit leisem Klirren, unwiderruflich.

Ein Akt der Befreiung, kompromisslos und radikal. Er fühlte sich stark und gut dabei.

Der Schmerz kam erst, als er mitten in der Nacht auf seiner Bettdecke erwachte und sich in seinem Kopf wieder die Konturen eines klaren Denkens einstellten. Was hatte er da getan? – Er lief an seinen Computer, öffnete ihn hastig und in der Hoffnung, irgendein anderer Speicherplatz hätte Reste seiner Stücke noch festgehalten – oder er hätte diesen Akt radikaler Zerstörung vielleicht nur geträumt.

Die beiden Stücke waren fort - auch jede winzige Spur war getilgt.

Auf dem Balkon stand noch das Blech mit den schwarzen Ascheresten.

 

x x x x

 

Am nächsten Morgen trank er zu einem mageren Frühstück das noch verbliebene letzte Viertel der Flasche.

Sein Auto hatte seit drei Wochen still vor der Haustür geparkt, der erneute Tüv war überfällig – doch er schob es immer wieder hinaus; ihm war die lange Mängelliste bewusst, mit der man ihn in der Werkstatt zuvor konfrontieren würde und die einen Teil der Geldreserven nochmals schmerzlich aufschmelzen würde.

Er trieb in dieser Wolke von Rausch, von Trauer, von Verzweiflung und Wahn. Es war ein heller Frühlingsmorgen und er wollte hinaus – weit fort, einfach „sich selbst entfliehen“. Die Stimme der Vernunft hatte dagegen keine Chance, sie wisperte noch, doch nur zaghaft und schwach.

Hinaus an den Rand der Stadt und weiter. Sich auf eine Wiese inmitten von Tannen werfen. Den Blick in den Himmel bohren. Bis in den Abend. Bis in die Nacht.

Nach dem scheppernden Zusammenprall der beiden Autos in seinem Rücken wandte er den Blick nicht um, dieser blieb starr auf die Fahrbahn gerichtet, er erhöhte die Geschwindigkeit noch, getrieben von blankem Schrecken, unverändert in dieser Wolke von Rausch.

Eine knappe Stunde in tranceähnlicher Fahrt. Dann hatte er den Wald erreicht.

Er fuhr in die Waldwege ein; ins Dickicht dunkler Tannen.

Er entfernte die Nummernschilder.

Noch bis zum Einbruch der Dunkelheit irrte er über die Waldwege.

Dann schlug er zu Fuß den Rückweg ein.

Weit nach Mittagnacht stieg er die Treppen zu seiner Wohnung hinauf.

Auf dem Schreibtisch blinkte das grüne Lämpchen des Anrufbeantworters.

Zwei Anrufe.

Er ließ nur einen flüchtigen Blick darüber schweifen.

Ein Unfallzeuge.

Die Polizei.

Es bestand kein Zweifel daran.

Er fiel zitternd vor Erschöpfung aufs Bett.

 

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Der Plan hatte in seinem Kopf längst feste Konturen angenommen.

Im Moment des Erwachens war er sofort wieder gegenwärtig.

Er ging in den Keller. Er öffnete das kleine Fach der alten Kommode, in der sich ein fremder Kasten mit Arzneien befand und darunter das, was zur Ausführung dieses Plans unerlässlich war: die Barbiturate. Die krebskranke Vormieterin hatte sie dort verwahrt, dann war sie nach einem kurzen Aufenthalt im Hospiz doch von selbst verstorben. Jonas hatte einen Teil ihrer alten Möbelstücke übernommen, auch jene alte kleine Kommode.

Die Entdeckung hatte ihn vor drei Jahren wenig berührt. Nun erschien sie ihm, wie schon gelegentlich während der letzten Tage, wie ein freundliches Geschenk.

Das Angebot eines völlig schmerzfreien Todes.

Es war ihm wichtig, jede willkürliche Einflussnahme auszuschließen, so verpackte er beide Flaschen in einem Beutel und verschob sie mehrmals im Kreis. Dann griff er blind hinein.

Entfernte den Verschluss und trank.

Den blinkenden Anrufbeantworter löschte er, er zog einfach den Stecker.

 

Über eine Stunde war schließlich vergangen, und er musste sich sagen, dass er wie immer klar bei Bewusstsein war.

Also: er lebte.

Ein letztes Mal betastete er zögernd Arme und Beine, stand auf, ging wieder im Zimmer umher.

Noch einmal spürte er jene andere Welle, die schwarz nach ihm griff und ihm sagte, dass der Weg in die rasche Erlösung verschlossen blieb.

Stattdessen:

Erneut jene Tage, Wochen, Monate des verzehrenden inneren Hohlseins; ohne je wieder ein auch nur winziges Lächeln von Marlies, das über drei Jahre sein Leben verzaubert hatte.

Ohne das ihn doch häufig erwärmende innere Feuer, wenn er sich über seine Manuskriptseiten beugte und er in manchen Augenblicken so sicher meinte, die von ihm geschaffenen Gestalten sprechen zu hören.

In jeder Stunde dieses Tages in der Erwartung, dass ein Uniformierter vor seiner Tür stehen würde, einen Zettel in der Hand, auf der eine zuverlässige Zeugenaussage und die Nummer seines Wagens notiert waren.

Fahrerflucht. Eine Fahrt ohne Versicherungsschutz. Ein Unfallschaden, den er auch über viele Jahre hin nie würde begleichen können.

 

Wie eine schwarze Brandungswelle sah er das erneut auf sich zukommen.

Eine Welle, die anrollte, um ihn ohne jedes Erbarmen zu begraben – ein Begrabensein, das er lebend ertragen musste.

Er hatte die Entscheidung über Leben und Tod aus der Hand gegeben. Jetzt war sie gefallen.

Doch er konnte das Schauspiel in seinem Kopf verändern.

Er konnte sich sagen: Es ist geschehen – ich habe die Flasche mit der tödlichen Dosis gegriffen.

Die Chancen waren absolut gleich.

Also: Ich bin gestorben.

Und alles, was um mich geschieht, trifft nur auf ein schauendes Auge.

 

Noch einmal zogen die Szenen seines Gestorbenseins, die schon einmal intensiv durchlebten, an ihm vorbei.

Der Tag seiner Aufbahrung.

Die Begräbnisfeier.

Auf eine bestimmte Weise war es geschehen.

Nur dass er jetzt weiter atmete und umherging.

Musste dies ein wesentlicher Unterschied sein?

Er hatte den Tod berührt, ohne Abwehr.

Er hatte den Mut zum „Absprung“ bewiesen. Das wusste er nun.

Sollte es noch einmal unerträglich werden auf die ihm bekannte oder auch eine neue Art - nichts würde ihn festhalten können.

Er sprach es halblaut vor sich hin:

Wo du bist, machst du ein Loch in der Welt. Alles was bleiben darf, ist ein Auge, nur Bilder sammelnd, nur schauend.

Es gibt dich nicht mehr. Es gibt nur noch dies wache schauende Auge.

 

x x x x

 

Plötzlich läutete schrill das Telefon.

Für eine Sekunde schrak er zusammen. Dann war er sogleich ganz gefasst. Ein erster Test.

Er zweifelte nicht, dass es den Autounfall und eine Zeugenaussage betraf.

Mehr und mehr genoss er es: diese völlig Gleichgültigkeit zu fühlen bei der Frage, ob er den Hörer abheben sollte oder nicht.

Für den Fall, dass ein Zeuge seine Autonummer notiert hatte, gab es drei Möglichkeiten:

Die, alles zuzugeben.

Die: zu bestreiten, von einem Unfall etwas gemerkt zu haben.

Die: vollends abzuleugnen, zu der besagten Zeit unterwegs gewesen zu sein.

Alle drei Möglichkeiten hatten ihre Risiken, ihre Spannung.

Während er sich alle Personen rasch durch den Kopf ziehen ließ, die sonst um diese Zeit bei ihm anrufen könnten, hörte das Läuten auf.

Doch nach knapp einer halben Minute setzte es, schriller, fordernder, schon wieder ein.

Sein Entschluss stand fest: Er würde den Hörer nicht abnehmen.

Die Entscheidung war unumstößlich. Wieder läutete es sechs- siebenmal, wie vorher zählte er mit, mehr und mehr war es nur noch wie das gleichgültige Zählen der eigenen Atemzüge, er zählte diesmal bis zehn.

Endlich trat Ruhe ein.

Er überlegte sich, was er tun würde, wenn die schon ausgemalte Szene Wirklichkeit würde und er nach einem Türklingeln durch den Spion seiner Wohnungstür einen Polizisten erkennen würde.

Er würde nicht öffnen.

Doch wenn es, mit lautem Klopfen, ein zweites Mal geschah? ein drittes Mal?

Er hatte bisher keine Antwort darauf.

 

Er beschäftigte sich erneut mit der Vase neben dem Fenster, hängte sie wieder fort, tauschte sie gegen ein Bild ein.

Er hängte zwei weitere Bilder um, verrückte das Bücherregal, eine Lampe darauf, jedes Mal schien es, als schüfe er eine vollkommen neue Ecke; als verwandle er ein in der Gewohnheit grau gewordenes Gesicht.

Es war wie die Ahnung von zahllosen, noch unentdeckten Zimmern in diesem Raum, er fragte sich, warum er so wenig bisher davon ausgeschöpft hatte.

Er begann einige Bücher in seinem Regal umzuordnen, schließlich fing er in einem zu blättern an, kurz darauf hockte er auf den Boden, blätterte in einem zweiten Buch, bewegte sich blätternd durch immer neue Stapel von Buchseiten.

Eigentlich war unglaublich, was da ungelesen noch überall in den Fächern stand.

Und sicher war unrecht gewesen, vieles davon als fremd, verstaubt, vergilbt zu empfinden.

Manches war alt, verstaubt. Manches Geschwätz. Manches nur Sammlerarbeit. Doch vieles war wie eine Landschaft.

Er stellte sich plötzlich ein Leben vor, das er einzig damit verbringen würde, durch diese Landschaften anderer Zeiten, anderer Menschen zu reisen. Diese Vorstellung verlockte ihn fast.

Einige Momente spürte er schon wieder etwas wie Gier und Hunger nach Leben.

Plötzlich fiel aus einem der Bücher ein Bild – eine Geburtstagskarte von seiner Schwester Andrea: ein kunstvoll gezeichneter Wal darauf, in dessen Bauch sich ein ängstlich kauernder Mann befand. „Jonas im Wal“ stand auf der Rückseite, Andrea hatte es damals aus einem Buch kopiert.

Beide kannten sie die Geschichte aus dem Konfirmationsunterricht, und, anders als dieser im finsteren Walbauch gefangene Mann, kannten sie das versöhnliche Ende: An einer unbekannten Küste würde dieser Wal den Mann unversehrt wieder ausspucken.

Nein, dieser Wal war das vermeintliche Todesschiff nicht.

 

x x x x

 

Immer noch einmal begriff er: Der Weg endete an dieser Stelle nicht.

Vielleicht begann er eben ganz neu.

Wieder streckte er sich auf dem Sofa aus, trieb in diesen Nachwehen von Erschöpfung, Benommenheit, die jetzt doch zugleich eine sanfte Geborgenheit boten.

Er spürte, dass dieser Augenblick zählte. Zählte wie wohl noch kein anderer in seinem Leben.

Er klopfte an diese innere Tür, die diesen leichten Wechsel versprach:

Von nun an spielst du dein Leben.

Du schaust dir zu.

Nichts bleibt als das wache schauende Auge.

 

Er glitt durch die Nacht. In einem seltsamen Zwischenzustand, der kein gewöhnliches Schlafen, kein übliches Wachen war.

Manchmal wie angerührt von einem sonderbar hellen Bewusstseinslicht.

Den ganzen folgenden Tag verbrachte er so auf dem Sofa, regungslos, unverändert in diesem Zustand zwischen Wachen und Traum.

So auch den wieder nächstfolgenden Tag.

Nur hin und wieder ein Weg ins Bad oder an den Kühlschrank, um etwas zu trinken zu holen.

Für kurze Zeit in Schlaf fallend und sich plötzlich erneut halb aufrichtend, war es doch weiterhin, als bewege er sich in einem Traum. Alles schien auf eine ungewöhnliche Art transparent.

 

Er spürte, gegenwärtig und fern, den Atem der Stadt, vibrierend von zahllosen Stimmen.

Er meinte, den Atem der Erde zu fühlen, wie angeschlossen an einen größeren Puls.

Vielleicht träumte er. Vielleicht war es eine gesteigerte Form des Wachens.

Immer noch einmal diese geheimnisvolle Helle - gespeist von diesem aufwärts steigenden Strom, ein lebendiges schmerzloses Feuer.

Momentweise war alles Klarheit. Klang. Ordnung. Geborgenheit.

Das Bild des Wals schob sich wieder in seinen Kopf. Er hieß es willkommen.

Er trieb hier im Leib des Wals, eine tanzende Meereswiege.

Er fühlte, von dieser anderen Helle erfüllt, den kreisenden leichten Flug seiner Gedanken.

Hielt er Kurs auf die Küste?

Welche Küste würde dies sein?

 

Die Spuren der Erzählung

 

Acht Jahre waren seit jenem Spätherbst vergangen. Plötzlich veranlasste mich etwas, mich nochmals intensiv mit den Ereignissen dieser Zeit zu befassen.

Jener Spätherbst: Jonas war zu einer Reise ins Tessin aufgebrochen und nicht mehr davon zurückgekehrt.

Die Spuren verliefen sich in einem Berghotel am Fuß des Basodino, dreißig Kilometer von Lucarno entfernt. Jonas hatte das Hotel in Richtung des Dreitausenders verlassen, an einem strahlend klaren Vormittag. Es gab keinen Wetterumschlag an diesem Tag, auch an den folgenden nicht.

Suchmannschaften durchkämmten zwei Wochen darauf das Bergmassiv. Ohne Ergebnis – bis auf den Fund von Rucksack, Reiseproviant und Feldflasche, alles ordentlich in einer kleineren Berggrotte abgestellt.

Die Tage zuvor hatte er bei seiner Schwester Andrea verbracht, mir teilte er in wenigen Zeilen mit, dass er „auf einen Trip“ in die Berge sei – für „einen Atemzug Höhenrausch“. Vielleicht bleibe er ein paar Tage, vielleicht auch länger.

Im zurückgelassenen Rucksack befanden sich keine Papiere – doch zwei Bücher mit einer Widmung und seinem Namen. Auch Andrea hatte keine Erklärung für diesen Aufbruch in die Berge und sein Verschwinden. Was sie selbst schwer verstörte. Hatte er doch, Seite an Seite mit ihr im herbstlichen Garten sitzend, über Tage hinweg über Dinge und Ereignisse gesprochen, die er allein ihr anvertraute, und die auch für mich, seinen jahrelang besten Freund, geheim geblieben waren.

Was war geschehen? So oft ich in den folgenden Wochen das gesamte Szenario an meinem inneren Auge vorbeiziehen ließ, stellte sich der Eindruck eines bewussten Arrangements und eines dahinter liegenden Plans ein – ein Gedanke, der mich mit den Jahren niemals völlig verlassen hat.

 

Acht Jahre nach jenem Herbst entschloss ich mich, auf der Durchreise bei Andrea „vorbeizuschauen“. – Ich traf sie beim Umräumen, sie saß zwischen Stapeln von Kisten, dann legte sie einen schmalen Hefter von handgeschriebenen Seiten vor mit ab. Das, so meinte sie, könnte mich interessieren.

Ich erkannte die Handschrift von Jonas. Eine Abfolge längerer und kürzerer Textpassagen, eher ungeordnet im ersten Eindruck und manches doch zu etwas wie Kapiteln zusammengefasst, das meiste Tagebuch-artige Notizen, immer wieder durchbrochen von philosophische Reflexionen, vieles nur rasch und Telegrammstil-ähnlich hingeworfene Textzeilen. Dennoch zog mich der Hefter bereits nach kurzem Blättern in Bann.

Vieles was Jonas auf diesen Seiten niedergeschrieben hatte, offenbar alles in den letzten Monaten vor seiner Abreise, ließ sich für mich in Kürze „entziffern“.

Er hatte ein Jahr zuvor die Wohnung, in der wir drei gemeinsame Studienjahre verbracht hatten, verlassen und war in ein anderes Viertel der Stadt gezogen. Dies bedeutete kein Ende unserer Freundschaft. In den folgenden Wochen verabredeten wir uns noch mehrmals.

Dann traf ihn ein schwerer Schicksalsschlag. Seine langjährige Freundin verunglückte bei einem Motorradunfall, sie lag mit schweren Kopfverletzungen danach im Koma, und die Diagnose der Ärzte war: Sie werde aus diesem Koma nie mehr erwachen, jedenfalls werde sie nie wieder in ein normales Leben zurückkehren können.

Er zog sich für Monate ganz zurück. Er betäubte sich in einer selbst gewählten Arbeit: der Niederschrift zweier Theaterstücke. Doch offenbar sah er, dass er den eigenen Ansprüchen nicht genügen konnte. Beide Manuskripte hat er schließlich verbrannt.

Ich traf ihn danach nur noch wenige Male.

Und auf eine rätselhafte Weise schien er mir jetzt völlig verändert.

 

Mit Andrea hatte ich nach dem Verschwinden von Jonas noch gelegentlich telefoniert. Doch ich spürte jedes Mal, dass sie in ihren Antworten auf meine Fragen immer nur kleine Bruchstücke dessen preisgab, was sie selbst von dem Bruder erfahren hatte.

Sein Verschwinden hatte etwas wie eine Verletzung in ihr zurückgelassen, eine Wunde, die offenbar immer wieder schmerzte, wenn man daran rührte. Und sie meinte, auch ihn zu schützen, wenn sie das, was sie wusste, als ein Geheimnis behielt. In der Tat: Es gab dabei einen Akt der Selbstjustiz, einen zweifachen Mord, wie ich ihn Jonas nie zugetraut hatte.

Diesmal doch sprach sie. Wir blätterten uns gemeinsam durch das Manuskript, und mehr und mehr entlud sich ein Redefluss, der die vielen Lücken füllte, die es auf diesen Seiten des Hefters doch gab. Diesen Redefluss begleitete manchmal ein leises Weinen, dann auch wieder ein Lachen, es war, als wäre ein Staudamm gebrochen und der ganze noch einmal aufgewirbelte Schmerz floss ab. Er sammelte sich in meinen wach lauschenden Ohren, ich durchlebte innere Stationen des Staunens und schließlich auch tiefen Erschreckens; doch vieles so Rätselhafte wurde mir mehr und mehr klar.

 

Der Teil der Tagebuch-artigen Aufzeichnungen beginnt mit der Beschreibung einer Art „Todesroulette“, ein Vorgang, von dem ich damals nie erfuhr. Andrea kannte ihn in allen Details. Es war ein „Spiel“, das in seinem Ausgang für ihn in der Tat völlig offen war und das auch seinen Tod hätte herbeiführen können.

Ich wusste von einer neuen Liebschaft – mit einem sehr jungen Mädchen namens Roswieta, eine einfache Angestellte in einer Parfümerie, eine durchaus nicht unattraktive Erscheinung, doch stand sie weit unter seinem intellektuellen Niveau. Dennoch war es wohl über all jene Sommermonate hin eine intensive Nähe und  Verliebtheit auf beiden Seiten.

Im Weiteren wusste ich von seiner Bekanntschaft mit einem jungen Freigänger, der sich nach diesen Tagen des Freigangs nicht entschließen konnte, ins Gefängnis zurückzukehren und seine Reststrafe abzusitzen. Er lebte seitdem gefährlich, was für Jonas jedoch kein Anlass war, die Beziehung abzubrechen. Er gab ihm sogar, als er ihn blutig geschlagen und nicht unerheblich verletzt in einer Kneipe traf, über Tage in seiner eigenen Wohnung Quartier.

Dieser junge Mann kam, gerade als er die Rückkehr ins Gefängnis beschlossen hatte, durch den Angriff einer brutalen Schlägertruppe zu Tode. Die Hintergründe blieben völlig unklar für mich, ich ahnte nicht im Mindesten, wie sehr dies alles mit Jonas selber zusammenhing; und wie sehr dies wiederum zusammenhing mit Roswietas. Dieses junge Mädchen befand sich zunehmend in einer Situation größter Bedrohung, und diese Bedrohung holte auch Jonas mehr und mehr ein.

Noch über eine dritte neue Bekanntschaft war ich im Bild: die mit einer älteren Schauspielerin, der Patentante Roswietas. Sie hatte eine kleinere Erbschaft gemacht und war so in der Lage, Mäzenin eines Filmprojekts zu werden, das sie freilich selbst entscheidend mit gestalten wollte. Diese Pläne zerschlugen sich dann auf traurige Art.

In den Aufzeichnungen von Jonas befindet sich ein langes Gespräch, eher ein langer Monolog, während einer gemeinsamen Bootsfahrt mit ihr; etwas daran muss ihn nachhaltig berührt haben. – Beide, Roswieta und jene Schauspielerin, waren aus seinem Leben wieder verschwunden, als er die Stadt verließ, um Andrea noch einmal zu besuchen.

Oft hatten wir, Jonas und ich, nächtelang gemeinsam philosophiert. Doch auch in diesem Punkt blieb er nun verschlossen. In nur wenigen Andeutungen ließ er mich teilhaben an einer ungewöhnlichen neuen Lektüre, die ihn zu faszinieren begann und seinen Blick auf die Welt Schritt für Schritt veränderte. Dies geschah wohl für ihn selbst so bestürzend und irritierend, dass er noch einen sicheren Punkt der Klarheit suchte, um darüber zu reden.

Es traten damit auch einige Phänomene in sein Leben ein, die manchem befremdlich erscheinen mögen. Doch er hat Andrea detailliert Auskünfte darüber gegeben, und so muss ich sie als diese Realität annehmen und auch hier darüber berichten.

 

Ich sprach von seiner rätselhaften Veränderung.

Er schien mir, die wenigen Male die wir uns noch sahen, von einer seltsamen heiteren Gelassenheit, die ich vorher nicht an ihm kannte – alles zugleich um einen Kern völliger „Unberührbarkeit“.

Alles schien „wie ohne Gewicht“.

Wobei ich das Wort „unberührbar“ sogleich korrigieren muss. Ließ er sich doch hineinziehen in Formen des Engagements, die gefahrvolle Risiken bedeuteten. Er, der in meiner Rangordnung von „solider Lebensführung“ eher einen vorderen Platz eingenommen hätte, ließ plötzlich alle Spielregeln einer solchen Lebenshaltung zurück; bis an den Punkt der Leichtfertigkeit.

Existenz“ war etwas für ihn geworden, das anders und größer war als das, was das gewöhnliche kleine Ich am Rotieren hält - seine Erfolge und Siege in den Tretmühlen der täglichen eingewöhnten Konkurrenzspiele, seine Bedrängnisse und Niederlagen.

Diese so andere innere Existenz, diese „Gewichtlosigkeit“ vor allem ist es, die mich noch einmal in Bann zog und deren Hintergründe ich inzwischen anders begreifen kann – in allen hellen und dunklen Farben. Und die doch weiter einen Kern von Geheimnis umschließt.

Mit den zahlreichen Ergänzungen durch Andrea ist jener schmale Hefter, den ich erwähnte, zu einer umfangreichen Erzählung gewachsen. Diese musste sich in manchen Details darüber hinaus verselbständigen. Doch immer folgt sie dem Ziel, einem Freund und seiner reichen Gedankenwelt wie seiner ganz eigenen Sprache gerecht zu werden.

 

Der neue Tag

 

Er fiel nun doch in einen gewöhnlichen Schlaf.

Kein Traum, der ihm erinnerbar war, als er zurück in den Tag tauchte.

Er schob die Gardinen beiseite. Es folgte der morgendlich gewohnte Blick durch sein Zimmer.

Er sah aus dem Fenster - auf eine Gruppe von Zirruswolken, die wie Haarflaum auf einem entfernten Dachgiebel lag; sah auf dem Rasen zwei streitenden Amseln zu, die auf denselben Regenwurm einpickten. Der lag apathisch, ließ reglos die schließlich Frieden schaffenden Aufstückelung geschehen.

Er ging von Möbel- zu Möbelstück, horchte auf das Knarren der Dielen unter den Füßen, an den immer bekannten Stellen. Vier Bücher lagen aufgeschlagen noch auf der Erde.

Zunächst allerdings sollte er sich, wie er fand, um seinen hörbar rumorenden Magen kümmern, seit vorgestern Mittag hatte er nichts Essbares mehr angerührt.

Er setzte den Kaffeetopf auf den Herd, stellte Brot und Marmelade zurecht, Käse und Butter.

Ein halb vertrockneter Blumentopf neben dem Kühlschrank hatte dringend eine Wässerung nötig, auch um das Blumenfenster im Wohnzimmer hatte er sich eine längere Zeit nicht gekümmert. Jetzt tat er es, mit Sorgfalt - immerhin: Hunger- und Durstempfindungen waren ihm eben wie selten vertraut. Schließlich setzte er sich.

Alles war wie gewohnt. Alles war anders.

Beim Essen kam es ihm momentweise vor, als ob er sich füttere; es war, als durchbräche er den üblichen Ablauf immer wieder mit Fragen wie: Willst du dies oder das -? Willst du es so oder so -?

Diese ganze Mahlzeit, die unerwartet mit einem wässrigen Schnurren aus der Tiefe des Magens endete, reizte ihn plötzlich zum Lachen. Es war keine neue Erkenntnis, doch selten hatte er es mit gleichem Witz sehen können: in welchem seltsamen Tier er da hauste, dieses kauende, speichelnde, verdauende Etwas, das in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen nach Futter schrie, gestreichelt sein wollte, gewaschen und spazieren geführt.

Er konnte sich damit identifizieren - in der Art einer Theaterrolle, die er mit Humor und vielleicht auch Hingebung spielte, wechselnd mit Besonnenheit und Distanz. Doch vor allem Humor. Er war dieses Tier nicht, bestenfalls „ritt“ er auf ihm - oder „in ihm“, teilte die Stallluft mit ihm

Freilich, er hätte auch jetzt nicht bestritten, dass sie eng miteinander verkoppelt waren.

 

Wieder griff er nach seinen Büchern, die unverändert zu kleinen Stapeln getürmt vor dem Regal lagen.

Jonas hörte sich Atem holen, als ginge es um einen Sprung in die Tiefe, in die er lustvoll für einige Stunden zu tauchen plante.

Aufs Neue spürte er es: die Aussicht auf diese noch unbekannten Gedankenstrecken, möglichen inneren Trimm-Dich-Pfade war tatsächlich verlockend, eigentlich erschien ein Leben zu kurz angesichts dieses Angebots.

Wieder ein Telefonklingeln, das ihn aufschreckte. Etwa vier Stunden, zeigte der Blick auf die Uhr, waren seit Beginn des Lesens vergangen. Zeit wieder aufzutauchen.

Nur etwa fünfmal klingelte es diesmal; er hatte sich soeben erneut auf ein längeres Zählen eingestellt.

Er ging ins Bad sich rasieren, wechselte Hemd und Jacke, kämmte sich, rückte den Kragen zurecht.

Ein Mensch mit passablem Outfit und das gleichfalls passable Gesicht eines jungen Mannes blickte aus dem Spiegel zurück. Nein, er hatte keinen Grund, sich über dieses Gesicht zu beklagen.

Es zog ihn hinaus an die frische Luft.

Er holte die Einkaufstasche vom Haken. Dann stellte er fest, es gab noch genügend Brot im Fach, auch der leise surrende Bauch des Kühlschranks war noch für Tage ausreichend gefüllt.

Aber eine Zeitung vom Kiosk zu holen, wäre für diese Mittagszeit eine sinnvolle Aufgabe. Überhaupt, es gab diese Sache, die ihn betraf und in der er sich besser doch kundig machte.

Erst beim dritten Kiosk, eine halbe Stunde Fußweg von seiner Straße, wurde er fündig: In einem Regal lag noch eine Zeitung des gestrigen, auch des vorgestrigen Tags. Er blätterte auf den Lokalteil zu.

„Fahrerflucht“. Die Kapitelüberschrift sprang ihm ohne Schonung ins Auge, es folgte das Wort „Totalschaden“. Durch seine Finger lief momentweise eine prickelnde Hast, die Augen saugten gierig den folgenden Satz auf. Mitten im nächsten brach er ab und schlug die Zeitung sanft wieder zu.

Ein Schäferhund trottete heran, hielt an und jaulte nach oben. Die Verkäuferin, eine Frau mit dem watschelnden Gang einer übergewichtigen Ente, beugte sich vor und warf einen Drops aufs Pflaster. Der Schäferhund leckte ihn auf, zerkaute ihn knirschend.

„Er kommt jeden Tag hier vorbei,“ sagte ein Mann, der sich eben zwei Totoscheine herausreichen ließ. „Er trinkt auch Bier aus der Flasche, und Herrchen putzt ihm täglich die Zähne, wegen der Drops. Er tut alles, was Herrchen tut.“

Die Kioskfrau warf noch zwei weitere Drops aufs Pflaster, Herrchen war eingetroffen und bestellte sein Bier. Er leerte die Flasche zu etwa zwei Dritteln, dann führte er es den Umstehenden vor: schob sie dem Hund ins Maul, der daran sog wie ein Welpe am Euter.

Der Mann mit den Totoscheinen fuchtelte mit dem Kugelschreiber über den vorgedruckten Kästchen, sichtbar ratlos für einen Moment, er wandte sich kurz entschlossen wieder an Jonas und wünschte einen Tipp zum Ausgang eines Spiels zweier Mannschaften, die am Wochenende gegeneinander antreten würden.

„Unentschieden”, sagte Jonas. Der Mann hob misstrauisch die Brauen, vor allem wegen der unvermutet raschen Reaktion, dann aber machte er folgsam sein Kreuzchen. Schließlich wünschte er noch zwei weitere Tipps und Jonas verblüffte ihn wieder: drei zu eins Tore, sagte Jonas beim nächsten weiteren Spiel, vier zu null beim dritten.

Der Mann protestierte heftig, auf diesen letzten Tipp reagierte er ärgerlich.

Jonas hatte von beiden Mannschaften nie mehr als die Namen gehört, immerhin war ihm bekannt, dass sie mit Fußball zu tun hatten. Er erklärte jetzt, dass es im Fußball immer Überraschungen gebe, und dass das Überraschende deshalb meist das Wahrscheinliche sei.

Der Mann dachte nach und nickte. Er fand jetzt auch selber eine Erklärung für den gegebenen Tipp - der krankheitsbedingte Ausfall des Liberos, während Jonas wieder kennerisch die Mundwinkel verzog.

Im Übrigen hatte er, der Mann, selber als „junger Bursche“, also im Alter von Jonas, Fußball gespielt. Dabei hatte er „Überraschungen“ am laufenden Meter erlebt. Er hatte „Hunderte solcher Geschichten im Koffer“. Er begann, einige davon auszupacken, sich immer wieder mit einem Schrei des Entsetzens oder des Überschwangs, je nach eigener Mannschaftszugehörigkeit, unterbrechend. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm dann, dass er es „höllisch eilig“ hatte, mit geröteter schwitzender Nase ging er davon.

 

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Unerwartet erschien Gerd am Kiosk, ein früherer Kommilitone.

Er hob grüßend die Hand, ließ ein „Hallo“ hören, bestellte dann eine Currywurst, fragte Jonas, was er so mache zur Zeit, auch Charlotte und Achim hätten nach ihm gefragt.

Jonas hatte keine Lust, mit Gerd zu sprechen.

Mit Gerd und zwei andern Bekannten und Freunden hatte er während des ersten Studienjahrs eine Fünf-Zimmer-Wohnung geteilt - ein Experiment, von dem er nachträglich nicht mehr verstand, wie er ihm hatte zustimmen können.

Vor allem Gerd war etwas wie eine schrille „Gegenfarbe” zu ihm, ein Gegenakkord, der sich schließlich zur offenen Dauerdissonanz entwickelte; endgültig nachdem ihm Jonas versehentlich einen Pokal, eine silberne Radfahrertrophäe, von einem alterswackligen Schrank gestoßen hatte.

Beide wussten, dass dies den Bruch nicht ausgelöst, nur die Antipathie zementiert hatte. Gerd hegte sie wahrscheinlich vom ersten Moment, noch bevor Jonas selbst einen Anlass dazu hätte geben können.

Nachträglich hatte Gerd lächerliche Gerüchte um Jonas verbreitet wie: Er hätte die Wanne jedes Mal mit einem schmutzigen Rand hinterlassen - die Wanne hatte permanent einen dunklen Rand, auf den keine Bürste und Seife mehr Einfluss hatte; Jonas hätte fremde Briefe geöffnet - es stimmte, einmal hatte sich Jonas bei einer Druckpostsache geirrt; Jonas hätte mit einer alten Flohmarktjacke Nissen in die Wohngemeinschaft geschleppt.

Jonas hatte alle Zusammenstöße von Anfang an strikt vermieden, Gerd suchte sie auf.

Warum man ihn so selten noch sehe, fragte ihn Gerd. Und: Ob er inzwischen einen festen Job habe. - Jonas hatte keine Lust, mit Gerd zu reden.

Sie standen beide am selben Tisch, Gerd aß seine Curry, seine Pommes Frites, Jonas trank einen Orangensaft. Gerd machte noch ein paar Mal den Anlauf, das Gespräch zu beginnen, erzählte von seiner gegenwärtigen etwas schlecht bezahlten Arbeit bei einer Lokalzeitung. Es half nichts. Jonas zeigte keine Reaktion.

Schließlich verstummte auch Gerd. Zwei, drei, vier Minuten vergingen, und Jonas spürte, wie über dem Tisch eine Wolke von Beklemmung emporstieg, sich mit jeder Sekunde verdichtete, anwuchs zur schwarzen Gewitterballung, sich dringend entladen wollte. Er beobachtete diese Beklemmung, wusste, dass Gerd sie teilte, fühlte sie intensiv und genoss es, ihr immer noch stand zu halten.

Er hatte nichts gegen Gerd. Gerd war ihm gleichgültig. Einen Moment überlegte er jetzt, ob dies der Grund sein könnte, dass Gerd Aversionen gegen ihn hegte. Jonas Gleichgültigkeit beleidigte ihn, vielleicht, er interpretierte Hochmut daraus, er wollte geliebt und gewürdigt werden, nicht nur teilnahmslos registriert; er bestand auf Würdigung und Beachtung, auf seine Streicheleinheiten wie alle.

Jonas sah auf, wanderte das sommersprossenbleiche Gesicht ab, den schmalen Mund, die unruhig zuckende Stirn, die goldumrandeten Brillengläser, und er stellte sich vor, er würde ihn streicheln und würdigen. Die Vorstellung fiel ihm nicht leicht, auch hätte es Gerd wahrscheinlich erstaunt, und er hätte entschieden bestritten, dass er so etwas brauchte.

Jonas dachte an den Pokal, die Reihe kurzer Zeitungsausschnitte über kleine Vereinssiege neben Gerds Bett. Es schien ihm jetzt, seine Gedanken träfen seltsam genau ins Schwarze und er sähe dies alles in einer neuen Vollständigkeit.

Schweigen, unverändert. Jonas hatte keine Lust, mit Gerd zu sprechen. Gerd sah ihn jetzt mit fast flatternden Blicken an, knüllte die Pappschalen zusammen, auch die noch zu einem Viertel volle mit den Pommes Frites, leckte sich hastig die Zähne. „Freitag große Einweihungsparty bei Zehringer,” sagte Gerd, „sein Dachatelier ist fertig.“ Er rückte sich unter der wieder zuckenden Stirn mit hageren Fingern die Brille zurecht, die Lippen zusammengepresst, wandte sich zum Gehen.

Jonas winkte ihm plötzlich nach, aus der Entfernung schon einiger Meter, im selben Moment drehte Gerd sich um, die Verwirrung auf seinem Gesicht war komplett. Es schien, er wollte zurückkehren, dann verschwand er doch um die nächste Straßenbiegung.

Gerd, so wusste Jonas, musste dieses Zusammentreffen und die vollständige Ignorierung seiner Person wie das Stück aus einem irrationalen Filmstreifen erscheinen.

Nichts war so gleichgültig wie das.

Jonas – jener von früher – existierte nicht. Und es gab auch keine Notwendigkeit, dies zu erklären.

 

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Mit drei Zeitungen unter dem Arm kehrte Jonas heim.

Er schlug den Lokalteil auf.

Ein ausführlicher Unfallbericht.

Totalschaden an beiden Unfallfahrzeugen. Das eine ein Lieferwagen, der Fahrer konnte nach ambulanter Behandlung aus dem Krankenhaus wieder entlassen werden, der Fahrer des folgenden PKW hatte möglicher Weise ein Schleudertrauma erlitten.

Die übliche Bitte um Zeugen. Der Wagentyp des flüchtigen Fahrers war genannt. Kein Hinweis auf das Autokennzeichen.

Jonas las erneut den bekannten Firmennamen des Lieferwagens, legte sich nochmals dar, welch unterschiedliches Loch die Schadensbehebung in die verschiedenen Kassen riss - seine und die jener Firma.

Blieb der Fahrer des Pkws. Er konnte ihm nur sein Bedauern schicken. Auch wenn er sich als Unfallverursacher gestellt hätte, hätte dies dem Mann in seinem Zustand keine Hilfe gebracht.

Niemand war tot. Niemand war schwerverletzt.

Auch solche Bilder hatten vorübergehend in seinem Kopf gegeistert.

Er öffnete sein Schreibtischfach, besah seine Kontozahlen, er kannte die Summe, doch es war gut, sich ihrer noch einmal zu vergewissern.

Genug um drei bis vier Monate weiter davon zu leben.

Alles danach war ungewiss.

Er stellte sich intensiv diesen Zeitraum vor, empfand ihn als weitläufig für diesen Moment, prall angefüllt mit abertausend Sekunden; jede konnte das Geschenk einer Überraschung bringen.

 

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Am Nachmittag meldete sich plötzlich klar und bestimmt der Gedanke, nach seinem Auto zu schauen.

Er ging in den Keller, löste das Drahtschloss des Fahrrads - es war gewissermaßen der rituelle Moment, in dem er es aus seinem fünfmonatigen Winterschlaf weckte. Während er es die Kellertreppe hinaufschob, entdeckte er Spinnweben zwischen den Radspeichen, dann auch die dazugehörige Spinne. Sie flüchtete auf das Katzenauge, er wollte sie sanft auf die Erde knipsen, doch eine innere Stimme sprach plötzlich dazwischen: Warum sie nicht mit auf die Fahrt nehmen?

Also schwang er sich in den Sattel, das Rad ächzte leise, dann schüttelte es die Winterstarre nach und nach ab, er atmete tief, so plötzlich wieder im Sattel zu sitzen, war ein bisschen wie fliegen – so hatte er das als Junge häufig empfunden.

Nach eineinhalb Stunden bog er in die Waldwege ein, die Luft wurde zunehmend besser, es war ein Vergnügen, die Lungen damit zu füllen. Endlich bemerkte er das schimmernde Blech seines Autos. Es stand auf dem erwarteten Platz zwischen den Tannen - ein Haustier, das ruhig vier Nächte fern am Rand eines Waldes verbracht hatte und nie daran denken würde, sich zu beklagen.

Es hatte ihn durch Spanien und durch Griechenland gefahren, sechs Jahre lang hatte es ohne nennenswerten Widerstand seinen Wünschen und Befehlen gehorcht; gemeinsam hatten sie zwei Reifenpannen und einen Achsbruch, mitten auf einer löchrigen Schnellstraße, durchgestanden.

Eine Empfindung überkam ihn für einen Moment, die mit Rührung nicht unzutreffend beschrieben ist.

Er umwanderte sein Fahrzeug zweimal, versprach ihm feierlich, es übermorgen, spätestens in drei Tagen in seine gewohnte Straße zu fahren. Überhaupt wiederholte er seine Entschuldigung, es so nachlässig behandelt und ihm die rechtzeitige Erneuerung der Tüv-Plakette verweigert zu haben - ein unverzeihlicher Leichtsinn.

Als er wieder sein Fahrrad bestieg, fiel ihm auf einmal die Spinne ein, er hatte sich mehrmals bereits nach ihr umgedreht, unbeweglich, zusammengekauert hielt sie sich während der Fahrt auf dem Schutzblech. - Jetzt war sie tatsächlich fort, trabte wahrscheinlich irgendwo über Waldwege, stieß sich an Grashalmen; sicher ein seltsamer Wechsel mit ihrer dunklen Kellerbehausung dies alles, der ihr Innenleben noch über Tage beanspruchen würde.

 

Eine Kindergruppe kam ihm entgegen, kreischend wie ein Vogelschwarm, die Hälfte mit Stöcken bewaffnet, einige Jungen schlugen zornig und stolz auf alles ein, was neben dem Gehweg an dürrem Unterholz wuchs; in der Mitte zwei dunkelzöpfige Mädchen, die Hand in Hand gehend artig ein Lied vor sich hinlallten, unbeirrt und als sängen sie es für alle.

Ein Stück weiter zwei ältere Frauen mit bunten Wollmützen, die eine zog eine Tüte hervor, schwenkte sie schnalzend und zwitschernd, ein Eichhörnchen hockte über ihr in den Zweigen, horchte mit angewinkeltem Kopf, doch als sie näher kam, nahm es Reißaus.

Sie schwenkte wieder die Tüte, suchte eine Weile die Baumkronen ab, Enttäuschung im alten, welken Gesicht, das Eichhörnchen blieb verschwunden, dann ließ sie sich weiterziehen von der zweiten.

Es folgte ein einsamer Waldläufer im Trainingsanzug begleitet von einem Jagdhund, der, mit hängender Kopf außer Atem schien; der Läufer stolperte, der Hund zog winselnd einen Halbkreis um ihn, beschnupperte ihn an den Ohren, leckte ihm über die Nase, die Stirn, und gleich sprang der Mann wieder auf, humpelnd zunächst, doch nach einer kürzeren Wegstrecke war er dem Hund aufs neue fünf Meter voraus.

Jonas versuchte sich vorzustellen, dass dies alles genauso geschehen wäre, heute, auf dieser Straße, gäbe es ihn selber nicht in dem Bild.

Wäre die Probe anders verlaufen.

Die Kinder wären vorübergegangen. Die beiden Alten. Der Mann mit dem Jagdhund.

Es war ein Gefühl von seltsamem Überfluss, das etwas wie Heiterkeit in ihm auslöste.

 

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Wieder vereinnahmte ihn in den Abendstunden seine Lektüre.

Erneut wartete eine Überraschung auf ihn. Ein mit einem dickeren Pappumschlag versehenes Buch ließ ein längliches Blatt auf den Teppich gleiten. Offensichtlich ein Lesezeichen. Jonas betrachtete es genauer.

In die rechte obere Ecke war eine Sonne gemalt, in die linke ein Mond, dazwischen ringelten sich zwei Schlangen, graphisch sehr anspruchsvoll und ästhetisch gezeichnet, jede mit dem Maul in den Schwanz der andern verbissen.

In der Mitte des Kreises, den sie beschrieben, stand ein lateinischer Satz, der ihm ohne Mühe verständlich war: „Omnia sunt signa“ - „Alle Dinge sind Zeichen“.

Dieser Satz auf einem Lesezeichen hatte wahrscheinlich seinen kleinen versteckten Witz: Was du hier in der Hand hältst ist ein Zeichen wie alles andere.

Es folgte ein kleiner geschriebener Satz: „Elitus es.“ Er musste ein bisschen in seinem Fundus von lateinischen Vokabeln wühlen. „Elitus“? War von einer „Elite“ die Rede. Es gab die Möglichkeit einer ganz schlichten Übersetzung: „Du bist ausgesucht.“

Wieder ein kleiner versteckter Wortwitz? Es verkehrte die Position von Leser und Buch, das Buch war es, das einen ausgesucht hatte, nicht umgekehrt.

Die Anordnung von Zeichen und Schrift war auf eine eigene Art bestechend klar. Jonas konnte sich einer gewissen Faszination nicht entziehen.

Er meinte sich zu erinnern, dieses Buch vor Jahren einmal in einem Eisenbahnabteil gefunden zu haben. Dem Eindruck nach war es schon etwas „betagt”, es enthielt geknickte Ecken und Anstreichungen, er konnte den materiellen Wert nicht so

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 16.03.2016
ISBN: 978-3-7396-4354-0

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Der Autor, als Erzähler, folgt seinen Spuren. Denn Jonas, der langjähriger Freund, ist von einer Alpenreise, wenige Wochen nach jenen Ereignissen, nicht mehr zurückgekehrt. Handelte es sich um ein bewusstes Arrangement? Es bleibt die Faszination eines Geheimnisses: die unbegreifliche Leichtigkeit, die der Freund in jenen Monaten erkennen lässt; alles scheint „ohne Gewicht“. Die Handlung mit ihrer zunehmenden Spannung und Dramatik pulsiert auf einem ganz eigenen Untergrund – es ist der einer verwandelten Wahrnehmungsart, die den Zustand unserer „alltäglichen Verzauberung“ befragt und zu durchbrechen versucht. Alles ist darauf angelegt, hinter die „Kulissen“ einer nur fragmentarischen Wirklichkeit zu schauen; oder doch an „den Schlaf der Welt“ zu rühren. Christine Bathmann Rezensentin und freie Lektorin

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