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Vorwort

Markus Heitz
AUGENBLICK

Gewinnspiel




Vorwort
Dialoge über die Zukunft


Ulm, Deutschland. 24. September 2007



Es war ein ungewöhnlich warmer Herbsttag in Ulm. Der Himmel war wolkenlos blau und der gotische Spitzturm des Ulmer Münsters ragte hoch über der Stadt empor. In der Universität, oben auf dem Hügel, fand die ‚Intelligent Environments Conference‘ statt. Sie versammelte zahlreiche Disziplinen, von der Informatik über Architektur, Werkstofftechnik und künstliche Intelligenz bis hin zu Soziologie und Design reichte. Ich war eingeladen, über meine Arbeit bei Intel zu referieren. So stand ich nun am Rednerpult des voll besetzten Auditoriums und begann mit meinen Vortrag „Do Digital Homes Dream of Electric Families

“.
Darin schlug ich vor, dass wir Science Fiction als Designwerkzeug für die Entwicklung von Technologien und neuen Produkten nutzen könnten. Die Idee war, Science Fiction-Storys auf Basis wissenschaftlicher Fakten zu schreiben, um deren Auswirkungen auf Mensch und Kultur zu untersuchen. Ich hatte festgestellt, dass sich eine Reihe der größten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts von Science Fiction hatten inspirieren lassen. Und umgekehrt nutzen Science Fiction-Autoren regelmäßig die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Forschungen für Geschichten, Filmen und Comics. Doch was meinen Vorschlag unterschied, war die Absicht: Die Beziehung zwischen wissenschaftlicher Fiktion und wissenschaftlichen Fakten sollte eine ganz spezifische sein; beides sollte zusammen für eine tieferes Verständnis eingesetzt werden, um mögliche Chancen und Risiken zu untersuchen. Die Verbindung von Fiktion und Fakten sollte eine Art „Science Fiction-Prototyp“ schaffen, der die Entwicklung der beschriebenen Technologien beschleunigt – bessere Resultate und erfolgreichere Produkte inklusive.

Portland, USA. 7. November 2010


In den letzten drei Jahren habe ich mit Wissenschaftlern, Forschern und Studenten aus der ganzen Welt zusammengearbeitet, die diese „Science Fiction- Prototypen“ in unterschiedlichen Bereichen anwenden – sei es künstliche Intelligenz, Robotertechnik, Cyber-Sicherheit oder das Gesundheitswesen. Diese Prototypen sind nicht nur zu einem seriösen Entwicklungswerkzeug geworden, sondern sind auch eine neue Möglichkeit, Studenten und die breite Öffentlichkeit für Wissenschaften und Technologie zu interessieren. Ich habe hierzu ein Lehrbuch mit dem Titel „Science Fiction Prototyping: A Framework for Design

” verfasst, dass bereits an Universitäten gelehrt und ab 2011 auch öffentlich erhältlich sein wird.

Die Zukunft handelt von Menschen



Alle vier Geschichten in dieser Sammlung beruhen auf Technologien, die wir derzeit in den Intel Labs entwickeln. Und was daran besonders bemerkenswert ist: Auch wenn es Science Fiction-Geschichten sind, sind es vor allem Geschichten über Menschen. Jede Geschichte vermittelt eine einzigartige Vision, ein greifbares Bild vom Leben in der Zukunft, doch jede schildert auch auf höchst anschauliche Weise die menschlichen Dramen der Zukunft. Die Kurzgeschichten handeln nicht von Technologien, sondern vom facettenreichen, faszinierenden Leben ihrer Charaktere. Die Technologie ist nur ein Teil des Geschehens.
Abgehängt

von Scarlett Thomas stellt uns eine Familie in einer Welt vor, die ganz alltäglich und vertraut wirkt, jedoch geniale technische Möglichkeiten bietet. Augenblick

von Markus Heitz ist eine faszinierende Geschichte mit warnendem Unterton, die unseren menschlichen Bedürfnissen und Wünschen die Fähigkeit gegenüberstellt, eine Zukunft zu schaffen, in der wir vielleicht nicht leben möchten. Douglas Rushkoffs Der letzte Arbeitstag

beschreibt den letzten Arbeitstag von Dr. Leon Spiegel – des allerletzten Menschen, der jemals arbeiten wird. Mit Intelligenz und Weitblick stellt Rushkoff letztlich die Frage, was das Menschsein eigentlich bedeutet. Und schließlich schildert Ray Hammond in Die Rettungsfahrt

die dramatische, halsbrecherische Fahrt, die ein Paar unternimmt, um einen geliebten Menschen zu retten: eine Fahrt, die von einer komplexen Landschaft von Geräten, Sensoren und Vernetzungen zugleich erleichtert und behindert wird. Schlussendlich zeigen uns diese Geschichten, dass unsere Zukunft nicht von Technologien, Megatrends oder Prognosen, sondern immer von uns Menschen handelt.

Bei Intel nutzen wir futuristische Visionen wie in dieser Sammlung, um wichtige Erkenntnisse für unsere technologischen Entwicklungen und Experimente zu gewinnen. Wir verwenden in unseren Forschungsstätten viel Zeit darauf, Menschen zuzuhören und untersuchen, wie die Technologie ihr Leben berührt und beeinflusst. Wir tun das, weil wir glauben, dass nicht nur die Zukunft, sondern auch die Technologie letztlich eine Sache der Menschen ist, die sie einmal nutzen werden.

Die Geschichten in dieser Sammlung erlauben Ihnen, sich mögliche Varianten der Zukunft auszumalen – genau wie wir es bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien tun. Jede Kurzgeschichte ist eine Art Dialog über die Zukunft, ein Weg, eine Zukunft zu verstehen, die noch nicht gänzlich festgelegt ist, aber Tag für Tag ein Stück näher rückt.

Brian David Johnson Futurist and Director, Future Casting, Interactions and Experience Research Intel Corporation




Markus Heitz
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AUGENBLICK



Alexin blätterte im Prospekt. „Am Anfang war die Haut“, prangte es auf dem Cover. So lautete die Maxime von Professor Wilhelm Zarger, nach dem Zarger Industries benannt wurde. Der Konzern hatte die Maxime übernommen und werbewirksam erweitert: „Am Anfang war die Haut. Heute gibt es KI und Zarger Sensor Technology.“ Haut. Einer der natürlichsten Sensoren, den man sich vorstellen konnte. Sie bemerkte Wärme, Druck, Feuchtigkeit, Wind und ziemlich viel von dem, was die Umwelt einem Menschen begegnen lassen konnte. Alexin bewegte sich in seinem Sessel ansatzweise vorwärts, und die winzigen Sensoren darin reagierten: Das Möbel kippte leicht nach vorne und erleichterte ihm das Aufstehen; dann ging er durchs Wohnzimmer. Seine Körperwärme und seine Bewegungen wurden registriert, Licht wurde ein und ausgeschaltet, sodass Alexin sich trotz der Nacht nicht durch ein dunkles Haus bewegen musste. Türen öffneten sich von selbst, und als er ins Bad trat und vor der Toilette stehen blieb, hob sich der Deckel fast geräuschlos; die Sitzhöhe passte sich automatisch an. Alexin vergeudete seine Zeit nicht mit Tasten drücken, Schalter betätigen, Schubladen aufziehen oder dergleichen. Die lebenserleichternden Sensoren waren bereits im Garten angebracht. Sobald Alexin sein Grundstück betrat, musste er fast keinen Handgriff mehr tätigen – abgesehen vom Zubereiten der Speisen, zumindest was das Schneiden und Rühren anging, oder dem Wechseln der Kleidung. Oder dem Hinsetzen auf der Toilette. Kleinigkeiten eben. Er hatte gelernt, den Hauscomputer mit Blicken zu steuern und stumme Befehle zu geben. Unsichtbare Kameras beobachteten Alexin, jede einzelne Regung, und die KI achtete darauf, ob die Bewegung des Menschen ein Befehl darstellte oder nicht. Sogar seine Augen wurden überwacht. Gerade die Augen ... Alexin hatte eines Tages aus Spaß ausgerechnet, wie viel kostbare Minuten er mit Banalem verschleuderte, und er war auf ein erschreckendes Ergebnis gekommen: Pro Tag büßte er mehr als eine Stunde durch Schalter, Taster, Klinken und Co ein. Das wollte er nicht mehr, und so hatte er seine Karriere bei Zarger gestartet und sich mit der Vereinfachung des Alltäglichen auseinandergesetzt. Hochgerechnet auf zwanzig Jahre hatte er fast ein Jahr an mehr Handlungsmöglichkeiten erhalten. Alles dank der Sensoren. Und doch fühlte sich Alexin unsäglich müde. Er saß auf dem Klo und schloss für einen Moment die Lider. „Error“, schnarrte die weibliche Computerstimme. „Ein möglicher Befehl kann nicht mehr erkannt werden. Bitte öffnen Sie die Augen, Mister Karanev, oder begeben Sie sich umgehend zu Bett, damit ich eine StandBy-Schaltung des Systems vornehmen kann.“ „Ich bin nicht müde genug.“ Er wusste nicht mehr, wie oft er diesen Satz schon gesagt hatte. Und wie so oft lautete die Antwort: „Das kann ich nicht bestätigen. Die letzte Pupillenreflexmessung ergab eine verminderte Reaktionszeit, Ihr Herzschlag und Ihr Blutdruck zeigen alle Anzeichen von Müdigkeit. Öffnen Sie bitte die Augen oder gehen Sie unverzüglich ins Bett.“ Alexin hasste die Stimme, die ihn dazu zwang, die Lider zu heben. Und er tat es tatsächlich. So oft hatte er sich vorgenommen, das System neu zu programmieren und die KI weniger wie ein Gefängniswärter agieren zu lassen. Er vergaß es immer wieder. „Danke, Mister Karanev“, ertönte es wesentlich freundlicher und belohnender. Alexin erhob sich und zog die Hose hoch, wusch sich die Hände und schlurfte durchs Haus. Sein kleiner Widerstand. Er wollte sich nicht hinlegen, nur weil die KI der Meinung war. Sicherlich, sie hatte Recht. Er WAR müde. Aber er wollte sich nicht beugen. Sensortechnologie in Kopplung mit KI hatte ihn zum willigen Abhängigen von behütender Technik gemacht. Die eine Hälfte der Menschheit leidet an Mangel, die andere unter ihrer Faulheit. Morgen lasse ich den Computer endlich korrigieren, dachte er. Alexin war durch seine Idee reich geworden. Sehr reich. Er hatte seine Zeit berechnungen dem Zarger-Vorstand vorgelegt, und der hatte daraufhin Fertighäuser auf den Markt gebracht, die mit Sensoren gespickt waren. Zusammen mit einer nie dagewesenen Marketingkampagne waren Nachrüstsätze auf den Markt geworfen worden. Das denkende Haus, ob neu, ob alt. Vorauseilender Gehorsam der eigenen vier Wände: „Sie denken es erst, Ihr Haus tut es bereits!“ Mit der Gewohnheit war die Abhängigkeit gekommen. Und wie schwer sich der Mensch tat, aus einer Abhängigkeit zu kommen, bewies Alexin jeden Tag. Sicher: Er hätte die Sensoren der KI in dieser Sekunde einfach ausschalten und wachbleiben können. Klar: Er hätte leben können wie früher. Aber natürlich: Sein Dasein hätte auch ohne die technische Annehmlichkeiten funktioniert. Hätte. Wie ohne Kreditkarte, ohne Fernseher, ohne Mails … Hätte. Unbewusst war er ins Schlafzimmer gegangen. Er stand vor seinem Bett. Das Licht war bereits gedimmt, ein Aromaspray sorgte für die Illusion von frischem Meer, die Boxen fluteten den Raum mit falscher Brandung. Über dem Bett leuchtete der Spruch des Tages in digitalen Bilderrahmen, der willkürlich aus einer gigantischen Zitatesammlung ausgesucht wurde: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Jean-Jacques Rousseau.“ Alexin schauderte, rieb sich über den Arm. Gänsehaut. Müde legte er sich ins Bett und dachte darüber nach, wann er die KI in seinem Haus abschalten und nur noch stumme Sensorenfreundlichkeit haben wollte. Der Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Er schlief ein, bevor er zu einem Entschluss gekommen war.


Weitere Informationen zu Intelligenten Sensoren

http://www.youtube.com/watch?v=ofpLeysWqgs http://www.youtube.com/watch?v=-upPgMr-FIs http://www.intel.com/technology/atom/



Das vollständige Buch "Über Morgen" steht unter folgenden Link zum Download bereit (eBook und Podcast):
http://newsroom.intel.com/docs/DOC-1411?cid=emea:ggl|future_de_brand|de3F4FF1|s#downloads


Gewinnspiel



Intel verlost drei Sony E-Reader unter allen Leser, die die Gewinnspielfrage richtig beantworten:

Bei welchem Konzern arbeitet Alexin?

a. Zarger Industries
b. Intel
c. BookRix


Bitte schicke die Lösung von Deinem Account aus an den Account von Intel.Verlosungen.

Einsendeschluss ist der 21.12.2010

BookRix und Intel wünschen Dir viel Glück bei der Verlosung.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Eine Barauszahlung der Gewinne ist nicht möglich. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt und auf Bookrix veröffentlicht.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.12.2010

Alle Rechte vorbehalten

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