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Der kleine Osterhase

Es war einmal, gar nicht so weit entfernt von dir und mir, ein geheimer Ort, den Niemand zu finden vermochte. Ein Ort, geprägt von Phantasie, Freude und seltsamen Wesen, welche die Menschen scheuten – so hieß es jedenfalls. Und so kam es, dass noch nie Jemand die Geschichte des kleinen Hasen gehört hatte. Niemand, bis heute.

Der kleine Hase öffnete verschlafen seine Augen. Sanft strich er sich die bunte Flickendecke von seinem Körper und hüpfte aus dem Bett. Heute war ein ganz besonderer Tag. Es war Frühlingsanfang und er war nun endlich alt genug, um das Osterfest mitzugestalten. Auf diesen Tag hatte er sich schon sehr lange gefreut. Zügig hüpfte er zur Tür. In aller Eile, hätte er doch beinahe seinen geflochtenen Korb vergessen. Den musste er unbedingt mitnehmen. Jeder große Osterhase besaß schließlich so einen. Kaum hatte er die Tür geöffnet, warf die Sonne ihre warmen Strahlen auf sein Gesicht. Der kleine Hase freute sich. Endlich waren die kalten Tage vorbei, obwohl er Schnee eigentlich auch sehr gern mochte. Doch nun war Frühling und der Schnee musste Platz für die Blumen und Gräser machen. Verträumt machte sich der kleine Hase auf den Weg. Das die Anderen ihn mieden, störte ihn gar nicht. Denn heute war ja sein Tag. Der kleine Hase war ein seltsamer Hase, so fanden die Anderen. Er war weder besonders groß, noch sehr schnell. Seine Ohren hingen mal hier, mal dort, da er keine Kontrolle über sie besaß. Und seine Arme und Beine waren so klein, dass man sie kaum sehen konnte. So kam es auch, dass der kleine Hase nicht sehr geschickt war.  

„Hallo kleiner Hase.“, ertönte eine Stimme „Wo hüpfst du denn hin?“ Der kleine Hase war nicht sehr erfreut als er die frechen Mäuse erblickte, die ihn immer verspotteten.  „Mein erstes Osterfest vorbereiten.“, sagte er leise. Die Mäuse lachten: „Deine Beine sind viel zu langsam. Wie willst du denn die vielen Eier austeilen?“ Der Hase war enttäuscht. „Ich schaff das schon.“, sagte er und hoppelte weiter. Der Weg führte ihn an einem schmalen Fluss vorbei. Das Plätschern des Wassers erfreute ihn und wärmte sein Herz.  „Hallo kleiner Hase“, ertönte erneut eine Stimme „Wo hüpfst du denn hin?“ Der kleine Hase erschauderte als er die Biber sah, die ihn gerne ärgerten. „Mein erstes Osterfest vorbereiten.“, sagte er dennoch leise. Die Biber lachten: „Deine Arme sind doch viel zu kurz. Wie willst du denn den schweren Korb tragen?“ Der kleine Hase musste eine Träne verdrücken. „Ich schaff das schon.“, sagte er und hoppelte davon.

Als der kleine Hase die großen Osterhasen erreicht hatte, bemerkte er sofort, dass er unerwünscht war. Die Aufgaben fielen ihm schwer. Im Anmalen der Eier war er nicht besonders gut. Die großen Hasen schimpften mit ihm, da die Kleckse viel zu klein wurden. Die Körbe waren ihm viel zu schwer, sodass das ein oder andere Ei zu Bruch ging. Und auch im Mischen von Farbe stellte er sich nicht gerade geschickt an. Der kleine Hase war traurig. Er fühlte sich schwach und fehl am Platz, dabei wollte er doch so gerne helfen. Enttäuscht von sich selber, zog er sich in ein Hasenloch an einem großen Baum zurück. Bis spät in die Nacht beobachtete er wie die großen Hasen hart arbeiteten, um ein besonderes Osterfest entstehen zu lassen. Nur noch Mond und Sterne schenkten ihnen Licht.  


Ein lautes Gejaule ertönte und riss den kleinen Hasen aus seinem Traum. Mit weit aufgerissenen Augen erstarrte er vor dem, was er sah. Seine Finger zitterten, sein Herz pochte und sein Atem ging aufgeregt und schnell, während er verzweifelt zusah, wie die großen Hasen in alle Richtungen auseinander stoben. Die Pfoten eines riesigen Fuchses schnellten durch die Luft und zerstörten alles, was die Hasen mit so viel Mühe erschaffen hatten. Zitternd versteckte sich der kleine Hase in seinem Loch unter dem Baum. Seine langen Ohren wehten Wind, während sich der schlaue Fuchs ihm näherte.   „Nein!“, brüllte der kleine Hase und sein Herz rutschte ihm beinah in den Magen, als er erkannte, dass seine Stimme gerufen hatte. Plötzlich starrte er in die kleinen, dunklen Pupillen des Wolfes. Das Fell wedelte im kühlen Morgenwind, während er eindringlich den kleinen Hasen in seinem Loch musterte. „Was wolltest du sagen?“, fragte er und linste den kleinen Hasen hinterhältig an. Dem Hasen wurde bewusst, dass nur er das Osterfest noch retten konnte. „Ich...ich..“, stotterte der kleine Hase und fühlte sich nun hilfloser denn je. Dann dachte er an die kleinen Mäuse, die ihn verspotteten, weil er so langsam war. Er dachte an die Biber, die ihn ärgerten, weil seine Arme zu kurz waren. Und an die großen Osterhasen, auf die er sich so sehr gefreut hatte, weil er dachte, er könne etwas von ihnen lernen. Zornig richtete sich der kleine Hase auf, hüpfte aus seinem Loch und baute sich in voller Pracht vor dem Fuchs auf. „Das ist mein Osterfest!“, rief er trotzig. „Und du wirst es mir nicht wegnehmen!“  

Der Fuchs war erstaunt. Mit großen Augen betrachtete er den kleinen Hasen. „Du bist so ein kleiner Hase. Deine Arme und Beine sind so kurz und deine Ohren erschreckend lang. Mit so einem Mut habe ich nicht gerechnet.“ Plötzlich entschuldigte sich der Fuchs für sein kindisches benehmen. Er hatte den Hasen einfach nur Angst machen wollen, weil er Eier so sehr mochte. Der Fuchs entschied sich, dem kleinen Hasen bei den Vorbereitungen des Osterfestes zu helfen. Und so kam es, dass der kleine Hase mit den Pfoten Farbkleckse auf die Eier tupfte und der Wolf sie mit dem Schwanz verteilte. Auch das Mischen viel dem kleinen Hasen nun nicht mehr schwer. Seine Ohren eigneten sich gut dafür. Und wenn etwas nicht klappte, hatte der Wolf sogar noch vier riesige Pfoten.  Nach mehreren Tagen Arbeit waren alle Eier bunt angemalt, verstaut in den Körben und bereit zum austragen an alle Menschenkinder. Bepackt mit unzähligen Körben machten sie sich auf den Weg.

Und so kam es, dass der kleine Osterhase und der große Osterfuchs ein ganz besonderes Fest bescherten. Fortan sprach Niemand mehr von den kleinen Armen und Beinen, oder den langen Ohren des kleinen Hasen. Jedermann sprach von seiner Tapferkeit und tiefen Freundschaft zu einem Fuchs.

 

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Tag der Veröffentlichung: 13.04.2013

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