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Sedna – Meeresgöttin der Inuit

Sedna ist nun Frau. Die schöne Sedna, jetzt weist sie eitel jeden Bewerber ab, keiner ist ihr gut genug. Ihr selbstsüchtiger Vater hat ihr immer zu verstehen gegeben, sie sei die Schönste, seine kleine Prinzessin, seine Einzige nur für ihn.
Jetzt übt er wieder Druck aus, gibt sie gegen ihren Willen einem Mann, der sein Gesicht nicht zeigt. Als sie es sieht, ist es zu spät. Er lässt sie die Grausamkeit spüren, die harten Klippen auf die ihr junger Körper aufschlägt. Sedna bittet erschöpft ihren Vater um Hilfe, will sich befreien. Sie sieht sich noch immer nicht als geopfert und begreift sich nicht als Opfer des Vaters. In einem Kajak holt ihr Vater sie übers Meer. Der grausame Ehemann verfolgt beide erbarmungslos und will sie vernichten. Da stößt der Vater Sedna aus dem Kajak ins eisige Meer um seine eigene Haut zur retten. Allein ist ihm die Flucht möglich. Immer ging es nur um ihn, um seine eigene Befriedigung. Als Sedna sich mit ihren Händen an den Rand des Bootes klammert, schlägt der Vater mit der Ruderkante zu, dass ihr die Finger abfallen. Langsam versinkt sie in den kalten Fluten, tief auf den Meeresboden und begreift, sie selbst war nie gemeint, sie war nur benutztes Opfer. Ihre Finger werden zu Meerestieren und ihr langes, tiefschwarzes Haar bedeckt dem Meeresboden-
Vereint mit dem Meer, wird man ihr jetzt mit Respekt begegnen, denn weckt man ihren Zorn, kann es den Tod bedeuten.

Sedna, Meeresgöttin der Inuit, Königin der Tiefe, der Stürme, Mutter aller Meeresgeschöpfe. Sedna liegt tief im Meer. Die Herrin über Leben und Tod, die Befehle ausgibt, zornig und mächtig, wenn die Menschen versagen. Wenn sie die Meere ausbeuten, wenn sie die Natur nicht achten und meinen, sie sind die Gebieter, die ihr ungestraft Gewalt antun können. Aus den abgeschnittenen Fingern sind die Meeresbewohner entstanden. Sie peitscht das Meer von Zeit zu Zeit in gewaltigen stürmen zu Wellenbergen auf.

In Verbitterung über den Verrat des Vaters wurde sie zu einer unermesslichen und zornigen Göttin.


Sedna ist die Herrin über das Meer. Sie zeigt sich, wenn die Grenze überschritten ist. Dann bringt sie den Menschen die Furcht bei. Sie lässt das Meer gigantisch aufschäumen. Riesige Wellen vernichten und bedrohen Menschenleben. Tiere und Land, sind ihrer gewaltigen Wut ausgeliefert. Sie bringt Tod und Verderben. Sind die Menschen sorgfältig mit dem Meer, schenkt sie Nahrung und Fruchtbarkeit. Sie ist eine fürchterliche Göttin und eine wahre Geliebte, die alles gibt, wenn man sie erkennt und respektiert. Sie gibt den Fischern den reichliche Fang, aber wenn diese sie ausbeuten wollen, zeigt sie ihre andere Seite, sie zieht den Seemann in die Tiefe. Sie schreckt nicht davor zurück, wenn überdimensionale Schiffe arrogant über sie hinwegziehen, diese in ihre Arme zu nehmen, tief unten im Meer, wo es kein Überleben gibt. Dann fordert sie Besänftigung ihrer maßlosen Wut, ihrer tiefen Trauer.

Das Meer ist Sednas ewiges Zuhause. Ihr langes Haar breitet sich auf dem Meeresboden aus. Es wellt im Sand, und greift, und wirbelt und verfilzt sich mit den Steinen. Sedna zerrt und reißt an diesem so schwarzen Haar. Sie lässt sich nur besänftigen , wenn ihr Haar gekämmt wird. Sie sehnt sich nach diesem Kämmen mit jeder Faser ihres Körpers, der sich noch immer aufbäumt. Das Kämmen allein ist ihr Verlangen, dann beruhigen sich die verletzten Wellen in ihrem Körper. Ein Sehnen, das bis in die Haarspitzen geht, zieht wehmütig durch sie hindurch.

Nur die Schamanen wussten, wie man Sedna, die Meeresgöttin beruhigen kann. Die weiseste unter ihnen, eine Frau übernahm die Aufgabe, in Trance nimmt sie zu Sena Verbindung auf, spürt ihre Trauer, spürt ihr Verlassensein, spürt die Gewalt und den Missbrauch die Sedna erleiden musste. Weiß um den Rückzug in die dunkle allmächtige Welt des Meeres, aber auch trotz aller Folter von ihrer Sehnsucht nach Liebe und Fürsorge.


Sedna kann niemals in die Welt zurückkommen. Sie ist gezeichnet für immer und will im Schutz der Tiefe des Meeres bleiben. Dort findet Sedna ihre tiefe Ruhe, die sie fruchtbar und ausgeglichen leben lässt.. Sie will die Lebewesen in ihrer nassen Welt sich in Frieden entwickeln lassen, will die Einzigartigkeit der Meere beschützen und die Natur unangetastet walten lassen. Stört man Sedna, wird sie zur Furie.

Um all dies weiß die Schamanin. In Trance kann sie sich verwandeln, kann sie zu Sedna Verbindung aufnehmen, erreicht sie Sednas Herz, eingehüllt in schreckliche Trauer durch Leid, das man Sedna angetan hat. Langsam geht die Verwandlung der Schamanin vor sich. Sie ist jetzt ein junges Mädchen. Ihr schlanker nackter Körper ist fast der eines Kindes, an den Füßen hat sie Schwimmhäute und in den schmalen Händen hält sie einen goldenen Kamm.

Mit einem Aufschrei stürzt sich das Mädchen in das Meer. Ihr Körper zischt wie ein Pfeil auf den Meeresgrund. Ihre Hautfarbe verbindet sich mit der des Meeres, wird blau, grün , türkis, schillert silbern. Wenn sie durch das Wasser gleitet, tiefer und tiefer, erfüllt ein dunkler Klang das Meer. Kein Grollen, eher ein zärtlicher, beglückender Klang. Ein Klang der Worte aus einer unbekannten Welt formt. Sanft und betörend kommt das Mädchen Sedna näher, die noch immer tobt, wild und beängstigend sich nicht berühren lassen will, obwohl ihre Seele innerlich danach dürstet.

Leicht streicht das Mädchen über sie hinweg., berührt mal ihren Körper, streichelt über Sednas jetzt geschlossene Lider. Sie spielt um ihre Brüste, legt sich sanft auf ihre Schenkel und berührt ihre Fußsohlen, die sich ihr fast unaufgefordert entgegen strecken. Dabei verbreitet sich der dunkle Klang, umhüllt sie beide, beruhigt Sednas angstvolles, verwundetes Gemüt.

Ganz sacht streift das Mädchen mit dem goldenen Kamm durch Sednas langes schwarzes Haar.
Sie lässt es durch ihre Finger gleiten, durchschwimmt die langen Haare, während ihr Körper die Flechten teilt und der Kamm gleich einer Hand die Haare löst, die sich nun im Wellentanz wiegen.
Auf und ab. Eingehüllt in diesen Kokon aus Haar, kämmt sie , sanft und zärtlich streift der Kamm durch das Haar. Immer wieder und wieder. Nun ist fast die ganze Pracht gelöst. Wie ein Bett breiten sich die schwarzen Haare auf dem Meeresboden aus, auf dem nun Sedna besänftigt und erlöst in der Tiefe des Meeres ewig ruht.

Mit raschen Stößen schwimmt das Mädchen an die Oberfläche, verlässt das Meer mit dem Wissen um Sedna, um Einsamkeit und Missbrauch. Um Sedna, die Göttin, die Respekt verlangt. Langsam kehrt sie in den Körper der Schamanin zurück.

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Tag der Veröffentlichung: 08.07.2011

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