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Tagebuch: 30. Oktober
In nur wenigen Stunden wird die Turmuhr zur zwölften Stunde schlagen. In diesem Moment wechselt der Tag und die Halloweennacht bricht an. Wie jedes Jahr findet wieder der Ball der Vampire statt. Da er ein heiliger Tanzabend ist, sind nur wohlhabende Vampire eingeladen, weshalb er nur in den Ballsälen der königlichen Vampirfamilien stattfindet. Zu meinem Unglück sind dieses Jahr wir an der Reihe ihn auszutragen. Dass bedeutet dass wir als Gastgeber mit jedem Vampir tanzen müssen, der darum bittet. Und als ob dieser Part nicht schon schwer genug wäre, sind die meisten Vampire und Vampirinen auf dem Ball Single. Was bedeutet dass ich heute Nacht viele Heiratsanträge bekomme und das lag einzig und allein daran dass ich noch in diesem Jahr hundertachtzig Jahre alt werde. Und mein Geburtstag ist schon in einem Monat…
„Anna!“, rief meine Mutter von unten hoch in mein Zimmer. Seufzend schloss ich mein Tagebuch und betrachtete staunend den herum wirbelnden Staub, die im Lichtkegel des Mondes auf und ab tanzten. Langsam legte ich das Buch auf die Arbeitsfläche meines dunkelbraunen Schreibtisches. Schnell schaute ich auf die Uhr um mich zu vergewissern dass es noch nicht soweit war. Halb Elf. Ich wollte nicht auf diesen nutzlosen Ball. Wollte nicht mit jedem komischen Kerl tanzen der mich darum bat, aber als Prinzessin musste man das. „Es ist deine Pflicht als Prinzessin!“, sagte mein Vater immer wieder. Er hatte zwar recht aber es gefiel mir trotzdem überhaupt nicht. Die meisten Vampire interessieren sich für Bälle, Vernissagen und Feste. Aber ich nicht. Ich fand es eher langweilig gute Miene zum bösen Spiel zumachen. Ich wollte wie jeder andere Vampir Lachen, Weinen und Wütend sein, und nicht die ganze Zeit lächeln und sich gutgelaunt geben. Es war eine Schande eine Prinzessin zu sein. Es war der wahre Horror. Ja gut es stimmt man hat viel Geld, Ruhm, ein Schloss und sonst noch alles was einem gefällt, aber die Negativenseiten waren eindeutig schlimm genug um das Leben als Prinzessin zu verfluchen. Wenn ich könnte würde ich mein Leben mit einem menschlichen Bettler tauschen. Doch da würde wieder das Problem auftauchen das ich in der Sonne verbrenne. Aber ich würde zumindest mehr von der Welt sehen und nicht nur den Schlossgarten.
„Annalisa! Wo bleibst du denn?“, kreischte meine Mutter lauter. Ihre Stimme hallte von den hohen Decken wieder, was bedeutete dass sie unten am Treppenabsatz stand. Sie wurde immer wütend wenn man sie warten ließ. Schweigsam schob ich beim aufstehen den Stuhl zurück und wandte mich der Tür zu. Während ich den goldfarbenen Flur entlang ging, schlüpften an meiner Seite eine Menge Personal vorbei die darauf aus waren das ganze Schloss vorzubereiten. Kopf schüttelnd näherte ich mich der großen Treppe. Sie war mit einem roten Teppich ausgelegt worden. Verschiedene Arten von Blumen waren im großen Forye verteilt worden. Allem Anschein nach wollte meine Mutter das schönste Schloss haben, das es in der Vampirwelt je gegeben hat. Am unteren Treppenpfosten war ein Gesteck aus Rosen und Freesien befestig worden. Eine blasse Frau zupfte ein der Freesien zu recht. Meine Mutter hatte wirklich einen Fabel für Ordnung und Sitte. Sie hatte blondes Haar, braune Augen und ein dunkelrotes Kleid an. Sobald sie die ersten Schritte von mir hörte hob sie den Kopf und funkelte mich böse an.
„Annalisa! Hast du mich nicht gehört, oder wolltest du mich nicht hören?“, zischte sie.
Ich haste meinen vollen Namen. Annalisa, was für ein dummer Name. Mir wäre es lieber gewesen wenn sie mich Elena, Kira oder Annika genannt hätten. All diese Namen wären besser als Annalisa.
Annalisa klang so schroff so streng, so wie meine Eltern. Mein Vater war genauso wie meine Mutter. Beide passten super zusammen. Er ein dominanter und hochnäsiger Kerl, der immer seinen Kopf durchsetzt. Und meine Mutter ein Ordnungsfreak, rebellisch und eine Frau die die Etikette wahrt.
Und diese beiden strengen Vampire haben sechs Kinder. Ich liebte meine Geschwister. Am meisten meinen kleinen Bruder Jonas. Er sah mit seinen dunkelbraunen Locken wie ein Engel aus.
„Tut mir Leid, Mutter. Ich hab mich gerade nur beschäftigt…“, murmelte sich verlegen.
„Jetzt? Es ist schon fünf nach halb Elf! Unsere Gäste kommen dann bald und du bist noch nicht einmal umgezogen!“, sagte sie entsetzt.
Meine Mutter klatschte in die Hände und unsere Schneiderin Claudia kam sofort herbei. Ihre braunen Haare waren zu einem Dutte gebunden worden. Ihr Kleid war blau-weiß, wie es der Rest des Personals trug. Sie packte mein Handgelenk und zog mich die restlichen Stufen hinunter. Claudia zerrte mich den langen Flur entlang zu dem Schneider- und Ankleidezimmer. Ich hatte wirklich keine Ahnung warum meine Mutter unbedingt mochte dass wir eine im Haus hatten. Nach meinem Geschmack nach konnte ich es nicht ertragen den ganzen Tag Kleider zutragen. Ja Ihr habt richtig gehört, den ganzen Tag. Meine Mutter verlang dass von uns. Wir Mädchen sollten prachtvolle Kleider tragen und die Jungen sollten verschiedene Anzüge tragen. Das ganze erinnerte mich an das Mittelalter, nur mit dem unterschied dass es damals noch keine Fernseher und keine Autos gab. Wenigstens das hatte sich geändert, auch wenn sie keinen Fernseher besaßen. Noch nicht einmal einen Radio hatten wir. Mutter hatte nicht viel dafür übrig sie mochte eher Livemusik mit einem Orchester und Dirigenten. Wenn ich in meinem Zimmer Musik höre (Gott sei es gedankt das sie mir erlaubt hatte das ich eine Musikanlage haben durfte) dann fragt sie mich jedes Mal warum ich nicht ein Musikinstrument lernen möchte, anstatt meine Musik zuhören. Ja gut ein Musikinstrument ist ja recht toll, aber Musik die vom Lautsprecher kam war viel besser. Tja sie war halt ein wenig eigenartig.
„Was für eine Farbe hat denn mein Kleid?“, fragte ich leise.
„Es ist grün wie der Wald Prinzessin.“, antwortete ihr die Schneiderin, „Damit werden Ihre Augen betont“
„So grün wie meine Augen? Oder heller?“
„Etwas heller, Miss! Ihre Augen sind viel schöner.“ Ja das stimmte! Jeder sagte das mir, und deshalb liebte ich meine grünen Augen, denn das war so gut das einzige, bis auf meine rebellische Art, was ich von meinem Vater besaß. Meine blonden Haare, die große und meine blutroten Lippen hatte ich von meiner Mutter.
Eilig stellte sie einen Hocker vor die großen Spiegeln. Augenblicklich stellte ich mich auf ihn. Stumm betrachtete ich mein Spiegelbild. Wenn ich nicht von Natur aus eine blasse Haut hätte, hätte ich gesagt dass ich vielleicht krank wäre. Es wäre schön gewesen wenn ich krank gewesen wäre, aber das war leider nicht möglich. Ich blies eine meiner honigblonden Stirnfransen aus dem Gesicht während Claudia mit meinem grünen Kleid herbei flitzte. Schnell öffnete sie auf meinem Rücken die Fäden, damit ich das blaue Kleid ausziehen konnte. Flink schälte ich mich aus dem Kleid und nahm das grüne Kleid sofort in angriff. Es war aus einem leichten Stoff und hatte goldfarbene Fäden die sich im Brustbereich Spinnweben artig nach oben schlängelte. Wie ein Korsett schnürte sie das Kleid wieder zu. Meine Brüste wurden nach oben geschnürt und drohten fast heraus zu kullern. Einen kurzen Moment bekam ich keine Luft, aber Claudia bemerkte das und lockerte eine der oberen Maschen.
„Vielleicht sollten wir deine Haare aufstecken, oder was meinen Sie Claudia?“, meldete sich meine Mutter, nachdem sie das Kleid beäugte.
„Ja ich denke sie haben recht!“, antwortete diese.
„Ich will aber dass meine Haare offen bleiben!“, sagte ich schnell, bevor Claudia sich einen Kamm schnappen und sich ans Werk machen konnte.
Fragend starrte Claudia meine Mutter an. Sie war es nicht gewohnt dass ihr jemand widersprach.
„Es sind meine Haare, da sollte ich wenigstens ein Mitspracherecht besitzen.“
„Na gut dann lass sie offen, aber du trägst dein Diadem! Vergiss nicht heute Nacht wird ein Vampir um deine Hand anhalten und du wirst dir auf jedem Fall einen aussuchen! Und wenn du es nicht tust dann mach ich es selbst!“
„Ja Mutter!“ Wie sollte ich bloß vergessen dass heute Nacht ein Vampir um meine Hand anhalten wird? So etwas konnte man nicht vergessen! Ab heute Nacht entschied sich der Rest meines Lebens. Dann hatte ich noch circa ein Monat Zeit mich in den Mann zu verlieben. Es war wirklich unfair.
„Gut dann werde ich jetzt dein Diadem holen gehen. Claudia bitte schauen Sie das meine Tochter heute Abend wunderbar aussieht!“, wies sie der Schneiderin an, die die Aufforderung mit einem nicken quittierte. Sobald meine Mutter den Raum verließ wurde es langsam wieder ruhiger und angenehmer. Man konnte spüren wie sich das ganze Zimmer mit diesem Gefühl füllte.
Nach etwa einer halben Stunde war ich fertig gekleidet. Entnervt stampfte ich aus dem Schneiderzimmer, dabei lief mir meine kleine Schwester über den Weg.
„Sarah, alles okay? Warum keuchst du denn so?“, fragte ich besorgt. Mein Blick schweifte über ihr dunkelrotes Kleid und über die brünetten Haare, die vom Laufen ein wenig zerzaust waren.
„Sag mir bitte dass ich nicht sehr schlimm aussehe. Mama wird sonst wieder schimpfen.“, keuchte sie. Vorsichtig, um nicht mein Kleid zu zerknittern, kniete ich mich vor ihr hin und zupfte an ihrem Kleid um es wieder zu glätten. Dann nahm ich ihr Diadem ab und kämmte ihre Haare mit meinen Fingern zu Recht. Jetzt sah sie wieder wie aus dem Ei gepellt aus. Sarah umschlang mich mit ihren kleinen zarten Ärmchen. Sie flüsterte mir viele Danksagungen in mein Ohr.
„Warum bist du den so rum gelaufen?“, verhörte ich sie.
„Einige der Gäste sind schon vor der Auffahrt. Onkle Theodor ist mit seinen ganzen Kinder angereist. Nestor ist auch hier!“, jammerte sie. Nestor. Jeder hasste diesen Namen. Er war ein nerviger kleiner Junge. Mit seinen Sechsundneunzig Jahren war er um zwei Jahre älter als Sarah, und trotzdem ging er allen so sehr auf die Nerven das jeder bei seinem Namen die Flucht ergriff. Der einzige der ihn aushielt war Jonas. Den Grund wusste keiner.
„Und weißt du wer noch kommt? Lucy ist draußen und unterhält sich mit Fabian und seiner Frau Amalia.“, fügte sie hinzu. Fabian war der älteste von uns sechs Kindern. Mit seinen stolzen dreihundertelf Jahren hatte er nach seiner Hochzeit als erster die Flucht von unserem Schloss ergriffen. Jetzt wohnte er mit Amalia in einer Villa in Schottland. Als er uns vor hunderteinunddreißig Jahren verkündete er würde nach Schottland ziehen hatten wir alle gelacht. Damals konnte sich keiner von uns vorstellen wie er in einem Schottenrock aussah. Bis heute hatten wir noch kein Foto von so einem Augenblick. Aber was mich am meisten Wunderte war das Lucy ohne ihren Mann kam. Normalerweise waren sie unzertrennlich. Vielleicht hatte er Geschäftliche Dinge zu erledigen, oder er hatte anderweitig zutun. Thomas war ein sehr nobler Mann. Er lebte unter den Menschen. Hatte eine Wohnung in Berlin und besaß selbst zwölf verschieden Firmen.
„Okay. Hol bitte Jonas und Kathleen. Ich sag Mutter bescheid das Onkel Theodor, Fabian und Lucy schon da sind.“, murmelte ich.
Nachdem sie mich los ließ flitzte sie die Treppe nach oben um die beiden zu holen. Neugierig wandte ich mich dem großen Fenster zu. Es lag neben der Flügeltür. Von dort aus konnte man direkt auf den Weg spähen der zur Tür führte. Ich konnte die meisten der Vampire benennen, aber einige waren mir doch fremd. Wie zum Beispiel ein großer muskulöser Mann. Er hatte schwarzes langes Haar die er elegant im Nacken zusammen gebunden hatte. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug und eine schwarze-weiß Maske die sein Augenumfeld bedeckte. Es war nicht sehr selten dass Vampire solche Masken trugen um ihre Gesicht zu wahren. Die meisten trugen sie aber auch weil sie meinten dass es zu Halloween dazu gehörte, sich zu verkleiden. Doch dieser Mann hatte etwas Selbstbewusstes an sich. Er hatte eigentlich keinen Grund sich hinter einer Maske zu verstecken. Dafür war er viel zu schön.
Staunend näherte ich mich dem Fenster. Knapp vor der Scheibe fiel mir auf dass er sich seine Augen auf mich richteten. Ich erstarrte und ging vor schreck ein paar Schritte zurück. Große braune Augen starrten mich liebevoll an. Endschuldigend zauberte er ein zaghaftes Lächeln auf seine Lippen. Wie ein Fluch war ich von seinen Augen gebannt und bemerkte nur beiläufig wie meine Mutter zur Tür eilte und sie aufriss. Der große Mann brach den Augenkontakt zu mir ab und richtete ihn auf die Tür. Erst dann begriff ich dass er nur mehr wenige Schritte von mir entfernt war. Schlagartig ergriff ich die Flucht und flüchtete ins Schneiderzimmer. Schnaufend schloss ich die Tür hinter mir und hörte das Gespräch mit an das meine Mutter hielt.
„Theodor es freut mich dich wieder zusehen!“, reif sie laut.
„Ja es freut mich auch. Du hast ein sehr schönes Haus. Ich kann mich noch an letztes mal erinnern. War damals nicht noch alles auf altem Holz?“, fragte er. Seine Stimme war durch seine Lebensdauer spröde und heißer geworden.
„Und darf ich fragen wer dieser gut aussehende junge Herr ist?“
„Das Clarice, ist Graf Alexander van Sherihoutt. Er ist der Stiefsohn von der Tante meiner Verstorbene Frau. Möge sie in Ewigkeit ruhen.“, erklärte er feierlich.
„Mylady, bitte nennen Sie mich Alexander.“, sagte er. Seine Stimme war voller wärme.
„Also Schwesterchen, wo ist denn unsere reizende Prinzessin Annalisa?“, fragte Onkel Theodor.
Autsch jetzt musste ich auch noch Alexander noch begrüßen, wobei ich mich noch nicht richtig von seinen Augen erholt hatte.
„Annalisa! Komm doch bitte zu uns um unsere Gäste zu begrüßen!“, rief mir meine Mutter zu. Nach einem kurzen durch atmen öffnete ich die Tür und begab mich zu meiner Mutter. Mein Onkel nahm mich sofort in den Arm und begutachtet mich.
„Du bist ja richtig groß geworden. Wie eine Rose die erblühen ist, oder was meinen Sie Van Sherihoutt?“
„Ja in der Tat, wie eine rote Rose. Es freut mich Euch kennen zu lernen Prinzessin.“, sagte Alexander, nahm meine Hand und küsste sie.
„Es freut mich ebenfalls Sie kennen zu lernen Graf Van Sherihoutt.“, murmelte ich verlegen.
Wieder sahen mich seine Augen bannend an. Himmel. Dieser Mann sah aus wie ein Gott. Immer noch konnte ich seine Lippen auf meinem Handrücken spüren. Sie entfachten ein Feuer. Unerwartet schoss mir ein Bild durch den Kopf, das ein knutschendes Paar zeigte. Alexander und Ich. Küssend auf einer Bank im Garten. Ein kleines warmes Schaudern lief mir über den Rücken. „Nein“, dachte ich, „Bin ich jetzt schon komplett verrückt? Denn Kerl kenn ich erst seid ein paar Sekunden!“
Ich entriss Alexander sanft meine Hand. „Bitte nennt mich doch Alexander. Ich kann es nicht leiden wenn mich jemand Graf Van Sherihoutt nennt.“
Statt zu antworten sah ich ihn mit einem gespielten Blick an der Übersetzt bedeutet: Aha. Nur dumm dass es mich nicht interessiert.
Okay ich interessierte mich schon dafür wie er hieß, aber eigentlich dürfte es mich gar nicht interessieren. Er war ein völlig Fremder.
„Ich denke wir sollten schon mal in den Speisesaal gehen. Dort können Sie sich noch intensiver mit meiner Tochter Unterhalten Alexander.“, meldete sich meine Mutter. Sie spürte eindeutig dass zwischen Alexander und mir etwas im Gange war. Ich denke so etwas nennt man Mutterinstinkt, oder sie war einfach nur darauf erpicht mich mit ihm zusammen zubringen, damit ich heiratet. Aber ich wollte nicht heiraten wenn ich nicht verliebt bin. Und jetzt war es fraglich, ob ich mich in Alexander verliebte.
Meine Mutter trottete voran in den Speisesaal. Onkel Theodor war direkt hinter ihr. Alexander und ich gingen ein wenig abseits von den beiden.
„Darf ich fragen warum Sie hier sind Graf Van Sherihoutt?“, fragte ich frech. Wie er mir schon vorhin klar machte konnte er diesen Namen nicht leiden, aber mir war es völlig egal. „Ich meine Sie gehören ja nicht zu Familie, und ich kann mich nicht daran erinnern das Sie auf der Gästeliste stehen!“
„Ja ich stehe nicht auf der Gästelist, aber ich bin Adelig und dazu brauch ich nicht auf einer Gästeliste zu stehen, wenn ich Euch daran erinnern darf.“
„Ja das stimmt, aber trotzdem. Woher sollen wir wissen dass Sie vertrauenswürdig sind?“
„Seht mir in die Augen. Ihr werdet merken dass ich vertrauenswürdig bin.“ Abrupt hielt ich vor der Tür des Speisesaals an. „Weshalb sollte ich Ihnen noch einmal in die Augen sehen? Ihre Augen sind ein Fluch! Sie bannen mich wie einen Vogel in einem Käfig!“, antwortet ich bissig.
„Ah… Verstehe Ihr fühlt Euch zu mir hingezogen. Nur seid Ihr zu stolz es zuzugeben.“
„Stimmt gar nicht.“, zischte ich ihn leise zu. Ich wollte nicht dass meine Mutter das hörte.
Schnell ließ ich mich in einen Stuhl nieder, der so weit weg wie möglich von ihm war. Stur starrte ich auf meinem Teller, bis ich eine Bewegung neben mir merkte.
„Gut wenn Ihr Euch nicht zu mir hingezogen fühlt warum seid Ihr dann so frech zu mir?“, wollte er wissen.
Darauf hätte ich hundert verschiedene Sachen sagen können: Weil Sie ein Trottel sind. Weil ich Sie irgendwie gern hab. Weil ich jemanden heiraten muss. Aber ich wählte die einfachste aus, die auch der Wahrheit entsprach. Nur nicht volle.
„Meine Mutter und mein Vater zwingen mich dazu heute Abend einen Vampir auszusuchen, den ich heiraten soll. Das wissen Sie wahrscheinlich sicher schon. Deshalb sind Sie doch hier oder?“
Darüber dachte er nicht lange nach. „Ja stimmt. Aber ich werde Euch nicht zu einer Entscheidung zwingen. Ich werde nicht bei Euch betteln gehen. Am laufe des Abend werde ich Eure Eltern fragen. Wenn diese mir es erlauben, werde ich Euch heiraten. Aber die Frage ist nur ob ich Eure Eltern fragen werde oder nicht. Das ganze hängst von dem ab was mir gefällt, und was nicht.“, sagte er.
Ich blinzelte einige Male unverwandt. Wie konnte er das nur so einfach heraus sagen? Himmel er hatte recht. Wenn meine Eltern ihm dies erlaubten, hieß ich in einem Monat Gräfin Annalisa Van Sherihoutt.
„Und… Und an was hängt es ab? An meinem Verhalten?“, stotterte ich. Mein Gott ich konnte es wirklich nicht fassen dass er es einfach so heraus sagte. Also war er ein direkter Mann, der nicht viel drum rum redete.
„Das werde ich Euch nicht verraten, aber mir ist aufgefallen dass Ihr Mutig und Selbstbewusst seid!“
Panisch drehte ich den Kopf weg. Im Stillen bettete ich das die Sonne aufgehen würde und alle anwesenden Vampire verbrannte, einschließlich mich selbst.
„Und Alexander was halten Sie von meiner Tochter?“, fragte mein Vater nach dem Trinkgelage. Er hatte kurzes braunes Haar. Seine grünen Augen strahlten fast vor Neugierde. Seine blassen Lippen formten sich zu einem kleinen Lächelns. Norman, so hieß mein Vater, hatte wie zu jedem besonderen Anlass ein weißes Hemd ne Schwarze Hose an.
„Anna ist eine wirklich temperamentvolle und schöne Frau! Anna hat ihren eigenen Kopf, das gefällt mir. Es steht ihr auch sehr gut. Norman Sie haben eine wirklich bemerkenswerte Tochter“, sagte er zu ihm. Gelangweilt trank ich von meinem Glas voll Blut. Ich fand es wirklich schmeichelhaft, dass er mich schön und temperamentvoll fand, aber seine Frau werden?
„Und? Werden Sie um ihre Hand anhalten?“ Oje bei diesem Satz musste ich erst einmal schlucken.
„Ich denke darüber nach!“, antwortete Alexander ihm.
„Ich würde Annalisa sofort zu meiner Frau nehmen, wenn sie natürlich möchte!“, sagte Ramon. Ramon war ein zweihundert Jahre alter Single und hoffte darauf dass jemand ihn heiratete. Meines achtens war er ein Freak. Seine kurzen blonden Haare hatte er mit einem Kamm zurück geglättet. Sein Anzug war nahezu makellos, aber seine Art war zum Weg laufen. Ich konnte ihn einfach nicht leiden.
„Nun Sie würden jede Frau nehmen die hübsch und klug wäre. Nur vielleicht sollten Sie eine blinde Frau nehmen.“, zischte Alex ihm zu. Das brachte mich zum Lächeln. Endlich geigte ihm ml jemand die Wahrheit. Aber das registrierte Ich nur neben sächlich. Ich Lächelte nicht wegen dem was Alexander gesagt hatte, sondern wie er es gesagt hatte. Er sagte es mit einer Warnung die besagte das er sich lieber von mir fernhalten sollte. Weil Alexander glaubte ich gehörte ihm. Aber wenn er glaubte dass ich so leicht zu haben wäre, dann hatte er sich geschnitten. Nein ich würde es ihm nur schwerer machen. Vielleicht hat er bisher jede Frau um den Finger gewickelt, aber mich nicht. Alexander würde sich nur seine spitzen Fangzähne an mir ausbeißen.
„Ach und Sie? Sie nehmen doch auch nur eine Frau die ihren Individuen entsprechen!“, raunte Ramon.
„Ich suche mir eine Frau aus, und jage nicht jeder Frau hinterher. Im Gegensatz zu Ihnen hole ich mir Information über die Frau ein und nicht welche gerade hundertachtzig wird. Glauben Sie mir wenn ich das täte hätte ich schon längst eine Frau an meiner Seite!“
Wie der Rest der Gäste hörten alle dem Gespräch still und leise zu.
„Ach denken Sie dass Sie so unwiderstehlich sind?“, fragte ich Alexander.
„Meine Liebe ich weiß das ich unwiderstehlich bin. Sogar Ihr könnt meiner Anziehung nicht entkommen.“
„Sie denken wirklich ich finde Sie attraktiv?“
„Ich weiß es. So wie Ihr Euch in meiner Gegenwart verhaltet ist es kaum übersehbar, meine Liebe.“
Das war unerhört. Hätte er so etwas mir allein gesagt wäre es okay, aber in der Runde, wo über fünfzig Vampire alles mit anhörten. Und das schlimme ist wieder hatte er Recht. Ich fand ihn attraktiv. Ich fand ihn unwiderstehlich. Und jetzt tat sich die Frage auf ob ich es abstreiten oder es einfach hinnehmen sollte.
„Was ich denke und was ich finde ist etwas was Sie keineswegs zu interessieren hat.“
„Annalisa!“, schaltete meine Mutter ein.
„Nein schon gut.“, winkte Alexander ab, „Anna hat recht es hat mich nicht zu interessieren. Aber vielleicht bald schon.“
Ich drehte das Glas in meinen Fingern und starrte ihn wütend an. Einen kurzen Moment zog ich in Betracht den restlichen Inhalt des Glases ihm ins Gesicht zu schütten, aber so gemein war ich auch wieder nicht.
„Hab ich Euch schon gesagt wie entzückend ich es finde wenn Ihr mich so wütend anstarrt?“
„Alexander Sie sind ein wirklicher Mistkerl.“, fauchte ich ihn an.
„Annalisa. Du warst jetzt schon oft genug unhöflich zu Graf Alexander van Sherihoutt. Ich denke du solltest ein wenig Luft schnappen gehen.“, bellte meine Mutter.
So schnell wie möglich stand ich auf und lief aus dem Raum. Meine Füße bewegten sich wie von selbst in den Wintergarten, der angrenzend neben dem Speisesaal lag. Die Türen zum Garten standen weit offen und kühle Luft strömte herein. Wie der Wind lief ich durch den Rosengarten zum Teich und setzte mich dort auf eine Marmorsitzbank.
„Das mit dem Mistkerl fand ich nicht so toll!“, flüsterte eine warme Stimme in mein Ohr. „Es war unhöflich. Sehr unhöflich, aber ich nehme es hin. Beschimpft mich, werft mir Sachen an den Kopf und versucht mich zu töten. Ich nehme all dies hin, wenn Ihr nur meinen Heiratsantrag annehmt.“
„Ich sehe keinen Grund Ihren Heiratsantrag anzunehmen. Sie sind ein Hirnloser Trottel. Ich kann Sie nicht leiden, und das werde ich nie können.“
Leise ließ er sich neben mir nieder. Er setzte sich so nah an mich heran dass sich unsere Arme berührten. Nicht das ich etwas dagegen hatte, aber nachdem was ich für Vorträge hielt, konnte ich jetzt nicht aufhören so zu tun das ich ihn nicht leiden konnte.
„Was fühlt Ihr für mich?“, fragte er nach wenigen Sekunden.
„Was geht es Sie an?“
„Anna ich… Ich möchte wissen was du fühlst, damit ich weiß wo wir stehen.“ Stammelte er vor sich hin.
„Ich denke nicht dass wir schon irgendwo stehen. Wir kenne uns erst seid über einer Stunde!“
„Aber du kannst es nicht abstreiten was du für mich empfindest. Wir beide könnten darauf aufbauen. Eine Familie gründen. Ich würde dir die Welt zu Füßen legen. Du kannst alles von mir bekommen. Ich weiß wie sehr du dir wünschst zu reisen. Die Welt zu erkunden. All das würde ich für dich tun, nur bitte Heirate mich.“
„Liebst du mich?“, fragte ich verblüffte.
„Ja Gott verdammt. Ich gebe es zu ich habe mich in dich verliebt. Bis über beide Ohren.“, gab er zu.
Alexander nahm meine Hände in seine und fuhr mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Ich entzog ihm meine Hände.
„Das ist wirklich sehr schmeichelnd Alexander.“
„Aber?“
„Ich will noch nicht heiraten. Ich … mein Gott Alexander ich bin hundertachtzig Jahre alt. Nur weil meine Eltern von mir verlangen dass ich heiraten soll heißt das noch nicht dass ich es will. Ich kann nicht jemanden heiraten, den ich nicht liebe.“ Mehr oder weniger war ich in ihn verliebt, aber die Frage war ob das nur eine Schwärmerei war oder wahre Liebe. „Bitte verstehe mich nicht falsch, aber ich denke das zwischen uns würde nicht gut gehen. Ich mag dich. Du bist höflich, charmant und attraktiv, aber ich kann dir nicht sagen ob ich dich nur gern hab oder ob da mehr ist.“
So jetzt hatte ich es gesagt. Jetzt sollte er langsam verstehen was ich empfand. Aber sein Gesicht war schrecklich. Wut und Trauer spiegelten sich in seinen Zügen wieder.
„Ich denke ich sollte wieder hinein gehen. Es ist zehn vor zwölf. Der Ball wird bald beginnen. Prinzessin.“, sagte er. Anscheinend wollte er mir aus dem Weg gehen. Ihm gefiel nicht was ich sagte. Also würde er mich auch nicht mehr heiraten wollen. „Juhu!“, jubelte ich insgeheim.
Aber wer versicherte mir dass er wirklich von mir ablassen würde? Alexander war selbstbewusst genug um meine Hoffnungen in Grund und Boden zu stampfen. Er brauchte nur ein Wort zu meinem Vater sagen und schon würde er mich in einem Monat als Frau haben. Dann hätte ich ihn immer am Hals. Ich entkam dann seinen Augen nie mehr. Das war wirklich Mist.
„Anna. Mutter sagt dass du langsam rein kommen sollst. Gleich ist es zwölf und der erste der mit dir Tanzen will ist Ramon.“, rief mir Lucy vom Rosengarten zu, „Anna? Stimmt etwas nicht?“
Nein mit mir stimmte gar nichts. Ohne dass ich es wusste liefen mir Tränen über die Wangen. Ich hörte wie Lucy näher kam und sich neben mich setzte. Den Kopf in meine Hände gesenkt weinte ich drauflos.
„Hey kleine Schwester. Alles wird gut. Als ich vor siebenunddreißig Jahren geheiratet habe dachte ich auch es wäre ein Fehler, aber jetzt. Sieh mich an. Ich habe einen wunderbaren Vampir, ne schöne Wohnung und bin im zweiten Monat schwanger. Nach einiger Zeit lernst du Alexander auch lieben.“, äußerte sie fröhlich.
„Du bist schwanger?“ Zuerst dachte ich, ich hätte sie missverstanden, aber als sie dann einfach nickte fiel mir die Kinnlade nach unten. Schwanger? Vor zwanzig Jahren hatte sie noch über Thomas geflucht, und jetzt war sie schwanger von ihm?
„Weiß Mutter das schon?“ Lucy schüttelte den Kopf. „Und Vater?“ Wieder schüttelte sie den Kopf. War ich die erste die davon erfuhr?
„Ich wollte ihnen es erst nach dem Ball sagen. Ich dachte sie sollten sich erst darum kümmern dich an den Mann zu bringen.“
Wieder schossen mir Tränen in die Augen. Lucy nahm mich sofort in den Arm und strich mir übers Haar. „Ich will nicht heiraten. Es ist mir egal was Alexander für mich empfindet. Ich will nicht heiraten.“, schluchzte ich immer wieder.
„Er empfindet was für dich? Wow und ich dachte er wäre einfach nur so hier. Aber es könnte leicht sein das er etwas für dich empfindet. Wenn man daran denkt wie er vorhin zu Ramon war, und dir nach gelaufen ist. Trotzdem solltest du nicht so voreingenommen sein!“
„Lucy er hat es mir gerade gestanden bevor du gekommen bist. Er sagte er liebt mich und er möchte mit mir eine Familie gründen und vorher mit mir die Welt bereisen.“, offenbarte ich ihr.
Sie packte mich bei den Schultern und zwang mich dazu mich gerade hin zusetzen. Sie wischte mir mit dem Ärmel ihres langen Kleides die Tränen aus dem Gesicht.
„Na wenn er dich liebt warum bist du nicht bei ihm?“, fragte sie verwundert. Meine Schwester kannte mich gut. Sie wusste immer was ich fühlte. Es war sozusagen ihre Gabe.
„Ich weiß einfach nicht was ich für ihn empfinde. Ich mag ihn. Mehr als nur als einen Freund, aber ich weiß nicht wie weit das reicht, oder wie lang das anhält. Eine Teenagerschwärmerei. Es ist genauso wie du damals in Leonardo DiCaprio verknallt warst. Eine belanglose Schwärmerei.“ Mindestens hoffte ich das es nur so war. Liebe war für mich wie Eis. Lecker und an heißen Nächten kühlend. Und der Killer gegen Trauer. Nach Büchern her sollte Lieb wie eine Sommerbrise sein. Man sollte sich immer zu ihm hingezogen fühlen. Immer bei ihm sein. Das war Liebe und nicht das was ich empfand. Vielleicht war es ein bisschen davon. Aber wenn dann nur zehn oder fünfzehn Prozent.
„Nach meiner Meinung bist du zwar in ihn verknallt, gibt’s es aber nicht zu. Ich denke wenn du ein wenig Zeit mit Alexander verbringst, wird daraus mehr. Du könntest ihm dann deine Lieb gestehen.“
Ja vielleicht. Aber ich wollte ihn nicht heiraten. Das ganze lag aber nicht an ihm sondern an mir selbst.
„Es freut mich dass ich mit Euch tanzen darf Anna!“, raunte Ramon mir zu, während wir über die Tanzfläche schwebten. „Eine so schöne Vampirin wie Euch hab ich noch nie gesehen. Das schwöre ich hoch und heilig!“
Ja da sollte er froh sein. Nicht das ich angeblich die schönste Vampirin bin die er je gesehen hat, nein ich empfand mich selbst nicht einmal so. Aus meinem Blickwinkel betrachtete ich mich als ein armes Bauernmädchen, das zwangsweise verheiratet sollte. Aber er sollte froh sein das ich mit ihm tanzte. Wenn ich mich entscheiden hätte könnte würde ich ihm sofort eine Korb geben, aber wie immer ist es nicht meine Entscheidung sondern die meiner Eltern. Und die beiden verlangten dass ich mit jedem einsamen Idioten tanzte.
„Anna. Ich würde Euch schwören Sie auf ewig zu lieben. Ich würde mich im Dreck wälzen wenn Ihr möchtet.“ Das Angebot gefiel mir. Auf das würde ich sicher noch zurück kommen. Vielleicht schon bald.
„Ich würde Euch die Sterne vom Himmel holen!“, faselte er weiter.
„Ach das würden Sie für mich tun? Wie beabsichtigen Sie mir denn die Sterne vom Himmel zu holen?“, fragte ich verärgert. Jeder wusste dass der Satz eine alte Masche war, denn die meisten Männer benutzten dieses Versprechen. Es konnte ja sein das es vielen Frauen gefiel aber mir nicht. So etwas zog bei mir einfach nicht.
„Ähm.. Ja das..“, stammelte er unfähig meine Frage zu beantworten.
„Na bitte. Sie können mir gar nicht die Sterne vom Himmel holen. Erstens einige Sterne am Nachthimmel sind schon längst verglüht und existieren gar nicht mehr. Und Zweitens sind Sterne nicht wie Deckenbeleuchtungen die man einfach abschrauben kann, wenn es einem beliebt. Sterne sind im Weltall. Und das Weltall ist größer als ihr verstand. Aber lieber Herr Fürst Kreffring, wenn Sie einen gefunden oder gepflügt haben, schicken Sie ihn mir doch per Post ja?!“, zischte ich wütend. Verwirrt starrte er mich an. Abrupt ließ ich von ihm ab und ging zum Blutbüffet. Ich schnappte mir eines der Champagnergläser (diese benutzten wir immer wenn wir Blut tranken. Es wirkt eleganter), nahm den Schöpfer von der Bowle und füllt das Glas damit.
„Ich hätte nicht gedacht das. Ihr es wirklich schafft Euch gegen Ramon selbst zu verteidigen. Mir gefällt das an meiner zukünftigen Frau.“, flüsterte Alexander mir ins Ohr. Stracks drehte ich mich um und blickte ihn überrascht an.
„Ich wüsste nicht das ich Ihre zukünftige Fran sein. Sollte es nicht noch eine zweite Person geben die dem zustimmt?“
„Ja, aber da Eure Eltern den richtigen Mann für Euch suchen, brauchen wir Eure Zustimmung nicht. Aber Ihr werdet schon sehen. Ihr erfährt es schon früh genug.“´Er blinzelte nicht einmal. Er sagte die Wahrheit. Schon die Auswahl der Worte war die pure Wahrheit.
„Was? Du hast bei meinen Eltern um meine Hand angehalten?“, schrie ich ihn an. Beinahe ließ ich mein Glas fallen. Ich konnte es aber noch einmal verhindern, sonst hätte es nämlich eine große Sauerei gegeben.
„Ja das hab ich. Sie freuen sich beide darüber. Deine Eltern möchten die Hochzeit ausrichten. Sie sagten dass wir sicher ein glückliches Paar abgeben werden. Die gleiche Meinung habe auch ich.“, meinet er. „Ich weiß was du für mich empfindest. Ich hab dich und Lucy belauscht. Sie hat recht! Nach einem gewissen Zeitraum wirst du mich lieben lernen. Es ist nicht nur eine Schwärmerei, das kannst du mir glauben.“
„Okay. Wenn ich deine Frau werde, möchte ich dass du mir dein Gesicht zeigst. Nimm die Maske ab Vampir.“
„Meine Liebe. Ich werde noch früh genug meine Maske abnehmen. Das kannst du mir ebenfalls glauben!“
Nach diesen Wort drehte er sich um und verschwand auf der Terrasse. Fieberhaft fahndete ich den Saal nach Lucy ab. Mein Blick glitt über tanzende Paare, über das Personal und über meine Geschwister, die zusammen mit unserer Cousine spielten. Schneeräumer bahnte ich mir einen Weg durch die Gäste.
„Jonas. Weißt du wo Lucy ist?“, fragte ich. Ich würde ihr den Kopf abreißen, wenn ich sie finde. Ich würde sie morgens in die Sonne werfen und zusehen wie ihr Körper in Rauch aufgeht. Und das alles nur weil sie wusste dass Alexander uns zuhört hatte. Wahrscheinlich hatte er sie sogar dazu instruiert mich auszufragen.
„Lucy ist schon heim gefahren, nachdem sie Mama und Papa sagte dass sie schwanger sei und zu Thomas fahren musste. Warum? Ich dachte sie hätte schon mit dir geredet.“, antwortete er mit piepsender Stimme. Er klang wie ein kleiner Vogel der hilfesuchend nach seiner Mutter rief.
„Ach nichts… Ich meine Ja sie hat schon mit mir geredet aber ich wollte sie noch etwas fragen… Ähm weißt du wo Fabian und Amalia sind?“
„Auch schon weg. Fabian hat einen Anruf bekommen. Ein Rohrbruch. Der ganze Keller steht angeblich jetzt unter Wasser. Ich hab ihm gesagt er soll mir ein Foto machen.“, kicherte er leise.
Ein kleines klingeln lenkte die gesamte Aufmerksamkeit der Gäste auf meine Mutter. Sie hielt eine Triangel in der Hand. Jetzt kam sicher die Verkündung. Die Verkündung der Hochzeit und die Vorstellung des neuen Mannes an meiner Seite. Das konnte sicher peinlich werden.
Ein starker Arm schlang sich um meine Hüfte und zog mich nach hinten. Mein Rücken stieß gegen eine harte Brust, und ohne aufzuschauen wusste ich dass Alexander war. Er wollte mich dominieren. Wollte mich unterdrücken und mir weis machen das er der Vampir war der das sagen hatte. Aber das hatte er nicht. Lieber würde ich sterben als ihm das recht zu geben mich zu besitzen.
„Meine Vampirinen und Vampire. Wir haben uns heute hier zusammengefunden um nicht nur die Halloweennacht zu feiern sondern auch eine geeigneten Mann für meine Tochter Annalisa Lilianne Winston zu finden. Viele von euch haben bei uns um ihre Hand angehalten, aber nur einer kann der richtige sein.“, verkündete sie. Mich interessierte es aber nicht was sie sagte, dafür war ich viel zu sehr damit beschäftigt den lästigen Arm von Mister Ober Cool von meinem Körper zu schaffen. Es war eigentlich recht schön wie er mich festhielt, aber nicht auf diese Tour. So was ließ ich einfach nicht „Lass mich sofort los du Doofkopf. Ich schwör dir wenn du mich nicht loslässt.“, schimpfte ich in.
„Was wirst du dann machen meine Liebe? Wirst du mich dann aus unserem Ehebett werfen oder wirst du weiter Schimpfwörter an den Kopf werfen?“
„.. Annalisa würdest du bitte zu mir kommen.“, beendete sie einen Satz den ich nicht ganz hörte. Alexander ließ mich los, aber auch nur damit ich mich vor allem und jedem zum Deppen machen konnte. Er schenkte mir ein Lächeln, was mir die Sprache verschlug. Wie konnte nur dieser Mann so sexy und doch zugleich hinterhältig sein?
Ich stellte mich neben meiner Mutter und zählte qualvoll die Sekunden. Mein Gesicht verzog sich zu einer Miene, die ausdrücken sollte dass ich nicht von mir aus heiraten sollte. Keiner der anderen Vampire interessierte das aber. Aber das war kein Wunder. Ich stand schon oft in meinem Leben alleine da.
„Darf ich euch meinen zukünftigen Schwiegersohn vorstellen: Graf Alexander van Sherihoutt.“
Alle klatschten und bewunderten mich weil ich ja so einen gut aussehenden Verlobten hatte. Grinsend stellte er sich neben mich und legte den Arm um meine Taille. Dann drückte er einen Kuss auf meine Schläfe. Wieder schoss mir das Bild durch den Kopf, das ich heute Nach schon einmal hatte. Küssend mit ihm auf einer Bank. Unheimlich.
„Ich denke wir sollten alle darauf anstoßen.“, rief Clarice.
„Moment!“, erwiderte Alexander. „Sollte ich nicht auch etwas zusagen haben? Ist es nicht fair wenn die hier Anwesenden mein Gelübde für Anna hören würden?“
Meine Mutter nickte, so wie mein Vater und die Restlichen Anwesenden. Ein Gelübde? Ich hätte ihn schon im ersten Moment umbringen sollen, als ich mit ihm allein war.
„Anna. Ich werde dich auf ewig lieben und auf Händen tragen. Jeden Tag sollst du auf Rosen gebettet sein. Die Vögel sollen nachts aus ihren Nestern kommen und Lieder singen wenn du im Wald spazieren gehst. Sterne sollen noch heller scheinen wenn du nachts aufwachst. Sie sollen dich unbeschwert durch die schwarze Nacht leiten. Ich schwöre dir das ich dich auf ewig beschützen werden. Ich liebe dich!“, lullte er. Mein erster Gedanke war: Wow wie viel Schrott konnte nur in einen so kleinen hohlen Kopf passen, aber der Zweite war viel tiefgründiger. Obwohl ich es nicht so mit Gelübden hatte war dieses doch wirklich schön. Und nicht nur ich empfand so. Alle versammelten fanden das genauso. Aber mich jetzt ein schüchtern zu lassen kam nicht in Frage. Ich hatte mit dieser Tirade angefangen, also werde ich sie auch zu ende bringen. Koste es was es wolle!
„Oh das war wunderschön! Norman hat natürlich auch so schöne Sachen zu mir gesagt!“
Erbost warf ich Alexander einen Blick zu. Jetzt stand ich schon zweihundertachtundfünfzig Sekunden dort draußen, und es wurden immer mehr. Rund zweihundert Sekunden später rief meine Mutter den Trost aus und die ganze peinliche Aktion war vorbei. Gott sei Lob und Dank. Eine Sekunde länger und ich wäre Tot umgefallen. Naja so tot wie halt ein Vampir sein konnte.
2
„Das ist ja wirklich die Höhe! Er ist so ein Schuft!“, schimpfte ich leise vor mich hin. Ich saß auf einem Brunnenrand der im Mittelpunkt des kleinen Labyrinths stand. Nach der Ansprache meiner Mutter war ich Hals über Kopf nach draußen geflohen. Ich wollte keinen mehr sehen und auch mit keinem mehr sprechen. Das einzige was ich wollte war meine Ruhe haben. Mein Kopf war randvoll mit Wut, Trauer, Hass und Scham. Wut gegenüber meine Eltern, Trauer gegenüber mir, Hass und Scham gegenüber Alexander. Obwohl ich Zuneigung für ihn empfinde konnte ich meine Mauer trotzdem nicht einreißen. Ich wusste schon immer wenn sich eine adelige Person gegen eine Heirat weigert würde das Flecken für die Zukunft hinterlassen. Dann würden die anderen Tochter und Söhne die vermählt werden sich stur stellen und nicht den Willen der Eltern folgen. Und genau das ist das was ich wollte. Einfach nur einen Fleck hinterlassen und ein Vorbild für jeden Vampir sein. Doch dank meiner Mutter und Alexander konnte ich das jetzt nicht mehr.
Versunken in Gedanken nahm ich nicht wahr dass mir jemand gefolgt war. Erst als ich ein rascheln hinter mir hörte wurde ich hellhörig. Ich lauschte der immer näher kommenden Gestalt. Erst als sie in den Mondschein trat sah ich meine Schwester Lucy.
„Geht’s dir gut? Du hast so komisch ausgesehen nach der Ansprache von Mutter.“, sagte sei leise zu mir.
„Das war total peinlich. Wie konnte sie mir das bloß antun? Ich hasse diese Frau!“ Bekümmert drehte ich mich von Lucy weg und starrte auf eine der Statuen die um den Brunnen standen.
„Ach Anna! So schlimm war es ja auch nicht. Und das Gedicht von Alexander war doch ganz schön.“
Entsetzt drehte ich mich wieder zu ihr um. „Das Gelübde war schrecklich. Richtig schnulzig und beschissen. Wahrscheinlich hat er das von einen Freund oder von einer Karte abgeschrieben und auswendig gelernt.“, schnauzte ich zurück.
„Anna! Das ist unfair! Warum sollte er das tun? Nur um dich zu beeindrucken oder um Mutter und Vater zu beeindrucken? Ich glaub kaum das dass ihn interessiert was die beiden denken!“
Mit einen Blick der Bände sprach starrte ich meine Schwester an. „Welcher Mann macht sich heut noch die Mühe Liebesgedichte selbst zu schreiben und dann vor zutragen, und das mit schnulziger Stimme?“
„Er!“, antwortete sie sofort.
Ja okay da hatte sei recht das Alexander das tat, auch wenn sein Gedicht eigentlich keines war, war es doch echt zu bestaunen das er so um meine Liebe kämpft die ich ihm gern geben würde aber nicht kann.
„Anna, ich versteh dich wirklich nicht. Ich weiß das du von Natur aus manchmal einen Schaden hast aber das du dir diese Chance entwischen.“, murmelte sie leise in die Nacht.
„Danke! Aber ich will meinen Manns selbst aussuchen und nicht von jemand zu geteilt bekommen.“
Lange starrten wir uns an, bis Lucy endlich nach ein paar Minuten einen Abflug machte und mich wieder alleine ließ.
Zusammengekauert und die Arme um meine Knie geschlungen wiegte ich vor und zurück. Keiner war auf meiner Seite. Keiner wollte verstehen warum ich nicht heiraten wollte und meinen Eltern den Kampf ansagte.
Obwohl ich nicht viel geschlafen hatte wachte ich doch früher als alle anderen auf. Sogar früher als die Dienerinnen, und die standen zwei Stunden vor uns anderen auf. Ich stand in der Bibliothek. Alle Vorhänge waren geschlossen und kein Licht drang durch einen der Stoffe. Draußen ging gerade die Sonne unter, den ich aber nie zu Gesicht bekommen werde. Müde ließ ich mich an der Wand niedersinken und ging den Rest des Festes im Kopf noch einmal durch. Die Ankunft von Alexander, das Festessen, die Tänze und sein Gelübde. Alles was mir langsam die Freiheit raubte.
Ich legte seufzend den Kopf in den Nacken und betrachtete einen unbestimmten Punkt an der Decke der Bibliothek.
Ich hörte wie die Uhr an der Wand tickte. Es kam mir vor als würde sie die Zeit messen die mir noch übrig blieb um abzuhauen und nie mehr zurück zu kommen. Traurig schloss ich meine Augen und tauchte in Erinnerungen meiner Kindheit unter. Ich roch den blumigen Duft der Sommernacht meiner Kindheit und spürte den kühlen Wind auf meiner Haut.
„Anna, wo bist du?“, rief meine beste Freundin Amanda. Wir spielte schon seid einer Stunde verstecken und Amanda hatte mich immer noch nicht gefunden. Ich hockte kichernd zwischen ein paar Rosenhecken und beobachtete, wie sie suchend umher irrte.
„Anna!“, rief sie abermals, „Ich find das jetzt echt nicht mehr witzig, wo bist du?“ Ich pirschte mich an sie heran, wie ein Löwe seiner Beute. Amanda stemmte ihre Hände in die Hüften wie ein strenger Lehrer der schon genervt war weil keiner auf ihn hören wollte. Ihr bronzefarbenes Haar wehte im Wind und ihr blaues braunes Kleid peitschte ihr um die Knie. Gerade als sie sich in meine Richtung umdrehen wollte sprang ich die an und wir stürzten zu Boden. Lachend kugelte ich mich von ihr herunter, leider aber fand sie das nicht so witzig. Sie spuckte Gras und hustete. „Das war echt nicht witzig, Anna! Das war echt unfair und voll gemein!“, raunte sie. Ich hielte mir den Bauch weil mir vor lachen der Bauch wehtat. Stur und stink Sauer stand Amanda auf und ging schnurstracks zum Haus. Ich folgte ihr.
„Hey, Amy tut mir Leid aber ich fand das voll passend! Nehms mir nicht übel aber du hättest dein Gesicht sehen sollen, das war zum Brüllen komisch.“
„Ja, ja voll lustig. Wegen dir bekomm ich sicher jetzt einen blauen Fleck!“, zischte sie zurück.
„Ach, seid wann können Vampire blaue Flecken bekommen?“ Zornig drehte sich Amanda zu mir um und hob die Nase, wie ein arrogantes Miststück das glaubt sie wäre eine Königin. „Ich sag dir jetzt mal was…“
„Amanda wir fahren!“, unterbrach ihr Vater sie. Amys blaue Augen wendeten sich von ihren Vater zu mir. Jetzt war kein Zorn mehr in ihnen, sondern nur mehr Sehnsucht. Ich wusste dass Amy noch bei mir bleiben wollte. Sie war schon ne Woche hier aber Abschied zu nehmen war ihr schon immer schwer gefallen. Amy hatte sich hier bei mir eingelebt und meine Mutter und mein Vater, so wie meine Geschwister hatten sie in Herz geschlossen.
Schnell umarmte ich Amy und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Gemeinsam liefen wir zu ihren Vater, der sich gerade mit meinen Eltern unterhielt. Wie immer redeten sie über die Geschäfte von meinen Vater. Er und Amys Vater waren Geschäftspartner.
„Oh, Annalisa! Was hast du denn schon wieder angerichtet? Kaum gibt man dir ein neues gelbes Kleid, hat es vorm Sonnenaufgang schon wieder grüne Grasflecken! Wie schaffst du das nur jedes Mal?“, rief meine Mutter bestürzt. Ich grinste Amanda schelmisch an und sie grinst zurück.
„Na gut“, sagte Amys Vater. „Ich denke den Rest können wir ein anderes Mal besprechen. Der Sonnenaufgang naht heran und wir wollen ja nicht in der Morgensonne verbrennen!“
Ich verabschiedete Amanda und winkte ihr hinterher, als sie mit der Kutsche davon fuhren. Sobald sie außer Sicht waren packte mich meine Mutter bei der Hand und zerrte mich hoch ins Badezimmer. Sie ließ Wasser in die große Wanne ein und zog mir das Kleid aus. Mit Seife bewaffnet schrubbte sie mich wie ein gebohnerter Boden blitze blank.
Dann brachte sie mich ins Bett und lass mir eine Gute-Nacht-Geschichte vor, in der es um Vampire geht die nicht auf die Gesetze der Vampirwelt hören wollten und deswegen in der Sonne verbrennen mussten.
Weiterhin den Punkt an der Decke betrachtend fragte ich mich warum mir meine Mutter solche Geschichten zum einschlafen vorgelesen hatte. In all ihren Geschichten ging es darum das Vampire getötet werden weil sie die Gesetze gebrochen hatten. Niemals hatte sie mir eine Geschichte über Schneewittchen oder Dornröschen vorgelesen, nein es ging immer nur um das Gesetz. Langsam fragte ich mich ob meine Mutter irgendein Fetisch dafür hat. Ehrlich gesagt wollte ich es nicht wissen, denn ich musste ja nicht alles wissen was meine Mutter so an Makeln hat oder?
„Prinzessin? Was macht Ihr den schon auf? Eure Eltern und Geschwister schlafen noch.“, sagte Franziska, die junge Hofdienerin. Sie war in meinem Alter und erst kürzlich bei uns bedienstet. Ich mochte sie. Man konnte gut mit ihr reden und sie hörte einem zu, außerdem war sie nicht so verkorkst wie die anderen bediensteten Vampirinen.
„Ich bin früher aufgewacht und hab mich hierher gesetzt damit ich nachdenken kann.“, antwortete ich ihr.
Mit der weißen Schürze um das blaue Kleid gebunden schob sie die dunkel grünen schweren Leinenvorhänge zur Seite. Der Mond war schon aufgegangen und draußen war es stock dunkel.
„Ich frage mich wie für Menschen wohl die Nacht aussieht. Und ob es für sie genauso merkwürdig ist wenn der Vollmond bei ihren Fenstern reinschaut.“, murmelte ich geistesabwesend.
„Hm ich denke genauso wie wir und nach der Sonne sehnen, sehnen sie sich nach dem Mond.“
Verblüfft starrte ich Franziska an. War das ihr ernst? Menschen sehnen sich nach dem Mond?
„Weißt du, einige haben Angst vor dem Tod. Sie wollen nicht sterben, deshalb würden viele Menschen insgeheim mit Vampiren tauschen wollen. Sie würden lieber unsterblich sein, nur damit sie nicht sterben müssen. Den Preis den sie dafür zahlen müssten wäre ihnen egal.“
„Und wie kommst du darauf? Ein Leben als Vampir ist doch nicht witzig. Blut zu trinken ist nicht witzig! Glauben Menschen wirklich mit einem kleinen Bissen ist alles getan? Oder sich einfach von der Sonne fernhalten, weil man sonst verbrennt, ist leicht? Sind Menschen wirklich solche Narren?“, wütete ich. Ich hasste es wenn jemand sagte dass ein Leben als Vampir leicht sei. Gut ich bin so aufgewachsen aber es gibt durchaus Menschen die zu Vampiren gewandelt wurden und sich nach ein paar Dekaden umgebracht haben weil sie die Umstellung von Mensch zu Monster nicht verkraftet haben.
„Ja, Menschen sind Narren! Menschen glauben immer sie sind die Herrscher der Welt. Sie dir die Politiker an. Sie glauben sie machen immer alles richtig und lassen sich groß feiern, doch in Wirklichkeit sind sie nicht mal imstande die Augen aufzumachen und die anderen Bewohner dieser Welt anzusehen. Viele Menschen schauen einfach weg wenn sie eine hungerndes Kind oder einen Obdachlosen auf der Straße sehen.“
„ Nicht alle, Franziska! Und was hat das jetzt mit dem zutun das Menschen Vampire werden wollen?“
Kopfschüttelnd schnappte sie sich den Putzlappen und wischte damit die Regale der hohen Bücherwand ab. „Der Zusammenhang ist der das Menschen denken sie haben alles unter Kontrolle auch wenn alles dagegen spricht. Verwandel einen Menschen und er sagt dir er kommt mit der Umstellung klar. Menschen glauben das immer.“, sagte sie konzentriert, während sie weiter die Regale vom Schmutz und Staub befreite.
„Ich und dein Vater haben dir etwas zu sagen.“, verkündete mir meine Mutter bei Frühstück. Mein Vater saß am Kopf des Tisches und trank genüsslich aus seinem Kelch mit Blut. Die Worte meiner Mutter brachten mich fast zum brechen und ich musste erst mal meine Ladung Blut runter schlucken um mit meinen Mund ein „Oh Gott“ zu formen.
„Wir haben gestern Nacht mit Alexander geredet und sind auf das Thema Musik gekommen. Ich habe Alexander davon erzählt dass du mich einmal gefragt hast ob du Klavier lernen dürftest, und er meinte es wäre eine recht gute Idee. Er selbst sagte er könnte Klavier lernen aber hätte in wegen den Vorbereitungen nicht genug Zeit es dir beizubringen, weshalb er einen Klavierlehrer vorbeischicken wird der es dir lernen wird. Alexander hat bei ihm auch spielen gelernt.“
Wow ! So springt man mit der Frau um die man heiraten will? Ihm sind seine „Vorbereitungen“ wichtiger als eine Verlobte? Nicht das ich froh wäre wenn ER es mir beibringen würde, ich bin wahrlich froh seine Visage nicht zu sehen, aber verletzen tut es mich schon! Und das mehr als mir lieb ist.
„Der Name des Klavierlehrers lautet Aron. Er wird heute schon kommen und dir heute schon Unterricht geben. Er wird im hinteren Teil des Schlosses leben, damit er dir, falls du übst bei Seite stehen kann.“, sagte meine Mutter.
Okay das war wirklich ein Moment in dem ich gerne sterben würde. Stundenlanges Klavierspielen mit einem Typen den ich a) nicht kenne und b) der sicher verkorkst ist, weil er Alexander Klavier spielen beigebracht hat. Völlig perplex schnappte ich mir meinen Becher mit Blut und würgte das letzte bisschen nach unten. Sarah die neben mir saß kicherte und verschluckte sich fast. Die Kleine kannte mich gut und wusste besser als jeder anderer dass mir das ganze gegen den Strich ging.
„Aron sollte gleich eintreffen. Eure erste Stunde fängt dann an wenn er ausgepackt hat.“ Während meine Mutter das sagte, kam einer der Diener mit einem Mann an der Seite zu und in den Speisesaal und stellte ihn als Aron Soresto vor. Aron hatte langes tief schwarzes Haar das im hellen Licht dunkelbraun schimmerte. Er trug ein lässiges weißes Seidenhemd und eine schwarze maßgeschneiderte Hose, was ihn ein wenig als verruchten Piraten aussehen ließ, was ich total sexy fand. Seine Augen waren braun, genauso wie die von Alexander, nur das Aron mich mit einem ganz anderen Blick betrachtete als Alexander. Er betrachtete mich mit einem Blick der Lässigkeit und Coolniss ausstrahlte. Mein Vater wies dem Diener an, er solle Aron sein Zimmer zeigen in dem er wohnen sollte und ihn dann wieder hierher in den Speisesaal bringen, sobald er seine Koffer abgestellt habe.
Das ganze dauert weniger als zehn Minuten und schon saß mir Aron am Tische gegenüber. Er unterhielt sich mit meinem Vater über allgemeine Musik. Sie lachten und redeten als wären sie alte Freunde oder Trinkkumpanen. Sarah, Kathleen und Jonas waren schon verschwunden und spielten im Garten ein Spiel. Nur ich durfte nicht aufstehen, und das nur weil Aron meinet wegen hier ist und ich mich Gastgeberisch benehmen soll. Auch wenn ich sagen muss da Aron verdammt sexy ist würde ich jetzt doch lieber mit Alexander am Tisch sitzen und mit ihm streiten. Wie aus dem heiteren Himmel fängt Aron plötzlich mit mir zu reden und mich zu fragen weshalb ich Klavier lernen mochte und weshalb ich nicht schon früher damit angefangen hätte.
„Ich weiß nicht weshalb ich Klavier lernen mochte und möchte. Ich finde den Flügel echt schön und hab schon immer gern darauf rum geklimpert.“, erzählte ich ihm.
„Ja das stimmt! Der Flügel ist ein echt schönes Musikinstrument. Aber es ist nicht nur das aussehen. Die Klänge sind wie eine Melodie im Ohr.“
„Hm darüber hab ich eigentlich noch nicht nachgedacht.“, sagte ich nachdenklich. Gerade als ich mich zu meiner Mutter wenden wollte wurde mir klar das ich und Aron ganz allein waren. Meine Mutter und mein Vater hatten uns einfach sitzen gelassen! Solche Schufte!
„Ich könnte Euch etwas vorspielen Prinzessin.“, sagte Aron. Man in dem Moment wurde mir klar wie ähnlich sich Alexanders und Arons Stimmen waren. Sie waren fast identisch.
„Ähm… Ja warum nicht.“, antwortete ich ein wenig verwirrt. War ich jetzt schon so gestört das ich überall Alexander hörte und sah? Na das konnte noch was werden.
Gemeinsam gingen wir hoch ins Musikzimmer wo der schöne schwarze Flügel stand den ich so gern hatte. Ich fand es immer schon schön und romantisch welche Stimmung hier im Musikzimmer herrschte. Der Raum war 60 m² groß und wurde nur durch ein paar Kerzen erhellt.
Aron setzte sich auf den Hocker des Flügels und tanzte mit seinen Fingern wie in Balletttänzer über die Tasten. Echt in dem Moment vergeht einem jeder Unsinn und man fühlte sich wie im siebten Himmel.
Sobald das Stück zu Ende war fragte er mich wie es mir gefallen hatte, aber ich antwortete nicht. Ich konnte ihm nicht antworten. In meinen hundertachtzig Jahren war es mir noch nie passiert dass ich kein Wort rausbrachte. Das war wirklich komisch.
Aron zog mich neben sich auf den Sitz und führte meine Finger über die Tasten. Seine Hände ruhten auf meinen und wenn ich ehrlich bin wäre ich rot geworden wenn ich das könnte. Seine Hände fühlten sich an wie Seide. Sie waren stark und doch zärtlich. Gab es überhaupt sowas? Konnte man sich durch eine Hand beruhigt fühlen? War das möglich? Das alles war mir so egal in dem Moment.
Müde und völlig ausgelaugt fiel ich in mein weiches Bett. Die Stunden mit Aron im Musikzimmer vergingen schnellere als Sekunden. Mein Herz schlug so schnell als wäre ich stundenlang nur gelaufen. Ich fühlte mich wie im siebten Himmel. Ich hatte mich verliebt. Ich war in meinen Klavierlehrer verliebt und das würde ich am liebsten der ganzen verdammten Welt erzählen. Und keine Sekunde musste ich noch an Alexander denken. Mein ganzer Kopf war voll mit dem Namen Aron. Ich konnte seinen Duft riechen der an mir haftete und ich konnte seine Stimme in meinem Kopf hören. Alles an ihm war einfach perfekt. Aber ich konnte ihm das nicht sagen. „Mann!“, dachte ich. „Ich verliebe mich in den einen, dann in den anderen und ich bin so ein verfluchtes feiges Huhn das ich es keinen der beiden sagen kann.“ So jetzt war ich wirklich kaputt. Ich liebe zwei Männer. Den einen muss ich heiraten und der andere ist der alte Klavierlehrer vom andern. Klingt perfekt! Wie in einem Märchen. Jetzt konnte mir man wirklich den Satz auf die Stirn schreiben: „Ihr könnt mich in die Psychiatrie einweisen!“ Ich ärgerte mich. Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich mir nur vorstellen eine Beziehung mit Aron zu haben? Wie konnte ich mir nur vorstellen Kinder mit ihm zu haben?
Sanftes Klopfen ließ mich vom Bett hochschrecken. Ich starrte die Zimmertür an und hievte mich aus dem Bett um die zu öffnen. Kathleen stand davor, nur mit ihrem Pyjama bekleidet und schlang ihre Ärmchen um mich. Sie weinte. Schnell machte ich die Türe zu und hob sie auf mein Bett.
„Hey warum weinst du denn?“, fragte ich meine kleine in tränenaufgelöste Schwester. Sie zitterte am ganzen Leib.
„Mama hat gesagt dass ich zu alt für ein Stofftier bin. Sie hat mir meinen Teddybären, den ich von dir bekommen habe, weggenommen und ihn in den Müll geworfen.“, schluchzte Kathleen. Ich schob ihre braunen Haare hinter ihr Ohr, damit sie ihr nicht ins verweinte Gesicht hingen.
„Ich besorge dir einen neuen, okay?“
„Ich will aber keinen neuen! Ich will den, den du mir geschenkt hast!“, antwortet sie mir schnell. Na super. Wie sollte ich den Teddy aus dem Müll retten wenn meine Mutter wie ein Luchs aufpasst dass das nicht passiert. Enttäuscht schüttelte ich den Kopf und erklärte Kathleen dass das nicht ginge, wegen Mutter.
Meine kleine Schwester weinte immer weiter und hörte erst dann auf als sie in meinen Armen eingeschlafen war. Wie eine Maus tapste ich durch die Flure des Schlosses und brachte Kathleen zu ihr Zimmer, das zufällig im hinteren Teil des Schlosses lag. Dort wo die Gästezimmer waren und dort wo Aron in seinem Bett schlief. Ohne ein Licht anzumachen ging ich durch den Flur wo das Zimmer meiner Schwester lag. Mit ihr im Arm öffnete ich die Zimmertür und schaltete die kleine Lampe ein die neben ihrem Bett stand. Seid wann steht das Bett auf der anderen Zimmerwand?
Erschrocken drehte ich mich um und starrte in das Gesicht von Aron, der gerade ins Zimmer kam und das Licht anmachte. Ups! Ich hatte den falschen Flur erwischt und war statt in dem Kinderzimmer meiner Schwester, in dem Gästezimmer von Aron gelandet.
Verwirrt schaute mich Aron an. „Ich hätte nicht gedacht dass ich heute noch eine Überraschung erlebe.“
„Ähm.. Tut mir Leid Aron. Ich habe den falschen Flur erwischt. Ich… gehe!“, stammelte ich vor mich hin. Schneller als ich gekommen war verschwand ich. Mit der schlafenden Kathleen huschte ich an ihn vorbei und rannte den Flur hinauf. Leise fluchte ich vor mich her.
Endlich im richtigen Flur und im richtigen Zimmer legte ich meine Schwester in ihr Bettchen, und verließ es wieder. Dabei lief ich Aron direkt in die Arme. „Nicht so schnell Prinzessin. Lasst uns doch ein wenig spazieren gehen solange es noch dunkel ist.“, bot er an. Er hielt mir seinen angewinkelten Arm hin und blickte fragend in sein Gesicht. Ein Lächeln zauberte er auf seine Lippen. Ich hakte meinen Arm bei ihm ein und folgte ihm nach draußen. Kalte Luft blies mir ins Gesicht und ließ mich frösteln. Sofort zog Aron seine Jacke aus und Legte sie mir um die Schulter. Nun war ihm ganz sicher kalt, denn er trug unter seiner Jacke sein weißes Seidenhemd, das nicht gerade warm aus sah, aber dafür Mega sexy. Aron führte mich zum kleinen Spielplatz wo eine Schaukel, eine Rutsche und eine Sandkiste standen. Extra nur für Jonas entworfen.
Wir setzten und auf die dunkelbraune Holzbank. Ich blickte zum Himmel hinauf und fragte mich wie lange es noch dauern würde bis es dunkel sei.
„Hm es ist eine sehr schöne Stern klare Nacht.“, bemerkte Aron. Ich wandte mein Gesicht zu ihm sah das er ebenfalls in den Himmel schaute. „Ja, aber dennoch. Was wollt Ihr von mir Aron?“
„Darf ich denn nicht mit der zukünftigen Ehefrau meines alten Schülers und besten Freundes spazieren gehen?“, fragte er mich mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich starrte ihn fassungslos an. Hatte er gerade „zukünftige Ehefrau“ gesagt? Erbost drehte ich meinen Kopf in die andere Richtung.
„Alex hatte mir schon erzählt dass Ihr Euch noch nicht an den Gedanken gewöhnt habt. Das wird aber sicher schon!“
„Ach ja und wenn nicht? Was wenn ich auf ihn spucken könnte? Ich brauche keinen „Ehemann“ und schon gar nicht so einen wie Alexander.“, brüllte ich. Gekonnt strich er sich mit seinen Fingern durchs Haar und schob die Strähnen die ihn ins Gesicht fielen hinters Ohr.
„Glaubt mir Ihr braucht einen Ehemann. Ihr seid ein sensibles und einfühlsames Geschöpf. Ohne Mann würdet Ihr gar nicht überleben.“, meinte er nur.
Wie in höchst Geschwindigkeit stand ich auf und marschierte zurück zum Schloss. Aron folgte mir sofort. „So bleibt doch stehen Prinzessin. Ich wollte Euch nicht wütend machen.“
Ich hielt mir die Ohren zu. Mir war es mehr als egal ob er mich nicht wütend machen wollte. Sagte ich wütend? Ich meinte eher sauer, oder besser gesagt stink sauer! Erst jetzt fiel mir auf das ich immer noch Arons Jacke um meiner Schulter hatte. Ich ließ sie auf den Boden gleiten und hörte wie Arons ich bückte um sie wieder aufzuheben.
Stinksauer rannte ich auf mein Zimmer und schlug die Tür lautstark zu. Aron war mir nur bis zur Treppe gefolgt.
3
Immer noch stinksauer von der vorherigen Nacht stolzierte ich die Treppe nach unten. Mir ging es echt scheiße. Ich hatte Durst aber das Frühstück hatte ich verpasst, und das nur wegen Arons kleinen Nächtlichen Spaziergang. Meine Mutter machte mir wieder einmal die Hölle heiß und meine Schwester war sauer auf mich weil ich ihr den Teddybären nicht zurück holen kann, den meine Mutter weggeworfen hatte. Langsam aber sicher platzte mir der Kopf. Missgelaunt setzte ich mich am Fuße der Treppe. Nach circa zwei Minuten präsentierte mir Sarah das Kleid das sie bei meiner Hochzeit tragen würde.
„Mama sagte das die Blumenkinder rote Kleider tragen müssen, weil deine Kleid rote Stickereien und so hat.“, sagte sie.
„Mutter hat schon ein Kleid ausgesucht?“, fragte ich sie fassungslos. Sie hatte einen Stoff so wie den Schnitt ausgesucht ohne mich zu fragen?
„Mama sagt sie will noch alles anpassen und so. Das musst du heute machen!“
Und wie gerufen kam meine Mutter schon angerannt und packte mich am Arm. Sie zerrte mich ins Schneiderzimmer, wo schon der Seide- und Satinstoff am Tisch lag. Obwohl ich eigentlich nicht der Fan von einer Hochzeit bin, und schon gar nicht von meiner, war der Stoff wirklich wunderschön.
Meine Mutter schnippte mit den Fingern und schon riss mir Claudia mein Kleid vom Leib. Geschwind wickelte sie mich in dem roten und eierschalenfarbenen Stoff ein. Sie schnürte es mir hinten am Rücken zu und passte s meinen Körper an. „Jetzt fehlt nur noch der Schleier.“, murmelte ich vor mich hin.
„Hast du was gesagt mein liebes Kind?“, fragte mich meine Mutter die Claudia bei jedem Handgriff beobachtete.
„Nein hab ich nicht.“ Egal sie hatte sowieso gehört was ich gesagt hatte. Warum fragen Eltern Kinder immer was sie gesagt haben? Sind Eltern schon so schwerhörig?
„Ich dachte du hast etwas über einen Schleier gesagt. Mach dir keine Sorgen du bekommst einen, er ist nur noch nicht angekommen. Ach ja und deine Schleppe wird auch erst genäht. Wir haben nur mehr ein paar Tage bis zur Hochzeit.“, bemerkte sie. „Weißt du was heute angekommen ist?“
„Nein Mutter. Aber du wirst es mir gewiss gleich sagen.“, antwortete ich frech.
Mit einem bösen Blick sah sie mich an bevor sie sich umdrehte und das kleine Päckchen vom Tisch nahm und es mir reichte. „Es steht dein Name drauf. Es ist sicher von Alexander.“
Ich drehte es in meinen Fingern und hob dann den Deckel hoch. In der kleinen Schachtel war ein kleiner gefalteter Brief. Ich nahm ihn heraus und lass ihn laut vor.
Meine geliebte Annalisa!
Es tut mir sehr Leid das ich nicht bei dir sein kann. Ich bin auf einer Geschäftsreise und muss vor unserer Hochzeit noch einige Dinge erledigen. Da ich weiß das deine Mutter sehr gerne die Hochzeitsvorbereitungen übernehmen möchte, denke ich ihr während meiner Abwesenheit alleine zurecht kommen werdet.
Ich weiß dass du dich noch an den Gedanken eine Familie mit mir zugründen und auf ewig die Zukunft mit mir zu verbringen gewöhnen musst. Trotz allem freue ich mich wenn du meine Frau und auf ewig mein sein wirst! Ich hoffe dass dir das kleine Geschenk gefallen wird.
Dein Geliebter Alexander
Froh hüpfte meine Mutter wie ein kleines Kind auf und ab. „Was ist denn im Päckchen?“, fragte sie mich neugierig. Seufzend legte ich den Brief in den Deckel des Päckchens und nahm das kleine Säckchen mit dem Inhalt heraus. Das Säckchen war schwer und aus rotem Samt. Ich zog an einen der Bänder die das Säckchen geschlossen hielt, dann drehte ich es um und ein silberner Ring lag in meiner Hand. Es waren Diamanten und ein wunderschöner dunkelgrüner Saphir eingefasst worden. Auf der Innenseite des Ringes war eine kleine Gravur, dort stand „Auf ewig Mein“. Alexander hatte echt einen guten Geschmack was Frauen gefällt und wenn ich den Ring nur so bekommen hätte, wäre er sofort auf meinem Finger, aber sobald mir die Gravur auffiel wurde mir schlecht.
„Oh das ist aber ein wunderschöner Verlobungsring. Und der Saphir erst. Mein Gott er hat fast die Fabre deiner Augen. Probier ihn doch mal an!“, sagte meine Mutter. Ungewollt steckte ich ihn an meinen linken Ringfinger und ließ ihn im Licht des Kronleuchters funkeln. Ich betrachtete den Ring und sah dann in den Spiegel. Ich konnte schwören dass ich die Hochzeitsmelodie hören konnte.
„Der muss verdammt viel gekostet haben. Im Gegensatz zu diesem Verlobungsring sah meiner wie einer aus der billigsten Boutique. Ich frage mich wie dann dein Ehering aussehen wird.“, staunte Mutter. Innerlich riech ich meiner Mutter zu Sie solle doch den Ring nehmen und Alexander heiraten.
Plötzlich klopfte es an der Tür und Aron trat ins Schneiderzimmer. Meine Mutter schickte Claudia nach draußen. Aron grinste mich an. „Ich dachte ich sollte das Geschenk, das mir Alexander geben hatte, der zukünftigen Frau meines besten Freundes überreichen. Er sagte ich solle nach sehen ob das Geschenk zum Hochzeitskleid passe, und ich denke es passt optimal.“
Mit einer geschickten Verbeugung reichte er es meiner Mutter und sie öffnete es für mich. Es war eine Kette mit einer Rose als Anhänger. Begeistert hängte meine Mutter sie mir um den Hals.
„Sie steht Euch Prinzessin!“, sagte Aron zu mir. Ich warf ihm einen giftigen Blick zu denn er sicher nicht so schnell vergessen würde.
„Du solltest dich bedanken Annalisa! Sei froh das Herr Aron Soresto dir diese Geschenk überreicht hat!“, schrie mich meine Mutter an. Alles was ich sagen konnte war „Danke“.
Aron grinste schelmisch und verließ wieder den Raum nachdem er mich neugierig musterte. In dem Moment wollte ich ihm echt den Stinkefinger zeigen, aber leider war meine Mutter dabei die mir sicher eine geknallt hätte.
„Du bist oft so undankbar das es schon fast unmöglich ist das dir trotzdem noch wer Geschenke macht! Ich hoffe du wirst auf deiner Hochzeit nicht so sein, sonst schwöre ich dir ich bringe dich um! Wir besorgen dir einen Mann und du beschimpfst ihn lediglich nur!“, schimpfte meine Mutter vor sich her.
Endlich war ich wieder alleine. Ich konnte es gar nicht erwarten bis ich wieder aus dem grässlichen Hochzeitskleid raus war. Aber eigentlich war es gar nicht so grässlich wen man es genau nimmt, aber egal.
Ich musste mich so oder so darauf vorbereiten dass ich eine Woche alleine daheim blieb, denn meine Eltern so wie meine Geschwister fuhren zu unserem Haus am Meer. Ich wollte echt nicht mit, denn ich hasse es dort. Weder Blumen noch andere Pflanzen wachsen dort. Es ist dort die reinste Einöde, also überhaupt nichts für mich.
Das schlimmste war aber das meine Mutter verlangte das Aron auf mich aufpasse. Ich hätte echt nicht gedacht dass sich die beiden in nur zwei Tagen anfreunden. Es war unvorstellbar aber sie gab mich wirklich diesem gestörten Typen in die Hände. Sie gab ihm wirklich das Recht über mich zu bestimmen. Also hieß das wahrscheinlich stundenlang am Klavier üben. Naja so übel ist eigentlich Klavier spielen nicht aber die Klavierstücke auswendig zu lernen hingegen schon.
Ich half meinen Geschwistern die Koffer hinunter zu tragen und umarmte sie zum Abschied. Meine Mutter gab Aron noch ein paar Anweisungen und Ratschläge, dann fuhren sie fort. Ich stand am Fenster und schaute ihnen nach als ich bemerkte wie Aron eine Hand auf meine Schulter legte. Zornig drehte ich mich um und starrte in sein wunderschönes Gesicht.
„Sag mal was fällt dir ein mich anzufassen?“, sagte ich zu ihm.
„Warum heißt Ihr eine nette Geste niemals gut? Ist es Euch so fremd?“, antwortete er.
„Fremd nennt Ihr das? Nur weil ich mich nicht von jedem schmierigen Typen anfassen lasse? Ihr spinnt doch! Es ist mir überhaupt nicht fremd. Ich kann es nur nicht leiden!“
Aron neigte seinen Kopf zur Seite und starrte mich ein wenig verwundert an. „Also wurdet Ihr schon einmal von einem Mann angefasst?“
„Natürlich! Und glaubt mir dieser Mann war besser als Ihr! Er hatte mehr stolz und sah besser aus.“, konterte ich. Okay ich muss zugeben was ich sagte war gelogen aber ich konnte es einfach nicht zulassen dass er die Oberhand gewann!
„Wenn das so ist dann beweist es!“
Ich schluckte. „Wie bitte?“ Hatte er das jetzt wirklich gesagt?
„Beweist es! Dann werden wir ja sehen ob Eure Aussage stimmt.“ Aron richtete seine Augen auf meinen Mund. Er stellte mich bloß. Er ließ es einfach geschehen.
Ich riss mich zusammen und rammte meinen Mund mit voller Gewalt auf seinen. Nach etwa zwei Sekunden stellte ich mich wieder auf die Füße und grinste ihn frech an.
„Und ist das Beweis genug für Euch?“
„Nun ich denke ich sollte Euch zeigen wie ein richtiger Kuss funktioniert.“, sagte er und bedeckte seinen Mund mit meinen. Ich hatte echt keine Ahnung was ich tat, aber meine Lippen bewegten sich plötzlich im gleichen Tackt wie seine. Ich ließ sogar zu dass er seine Zunge in meinen Mund stecken konnte. Nach etwa einer Minute löste er sich von mir und lächelte mich an. „Das war ein Kuss, und nicht das was Ihr vorhin mir zur Schau zeigtet. Aber eines muss ich Euch lassen, Ihr schmeckt himmlisch.“
Empört rannte ich die Treppe nach oben und ließ ihn einfach stehen. Ich stürmte in mein Zimmer und schlug die Tür mit voller wuchte hinter mir zu. Weinend legte ich mich auf mein Bett und machte die Augen zu. Ich wollte am liebsten alles ungeschehen machen, aber das ging leider nicht. Deshalb ging ich zu meinem großen Fenster und öffnete es weit. Mit viel anlauf sprang ich hinunter und landete sich auf meinen Füßen. Mein einziger Gedanke war nur mehr laufen. Ich lief vor allem davon. Vor meine Familie, vor Aron und vor der Hochzeit mit Alexander. ES war mir alles egal, ich wollte nur mehr weg. Weit weg.
Ein nerviges Geräusch weckte mich aus meinem Schlaf. Mir tat mein ganzer Körper weh und fühlte mich verkatert. Langsam wurde das Geräusch immer nerviger und fühlte sich in meinem Kopf an wie ein Bohrer. Ich öffnete sachte die Augen und suchte die Umgebung nach der Geräuschquelle ab. Es kam von einem Gerät wie man es in Krankenhäusern sieht. Mein ganzer Körper war mit weißen Verbänden eingebunden. Ich dachte ich träumte aber als ich dann sah das Aron neben meinem Bett in einem Sessel schlief fand ich das ganze nicht mehr witzig. Ich versuchte aufzustehen aber sobald ich eine Bewegung machte schreckte Aron hoch und starrte mich erschrocken an.
„Gott sei Dank geht es Euch gut! Ich machte mir schon Vorwürfe dass Ihr in Koma gefallen wärt.“, sagte er erleichtert.
„Was ist passiert? Wo bin ich?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Könnt Ihr euch an gar nichts mehr erinnern?“
„Nein. Was ist passiert?“, fragte ich erneut.
„Gestern Nacht seid Ihr davon gelaufen. Ich schätze Ihr wusstet nicht dass es kurz vor Sonnenaufgang war. Ihr wurdet von der Sonne verbrennt und ich musste Euch holen gehen. Dann habe ich Euch hier her auf mein Zimmer gebracht und mich um Euch gekümmert.“, erklärte er.
Ich blinzelte mit den Augen. „Ihr habt Euch um mich gekümmert? Obwohl ich so unhöflich zu Eich war?“
„Natürlich! Immerhin habe ich doch die Verantwortung bekommen auf Euch aufzupassen während Eure Familie weg ist.“
„Dann müsste ich mich eigentlich bedanken.“
„Nein müsst Ihr nicht.“, antwortete er schlicht.
Aber ich wiedersprach ihn. „Doch müsste ich.“
„Nein. Ich habe nur getan was meine Pflicht war, sonst nichts.“, meinte Aron, „Wie geht es Euren Wunden? Habt Ihr noch Schmerzen?“
„Nein. Ich denke sie müssten schon verheilt sein.“, teilte ich ihn mit. Machte er sich ernsthafte Sorgen oder wollte er nur höflich sein? Was zog mich nur so zu diesem Mann hin? Und warum sah er aus wie Alexander?
„Ihr müsst durstig sein. Ich hole Euch etwas Blut und dann werde ich Euch neue Verbände anlegen.“
Ich schaute Aron nach wie er das Zimmer verließ und die Türe leise schloss. Fünf Minuten blieb er weg, und in den fünf Minuten ging mir sein Kuss in der Eingangshalle nicht mehr aus dem Kopf. Er küsste gut, verdammt gut.
„Lehnt Euch nach vorne, ich stütze Euch mit meiner Hand.“, sagte er nachdem er wieder zurück war. Ich tat wie er befahl. Nicht weil ich mich ihm hingab oder er meine rebellische Art gebrochen hätte, aber ich war ihm verdammt dankbar, denn wenn er mich nicht gefunden hätte, wäre ich mit Sicherheit in der Sonne gestorben und zu Staub zerfallen.
Aron stützte meinen Rücken mit einer Hand und mit der anderen hielt er das Glas mit frischem Menschenblut.
Zögernd trank ich und dachte dabei wieder an unseren Kuss nach. Ob er wohl dasselbe gefühlt hatte wie ich? Ob er sich genauso sehr nach mir sehnte wie ich mich nach ihn? „Wenn ich doch nur Gedanken lesen könnte.“, murmelte ich leise vor mich hin.
„Ich denke man sollte nicht alles wissen was andere Vampire denken. Einige Sachen sollten wohl doch im Verborgenen bleiben, denn manche Lüge ist erträglicher als die Wahrheit.“, erwiderte Aron.
„Ich finde aber trotzdem dass es nicht schlecht wäre wenn wir Vampire das könnten. Lügen sind manchmal notwendig, aber bevor ich angelogen werde, würde ich die Wahrheit eher bevorzugen. Egal wie schlimm die Wahrheit ist, eine Lüge ist noch viel schlimmer, denn dann weiß man überhaupt wenn man vertrauen kann und wem nicht.“
„Ja schon aber würdet Ihr lieber einem Kind sagen das seine Großeltern sich freiwillig in die Sonne begeben haben oder würdet Ihr einem Kind eher sagen das seine Großeltern bei einem Kampf oder ähnlichem vom Feind in die Sonne gestoßen wurde. Was würdet Ihr wählen? Was wäre die erträglichere Form?“, fragte er mich.
„Mir wäre die Wahrheit lieber. Ich hasse Leute die mich anlügen!“
Seufzend legte er mich behutsam hin und sah mich an. „Manchmal sind Lügen notwendig, manchmal auch nicht. Ihr stellt Euch als eine starke Frau hin, die alles alleine schaffen kann und sich selbst als Vorbild sieht. Meiner Meinung nach sollten Frauen einfühlsam und sensible sein. Sie sollten die Hilfe anderer dankbar entgegen nehmen und einem Mann zur Seite stehen, selbst in den schwierigsten Zeiten. Sie sollte Kinder zur Welt bringen und für ein wohliges Familienleben sorgen, und nicht Unruhe stiften und sich gegen jeglichen Befehl hinweg setzen.“
Empört und stink sauer verschränkte ich meine Arme vor der Brust. „Dumm nur das Eure Meinung mich überhaupt nicht interessiert. Für Euch ist eine Frau nur ein Objekt das man für Liebemachen und für den Haushalt braucht. Sonst sind wir Frauen Euch Männer doch scheißegal. Unsere Wünsche lehnt ihr Männer doch genauso ab wie unsere Hilfe. Und da redet Ihr schlecht von Frauen? Schaut Euch doch an. Glaubt Ihr wirklich das Ihr besser seid als alle anderen?“
„Ihr denkt ich sehe Frauen nur als Objekt an? Da denkt Ihr falsch. Frauen sind wunderschöne Geschöpfe. Ich würde eine Frau niemals als Objekt ansehen. Ihr habt doch keine Ahnung was Ihr hier eigentlich redet!“, schimpfte er.
„Ich weiß genau was ich hier rede. Sie wissen nur nicht was Sie reden.“
„So viel zur Eurer Dankbarkeit.“, antwortete er schlicht. Mit grimmiger Mine löste er meine Verbände. Erst bei den letzten Verbänden bemerkte ich dass ich vollkommen nackt unter den Verbänden war.
„Ich wünsche das dass hier Franziska macht!“, befahl ich Aron.
„Warum? Nur weil Ihr nackt seid? Denkt Ihr ich habe noch keine Frau nackt gesehen?“, fragte er mich.
„Es ist mir egal ob Ihr schon eine Frau nackt gesehen habt, mich werdet Ihr nicht einmal in hundert Jahren nackt sehen!“
Da fing er plötzlich an zu lachen. Er verspottete mich regelrecht. „Ich habe Euch schon nackt gesehen also denke ich ist das gar kein Problem!“
Rasch knallte mir die Kinnlade nach unten und ich starrte ihn wie gebahnt an. So ein voll Arsch! Wie konnte er es nur wagen?
Er hörte nicht auf meine Verbände abzuwickeln, aber ich wollte auch gar nicht das es aufhörte. Irgendetwas schickte mich an sein Gesicht zu sehen wenn er mich nackt sah.
Und wahrlich. Er konnte seinen Blick von meinen Brüsten gar nicht mehr losreißen. Ich sah sogar wie seine Eckzähne aufblitzten. Als er nicht weiter machte, räusperte ich mich kurz. Sofort war er wieder bei der Sache und vermied jeglichen Blick auf meine Brüste.
Nachdem er neue Verbände angelegt hatte, setzte er sich auf einen Stuhl und las einen kitschigen Liebesroman. Als ich ihn fragte ob ich ein wenig fernsehen konnte, reichte er mir einfach die Fernbedienung und zog sich in eine Ecke zurück.
Ich konnte dem Western kaum folgen denn mein Blick schweifte immer zu Aron hinüber. Er blickte vertieft in seinen Roman.
Erst ein Klopfen an der Türe lenkte mich ab.
Tag der Veröffentlichung: 04.07.2011
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