Das handschmeichelnde Leder presst die frischen Geldscheine zusammenhält Erinnerungen an einen längst vergangenen Kinobesuch fest, bei dem, so wird mir bewusst, ich eine Cola verschüttete, sodass man die Schrift nur noch balss schimmert; bewahrt das nötige Kleingeld für die nächste U-Bahn bereit; erinnert mich an meine ausgeliehenen Bücher; umfasst viele, kleine Bruchstücke meines Lebens, dass ich von der Kassiererin gedrängt werde, zu bezahlen, mein nötiges Kleingeld herauszurücken, nur um diese einzelne Packung Haferflocken zu bezahlen.
Meine Füße, verpackt in den heruntergesetzten, bunten Sneakers, von dem Staub des Parkplatzes bedeckt, parkte ich unter dem Tisch und wackelte mit den Zehen, denn lange war es her, dass ich mit meiner Fußbekleidung (gerade im Sommer), so zufrieden war. Mein war es, Sandalen und Schuhe der Art, bei der man die Zehen sehen kann, zu vermeiden. Füße waren mir versteckt in Socken am liebsten.
Ich stieß mir das Bein an etwas kühlem - vielleicht eine Metallstange - , senkte meinen Kopf jedoch nicht, um den Schauplatz des Schmerzes beizuwohnen, sondern nichkte auf die mir bedeutungslosen Worten der Frau neben mir. Eine Politikerin, wo wie sie sprach, aber vom Aussehen her, mehr eine Frau in den späten Wechseljahren mir langem Kleid und einer unscheinbaren Brille, die sie hin und wieder, und damit will ich sagen, dass das einer ihrer Gewohnheiten sein muss, zurechtrückt, eine so simple und einfach Geste, dass sie wohl nur mir auffällt.
Ihr Mann, wohl in der ähnlichen Altersklasse, obwohl keine Spuren der Weiblichkeit und somit auch der Wechseljahre zu erkennen sind, sitzt da. Einfach nur so. Er ist unauffällig, mischt sich kaum ins Gespräch ein, ganz im Gegenteil zu seiner Frau. Das forsche Wesen, gab wohl den Ton in der Ehe an. Etwas an seinen Zähnen und dieser unglaublich seltenen Form siener Nase, ließ mich ihn eine Weile länger anstarren. Auch seine Schuhe fielen mir auf: Modisch ausgerichtet, wo doch der Rest so schlicht mit einem Hemd und einer Hose beglückt war. Diese viel zu großen Schnürsenkle erinnerten mich an meine früheren Malversuchte doch zumindest ein Detail auf ihnen zu erleben.
Der französische Kellner, Wirt, Ober - kein Wort passt, dennoch wird er unsere Bestellung aufnehmen - , kam herangeeilt, sein Haar standfest und zäh wie das eines Pferdes, wippte auf und ab.
Unsere Blicke begegneten sich für einen stillen Moment, dennoch konnte ich mich danach nur an sein gelbes, von gerade Zähnen geprägtes Lächeln erinern. Augenblicklich stellte ich mir zum zweiten Mal die Frage ob es hier, so weit entfernt von einer annähernd erfolgreichen Shoppingtour auch Kieferotopäden gab. Länger konnte ich den Moment nicht herauszögern und schwebte zwischen den dominierenden Gefühlen bei diesem Thema: Auf der einen Seite Vorfreude auf den Herbst, in dem ich diesen Draht auf meinen Zähnen endlich lowerden würde, nun, auf der anderen das bedrängende Gefühl, dass das Ding immer noch mein Lächeln versaute.
Erwartungsvoll stand dieser Man - ich konnt nicht umhin zu bemerken, dass er entweder sein Deo wechseln sollte oder den weiten Weg in die Stadt zu machen sollte, um überhaupt eines zu bestitzen - am Tischende und blickte von links nach rechts, das Lächeln auf halbem Wege eingefroren.
Meine Mutter wedelte in einer unverständlichen Geste mit der Hand, als wolle sie eine sehr hartnäckige Mücke verscheuchen und wandte sie meinem Vater zu. Der Pferdehaarmann nun noch verunsicherter als zuvor, sah wieder zu mir.
"Sag du", forderte mich mein Vater auf und lächelte mir zu. So viel zu seinem Vertrauen in meine Französichkünste.
Meine Finger blätterten bis nach ganz Vorne in der provisorischen Speisekarte. Mein Blick blieb an den blasspinken Buchstaben hängen:"Deux plat du jour."
Ich deutete, die Anzeichen des Wartens auf das dritte Menu falsch. Mehr als Wasser und Wein stand zumindest auf einer losen, später hinzugefügten Getränkeliste.
"Äh, trois", korrigierte ich meinen Fehlern und spürte die Verärgerung dieses Stolperns in mir aufblitzen.
Allgemeines Gelächter hätte ich an dieser Stelle die Szene beschrieben, aber wie ich doch so schön von einem plumpen Untertitelverfasser (welcher Idiot die ausbilden mag) bei einem der berühmten Harry Potter Filem gelernt hatte: ALLE LACHEN. Und wo ich gerade dabei bin: Krähen schreien nicht sondern krächzen.
Das allgemeine Gelächter verstumme, sobald die Getränke bestellt waren.
Unsere beiden Vermieter, braun gebrannt und mit einem angenehmen Akzent, lehnen so selbstverständlich in den grünen Plastikstühlen, als wären sie hier Stammgäste.
Und so sieht mein Uralub aus. Draußen in der Schönheit der Abenddämmerung, die Hitze vertreibend und einen kühlen Wind mit sich bringend. Zwischen Plastikstühlen, schwitzenden Franzosen und Langnese-Schirmen mit dem Ausblick eines Königs. Nur dass das der erste Tag war und mir weitere, 14 ganze Tage bevorstanden.
Ich schnappte mir meine Tasche. "Weiß jemand wo die Toilette ist?"
Es fühlte sich so an, als befände sich der Deckel zu mir, dem Topf, über mir, doch so weit entfernt, dass mein Inhalt verloren ging. Der Inhalt stieg meinen Bauch hoch, bis in den Hals und wurde unsichtbar ausgeatmet. Heiß fühlte sich die vermeintlich Luft an, die meine Lippen strich.
Ich schaute auf die Lippen, welche ich begehrte, blickte stumm in ein Augenpaar. Dann näherte vollbrachte ich den Fehler: Mein Rot berührte das andere. Wir gaben kein Geräusch von uns, denn zu lange spielte sich die selbe Sinuskurve vor uns, mit uns ab. Hoch, tief, hoch, tief...
Nein, das doch nicht. Sex hatten wir auch. Aber nicht jetzt in diesem Moment in der Toilette. Seine Lippen schmeckten nach frisch gewaschenen Waschlappen (was ich als äußerst positiv befinde).
Ich strich mir eine Locke aus dem Mundwinkel, lehnte mich in seinen Armen zurück und lachte. Herausfordernd schossen meine Augenbrauen in die Höhe, während ich mich aus seinem Griff befreite. Die Stellen meiner Taille, an der er mich noch kurz zuvor mit seinen Händen gehalten hatte, kribbelten angenehm, weniger gut waren die Falten die seine Finger in meinem blassgrünen Kleid hinterlassen hatten.
Das Rufen meiner Absätze auf dem Marmorboden, als ich zwei Schritte zurückwich, hallte durch die Herrentoilette. Ich streckte ihm die Zunge raus, was ich wikrlich als anstandslos bezeichnen sollte, und quetschte mich an einem Mann im Smoking durch die Tür.
Die Eingangshalle war verlassen, sodass meine Absätze geradezu schrien. Weit genug entfernt von den Toiletten lehnte ich mich an eine Mamorsäule und lachte. Mein Lachen prallte an die gegenüber liegende Wand und sprang zur Kuppelförmigen Decke (das Ping-Pong-Prinzip wie ich es des öfteren nannte). Die Frust quetschte ich in die Mamorsäule in meinem Rücken.
Als Lach- wie auch Trauertränen aus dem Gesicht entfernt worden waren, natürlich ohne die Schicht, die sich Schminke nennen wollte, auf meinem Gesicht zu beschädigen, begab ich mich in meinen gepolsterten Sizt und lauschte einem Tenor.
Texte: Written Soph
Tag der Veröffentlichung: 23.07.2013
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