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Heiligabend


Es war, ein kalter, rauer Tag, Anfang Dezember. Otto Brunner saß in seinem Lieblingssessel und schaute zum Fenster hinaus.
Bald waren es sieben Jahre, die er hier ganz alleine lebte, seine Frau verstorben war.
Er hatte sich völlig zurückgezogen, wollte alleine sein und niemanden sehen.
Es machte ihm nichts aus, im Gegenteil, er hasste die Menschen und er hasste Weihnachten. Ein Fest der Heuchelei, wie er es immer nannte.
Da sah er, dass im Nachbarhaus, ein reges Treiben herrschte. Lange stand das Haus leer, in dem mal seine Tochter und deren Familie gewohnt hatten.
Vor acht Jahren verunglückten sie im Urlaubsort und Marianne, ihr Mann Wolfgang und der kleine Stefan starben noch an der Unfallstelle. Otto glaubte, dass dieser Unfall Schuld am Tod seiner Frau war, denn diese verlor jeden Lebensmut und lag eines Tages tot in ihrem Bett.
Seit dieser Zeit, war Otto Brunner ein anderer Mensch geworden.
Warum passierte das alles ihm?
Er stand auf und ging in die Küche, um zu Abend zu essen.

Wenige Tage später klingelte es an einem Vormittag bei Otto Brunner. Verwundert ging er zur Tür, um zu öffnen.
„Guten Morgen Herr Brunner, ich hoffe ich störe sie nicht gerade. Ich bin ihre neue Nachbarin.“
Otto brummte so was wie, guten Morgen, hat mich gefreut und wollte die Tür wieder schließen. Da reichte ihm Britta Sander einen Kuchen.
„Selbstgebacken“, sagte sie und mein Name ist übrigens Britta Sander.“ Sie drehte sich um und ging zurück zu ihrem Haus.
Verwundert nahm Otto den Kuchen und stellte ihn auf dem Küchentisch.

Am nächsten Morgen hatte es geschneit. Als er dann zum Holzholen aus der Haustür ging, sah er einen großen Schneemann davor. Kugelrund, mit einer bunten Mütze und lustigen Karotte als Nase, stand er da. Otto musste lächeln, denn er hatte früher auch Schneemänner gebaut, auch mit seinem Enkelsohn. Wieder überkam ihn die Trauer, er schluckte und ging zum Schuppen.
Am Nachmittag klingelte es wieder an der Tür und Otto öffnete sie mürrisch.
„Guten Tag Herr Brunner, ich heiße Miriam und wohne nebenan. Ich hab ihnen auch den Schneemann gebaut und…“, plapperte sie drauf los.
Otto sah vor sich ein kleines Mädchen, mit frechen Zöpfen, das eigentlich schon sofort einen Platz in seinem Herzen hatte, aber das wollte er nicht zeigen.
„Darf ich rein kommen?“ fragte Miriam und war schon drin.
Otto kochte ein Kakao und die Beiden aßen dazu den Kuchen von Miriams Mutter.
Miriam plapperte unentwegt. Otto störte es nicht, im Gegenteil, es bekam ihn gut.
Viel zu schnell wurde es dunkel und Miriam musste nach Hause.
Er brachte sie zur Tür und sie schaute in seine Augen und gab ihm ihre Hand mit den Worten: „Nun sind wir doch Freunde, oder?“
Lächelnd und ohne Zögern erwiderte Otto den Handschlag.
Was war nur mit ihm los? Plötzlich wurde ihm auch bewusst, wie einsam er doch war. Er, der die Menschen doch eigentlich hasste und immer alleine bleiben wollte…
Lag das nun an der Weihnachtszeit? Er überlegte, aber das konnte ja nicht sein, denn die Kleine hätte ja auch später im Nachbarshaus einziehen können.
Miriam erinnerte ihn sehr an seine Tochter und es verging kein Tag, an dem sie nicht kam, sie wusste auch nicht, wie glücklich sie ihn machte.
Am Heiligen Abend kam sie am Vormittag und fragte ihn, ob er nicht bei ihnen feiern möchte, ihre Eltern würden sich auch freuen.
Otto Brunner aber verneinte, da er nicht stören wollte. Miriam umarmte ihren großen Freund und lief geschwind nach Haus.
Gegen 16 Uhr aber klingelte Frau Sander und bat ihm doch zu kommen und auch mit zur Kirche zu fahren. Dann erzählte sie, dass Miriam keinen Opa mehr hätte und sie ihn doch so abgöttisch liebte und als Opa wünschte. Sie hätte es auch auf ihrem Wunschzettel geschrieben.
Nach langem Hin und Her ließ sich Otto überreden und willigte ein.
Dass Miriam ihn als Opa wünschte, zauberte ein paar Tränen in seinem von Falten gezeichneten Gesicht.
Es wurde ein wunderschöner Abend, Otto war lange nicht mehr so glücklich und hatte das Gefühl, diese Familie schon immer zu kennen.
Als er dann in seinem Bett lag, überkam ihn eine Zufriedenheit und er verlor allen Hass. Er hatte seinen inneren Frieden gefunden.
Glücklich, mit einem Lächeln, schlief er ein, für immer. Bereit, seine Lieben zu folgen

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Tag der Veröffentlichung: 25.12.2009

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