1890 in London. Eine junge Frau schreibt einen Brief an ihren, im Krieg kämpfenden Verlobten.
Lieber James.
Ich schreib dir hier aus meinen Zimmer in der Villa meiner Tante in der ich die Weihnachtstage verbringe. Wenn sie wüsste, dass ich dir noch immer schreibe, wäre sie sicherlich böse. Sie meint ich soll dich endlich vergessen, du würdest nicht zurück kommen. Doch ich weiß es besser, ich weiß dass dieser Krieg eines Tages zu Ende sein wird und du zu mir zurück kommst.
Ich wünschte du könntest hier sein. London sieht herrlich aus, jetzt in der Weihnachtszeit. Viele Läden haben in den Schaufenstern Kerzen aufgestellt und die Tannen in der Innenstadt sind mit roten Schleifen geschmückt, es sieht so wunderbar aus. Wie schön wäre es, mit dir gemeinsam durch die Straßen zu schlendern, dann könnte ich mich an all diesen Dingen auch erfreuen. Als ich mit Maggie neulich auf dem Mark war meinte sie, ich solle endlich einmal wieder lachen, aber ich kann nicht, solange du nicht bei mir bist. Auch wenn mich alle aufmuntern wollen und mich so gut es geht ablenken, kehren meine Gedanken immer wieder zu dir zurück. Sonntags in der Kirche vergaß ich sogar während des Gebetes aufzustehen. Du kannst dir nicht vorstellen mit welch strafendem Blick mich die ganze Gemeinde angesehen hat, die hätte das sicher gefallen. Ich kann deine Worte förmlich hören: Die kleine Miss Scarlet braucht immer ein bisschen mehr Aufmerksamkeit als andere.
Ich habe es immer gehasst wenn du mich so genannt hast. Kleine Miss Scarlet. Jetzt wünschte ich, ich könnte diese Worte endlich wieder aus deinem Mund zu hören. Werde ich es jemals wieder tun? Ich weiß, du hast mir gesagt, ich soll nicht so denken, aber ich kann nicht anders. Maggie sieht mir grade über die Schulter, sie sagt ich soll nicht jammern sondern dir mehr erzählen von dem was in letzter Zeit so passiert.
Das ganze Haus ist weihnachtlich geschmückt, es sieht wunderschön aus. Mutter hat überall große Gläser aufgestellt mit bunten Kugeln darin. Auch auf meinem Schreibtisch steht eines mit goldenen und roten Glaskugeln. Ich muss Maggie ständig davon abhalten sie anzufassen, aber trotzdem sind auf jeder Kugel ihre kleinen Fingerabdrücke zu erkennen. Aber ich lasse ihr ihren Spaß, ab und zu muss auch ein 11 Jähriges Mädchen auch mal kleines Kind sein, nicht wahr. Für sie hab ich ein wunderbares Weihnachtsgeschenk bekommen. Kannst du dich noch an den Gaukler erinnern, der vor zwei Jahren an Weihnachten durch die Straßen lief und diese wunderbaren kleinen Puppen verkaufte? Nun, ich habe ihn wieder getroffen mitten auf dem Picadilly Circus. Ich habe für Maggie eine Puppe gekauft, weiße Porzellanhaut, rote Bäckchen und ein wunderschönes dunkelgrünes Kleid mit passendem Hut. Maggie wird sie lieben, da bin ich mir sicher. Ich wünschte du könntest das alles sehen, in meinen Briefen klingt alles immer so abgestoßen und fiktiv. Über unserer Haustür hängt ein Mistelzweig, als Erinnerung an unseren ersten Kuss vor 4 Jahren. Damals war ich grade einmal 15 Jahre alt, du 16 und heute? 4 Jahre sind vergangen, die 4 wunderbarsten Jahre meines Lebens. Und ich verspreche dir, nächstes Jahr werden wir Weihnachten wieder gemeinsam feiern, egal wie und wo, wir werden zusammen sein. Ich weiß, der Krieg ist grausam, an Weihnachten nicht weniger als irgendwann sonst. Aber vergiss nie, dass wenn du zurück kommst, ich da sein werde und dafür lohnt es sich zu kämpfen James. Für uns beide, denk immer daran.
Vertrau mir, du wirst zurückkommen und wir beide werden glücklich sein.
Ich liebe dich ♥
deine Scarlet.
Tag der Veröffentlichung: 07.12.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
For all the lovers