„Weißt du wieviel Sternlein stehen...“. Entnervt sah Nolan seinen Begleiter an. „Corey wir sind hier um zu arbeiten nicht um... was weiß ich was zu singen“, stöhnte er. Sein Freund lachte nur und schüttelte den Kopf. „Meine Güte, bist du aber schlecht gelaunt, was ist los?“, fragte er. „Was geht’s dich an?“ „Oh, nichts, aber ich dachte als guter Freund fragt man eben“, Corey verdrehte die Augen. Langsam gingen ihm Nolans Launen gehörig auf die Nerven. „Lass und einfach unseren Auftrag erledigen und dann reden wir weiter, ok?“, fragte Corey versöhnlich und packte Nolan dann am Arm. „Was ist?“ „Wir sind da..“ Sie standen vor einer großen mit Efeu umrankten Villa. „Ich hasse diese Heimlichkeiten, meine Eltern sind mit diesen Leuten befreundet“, stöhnte Corey während er und Nolan an der Gartenhecke entlang nach einem Schlupfloch suchten. „Du weiß, dass wir im geheimen arbeiten müssen, dass wusstest du schon, als du dem Kreis beigetreten bist“, Nolan zog seinen Begleiter durch eine durchlässige Stelle der Hecke. „Scheiße meine Haare“, fluchte Nolan und fuhr sich mit den Händen durch die hellblonden Haare die ihm jetzt nach allen Seiten abstanden. „Es ist stockfinster, niemand sieht dic.“, Corey lachte leise und schüttelte den Kopf über die Eitelkeit des Freundes.
„Schon klar, also, was genau sollen wir hier eigentlich?“. „Die Tochter des Hauses hat Potential, meint der Herr, wir sollen sie für einige Übungen in den Kreis bringen.“
Corey nickte, er hatte verstanden. Ab jetzt liefen alle Handlungen in vollkommener Stille ab. Nolan vollführte eine komplizierte Bewegung mit der Hand und ein silber leuchtendes Seil erschien in seinen Händen. Er wickelte sich ein Ende um das Handgelenk und zielte mit der anderen auf ein Fenster im zweiten Stock der Villa. Augenblicklich stieg das Seil in die Höhe und schlang sich um einen Haken, der in den Fenstersims eingelassen war, vermutlich zu eben dem Zweck ein Seil anzubringen. In den alten Häusern konnte schnell ein Feuer ausbrechen und die Rettung durch das Villeninnere war dann nicht mehr möglich. Corey nahm das Seil fest zwischen seine Finger und nickte Nolan zu, nach einer weiteren Bewegung dessen Finger glitt Corey wie von selbst am Seil hinauf. Lautlos schob er das Fenster auf und kletterte hinein. Dann winkte er dem untenstehenden zu und zupfte am Seil. Es begann sich aufzurollen und zog Nolan somit nach oben. „Alles klar?“, Corey bewegte nur die Lippen, aber Nolan verstand ihn. „Ja.“ Leise öffneten die beiden Jungs die Tür und traten in den angrenzenden Flur. Nolan zuckte mit den Schultern und warf Corey einen Blick zu. „Deine Eltern sind mit denen befreundet, du musst wissen wo es lang geht“, sagten seine Augen. Coreys Augen wanderten über den Flur. Mit aller Macht versuchte er sich die Räumlichkeiten der Villa ins Gedächtnis zu rufen. Verdammt, es ist so lange her, als ich das letzte Mal hier war. Diese Erkenntnis, brachte ihm auch schmerzhaft in Erinnerung, wie lange er seine eigene Familie schon nicht mehr gesehen hatte. Nicht dass er nicht die Möglichkeit gehabt hätte, nein, ihm waren einfach andere Dinge soviel wichtiger gewesen.
*~*~*~*~*~*~
Er zuckte zusammen als Nolan ihm eine Hand auf die Schulter legte und ihn aus seinen Gedanken riss . Corey strich sich die dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht und verscheuchte die düsteren Gedanken, die einen Schatten über seine eisblauen Augen gelegt hatten. Er musste sich auf seine Arbeit konzentrieren.
Nach einigen Sackgassen, die die beiden in einige luxuriös eingerichtete Zimmer führte, hatten sie ihr Ziel erreicht. Ein Schlafzimmer, ganz in violett gehalten, die Vorhänge waren zugezogen und im Bett lag schlafend ein junges Mädchen, etwas jünger als Nolan und Corey, vielleicht 14 Jahre, mit schwarzen glatten Haaren. Es tat Corey leid sie jetzt einfach aus ihrer Familie herausreißen zu müssen, aber es ging nicht anderes. Als Nolan die Lampe entzündete die auf dem Frisiertisch stand fuhr das Mädchen hoch. Erschrocken blickte sie die beiden Jungen in den langen Umhängen an und wollte schreien. Aber Corey war schneller. Er ließ eine grünliche Mauer um das Mädchen erstehen, die alle Geräusche erstickte. Dann richtet er einen Hand auf die hilflose verängstigte Gestalt und schoss einen blauen Lichtblitz. Augenblicklich sank das Mädchen zusammen und Nolan löste die Geräuschblockade auf. „Gehen wir. Hast du den Brief“, fragte er leise. Corey nickte. „Liegt bereits auf dem Wohnzimmertisch, sie werden ihn finden.“ „Gut.“ Und so leise wie sie gekommen waren, verschwanden die beiden aus der Villa, das jetzt bewusstlose Mädchen schwebte wie von unsichtbaren Stangen gehalten neben ihnen.
Den Weg durch die engen Gassen und Straßen fanden die beiden, trotz der völligen Dunkelheit schnell. Vor einem großen weißen Tor blieben sie stehen. Nolan sandte eine Lichtkugel über das Tor und wartete. Bereits wenige Sekunden später öffnete sich das Tor und vor den beiden Jungen stand ein Mann, etwa 30 Jahre alt, mit langem nachtblauem Umhang. Er hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass seine Züge im verborgenen lagen. „Corey, Nolan, ich habt euch Zeit gelassen“, sagte er leise und schob sie durch das Tor. Vor ihnen lag eine ausgedehnte Parkanlage von der man in der Dunkelheit allerdings nur Schemen erkennen konnte. „Verzeihung Sir Lowel, der Weg hat länger gedauert als vermutet“, antwortete Corey und lächelte entschuldigend. „Schon gut, der Herr erwartet euch.“ „Was? Jetzt noch? Es ist mitten in der Nacht“, stöhnte Nolan. Ihm war klar, würden sie jetzt noch zu ihrer Chef gehen müssen, konnte er Schlaf für den Rest der Nacht vergessen. „Ja, jetzt noch.“ Nolan warf Corey einen genervten Blick zu, der diesem ein leises Lachen entlockte. Im Gegensatz zu seinem Freund hatte Corey kein Problem zwei oder drei Nächte hintereinander nichts zu schlafen.
„Hast du ein Problem damit? Damit ich dem Herrn, dann eine Entschuldigung vortragen kann?“, fragte Lowel spöttisch. Nolan schüttelte nur den Kopf, mitten in der Nacht war er nicht zu einem Wortgefecht mit Lowel aufgelegt. „Gut, dann kommt. Ich nehme das Mädchen“, er hob das immer noch bewusstlose Mädchen hoch und legte es sich über die Schulter. Die kleine Gruppe ging einen langen schnurgeraden Weg entlang. Er schien nie enden zu wollen, doch plötzlich, wie aus dem Nicht, tauchte vor ihnen eine blütenweiße, bestimmt 4 Meter hohe Mauer auf. Lowel zog einen gebogenen Stab aus einer verborgenen Innentasche seines Mantel und klopfte dreimal an eine leicht geschwärzte Stelle der Mauer. Das Gestein veränderte sich und anstelle der weißen Steine trat ein großes dunkles Holztor. Ein Wink von Lowel und es öffnete sich lautlos. Nun waren sie im Allerheiligsten des Kreises. Hier durften sich nur Mitglieder aufhalten, allen Außenstehenden war der Zutritt verboten. Ungefähr 200 Meter weiter erhob sich majestätisch eine Burg, die im fahlen Mondlicht silbern glitzerte. Für Nolan und Corey war das alles nichts besonderes mehr. Das märchenhafte Gelände und das noch märchenhaftere Schloss übten keine Faszination mehr auf sie aus. Zu gut wussten die beiden inzwischen, dass der Schein trog und es im Schloss ganz und gar nicht märchenhaft zuging.
Es fielen nur wenige Worte während sie durch das Gelände und schließlich ans Schlosstor kamen. Es öffnete sich ohne jegliche Berührung von Lowels Seite. Erwartete man von einem Schloss Luxus und Glitzer, so war man hier falsch. Alles war schön und ordentlich eingerichtet, aber es fehlten die typischen Kronleuchter und die vergoldeten Figuren, die man wohl in jedem anderen Schloss im Umkreis finden würde. Trotz der späten Stunde herrschte reger Betrieb auf den Gängen. Zwei junge Frauen kamen eine Treppenflucht hinunter, beide in lange schwarze Umhänge gehüllt und verließen das Schloss durch einen Seitenausgang. Ein älteres Mann unterhielt sich mit zwei Jungen, etwas jünger als Nolan und Corey. Sie trugen beide keine Umhänge sondern einfache Hosen und Hemden. Der Mann dagegen trug einen wallenden olivgrünen Umhang. Nolan musste grinsen. Er konnte sich, auch ohne seine Fähigkeit des Gedankenlesens zu benutzen, vorstellen um was es bei dem Gespräch ging. Die beiden Jungen waren augenscheinlich noch Magielehrlinge und der, auf dem Boden liegende, zerbrochene Bilderrahmen zeugte von einem schief gegangenen Zauber. Lehrlingen war es verboten außerhalb der Unterrichtsstunden Magie zu praktizieren, eben um Vorfälle wie diese zu verhindern.
Auf zwei Sesseln in einer Nische saßen ein junger Mann und eine Frau, vertieft in einige Unterlagen, die vor ihnen auf einem kleinen Tisch lagen. Nach links und rechts grüßend, oder nickend machte sich die kleine Gruppe auf den Weg die größte Treppenflucht hinauf und einen Gang nach hinten. Vor einer unscheinbaren grauen Türe blieben sie stehen. Lowel zeichnete mit dem Finger ein kompliziertes Muster an den Rahmen und die Tür schwang nach innen auf. In Nolan machte sich ein flaues Gefühl breit, wie immer wenn er die Räume des obersten Magiers betrat. Er hatte die Aufsicht über den Kreis und allein die Aura, die von ihm ausging war furchteinflößend. „Jetzt geh schon, ist doch nicht das erste Mal, dass du hier bist“, zischte Corey von hinten und schob seinen Freund in den ersten Raum. Es war ein Vorzimmer, indem nicht mehr als ein Aktenschrank und ein Schreibtisch stand. Hinter dem Tisch saß eine Frau mittleren Alters, mit kurzen dunkelbraunen Augen. Ihre Augen strahlten fröhlich als sie die Eingetretenen mit einem Lächeln begrüßte. „Ihr werdet bereits erwartet. Jarkin möchte das Mädchen sofort sehen.“ „Alles klar Julienne“, Lowel nickte der Frau zu und legte das bewusstlose Mädchen dann auf eine, in einer kleinen Nische stehende Bare. Julienne verließ den Platz hinter dem Schreibtisch und ging zum Schrank. Statt den erwarteten Akten, war er gefüllt mit Ampullen und Fläschchen. Sie griff sich eine und träufelte einige Tropfen übel riechender Flüssigkeit in ein sauberes Tuch. Das presste sie dem Mädchen einige Sekunden aufs Gesicht. Kaum hatte sie es weggenommen, öffnete das Mädchen die Augen und blickte mit weit aufgerissenen Augen um sich. „Wo bin ich?“, fragte sie mit zitternder Stimme und richtete sich auf. „Im Quartier des Kreises.“, lautete Juliennes kurze Antwort. „Tu einfach, was man dir sagt und hab keine Angst. Niemand will dir etwas Böses“, dann hielt sie dem Mädchen eine Hand hin und zog sie hoch. „Wie heißt du?“ „Emmeline, Emmeline Pertize“. „Gut, Emmeline, dann geh jetzt mit den beiden Jungen“, sie zeigte auf Nolan und Corey. Verschüchtert und immer noch zitternd ging Emmeline zu den beiden hinüber. Nolan fing Coreys Blick auf. In seinen Augen lag Mitleid, Nolan konnte es nachvollziehen, es war keine schöne Art neue Mitglieder des Kreises aufzunehmen in dem man sie entführte und behandelte wie Gefangene. Aber es war nicht anders möglich. Es gab zu viele Geheimnisse, zu viele Mysterien, die, an die Öffentlichkeit gelangt, einen großen unwiderruflichen Schaden anrichten würden. Bevor nicht das Gelübde und der Schwur abgelegt waren, war den Lehrlingen jeglicher Kontakt zur Außenwelt verboten. „Komm mit“, Corey fasste Emmeline an der Schulter und führte sie durch die nächste Tür in einen großen langen Saal. Er war das Gegenteil zu dem kleinen Arbeitszimmer Juliennes. Eine Wand war von großen, halbrunden Fenstern gesäumt, die dem Saal am Tage Freundlichkeit und Ruhe vermittelten. In der Nacht, wen der Mond und die Sterne durch die Fenster schienen, tauchte es den Raum in ein unheimlich helles Licht. Die Kerzen die an den Leuchtern an der Decke und an den Wänden befestigt waren trugen den Rest dazu bei, den Saal gruselig und unheimlich aussehen zu lassen. Man spürt die Magie in jedem Luftzug, stelle Nolan fest während er hinter Corey und Emmeline auf dem, in der Mitte des Saals ausgelegtem, Teppich zum anderen Ende ging. Die Sicht auf das Ende des Saals, war durch ein großes glänzendes Transparent verdeckt. Nolan wusste, dass dahinter die beiden obersten Magier auf sie warten würden. Die Herrscher des Kreises.
„Kommt näher.“, magisch verstärkt hallte in diesem Moment eine Stimme. Nolan zuckte zusammen. Er zuckte immer zusammen, wenn er Jarkins Stimmer hörte. Der Chef der Magier strahlte eine solch starke Aura aus, dass man unter seinem Einfluss nur verängstigt und schüchtern sein konnte.
Erst nach einigen Schritten, bei denen die beiden Jungen Emmeline mehr tragen mussten, als dass sie selbst lief, konnten sie Jarkin sehen.
Er war noch sehr jung, zumindest dafür, dass er oberster Magier war. Das Auffälligste an ihm waren wohl die katzengrünen Augen, die von selbst zu leuchten schienen.
„Willkommen, Nolan, Corey, Emmeline“, mit einer besonderen Geste bedachte er letztgenannte, die unter seinem Blick zusammen zusinken schien.
„Weißt du, wo du dich befindest Emmeline?“, fragte Jarkin und sah ihr weiterhin in die Augen.
Tag der Veröffentlichung: 10.10.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Charly, weil sie Prophezeihungen ändern kann.