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Irina van Rubyn.


Es war sehr früh am Morgen, als Irina aus dem Schlaf schreckte. Es zeichneten sich gerade mal die ersten Sonnenstrahlen am Horizont ab und der Geruch von Morgentau wehte ihr durch das offene Fenster entgegen.
Irina seufzte und drehte sich auf die andere Seite, sie versuchte wieder einzuschlafen, aber keine Chance.
Ihr Magen knurrte viel zu stark, als dass sie wieder schlafen hätte können. Also stand sie auf und trat ans Fenster. Es sah alles so schön und friedlich aus hier.
Überall blühten Blumen in den verschiedensten Farben und Formen, Schmetterlinge flatterten bereits durch die Gegend und alles war grün und still. Wie in einem der Märchenbücher. Früher war es in Makatien auch wunderbar gewesen, ja, früher.
Irina erinnerte sich zurück und Traurigkeit überkam sie. Früher war noch alles in Ordnung gewesen, sowohl in Makatien, als auch in ihrem eigenen Leben.
Aber dann war all das passiert, all diese Schrecklichen Dinge und in Makatien war eine Hungernot ausgebrochen. Die erste Katastrophe die das kleine Land jemals zu bewältigen hatte und es schaffte es nicht. Seit über einem Jahr kämpften sie nun gegen den Hunger und den Mangel an Nahrung, aber es war sinnlos. Keine wusste wieso es zu dieser Knappheit gekommen war. Auf einmal wurden alle Ernten kaputt, Stürme fegten über das Land und der Boden wurde unfruchtbar.
Irina fragte sich oft, was geschehen war, aber sie konnte es sich einfach nicht erklären. Niemand hatte Grund, den Makatiern etwas böses anzutun. Zumindest nicht soweit sie wusste.
Sie wandte sich vom Fenster ab, um der trügerischen Idylle zu entkommen und begann sich anzuziehen.
Sie schlüpfte in ein dunkelblaues Kleid aus praktischem, aber doch schönen Stoff. Er glänzte wie Seide, war aber reißfest und relativ schmutzresistent , sodass sich das Kleid auch zum arbeiten eignete. Als sie in den Spiegel sah viel ihr Blick auf ein Bild, dass an der Wand gegenüber hing. Es zeigte sie in der Mitte von zwei Jungen. Beide waren groß und hatten dunkelbraune Haare, aber die Augen waren anderes. Die des rechten waren braun und sein Blick war fast ein wenig arrogant. Der Linke hatte die gleichen grünen Augen wie sie, aber sein Blick war fest.
Damien und Nicolay, ihre Brüder, denen sie inzwischen aus dem Weg ging. Der Grund dafür war so traurig, dass ihr manchmal sogar die Tränen in die Augen stiegen, obwohl Irina niemals weinte. Aber dass wissen, dass sie die einzige Familie die sie noch hatte verloren hatte, war schrecklich.
Sie fuhr sich mit einer weichen Bürste durch die dunkelblonden Locken und steckte sie zu einem lockeren Knoten hoch.
Gerade als sie hinunter in die Küche gehen wollte, um Kaffee zu kochen klopfte es an ihr Fenster.
Auf dem Brett saß eine weiße Taube mit rotem Banner, das Siegel der Königin Catalia.
Fast ein bisschen erschrocken nahm Irina die Taube und band das Pergament ab, dass an ihrem Fuß hing und blickte auf die Beschriftung. Aber da stand in deutlicher Handschrift: an Irina van Rubyn
Also konnte es kein Fehler sein. Mit zitternden Fingern öffnete die junge Frau die Rolle.

Heute Mittag um Punkt 12 Uhr werden sie von Königen Catalia von Makatien persönlich um eine Audienz gebeten.
Wir bitten sie, zu erscheinen.
Mit besten Grüßen


Mehr stand dort nicht. Irina war verwirrt, ängstlich und neugierig zugleich. Sie hatte keine Ahnung, was sie erwartete und sie wusste ebenfalls nicht, dass sie nicht alleine sein würde.
An Ruhe war nicht mehr zu denken, also nahm sie ihren schwarzen Umhang vom Haken neben der Türe und den Bogen aus seiner Halterung. Sie würde jagen gehen. Zu essen war sowieso nichts mehr im Haus, aber vielleicht würde ihr ein Hase oder ein Rebhuhn über den Weg laufen.

Nicolay van Rubin


Als die ersten Sonnenstrahlen in die Zimmer seines Hauses fielen, war Nicolay schon seit Stunden wach. Er hatte in der Nacht kaum geschlafen. Zu viel war ihm im Kopf herumgegangen und zu groß war der Hunger gewesen. Er hatte in letzter Zeit viel zum Nachdenken gehabt und meistens drehten sich seine Gedanken um seine Familie, oder dass, was einmal seine Familie gewesen war.
Seine jüngeren Geschwister, die Zwillinge Damien und Irina. Von Damien wusste er wenigstens, wo er war und wie es ihm ging, doch Nicolay tat so, als wäre es ihm egal . Doch von Irina wusste er gar nichts. Das letzte Mal gesehen hatte er sie vor über 4 Monaten, als das der erste Jahrestag der Königen Catalia gewesen war und auch da hatten sie kaum miteinander gesprochen.
Nicolay wusste, dass Irina sich abgewandt hatte, als sie die Streitigkeiten zwischen ihm und Damien nicht mehr ausgehalten hatte, aber was sollte Nicolay machen.
Er war der Älteste, er war für Damien verantwortlich, ob dieser nun wollte oder nicht und es würde sich nichts an ihrem Verhältnis ändern, wenn Damien nicht endlich zur Einsicht kommen würde.
Nicolay schüttelte die Gedanken ab und fuhr sich mit den Händen durch die ohnehin schon unordentlichen dunkelbraunen Haare. Die leichte Welle störte ihn, hatte ihn schon immer gestört, aber es war ihm zu mühsam, sie tagtäglich zu waschen und zu glätten.
Als sein Blick auf das Bild an der Wand fiel, das ihn und seine Geschwister zeigte wurde er wütend.
Nichtmal auf Damien, der tat was er wollte, oder auf Irina, die einfach so verschwunden war , nein sondern auf sich selber.
Er wusste, dass er viel falsch gemacht hatte und dass es ohne ihn wahrscheinlich niemals zu einem Streit gekommen wäre, aber trotzdem war er zu stolz und zu stur um das gegenüber seine Schwester oder gar seinem jüngeren Bruder zuzugeben. Im Gegenteil, gegenüber ihnen hatte er sich immer als Anführer aufgespielt und als allwissend. Irina hatte ihn schon vor langer zeit durchschaut, aber sie war sanfter als Damien und hatte sie niemals darüber beschwert. Doch die ewigen Zankerein und Streits zwischen ihren Brüdern hatten Irina schließlich dazu getrieben zu flüchten, dass wusste Nicolay.
Er würde viel darum geben es rückgängig zum machen, aber er konnte es nicht. Er machte alles immer nur noch schlimmer.
Wenn wenigstens das Leben außerhalb der Familie schön gewesen wäre. Aber seit dem Anbruch der Hungersnot vor fast einem Jahr, war auch daran nicht mehr zu denken.
Nicolay fragte sich immer wieder, wie es eigentlich dazu hatte kommen könne.
Schließlich war der Boden von Makatien immer fruchtbar gewesen und die Wälder immer reich bewildert, und jetzt?
Nichts mehr von alledem, dass konnte doch nicht normal sein, oder?
Ein Klopfen schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. Er brauchte eine Weile, bis er verstand, das etwas oder jemand an sein Fenster klopfte. Er zog die Vorhänge zurück, die vorher noch halb zu gewesen waren und sah eine Taube auf dem Fensterbrett sitzen.
Erstaunt realisierte er das rote Banner, dass die Taube trug, mit dem Siegel der Königin Catalia.
Er spürte, wie seine Finger feucht wurden. Hatte ihn etwas doch jemand gesehen, wie er im Schlossgarten einen Hasen geschossen hatte? Das wäre so ziemlich das Schlechteste, was passieren konnte, denn wenn etwas in Makatien nicht gerne gesehen war, dann das Wildern im königlichen Garten. So manch einer war wegen solcher Taten bereits im Kerker gelandet.
Nervös zerrte er der Taube das Pergament vom Fuß und riss ihr dabei auch gleich ein paar Federn aus. Wütend hackte die Taube nach seiner Hand und schoss davon.
„Blödes Vieh!“, murmelte Nicolay während er das Band von der Rolle löste.

Heute Mittag um Punkt 12 Uhr werden sie von Königen Catalia von Makatien persönlich um eine Audienz gebeten.
Wir bitten sie, zu erscheinen.
Mit besten Grüßen


Was hatte das zu bedeuten? Wieso wollte die Königin ihn sehen. Ohne zu ahnen, wer ebenfalls diesen Brief bekommen hatte wartete er nervös die Stunden bis 12 Uhr ab.

Damien van Rubyn


„Wozu mach ich das hier eigentlich, sie sehen danach sowieso wieder unordentlich aus!“, genervt warf Damien den Kamm in eine Ecke und betrachtete das Resultat im Spiegel.
Nein, er sah genauso aus, wie immer. Unordentliche dunkelbraune Locken, strahlend grüne Augen. Nur die Müdigkeit in den Augen war ungewöhnlich. Die normalerweise frechen und blitzenden Augen waren heute matt und dunkler gefärbt als sonst. Damien wusste auch schon den Grund dafür. Naja, eigentlich waren es drei.
Zum einen dieser nervende Hunger, der sich ständig in ihm breit machte. Die momentan in Makatien herrschende Hungersnot war wirklich zum verzweifeln. Nirgends gab es frisches Obst oder Gemüse, die Wälder waren leer, selten, dass man einen Hasen oder ein Reh zu Gesicht bekam. Wie sollte man sich denn von trockenem Brot und Wasser ernähren können? Das war wie im Gefängnis und nervte ihn gewaltig. Er konnte sich gar nicht mehr daran erinnern wann er das letzte Mal etwas richtig Gutes gegessen hatte.
Der zweite und der dritte Grund waren seine Geschwister Nicolay und Irina .
Von Nicolay war Damien einfach nur noch genervt. Ständig wollte er ihm vorschreiben was er zu tun und zu lassen hatte, immer wollte er ihm sagen, was er machen sollte.
Damien konnte sowieso schlecht damit umgehen, wenn jemand über ihn bestimmte, aber von seinem eigenen Bruder sein Leben vorgeschrieben zu bekommen machte ihn fast wahnsinnig.
Und Irina, seine Zwillingsschwester, die er so gerne hatte, die sah er überhaupt nicht mehr.
Er wusste nicht mal wie es ihr ging oder wo sie war. Er hatte Angst um sie, auch wenn er wusste, dass es unbegründet war. Wäre sie verletzt oder gar tot, dann hätte er schon längst davon erfahren, trotzdem war die Ungewissheit schrecklich.
Diese drei Dinge, ließen ihn nachts nicht schlafen und tagsüber unkonzentriert und traurig sein.
Er zeigte es nicht, aber das war nicht einfach, denn Damien war noch nie gut darin gewesen, seine Gefühle zu verbergen.
Sein Blick fiel auf ein Bild, dass auf dem Küchentisch lag. Er, Irina und Nicolay, wie sie Arm in Arm das standen und lächelten.
Im Blick seinen Bruders lag etwas arrogantes herrisches. Die Augen seiner Schwester strahlten einfach nur glücklich.
Damien packte das Bild und wollte es zerreißen. Er wollte Nicolay nicht mehr sehen, am liebsten würde er ihn einfach vergessen, aber er wusste, dass das nicht funktionierte.
Doch ein Klopfen am Fenster hielt Damien davon ab, die einzige Erinnerung, die er an seine Familie hatte zu zerstören. Erstaunt blickte er auf die Taube, die vor dem Fenster saß. Sie trug das Banner der Könign.
„Merkwürdig, was zum Henker will die Regierung von mir?“, schnell ging er in Gedanken die letzten Wochen durch, ob er sich irgendetwas zu Schaden hatte kommen lassen, aber ihm viel nichts ein. Er zuckte mit den Schultern und öffnete das Pergament, dass er vom Fuß der Taube genommen hatte.

Heute Mittag um Punkt 12 Uhr werden sie von Königen Catalia von Makatien persönlich um eine Audienz gebeten.
Wir bitten sie, zu erscheinen.
Mit besten Grüßen



Damien hob eine Augenbraue, was sollte den dieser Brief bedeuten?
Die Anweisung ins Schloss zu kommen? Von Catalia persönlich? Wenn nicht der Stempel unter der Schrift und das Banner der Taube gewesen wären, Damien hätte das Ganze wohl für einen schlechten Scherz gehalten und nicht weiter beachtet.
Aber so war er etwas anderes. Was würde da wohl auf ihn zukommen.
Er war nervös, auch wenn er es sich nie eingestehen würde. Unruhig lief er im Raum auf und ab.
Schließlich schüttelte er den Kopf und verließ das Haus, um bei den Händlern der Stadt nach etwas Essbarem zu suchen. Er würde kein Glück haben, aber es lenkte ihn ab.

Impressum

Texte: Corve&Story copyright by Mona Fischer
Tag der Veröffentlichung: 17.05.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Charly =) Meine allererste Leserin ich hab dich lieb ♥

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