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K a p i t e l e i n s


Verdammt, denke ich, als mein Blick erneut zur Uhr wandert, verdammt. Die Ziffern leuchten hell im Dunkeln, ihre Bedeutung brennt sich in mein Gehirn ein.
»Augen auf die Straße«, meint Trevor, der meinen Blick bemerkt hat. Ich will etwas erwidern, aber Suze kommt mir zuvor, in dem sie »Kate kann machen, was sie will!« faucht. Durch den Rückspiegel sehe ich, wie Trevor zusammen zuckt, und kann ein Grinsen nicht verbergen, auch wenn das Verhalten meiner besten Freundin nicht gerade typisch für sie ist. Normalerweise ist Suze nicht so, normalerweise ist sie ganz anders. Aber was ist hier bitteschön noch normal?
Wir sind die einzigen, die auf dieser verschlafenen Landstraße unterwegs sind. Gut so. Die Sonne ist inzwischen fast gänzlich hinter den Bäumen verschwunden und ich bin versucht, das Fenster runter zu lassen, damit die kühle Nachtluft ins Auto strömt. Aber ich lasse es bleiben. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob Suze das verkraften würde; so empfindlich wie heute war sie bis jetzt noch nie, und ich kenne sie schon ziemlich lange.
Erst, als Trevor erwähnt, dass wir dem Straßengraben beachtlich nahe kommen, bemerke ich, dass mein Blick schon wieder auf die Uhr geheftet ist – dabei weiß ich noch nicht mal, wie spät es ist. Innerlich verfluche ich mich für mein Verhalten und umklammere das Lenkrad so fest, dass meine Knöchel weiß hervor treten. 21:04h. Neun Stunden, sieben Minuten.
»Wann sind wir da?«, höre ich Suze neben mir fragen, scheinbar hat sie sich soweit wieder beruhigt.
»Ich hab keine Ahnung«, antworte ich abwesend, während ich überlege, wie lange wir schon unterwegs sind. Zwei Stunden? Acht? Jedenfalls gefühlte acht, obwohl die Zeit unglaublich schnell verstreicht. 21:05h.
»Eine halbe Stunde, wenn überhaupt.« Trevors Stimme ist ruhig im Gegensatz zu Suzes, die bis eben noch gehetzt war. Jetzt nickt sie stumm und spielt mit ihren Haarsträhnen. Manchmal sind ihre Stimmungsschwankungen wirklich mehr als beunruhigend.
Ich konzentriere mich auf die Straße, die zusehends unbequemer wird, vor allem bei der Geschwindigkeit. Langsam bezweifle ich, dass sie uns gefolgt sind, aber in Suzes Gegenwart behalte ich den Gedanken lieber für mich, denn ich habe keine Nerven dafür, mir die nächste halbe Stunde einen Vortrag ihrerseits über unser mögliches bevorstehendes Ende anzuhören. Da verfluche ich mich noch lieber für meine eigene Dummheit. Damit ich auch beschäftigt bin, werfe ich gleich noch einen Blick auf die Uhr; 21:07h. Kommt mir das nur so vor, oder vergeht die Zeit heute besonders schnell? Heute Morgen noch saß ich in meinem Apartment mit Aussicht auf den Eiffelturm, und jetzt fahre ich ziemlich ziellos quer durch die Schweiz. Gut, nicht vollkommen ziellos – Trevor kennt sich ja angeblich hier so gut aus wie kein anderer – aber dennoch fühle ich mich mehr als desorientiert, was diesen Teil des Landes anbelangt.
»Da müssen wir links«, weist mich Trevor an. Die Abzweigung ist durch die umstehenden Bäume leicht zu übersehen, weswegen ich das Lenkrad in letzter Sekunde noch herumreiße, bevor ich daran vorbei gefahren wäre.
»Das nächste Mal fahre ich«, brummt Trevor, woraufhin ich »Dann such dir gefälligst ein eigenes Auto!« erwidere.
»Dauert es noch lange?«, fragt Suze wieder und ich verdrehe genervt die Augen. Es fehlt nur noch, dass jemand vorschlägt, ein Lied zu singen, dann ist der Autofahrt-Horror komplett, wobei wir wohl kaum als ›große, glückliche Familie‹ durchgehen würden. Wir sind weder groß, noch glücklich, und eine Familie wären wir höchstens, wenn Suze und Trevor beschließen, ein Kind zu adoptieren, und ich die schräge verbitterte Tante abgebe, was wohl eher weniger der Fall sein wird. Wobei, wenn wir das hier hinter uns haben, wird das vielleicht die nächste große Herausforderung.
Gerade als ich beschließe, meinen Vorschlag den anderen zu präsentieren, meint Suze, dass sie Hunger hat. Zwar kann ich sie gut verstehen, da unsere letzte Mahlzeit erstens schnell von statten gehen musste und zweitens auch nicht gerade viel war, aber trotzdem knurre ich Trevor, der sich gerade zur Kühlbox, die sich hinter Suzes Sitz befindet, bücken will, an. »Nichts da, das ist unsere Notration. Es kann sowieso nicht mehr lange dauern, bis wir da sind!«
Suzes Antwort besteht aus einem undefinierbaren Murmeln, aber ich mache mir nicht die Mühe, nachzufragen.
Während Trevor ihr erklärt, dass er dafür gesorgt hatte, dass sie so viel Blut haben könne wie sie trinken kann, sobald wir da sind, sehe ich ein weiteres Mal auf die Uhr. 21:18h, also wird es nicht mehr lange dauern. Hoffentlich.
Trevor bestätigt meine Vermutung indem er sagt, dass es sich nur noch um Minuten handeln kann bis wir ankommen, was man auch an der Veränderung der Landschaft sehen kann; vorhin waren wir inmitten weiter Felder, jetzt ist die Straße umgeben von immer dichter werdenden Bäumen. Ehrlich gesagt bin ich ganz froh darüber. Bäume bieten mehr Schutz vor Sonne und möglichen Angreifern, wobei ich mir um Letzteres sonst eigentlich keine Gedanken machen muss. Ich hoffe, dass das auch bald wieder so sein wird.
»Gleich sind wir da«, sagt Trevor zu Suze, als würde er versuchen, ein trotziges Kind zu motivieren, was sie sichtlich aufregt.
»Schon gut, ich hab Augen im Kopf«, faucht sie deshalb zurück. Wie schon gesagt, eigentlich ist Suze nicht so … unausstehlich.
Die nächsten paar Minuten verbringen wir schweigend. Inzwischen befinden wir uns in einem dicht bewachsenen Mischwald, was heißt, dass wir tatsächlich bald da sein müssen. Ich war zwar noch nicht oft hier, aber an manches kann ich mich erinnern.
Der Freudenschrei, den Suze ausstößt, als sie die weißen Wände des Hauses zwischen den Bäumen hervorblitzen sieht, lässt mich unwillkürlich zusammenzucken. Noch bevor der Wagen zum vollständig Stehen kommt, hat sie sich abgeschnallt und reißt die Autotür auf.
Kühle Nachtluft schlägt mir entgegen und ich halte es selbst keine Sekunde länger hier aus. Den Schlüssel lasse ich stecken. Zwar rede ich mir ein, dass ich das nur Suze zuliebe mache, aber um ehrlich zu sein teile ich ihre Befürchtungen bis zu einem gewissen Punkt, auch wenn ich deswegen nicht gleich so ausflippe. Egal, sicher ist sicher.
Ich höre den Wind durch die Blätter rauschen und fahre mir durch die ungekämmten Haare. Vor mir steht der Grund für unsere fast sechshundert Kilometer lange Autofahrt. Meine Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen … Trevors Haus.
Dafür, dass weder er noch Suze in letzter Zeit hier gewesen sind, sieht es ziemlich gut aus; die Fenster scheinen geputzt zu sein, die Pflanzen auf der Terrasse sind alles andere als vertrocknet oder verwildert, und an den Wänden wuchert auch kein Gestrüpp. Wahrscheinlich hat Trevor jemanden damit beauftragt, für das Gebäude zu sorgen, und der gleiche Jemand hat hoffentlich das versprochene Blut rechtzeitig geliefert.
»Wo ist dieser verdammte Schlüssel?«, höre ich Trevor, der sich offensichtlich immer noch im Auto befindet. Obwohl dafür jetzt nicht der richtige Augenblick ist, beobachte ich ihn leicht amüsiert, wie er die Rückbänke nach ihm absucht.
»Vielleicht hat Suze ja -«, fange ich an, werde allerdings vom Geräusch der zuschlagenden Autotür unterbrochen.
»Ja, Suze hat«, meint Trevor nur und betritt das Haus, dessen Tür offen steht. Grinsend folge ich ihm.


Gierig schlage ich meine Zähne tief in den Plastikbeutel, bis ich das kalte Blut auf meiner Zunge spüre. In wenigen Zügen und ohne es groß zu genießen trinke ich es aus und lasse die Verpackung achtlos in den Abfalleimer unter der Spüle fallen. Dann nehme ich mir drei weitere Beutel und gehe ins Wohnzimmer. Suze hat sich auf der Couch niedergelassen und blättert in einer Modezeitschrift, die sie bei einer Tankstelle in Frankreich mitgehen hat lassen. Auf dem Tisch neben ihr häufen sich leere Plastikbeutel, die immer noch verführerisch duften.
»Du bist nass«, stellt Suze angeekelt fest, als ich mich neben sie fallen lasse und sie versehentlich mit meinen frisch gewaschenen Haaren vollspritze.
»Und dank dir sieht's hier aus, als hätte eine Horde von Werwölfen ihr Unwesen getrieben«, gebe ich zurück. Dabei kenne ich gar keine Werwölfe, geschweige denn verfüge über das Wissen ihrer Essgewohnheiten.
Innerhalb weniger Sekunden trinke ich einen der mitgebrachten Beutel leer und lasse ihn zu den anderen fallen. Hier müssten sich noch genug, um die nächsten Tage zu überstehen, befinden, und notfalls können wir auch in die nächste Stadt. Eigentlich gar keine schlechte Idee – meiner Meinung nach schmeckt frisches Blut viel besser als dieses Zeug hier. Egal, immerhin haben wir etwas.
»Also«, fange ich an als ich höre, dass Trevor in der Küche ist und mich somit verstehen kann, »wie lange gedenkt ihr, hier zu bleiben?«
Überrascht sieht Suze auf. Trevor, der jetzt ebenfalls ins Wohnzimmer kommt, gibt ihr einen weiteren Beutel Blut und setzt sich neben sie. Man sollte meinen, wenigstens einer von uns hätte sich in den letzten Stunden über diese Frage Gedanken gemacht, aber offensichtlich waren meine Freunde ebenso produktiv wie ich selbst, was definitiv nicht hilfreich ist. Gut, wir haben das Thema bis jetzt vermieden, ob bewusst oder unbewusst, aber ich mag es nicht, länger als nötig im Unklaren über eine Sache zu sein, besonders über eine wie diese.
Ich bin versucht, es mit irgendwelchem ›Wir dürfen unsere Augen nicht länger vor der Zukunft verschlossen halten‹-Gerede anzufangen, lasse es aber angesichts der Situation stehen. Wenn sie ohnehin schon in einem solchen Zustand ist, sollte man Suze nicht unnötig reizen.
Ohne es zu wollen, findet mein Blick die Uhr, die neben dem riesigen Fernseher hängt. 21:58h. Die Zeit zerrinnt zwischen unseren Fingern, ohne dass wir etwas dagegen tun können.
»Denkt ihr, sie ...«, reißt mich Suze aus meinen Gedanken. Sie braucht ihren Satz nicht zu beenden – wir wissen trotzdem, was sie meint. Plötzlich bin ich ernst, als würde mir erst jetzt die Priorität dieser Lage klar werden.
»Ja«, antworte ich ruhig, »ja, ich denke schon. Die wichtigere Frage ist, ob sie uns auch finden werden.«
»Ich bezweifle es«, sagt Trevor, bevor Suze etwas erwidern kann, »ich meine, wir hätten sie sicher bemerkt, wenn sie uns gefolgt wären. Spätestens bei der fünften Landstraße haben sie uns verloren.«
Suze sieht immer noch nicht beruhigt aus. »Wir dürfen nicht automatisch davon ausgehen, dass sie sich leicht abhängen lassen, nur weil sie Menschen sind.«
Ich nicke. Um ehrlich zu sein, muss ich ihr da recht geben; die Typen waren mir sowieso nicht ganz geheuer, wobei das nicht selten ist, wenn einem nach dem Leben getrachtet wird.
»Mag schon sein«, stimmt Trevor ihr widerwillig zu, »aber unser Vorsprung war ziemlich groß.«
»Sie können uns aber immer noch einholen!«
»Und wenn schon – sie können uns nicht überraschen, wir würden sie mit Sicherheit hören. Selbst wenn wir es nicht schaffen würden, sie umzubringen, können wir jederzeit verschwinden. Sie müssten schon das Haus in die Luft sprengen, um uns ernsthaften Schaden zuzufügen«, redet Trevor auf Suze ein.
»Ist ja alles schön und gut«, unterbreche ich ihn, »aber das beantwortet immer noch nicht die Frage, wie lange wir hier bleiben werden.«
»Oder wohin wir gehen werden«, ergänzt Suze nachdenklich. Ich kaue auf meiner Unterlippe herum und lasse meinen Blick zum Fenster schweifen. Irgendwo da draußen sind sie, das weiß ich. Und sie sind auf der Suche nach uns.
»Such dir was aus«, meint Trevor an Suze gewandt, »Paris sollten wir in nächster Zeit vielleicht eher meiden, aber ansonsten stehen uns alle Türen offen.«
»Du hast recht.« Anscheinend vertraut sie Trevors Worten. »Und wenn wir schon mal in Europa sind …meinetwegen müssen wir nicht sofort wieder in die USA.«
»Ich wollte schon immer mal nach Großbritannien. Oder vielleicht Deutschland!«, schlage ich vor und mache mich an die letzten beiden Blutbeutel. Zwar teile ich nicht unbedingt Trevors Optimismus, aber das heißt nicht, dass ich mich in irgendein Loch verkriechen werde.
»Oder wir bleiben einfach noch ein bisschen hier.«
Menschenleben sind vergänglich, füge ich in Gedanken hinzu, sie können nicht ewig hinter uns her sein. Und das ist unser Vorteil.


Die Regentropfen trommeln laut gegen die Scheibe. Dass sie es sind, die mich von meinem wohlverdienten Schlaf abhalten, rede ich mich vergeblich ein, denn mir einzugestehen, dass ich insgeheim die Sekunden zähle, würde ich wahrscheinlich nicht verkraften.
Nachdem ich mich ein paar Mal im Bett hin und her gewälzt habe, schlage ich schließlich die Augen auf. Das Mondlicht fällt ins Zimmer. Vielleicht ist es zu hell, überlege ich, aber ich will die Vorhänge nicht zuziehen. Alle Fensterscheiben des Hauses sind aus speziellem Glas, das UV-Strahlen abhält, weswegen das hier so ziemlich der einzige Ort ist, an dem ich mich der Sonne aussetzen kann, ohne zu verbrennen.
Bis auf den Regen und Suze und Trevor, die sich heute allerdings mir zuliebe zurückhalten, ist nichts zu hören. Vielleicht liegt es auch daran, dass es zu still ist.
Ohne darüber nachzudenken, was ich da oder vielmehr warum ich es mache, schlage ich die warme Decke zurück, stehe auf und schiebe die Glastür, die zur Dachterrasse führt, zur Seite. Ein paar Sekunden lang bleibe ich im Türrahmen stehen, beobachte die Regentropfen, wie sie auf den Boden fallen, ohne einzelne wahr zu nehmen, denn dazu sind es einfach zu viele. Die Nacht ist kühl, dunkel und erfüllt vom Duft des Regens, und ich würde am liebsten für immer hier stehen bleiben, aber das geht nicht. Die Zeit rinnt.
Dann trete ich hinaus in den Regen, ziehe die Tür leise hinter mir zu, spüre die kühlen Tropfen auf meiner Haut. Meine langen blonden Haare werden nach dieser Aktion eine weitere Wäsche vertragen, aber das ist im Moment mein geringstes Problem. Im Augenblick zu gefrieren ist genau das, was ich jetzt will.
Ich streiche mir die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und renne über die Terrasse, dann springe ich ab und lande auf dem nächsten Baum. Der Stamm ist glatt und für den Bruchteil einer Sekunde befürchte ich, dass ich abrutsche, aber schließlich kann ich mich an ein paar Ästen festhalten.
Die vom Regen nassen Blätter schimmern im Mondlicht. Ich mag Nächte wie diese, die etwas einzigartiges, verzaubertes an sich haben. Manchmal wäre es schön, wenn die Sonne gar nicht mehr aufgeht, für immer gefangen in der Dunkelheit, ohne sich vor dem lästigen Licht schützen zu müssen. Aber mit jeder Sekunde rückt der Sonnenaufgang näher.
Der Baum ist groß, ich kann sogar das Auto auf der anderen Seite des Hauses entdecken. Aber ich will noch mehr sehen, also springe ich aus dem Stand einige Meter nach oben, immer weiter, und von da aus auf den nächsten Baum. Ein paar Minuten lang bin ich damit beschäftigt, im Regen von Stamm zu Stamm zu springen und möglichst viel von der Nacht in mir aufzusaugen. Erst, als ich bereits die Lichter der entfernten Stadt erkennen kann, bemerke ich, wie weit ich vom Haus weg bin. Die Idee, mir einen nächtlichen Imbiss zu gönnen, verwerfe ich sofort wieder; es wäre viel zu gefährlich. Stattdessen sollte ich zurück gehen und mir andere Klamotten anziehen, bevor jemand bemerkt, dass ich wie eine Verrückte durch die Nacht hüpfe. Ich kehre um und springe quer durch den Wald, in der Hoffnung, dass ich mich nicht komplett verirrt habe. Erleichterung überkommt mich, als ich die weißen Hauswände, die von den Bäumen nicht vollständig verdeckt werden, erkennen kann. Ungefähr hundert Meter vor meinem Ziel halte ich erschrocken inne – war da ein Schatten?
So leise wie möglich nähere ich mich dem Haus, wobei ich den Eingang im Blick behalte. Inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich tatsächlich etwas gesehen oder es mir nur eingebildet habe.
Scheinbar unberührt liegt das Haus vor mir, bis auf den Regen ist nichts zu hören. Trotzdem beschließe ich, noch einige Minuten zu warten – jetzt ist sicherlich nicht der passende Augenblick, um irgendwelche Dummheiten in Form von unüberlegten Aktionen zu machen.
Konzentriert beobachte ich den Eingang und die nähere Umgebung. Der Schatten – wenn er überhaupt echt war – befindet sich jetzt außerhalb des Mondlichts, weswegen mir das auch keine große Hilfe ist. Wären meine Augen so schwach wie die eines Menschen, würde ich überhaupt nichts erkennen.
Unwillkürlich zucke ich zusammen, als ich eine Bewegung wahrnehme.Jetzt bin ich mir ganz sicher, dass ich mir den Schatten nicht eingebildet habe. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, um wen es sich dabei handelt.
Plötzlich bekomme ich Angst. Suze und Trevor sind da drinnen, und ich wäre ebenfalls dort, hätte ich mich nicht für einen nächtlichen Sparziergang entschieden. Würde ich jetzt noch selig in meinem Bettchen schlummern, hätte man uns ohne Probleme überraschen und töten können.
Ich beobachte weiterhin die kleine, rundliche Gestalt da unten und glaube zu sehen, wie sie das Türschloss mit einem speziellen Mittel aus einer Spraydose bearbeitet, während ich fieberhaft überlege, was ich tun soll. Das ist nicht der Typ aus Paris, auf keinen Fall. Also muss der Typ aus Paris Hilfe von diesem hier haben, was heißt, dass mindestens zwei hier sind, wenn nicht sogar mehr. Sie haben keine Probleme, sich gegen einen Vampir zu verteidigen, weshalb die Möglichkeit, den einen von ihnen anzugreifen, auszuschließen ist. Also muss ich Suze und Trevor warnen und wir müssen schnellstens von hier verschwinden, wenn wir nicht unsrem verfrühten Ende ins Auge sehen wollen. Okay, ganz ruhig, sage ich mir und atme tief durch. Ablenkungsmanöver, ich muss ihn irgendwie ablenken!
Er glaubt, ich wäre im Haus, weil sonst wäre er nicht so unvorsichtig; das muss heißen, dass er nicht mit meinem Auftauchen rechnet, was aber nicht bedeutet, dass er nicht darauf vorbereitet ist. Ich könnte versuchen, unbemerkt auf die Dachterrasse zu gelangen, die Tür müsste eigentlich noch offen stehen. Dann hole ich die anderen beiden und wir machen, dass wir weg kommen.
Da das das einzige ist, was mir im Moment einfällt, beschließe ich, es zu versuchen. Ich werfe einen letzten Blick auf den Mann, der immer noch mit der Tür beschäftigt ist. Dann hole ich tief Luft und versuche gleichzeitig, mich zu beruhigen. Von hier aus ist es nicht weit, zwei Sprünge noch, höchstens drei.
Ohne über das, was dabei alles schief gehen kann, nachzudenken, lande ich auf den nächsten Baum. Die kaum wahrnehmbaren Geräusche, die ich dabei verursache, werden vom Regen übertönt.
Keine Sekunde später befinde ich mich auf der Dachterrasse. Ich werfe einen schnellen Blick nach unten – es scheint, als wäre der Typ bald fertig – und weiß, dass ich mich beeilen muss. So schnell und leise ich kann, renne ich durchs Haus. Das Zimmer, in dem Suze und Trevor schlafen, befindet sich am anderen Ende des zweiten Stocks. Ohne zu zögern reiße ich die Tür auf und rüttle Suze wach, die in Bauchlage im Bett liegt.
Bevor sie auch nur die Gelegenheit hat, sich grummelnd darüber zu beschweren, dass ich klatschnass bin, halte ich ihr den Mund zu. Sie versucht, meine Hand weg zu schlagen, aber ich flüstere nur: »Sie sind da.« Ihre Augen weiten sich vor Schreck und ich weiß, dass sie mich verstanden hat.
»Was?!«, zischt sie entsetzt und weckt Trevor, der neben ihr liegt auf, während ich schon auf dem Weg nach draußen bin. Glücklicherweise sind die Vorhänge in dem Zimmer zugezogen, sodass sie uns nicht sehen können.
»Ihr habt gesagt, sie würden uns nicht finden!« Obwohl Suze flüstert, kann ich die Verzweiflung in ihrer Stimme nur zu deutlich hören, aber ich gebe ihr zu verstehen, dass sie still sein soll.
Sollte Trevor genau so verwirrt wie sie sein, verbirgt er das jedenfalls gut. Ich gebe ihnen stumme Anweisungen und teile ihnen mit, dass wir das Haus von meinem Zimmer aus verlassen. Als wir in den Regen treten, verzieht Suze angeekelt das Gesicht, sagt aber nichts.
Nach einem kurzen Blick nach unten springe ich ins Gras und stehe den Bruchteil einer Sekunde später hinter dem Auto, während die anderen beiden oben warten. Der Kleine, der vorhin mit der Tür beschäftigt war, ist jetzt fertig und öffnet diese leise, wenn auch nicht leise genug. Obwohl ich nicht weiß, wo der andere sich befindet, gebe ich Suze und Trevor ein Zeichen, dass sie runter kommen können. Das Öffnen der Türen und das Starten des Motors werden zu laut sein, um unbemerkt zu bleiben, weswegen wir das möglichst schnell erledigen müssen.
Während ich beobachte, wie der Tür-Typ das Haus betritt, tauchen die anderen beiden neben mir auf. Ich drehe mich um, will ihnen das Zeichen zum Einsteigen geben … und erstarre. In diesem Moment fällt die erste Kugel.

K a p i t e l z w e i


Ich höre Suzes entsetzten Schrei und Trevors gezischtes »In den Wagen!«, aber mein Blick ist auf den Mann mit dem grauen Mantel und der Pistole gerichtet, der von der Hauswand aus auf uns schießt. Er ist es, da bin ich mir sicher. Obwohl ich ihn erst einmal gesehen habe, erkenne ich ihn sofort wieder: ungekämmte schwarze Haare, ein Drei-Tage-Bart, dunkle Augen, ein kräftiges Kinn. Wie beim letzten Mal hat er eine brennende Zigarette im Mundwinkel hängen. Er ist es und er wird uns töten.
Der Klang einer Kugel, die einen Scheinwerfer zerstört, holt mich aus meiner Erstarrung, lässt mich mit einem Mal begreifen, was hier vor sich geht. Wir müssen weg von hier, so schnell wie möglich.
Ich verkneife mir einen Fluch wegen des kaputten Lichts und steige stattdessen ein. Im gleichen Moment höre ich, wie die hinteren beiden Autotüren zugeschlagen werden, Suzes leises panisches Wimmern und Trevors »Fahr los!«, was ich mir nicht zweimal sagen lasse. Ich höre, wie das Auto mit zwei weiteren Kugeln beschossen wird und verziehe wütend das Gesicht. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie der Wagen aussieht.
Bevor uns eine Dritte treffen kann, sind wir außer Schussweite unseres Angreifers.
»Verfolgen sie uns?«, frage ich, da ich im Moment damit beschäftigt bin, die Straße wieder zu finden und Bäumen auszuweichen. Als ich keine Antwort bekomme, füge ich hinzu: »Alles okay?«
»Nein«, entgegnet Trevor leicht gestresst und Suze ergänzt mit schmerzerfüllter Stimme: »Er hat mich getroffen, verdammt!«
»Was?!« Ich muss dem Drang, mich nach meiner Freundin umzudrehen, unterdrücken, um nicht im nächsten Graben zu landen. Ich weiß, dass etwas nicht stimmen kann, denn wegen eines ›normalen‹ Schusses würden sie nicht so einen Aufstand machen. »Wo? Ist es sehr schlimm?«
»So, wie sich eine Holzkugel im Bein eben anfühlt«, antwortet sie mit aufeinander gepressten Zähnen. Holzkugel. Dass die Pistole mit Holz geladen war, ist definitiv schlecht, denn das bedeutet, dass sie tatsächlich über uns Bescheid wissen. Verdammt.
»Ihr müsst sie entfernen«, sage ich. Ansonsten könnte sich die Wunde entzünden, und durch das Holz ist das selbst für einen Vampir gefährlich. Dieses Problem hätten wir nicht, wenn es sich dabei um eine normale Kugel handeln würde.
»Kate hat recht. Okay, halte still«, weist Trevor Suze nach kurzem Zögern an. Die Idee scheint keinem von uns zu gefallen, auch wenn es die einzige Lösung ist. Jetzt bin ich froh, vorne zu sitzen – ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich den Anblick ohne weiteres ertragen würde.
»Du kannst einen der Blutbeutel haben«, meine ich nur an Suze gewandt. In der Kühlbox sind zwar nicht viele, aber das hier ist auf jeden Fall ein Notfall. Endlich taucht die Straße vor mir auf, und die Bäume werden etwas weniger.
»Die nächste rechts und dann gerade aus«, höre ich Trevors Stimme von hinten. Ohne weiter zu fragen, fahre ich den beschriebenen Weg; zumindest einer von uns weiß anscheinend, was wir als nächstes tun sollen. Hoffe ich jedenfalls.
»Wie konnten sie uns nur finden?«, durchbricht Suze die Stille. »Ich dachte, wir hätten sie abgehängt!«
»Es wird jedenfalls ein bisschen dauern, bis sie uns eingeholt haben«, antworte ich finster. Geschwindigkeitsbegrenzungen werden seit gestern strikt ignoriert, das ist so etwas wie eine Überlebensregel.
»Was sollen wir jetzt machen? Ich meine, wenn sie uns dort finden, dann überall!«
»Keine Sorge«, beruhigt Trevor sie, »ich weiß, wer uns helfen kann.«
»Ich hoffe stark, dass du nicht diejenige sprichst, von der ich glaube, dass du es tust.« Suzes plötzlich veränderter Stimmung und ihrem wütendem Unterton nach zu urteilen hat sie bereits erraten, um wen es sich dabei handeln wird. Und dass die nachfolgende Diskussion länger dauern wird.
»Es wird schon nicht so schlimm werden. Am Telefon hat sie -«
»Du hast mit ihr telefoniert?!«
Ich verziehe bedauernd das Gesicht. Das hätte er lieber nicht sagen sollen.
»Wir hatten das Thema schon oft genug.« Trevor klingt, als wäre er es leid, mit seiner Freundin darüber zu diskutieren. Ist ja auch nicht gerade überraschend bei der Anzahl von Streiten, die daraus bereits erstanden sind. »Außerdem ist sie wahrscheinlich die einzige, die uns helfen kann, lebend aus dieser Sache raus zu kommen.«
»Das ist mir vollkommen egal!«, fährt Suze ihn an, »Ich habe bestimmt besseres zu tun, als zu dieser Ziege zu kriechen und um ihre Hilfe zu betteln!«
»Die übernächste links«, meint Trevor nur an mich gewandt, als hätte er Suzes Worte nicht gehört.
»Wenn du da lang fährst, dann bist du tot«, faucht Suze. Zwar kann ich verstehen, dass sie nicht gerade scharf auf einen Besuch bei Gwen ist, aber angesichts der Alternativen befolge ich Trevors Anweisungen. Ich versuche, mich weiterhin auf die Straße zu konzentrieren, während Suze sich die verschiedensten Morddrohungen einfallen lässt. Nach ein paar Minuten hat sie anscheinend begriffen, dass das Zusammentreffen mit Gwen unumgänglich für sie ist, und verfällt in ein trotziges Schweigen, was im Moment eigentlich nicht mal unwillkommen ist.
Die Fahrt vergeht schnell; es ist ungefähr zwei Uhr morgens und inzwischen sind wir in Italien, als Trevor sagt »Hier müssen wir raus.« und uns somit nach Torino lotst. Trotz der Uhrzeit ist hier nicht gerade wenig los.
»Und ihr seid euch sicher, dass wir sie sehen müssen?«, fängt Suze wieder an, als wir vor einem hell beleuchteten fünf-Sterne-Hotel halten uns aussteigen, in dem Gwen offenbar zurzeit wohnt. Ich gehe zwar davon aus, dass sie irgendwo so etwas wie einen festen Wohnsitz hat, aber sie bevorzugt das Reisen; bis jetzt habe ich sie immer nur in Hotels angetroffen.
Vorsichtig begutachte ich meinen Wagen, aber Gott sei Dank ist es nicht so schlimm, wie ich befürchtete. Eine Kugel war nur ein Streifschuss, die andere dafür ein voller Treffer, weswegen der silberne Lack ziemlich mitgenommen aussieht. Ich werde ihn trotzdem in eine Werkstatt bringen müssen, aber das muss vorerst warten.
»Wenn dir etwas besseres einfällt, her damit«, entgegnet Trevor nur und betritt die große, in einfachen Grau- und Weißtönen gehaltene aber trotzdem moderne und mit Orchideen ausgestattete Lobby. An der Rezeption fragt er einen etwas müde wirkenden Portier nach Gwendolyn Charles, die sich nach Auskunft des Mannes in Zimmer 815 befindet. Dann manipuliert er seine Erinnerung und lässt ihn so vergessen, dass er uns gesehen hat, sicher ist sicher.
Im Aufzug dürfen wir uns Suzes Gejammere über ihr schmerzendes Bein, das Trevor notdürftig verbunden hat, und zwei weitere Male die Frage, ob das hier tatsächlich nötig ist, anhören, aber glücklicherweise sind die Aufzüge in diesem Hotel schnell. Zwar kann ich verstehen, dass es weh tun muss, aber mit ihrer Darstellung der Schmerzen übertreibt sie definitiv.
Schließlich befinden wir uns vor dem Zimmer, in dem sich Gwen momentan aufhalten müsste. Bevor Suze einen letzten Versuch starten kann, das ganze abzublasen, wird auf Trevors Klopfen hin die Tür geöffnet. Vor uns steht ein Vampir mit dunkelblonden Locken, braunen Augen und einem spitzen Gesicht. Eigentlich ist Gwen ein paar Zentimeter kleiner als ich, aber durch die Plateauschuhe, für die sie offensichtlich eine Vorliebe hat, befinden wir uns auf Augenhöhe.
»Trevor!«, ruft sie erfreut und fällt ihm um den Hals, nach einem ebenso gut gelauntem »Katherine!« bin ich dran. Als Suze an der Reihe ist, friert ihr Lächeln allerdings ein. »Susan, du bist auch dabei? Seid ihr also immer noch zusammen.«
»Tja, wahre Liebe währt eben ewig«, entgegnet Suze zuckersüß und schiebt sich ins Zimmer. Trevor neben mir seufzt leise und folgt den beiden. Ich weiß, dass es schlimm ist, wenn die beiden zusammen in einem Raum sind, aber noch schlimmer ist es, wenn nicht. Wenn Trevor nämlich Gwen ohne Suze besucht, diese aber davon weiß, malt sie sich alles mögliche aus, was die beiden in der Zwischenzeit treiben könnten. Davon, dass das kompletter Unsinn ist, weil Trevor sie niemals betrügen würde, will sie überhaupt nichts hören, da sie denkt, dass immer noch etwas von den ›alten Zeiten‹ gegenwärtig ist. Dass sie so unsicher deswegen ist liegt daran, dass Gwen und Trevor vor ungefähr drei Jahrhunderten mal was miteinander hatten. Gwen und ihre Schwester Laverna, die ich allerdings nur vom Hörensagen kenne, da kaum einer sie jemals zu Gesicht bekommt (sie hat ein paar Leute, über die sie vermittelt und die sie regelmäßig auswechselt, damit sie unerkannt bleibt), sind die zwei ältesten Vampire, von deren Existenz ich weiß. Gwen hat Trevor verwandelt, der mich verwandelt hat. Vor 60 Jahren ist er Suze begegnet und hat in ihr die Liebe seines Lebens gefunden; die beiden waren zwei Jahre lang zusammen, bevor er sie zu einer von uns gemacht hat.
»Schön hast du's hier«, meint Trevor und reißt mich somit aus meinen Gedanken. Er hat recht: Die Suite ist einfach riesig. Es gibt ein extra Schlaf- und Badezimmer, und in dem Raum, in dem wir uns gerade befinden, sind eine Couch, eine Einbauküche, ein Regal, ein Fernseher und weitere Dinge wie diese. Das Ganze könnte genauso gut eine Wohnung sein.
»Also, wir dürfen keine Zeit verlieren«, meint Gwen und wirft ihr langes Haar in den Nacken. Scheinbar ist sie bereits bestens informiert. »Alle mal mitkommen!« Sie führt uns in eines der Nebenzimmer, wo zwei große Schränke stehen, deren Türen sie schwungvoll aufreißt.
»Bedient euch ruhig, ich hab kein Problem damit. Umziehen könnt ihr euch entweder hier oder im Bad. Trevor, du kannst dir was von Mason leihen, ich glaube kaum, dass er was dagegen hat. Ich meine, ich kann euch ja nicht weiterhin in diesen Klamotten herum rennen lassen, oder?«, erklärt sie grinsend, wobei ich glaube, dass ihr das, was Suze angeht, nicht so wichtig ist.
Ein kurzer Blick auf meine aktuelle Bekleidung bestätigt, dass Gwen recht hat: die schwarze Jogginghose, die inzwischen schon wieder getrocknet ist, hat bestimmt schon bessere Zeiten gesehen, ebenso wie das bedruckte T-Shirt. Und wer hat schon etwas gegen ein paar Designerklamotten von einer guten Freundin?


Kurz darauf trage ich eine schwarze Jeans und eine kurzärmlige blau-rot karierte Bluse, die mir nur ein klein wenig zu groß ist, aber dafür zu meinen blauen Augen passt. Die Ballerinas, die Gwen mir gegeben hat, passen mir glücklicherweise wie angegossen, Suze dagegen scheinen ihre zu klein zu sein, auch wenn sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Sie ist sowieso nicht gerade froh darüber, in den Klamotten ihrer selbst erklärten Erzfeindin in deren Zimmer zu sitzen, aber, wie schon gesagt, es wäre noch schlimmer, wenn sie draußen warten würde. Ihre roten Haare hat sie hochgesteckt, sie trägt eine dunkle Hose und ein geblümtes Top und hat einen dauerhaften leicht überheblichen Gesichtsausdruck, über den ich nur die Augen verdrehen kann. Das hier ist ja schlimmer als in einer High School.
»Gut«, fängt Gwen an und setzt sich neben Trevor auf die Couch, wofür sie von Suze einen finsteren Blick erntet, »was ist euer Problem?«
»Als würde das dich etwas angehen«, entgegnet Suze kühl, obwohl sie weiß, dass wir Gwen zwangsläufig davon erzählen müssen, und Trevor sagt: »Achte gar nicht auf sie.«
»Wir werden verfolgt«, erkläre ich ernst, bevor Suze etwas auf Trevors Rat erwidern kann (sie wird ihm nachher sowieso die Hölle heiß machen, darauf kann er sich jetzt schon seelisch vorbereiten), »so seltsam es auch klingen mag.«
»Und du wirst uns niemals glauben, von wem«, ergänzt Trevor, als stünde seine Freundin nicht kurz davor, Gwen die Augen auszukratzen.
»Von Menschen!«, rede ich weiter, da Suze dadurch vielleicht von ihrem Vorhaben abgelenkt wird, »Ist das zu fassen? Die zwei glauben anscheinend, sie wären so etwas wie Profi-Vampirjäger, bloß, weil sie mit ein paar Holzkugeln auf uns schießen! Glauben, sie könnten uns im Schlaf überraschen und uns still und heimlich pfählen.«
»Erzähl mal von vorne«, verlangt Gwen, die sich Trevors Rat anscheinend zu Herzen genommen hat, Stirn runzelnd, »wie habt ihr sie, eh, kennen gelernt?«
»Also«, beginne ich, »gestern in der Früh waren Suze und ich auf der Suche nach einem kleinen Snack, und haben uns einen Typen geteilt. Eigentlich war alles wie immer, bis Suze ein paar Stunden später Besuch von einem Vampirjäger gehabt hat, der ihr seelenruhig erklärt hat, dass er sich für den Tod seines Bruders an uns rächen wird. Ich meine, was bildet der sich überhaupt ein? Es war ihren Angaben nach zwar zugegebener Maßen ein wenig schwierig, ihm zu entkommen, aber sie hat es geschafft. Jedenfalls haben wir beschlossen, ihn zu ignorieren, weil was kann uns so einer schon antun? Die Antwort darauf haben wir bekommen, als er auch noch mich ausfindig gemacht hat. Dann sind wir zu dem Entschluss gelangt, dass es doch besser wäre, so schnell wie möglich aus Paris zu verschwinden.«
»Du hast die Frist vergessen«, erinnert mich Trevor.
»Ah, genau, die Frist. Jedenfalls hat der Typ gemeint, dass wir ab dem Tod von seinem Bruder nur noch vierundzwanzig Stunden zu leben hätten, spätestens dann hätte er uns erwischt. Völlig irre der Typ, oder?«
»Und wann habt ihr ihn umgebracht?«
»Das war … mal überlegen … gestern um halb sieben am Morgen.« Mein Blick wandert zu der Uhr, die auf einer Kommode steht. Kurz nach halb drei. Noch fünf Stunden.
»Und sie hätten euch vorhin fast erwischt?«
»Ja«, antwortet Trevor, »und das ist das Problem. Wir haben nämlich wirklich gedacht, wir hätten sie abgehängt.«
»Kennt ihr seinen Namen?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein, bis jetzt hatten wir noch keine Gelegenheit, uns einander vorzustellen. Auch wenn er scheinbar bestens über uns Bescheid weiß«, füge ich finster hinzu.
»Ich verstehe«, sagt Gwen langsam. »Und dass sie euch mit Holz angreifen bedeutet, dass sie tatsächlich wissen, wie man Vampire töten kann … einen Moment bitte.« Sie geht ins Schlafzimmer, kommt mit einem silbernen Laptop in der Hand zurück und setzt sich wieder zu uns. Suze hebt skeptisch eine Augenbraue und murmelt etwas wie »Das Problem zu googlen wird uns auch nicht weiter bringen.«, aber Gwen beachtet sie gar nicht.
Ein paar Sekunden später ist er hochgefahren. Sie gibt etwas ein und stellt ihn dann auf den Tisch, damit wir den Bildschirm sehen können.
Die Website ist einfach gestaltet, ohne irgendwelche überflüssigen Werbeanzeigen oder ähnliches, und sieht dennoch ziemlich offiziell aus. Sie ist in Grautönen gehalten und auf Englisch. Ganz oben ist ein Banner mit der Aufschrift ›TIVHO – The International Vampire Hunter Organisation‹. Stirn runzelnd betrachte ich das Ganze, denn was ich da sehe, gefällt mir definitiv nicht. Ein Nest voller Anti-Vampir-Fanatiker hat mir gerade noch gefehlt.
Nach ein paar Klicks muss Gwen sich erneut einloggen, dann ist sie auf einer Seite, auf der eine Liste von Menschen zu sehen ist; laut der Überschrift dürften das die Jäger sein.
»Ist es einer von diesen hier? Erkennt ihr ihn wieder?«, erkundigt sich Gwen und überlässt Trevor die Maus, der ohne weitere Fragen zu stellen langsam nach unten scrollt. Neben den Namen, die dem Nachnamen nach alphabetisch geordnet sind, befindet sich ein Bild der jeweiligen Person, bei manchen steht ›im Einsatz‹.
Fynn Abbey, Sadie Abrams, Terry Adair, Nick Alexander, Victoria Andrews … schweigend gehen wir die Liste, die ziemlich lang zu sein scheint, durch. Und viel zu viele der Aufgezeigten sind als im Einsatz tätig gekennzeichnet.
Ian Bourdon, Ryan Bray, Rachelle Brooks, Malcolm Bistow, Lee Bryant, Dan Burke, Heath Byrd, Becca Carman, Jack Carrow, James Carrow, Nathaniel Carr- Moment.
»Das ist er«, meint Suze und deutet auf Jack Carrow. Sie klingt ruhig und gelassen, aber ich weiß, wie aufgeregt sie in Wirklichkeit ist.
»Bist du dir sicher?« Man kann den besorgten Unterton in Gwens Stimme nur allzu gut hören.
»Auf jeden Fall«, bestätige ich, »und das« - ich deute auf den Typen unter ihm - »ist der, den wir in Paris getötet haben.«
»Er war also auch ein Jäger«, stellt Gwen nachdenklich fest und lässt sich auf die Couch sinken. Abwesend wickelt sie eine Haarsträhne immer wieder um ihren Finger, was mich ehrlich gesagt verunsichert. Ich habe gedacht, dass, wenn uns jemand helfen kann, sie es ist.
Trevor offensichtlich auch, denn er fragt: »Und was, eh, bedeutet das jetzt?«
»Das bedeutet«, antwortet sie nach einigen Sekunden, »dass ihr ein gewaltiges Problem habt.«
»Als hätten wir das nicht schon vorher gewusst«, erwidert Suze trocken.
»Nein, das meine ich nicht«, entgegnet Gwen. »Und ihr seid euch wirklich zu hundert Prozent sicher, dass das der ist, der euch verfolgt?«
Ich klicke auf ›Jack Carrow‹ und lande auf einer Seite, die scheinbar sein Profil ist. Neugierig scrolle ich zu ›aktueller Auftrag‹, aber um das sehen zu können, muss man erneut ein Passwort eingeben. Unter ›Partner‹ steht der Name Easton Longstaff; der Link bringt mich zum Profil des Mannes, der derjenige sein muss, der das Schloss an Trevors Haus beschädigt hat.
»Ja.« Trevor klingt inzwischen schon leicht genervt. »Jetzt sag schon, was daran so schlimm ist.«
»Also gut«, sagt Gwen und ich sehe auf, »The International Vampire Hunting Organisation ist – wie der Name schon sagt – eine internationale Vereinigung von Vampirjägern. Sie ist streng geheim, nicht einmal Laverna weiß, wo sich der Hauptsitz befindet. Es hat Stunden gedauert, bis Mason es geschafft hat, sich in ihr System zu hacken, außerdem ist das allem Anschein nach sowieso nicht mehr die neueste Version. Das meiste, was wir über diese Organisation wissen, haben wir uns mithilfe verschiedener Informanten zusammengereimt. Es gibt leider nicht viele, die einem Jäger entkommen können, wenn er erst einmal auf sie angesetzt ist, aber unter gewissen Voraussetzungen wäre es durchaus möglich.«
»Na also«, meint Trevor, der anscheinend Hoffnung geschöpft hat, »du kannst uns erklären, wie wir diese Typen los werden, und das Problem ist ein für alle mal geklärt.«
»So einfach ist es aber nicht«, wendet Gwen ein, »ich meine, es wäre sicher machbar, wenn es sich um einen ›normalen‹ Jäger handeln würde, aber … Jack Carrow ist einer der Besten, und wenn ich das so sage, meine ich es auch so. Für einen Vampir, der bereits über hundert Jahre alt ist, ist es schon schwer, einem Anfänger zu entkommen – die sind wirklich verdammt gut ausgebildet.«
»Also sind wir verloren«, stellt Suze nüchtern fest. Wäre Gwen nicht hier, wäre sie nach dieser Aussage vollkommen ausgeflippt, aber jetzt ist sie ganz ruhig. Einige Sekunden lang herrscht Schweigen und ich kann nur die Geräusche des Verkehrs vor dem Hotel hören. Dann murmelt Gwen: »Nein … nein, ihr seid vielleicht nicht verloren.«
Sie steht auf, geht quer durch den Raum und kramt in einer der Handtaschen, die auf dem Boden der Garderobe liegen.
»Passt auf«, erklärt sie, »ich sage euch das nur, weil ich weiß, dass das der einzige Weg ist, um zu überleben. Euch muss klar sein, dass ich das mache, weil ihr mir wirklich am Herzen liegt … jedenfalls ein paar von euch. Außerdem kann ich euch nicht garantieren, dass es funktioniert, wir können also nur das Beste hoffen. Es wird nicht ganz einfach werden, und es kann sein, dass ihr es nicht rechtzeitig schafft.«
»Jetzt sag schon«, verlangt Trevor, der sie aus seinen braunen Augen mit einer Mischung aus Ungeduld und Besorgnis ansieht. Sollte es tatsächlich noch einen Weg geben, dieser Katastrophe lebend zu entkommen, brauchen wir ihn so schnell wie möglich.
»Moment, ich brauche noch … wo ist der bloß ...« Gwen durchwühlt die zweite Handtasche, während Suze hörbar seufzt.
»Da!«, ruft sie nach einigen Sekunden und hält triumphierend einen kleinen Zettel in der Hand.
»Ja, das müsste er sein«, meint sie zufrieden und übergibt ihn Trevor.
»Venedig?«, fragt er ungläubig. Ich reiße ihn den Zettel aus der Hand. Darauf steht Charlotta Kingston, darunter eine Adresse. Ja, definitiv Venedig.
»Es ist eure einzige Chance, okay?«, entgegnet Gwen ernst, »Ihr solltet Charlie so schnell wie möglich finden.«
»Wieso sollte sie uns helfen können, wenn nicht mal die großartige Gwendolyn es kann?«, meint Suze verächtlich.
Gwen verdreht die Augen und antwortet ruhig: »Weil sie über eine gewisse Menge von Magie verfügt, die ihr es möglich macht, die Jäger von eurer Spur zu bringen.«
»Das heißt, sie ist eine Hexe?«, hake ich neugierig nach. Zwar habe ich einige Gerüchte über Hexen und ihre Existenz gehört, aber da mir in meinen zweihundertzweiundneunzig Jahren noch keine begegnet ist, dachte ich, sie wären nichts weiter als … Gerüchte eben. Aber offensichtlich ist dem anders.
Gwen nickt. »Hexen sind auf Vampire eigentlich nicht sonderlich gut zu sprechen, aber ich kenne Charlie schon seit ihrer Kindheit und kann mit Sicherheit sagen, dass sie eine Ausnahme machen wird. Solange ihr nicht in der Öffentlichkeit verbreitet, dass ihr wisst wo sie wohnt, oder überhaupt von ihr sprecht, dürfte das kein Problem sein.«
»Danke für deine Hilfe«, meint Trevor lächelnd.
»Gern geschehen. Allerdings solltet ihr jetzt schnellstens von hier verschwinden, damit ihr es noch rechtzeitig zu ihr schafft; nicht nur wegen der Jäger, sondern auch, weil in ein paar Stunden die Sonne aufgeht.«
»Nichts lieber als das«, murmelt Suze unüberhörbar und steht auf. Ich stecke den Zettel mit Charlies Adresse in meine Hosentasche und umarme Gwen zum Abschied.
»Wenn die Sache hier vorbei ist, besuche ich dich mal wieder«, verspreche ich.
»Ihr wisst, wie ihr mich finden könnt«, antwortet sie und zwinkert Trevor vielsagend zu.
»Seid ihr jetzt endlich fertig?« Suze sieht aus, als würde sie ihren Freund gleich aus dem Zimmer zerren. »Kommt schon, wir müssen uns beeilen.«
»Ist ja schon gut«, besänftigt Trevor sie. An Gwen gewandt sagt er: »Schön, dich mal wieder gesehen zu haben. Ich hoffe, wir haben beim nächsten Mal mehr Zeit.«
»Wenn du dann alleine kommst, bestimmt«, meint sie grinsend.
»Wobei ich auf ein Wiedersehen liebend gerne verzichten würde«, kommt es von Suze, die inzwischen schon die Tür geöffnet hat. Nach einem »Danke nochmal« von mir und einer Umarmung von Trevor folgen wir ihr schließlich.
»Das war ja nicht auszuhalten«, zischt sie, als wir wieder in der Lobby sind. Der Portier, der immer noch an der Rezeption steht, nickt uns müde zu.
»Ihr solltet eure Probleme dringend mal bei einem Kaffeekränzchen oder so ausdiskutieren«, schlage ich grinsend vor, woraufhin Trevor meint: »Oder ihr verbringt zusammen ein Wellnesswochenende, irgendwo in der Schweiz, nur ihr Mädels. Ich würde es euch sogar spendieren!«
»Genau, und dazu laden wir unsre alten Freunde Jack und Easton ein«, fügt Suze trocken hinzu.

K a p i t e l d r e i


G e j a g t

K a p i t e l d r e i


»Kate … Kate. Kate! Kate! Aufstehen! Komm schon, das Frühstück ist fertig, es gibt Pfannkuchen und Sirup und Spiegelei, und heute Nachmittag kommt Oma vorbei. Oh, und hast du schon gehört, Jack will uns mal wieder besuchen, er bringt sogar Easton mit! Du erinnerst dich doch an Jack, oder? Du weißt schon, damals, in den guten alten Zeiten … Paris … die Stadt der Liebe … weißt du noch? … Himmel, so tief kannst du gar nicht schlafen!«
»Ist ja schon gut«, murmele ich müde, wobei ich bezweifle, dass sie mich überhaupt verstanden hat, und drehe mich in der Hoffnung, endlich in Ruhe gelassen zu werden, zur Seite, woraufhin ich den Halt verliere und auf den Boden falle. Was ist mit meinem Bett passiert?
»Ich frage mich sowieso wie du es schaffst, im Auto zu schlafen. Ich meine, einen unbequemeren Ort gibt es ja wohl kaum!«
Auto. Ach, stimmt ja. Verdammt. »Das nächste Mal machen wir einfach eine Nacht lang in einem Hotel halt und fragen unsre lieben Freunde Jack und Easton einfach, ob sie nicht ein bisschen warten könnten, bis uns was eingefallen ist, um sie los zu werden. Und überhaupt – Sirup und Spiegelei? Na lecker.«
»Sobald wir das hier hinter uns haben, besorge ich mir ein Kochbuch, versprochen. Und jetzt komm endlich, Trevor wartet schon.«
Langsam richte ich mich auf, wobei ich vor Schmerz das Gesicht verziehe. Mit einem hat Suze definitiv recht: Es gibt kaum einen unbequemeren Schlafplatz als die Rückbank eines Autos. Allerdings war ich so müde gewesen, dass mir das ziemlich egal gewesen ist, auch wenn ich lediglich ein paar Stunden schlafen konnte. Ich werfe einen Blick auf die Uhr; es ist kurz nach fünf. Bei dem Gedanken, dass wir möglicherweise nur noch eineinhalb Stunden zu leben haben, wird mir übel.
Nicht daran denken, sage ich mir und erinnere mich daran, dass das Ganze bald vorbei sein wird. Wir haben einen Plan, wegen dem wir hier sind. Charlie wird uns helfen, bestimmt. Und wenn nicht, dann … ist das Ganze bald endgültig vorbei.
Bevor ich aussteige, begutachte ich mich noch kurz im Rückspiegel, nur um zu erkennen, dass ich grässlich aussehe. Die Bluse ist zerknittert, meine Augen sehen aus, als hätten sie dringend noch ein paar weitere Stunden Schlaf nötig, und meine Haare … man erkennt deutlich, dass das nicht der ideale Schlafplatz war.
Trevor und Suze warten bereits ungeduldig auf mich, also fahre ich mir notdürftig mit der Hand durch die Haare und steige ebenfalls aus. Die Sonne wird zwar erst in ein paar Stunden aufgehen, aber trotzdem hat Trevor, dem ich bei der Aussicht auf wenigsten ein bisschen Schlaf ohne zu murren die Autoschlüssel übergeben habe, dort geparkt, wo nachher Schatten sein wird. Allerdings werden wir sowieso Glück haben, so wie es aussieht, denn der Himmel ist voller Regenwolken.
»Na endlich«, meint Trevor, aber ich gähne nur herzhaft.
»Wir haben noch genügend -«, will ich mich verteidigen, aber Suze fällt mir ins Wort, indem sie sagt: »Nein, wir haben nicht genügend Zeit. Wir sollten uns beeilen!«
»Ist ja schon gut«, murmele ich und sehe mich um. Ein paar wenige Menschen sind auf den Straßen unterwegs, vor einem Café wischt ein älterer Mann die Tische ab und stellt Stühle auf. Niemand scheint uns besondere Beachtung zu schenken – gut so. »Wisst ihr, wo sie wohnt?«
»Gleich da hinten«, antwortet Trevor und deutet vage in eine Richtung. »Kommt mit.«
Dass Venedig eine wirklich schöne Stadt ist, fällt mir auf, als wir auf dem Weg zu Charlie sind. Die Brücken, die Kanäle, die schmalen Häuser … dass man hier stets das Wasser gegen die steinernen Mauern klatschen hört, gefällt mir. Ich werde wiederkommen, wenn wir die beiden los sind. Oder gleich hier bleiben, dann könnten Trevor und Suze sich um das Haus kümmern und ihre Zweisamkeit in vollen Zügen genießen.
Falls ihr überhaupt noch dazu kommen werdet, erinnert mich eine Stimme in meinem Kopf, die ich zu ignorieren versuche. Immer schön positiv bleiben, sage ich mir stattdessen. Wir werden es schaffen, ganz sicher.
Trevor bleibt vor einem älteren Haus stehen, das – wie alle andern hier – eine Renovierung dringend nötig hat, obwohl es eigentlich nicht ganz so schlimm aussieht. Auf einem hölzernen Schild, das offensichtlich schon die verschiedensten Unwetter überlebt hat, steht in altmodischen Lettern ›Bar Chiantara‹. Durch die großen Fenster kann man die Tische im Inneren erkennen, an den Wänden hängen Auszeichnungen und eine Dartscheibe. Es gibt zwei Türen, die eine führt direkt in die Bar, die andere wahrscheinlich in ein Treppenhaus. Die Bar scheint zwar noch geschlossen zu sein, aber im inneren des Hauses sind deutlich Schritte zu hören, die aus dem ersten Stockwerk kommen.
»Hier ist es«, sagt Trevor und betätigt die Klingel mit der Aufschrift ›S. & C. Kingston‹, die sich neben der Tür befindet. Kurz darauf ist ein Summen zu hören und wir können nach drinnen, wo es angenehm kühl ist. Blitzschnell laufen wir in den ersten Stock.
Eine Frau, ich schätze sie auf Anfang dreißig, hat uns die Tür geöffnet. Jetzt steht sie im Rahmen ihrer Wohnungstür und sieht uns aus ihren dunkelbraunen Augen erwartungsvoll an, allerdings wirkt sie nicht so, als habe sie unser Besuch vollkommen überrascht. Sie trägt ein dunkelrotes Trägertop, das gut zu ihren ebenfalls dunkelbraunen, schulterlangen Locken passt, dazu Jeansshorts. Ihren schmalen Hals ziert eine silberne Kette.
»Buongiorno«, begrüßt sie uns, winkt uns zu sich in die Wohnung und sagt dann auf Englisch mit leichtem Akzent: »Ich habe euch bereits erwartet.«
»Sie müssen Charlotta sein«, fängt Suze schüchtern an und folgt ihr durch den schmalen Flur.
»Charlie reicht«, antwortet sie und ich höre ein Lächeln in ihrer Stimme. Sie betritt einen Raum links neben uns, wo sich anscheinend die Küche befindet. Sie ist zwar nicht besonders groß, aber dennoch ist für uns alle Platz.
»Setzt euch«, bietet sie uns an und wir lassen uns auf der Eckbank, vor der ein rechteckiger Holztisch steht, nieder, auch wenn es etwas eng ist, während sie sich auf einen ziemlich wacklig aussehenden Stuhl gegenüber von Suze setzt.
Ich überlege, was ich sagen könnte (ein Yo, also, würde es dir was ausmachen, diese Typen für uns zu beseitigen? kommt mir etwas fehl am Platz vor), denn ehrlich gesagt bin ich etwas überrascht von ihrer Art, uns ohne weitere Fragen in ihre Wohnung zu lassen, aber glücklicherweise übernimmt Trevor diesen Part.
»Gwendolyn sagte, Sie würden uns bei einem gewissem Problem weiterhelfen können«, beginnt er ernst und ohne Umschweife, aber bevor er fortfahren kann, fällt Charlie ihm ins Wort.
»Sie müssen wissen, dass Vampire und Hexen sich nicht sonderlich gut verstehen«, sagt sie ebenso ernst, »aber das hat Gwendolyn Ihnen schon sicher erklärt. Ich selbst halte mich normalerweise so weit wie möglich von Wesen wie Ihnen fern, um zu verhindern, dass irgendwer auf die Idee kommt, dass Hexen die ideale Waffe gegen sonstige Erdenbewohner sind, oder ähnliches. Das letzte, was ich will, ist in irgendeinen Kleinkrieg zwischen wem auch immer mit reingezogen zu werden.«
Ich merke, wie sich Enttäuschung in mir breit macht. Heißt das, dass sie uns nicht helfen wird, dass alles umsonst war und wir nur noch auf die Jäger warten können?
Gerade, als ich das fragen will, redet sie weiter.
»Allerdings«, wirft sie ein und hat damit wieder meine Aufmerksamkeit, »denke ich, dass ich bei Freunden von Gwendolyn eine Ausnahme machen kann, solange ihr das Ganze für euch behaltet. Soll heißen, dass kein Mensch, Vampir oder auch nur ein anderes Lebewesen außer mir, euch beiden und Gwen jemals davon erfahren wird, ansonsten werden das hier tatsächlich eure letzten Stunden sein. Ist das klar?«
Ich nicke ein klein wenig eingeschüchtert, Suze und Trevor ebenfalls, aber insgeheim bin ich einfach nur erleichtert, weil der Weg nicht umsonst war, weil es doch noch so etwas wie eine Chance gibt, diesem Albtraum zu entkommen.
»Sehr schön.« Charlie erhebt sich lächelnd und geht zur Spüle, über der ein Holzschrank hängt, aus dem sie eine Kanne und einen Teebeutel holt. »Wollt ihr auch was? Ich darf euch doch duzen, oder? Ansonsten ist es so förmlich.«
Während sie das Wasser aufsetzt, werfe ich den anderen einen überraschten Blick zu und bemerke, dass Suze Trevor auffordernd anstößt. Nachdem sich die beiden ein kurzes Blickduell geliefert haben, aus dem – wie eigentlich immer – Suze als Sieger hervorgeht, sagt er zögerlich: »Eh, also die Sache ist die … wir haben nicht direkt viel Zeit. Um genau zu sein, haben wir nur noch ungefähr eine Stunde.«
»Keine Sorge, das bekomme ich hin«, meint Charlie zuversichtlich und holt vier Tassen aus dem Schrank, »aber um euch helfen zu können, muss ich zuerst wissen, wie es dazu gekommen ist. Außerdem hatte ich bis jetzt noch nicht die Gelegenheit dazu, in Ruhe zu Frühstücken.«
Sie stellt die Tassen auf den Tisch und setzt sich erwartungsvoll zu uns. Mit Unterbrechungen von Trevor und Suze, denen ständig ein paar mehr oder weniger wichtige Details einfallen, erzähle ich unsere Geschichte zum zweiten Mal in dieser Nacht (denn als ›Morgen‹ kann ich diese Uhrzeit beim besten Willen nicht bezeichnen, auch wenn es da manchen anders gehen mag). Als ich schließlich fertig bin, hat bereits jeder eine Tasse Tee getrunken, einschließlich Charlies Ehemann Samuel, der ungefähr nach der Hälfte der Geschichte ebenfalls zu uns stößt und ihr aufmerksam folgt, während Charlie selbst nachdenklich mit ihrer silbernen Kette spielt. Als ich genauer hin sehe, erkenne ich einen Anhänger in Form einer Muschel.
»Verstehe«, murmelt Charlie leise, wickelt die Kette um ihren Finger und schenkt sich das letzte Bisschen Tee, das sich noch in der Kanne befindet, ein. »Ja, ihr habt wirklich ein Problem.«
»Aber du wirst uns helfen können, oder?«, fragt Suze, wobei sie den leicht verzweifelten Unterton in ihrer Stimme nicht vollkommen verbergen kann.
»Ja, ich denke schon, dass ich das hinbekomme. Allerdings wird es ein wenig dauern, die passende Formel zu finden, was« - sie wirft einen kurzen Blick auf die Küchenuhr, laut der es zwanzig nach fünf ist - »aber auch zu schaffen ist. Keine Sorge, es wird funktionieren«, versichert sie uns. Ich kann nur hoffen, dass sie damit recht hat.


Die nächste halbe Stunde verbringen wir damit, nervös in einem nicht allzu großen Hinterzimmer in Charlies Wohnung zu sitzen, während Charlie selbst sämtliche Bücher, die sich in dem Regal an der Wand befinden, aufschlägt, durchblättert, ein paar Zeilen liest und sie mit einem Kopfschütteln zurück an ihren Platz stellt, wobei meine Nervosität bei jeder Wiederholung dieser Prozedur ein wenig steigt. Inzwischen bin ich schon so weit, dass meine Finger unkontrolliert auf den kleinen runden Tisch, vor dem ich sitze, trommeln, weswegen ich regelmäßig genervte Blicke von den anderen ernte, allerdings hält sich Suze zurück, was wohl daran liegt, dass sie ihre Fingernägel abkaut. Charlie scheint das Ganze nicht weiter zu stören, also ist der einzige, der einen Grund hat, sich über uns zu beschweren, Trevor.
Ich überlege, ob ich anbieten soll, mich an der Suche zu beteiligen, aber ich glaube nicht, dass sie das erlauben würde, deshalb bleibe ich einfach still auf meinem Platz sitzen, bin weiterhin nervös und rede mir ein, dass alles gut gehen wird. Inzwischen befürchte ich nur, dass das eher ein Wunsch ist, als ein Versprechen.
Man sollte meinen, dass man in meinem Alter genug vom Leben hat, dass man alles erledigt hat, was man sich vorgenommen hat, alles gesehen hat, was man sehen wollte und alles erlebt hat, was man erleben wollte. Dass man irgendwann alles wichtige getan hat, dass man bereit ist, Abschied zu nehmen. Aber die Wahrheit ist wahrscheinlich, dass Unsterblichkeit nicht automatisch der Schlüssel zur ›Vollkommenheit‹ oder was auch immer ist, denn ich habe definitiv noch nicht alles erledigt. Das liegt nicht daran, dass ich keine Zeit hatte, ganz im Gegenteil – ich dachte, ich hätte noch Zeit, mehr als genug, um das alles später zu erledigen, es immer weiter zu verschieben.
Beim Gedanken an all die verpassten Chancen wird mir schlecht. Verdammt, warum konnte ich mich nie dazu aufraffen, all das zu tun?
Weil mir das Dasein als Vampir immer eine gewisse Sicherheit gegeben hat. Wer hätte denn schon ahnen können, dass so etwas passiert? Ärgerlich kneife ich die Augen zusammen und vergesse für einen Moment, den Tisch weiterhin mit meinen Fingerspitzen zu malträtieren. Es ist sinnlos, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen, aber andererseits lautet die Alternative ›Warten, bis irgendetwas passiert‹, was im Endeffekt sowieso das Gleiche sein wird.
Ich versuche, mich mit dem Vorsatz, dass ich all das nachholen werde, zu beruhigen, was aber auch nicht so richtig funktioniert, also kann ich nur hoffen, dass Charlie bald das, nach dem sie sucht, finden wird.
Ich bemerke die unsicheren Blicke, die Suze mir zuwirft, und schüttele langsam den Kopf, als sie Andeutungen macht, etwas zu sagen. Sie hat aufgehört, ihre Fingernägel mit den Zähnen zu bearbeiten, und mustert jetzt ziemlich eindringlich das Zimmer, in dem wir uns befinden. An der Decke hängt eine einzelne Glühbirne, die den Raum mehr schlecht als recht in schwaches Licht taucht, aber Charlie scheint es zu genügen.
Durch die beiden Fenster dringt kaum Licht, da sie mit einigen Holzbrettern spärlich abgedeckt sind. Auf Suzes Frage nach dem Warum hat Charlie geantwortet, dass sie sich im Dunkeln einfach besser konzentrieren könne. Ich sitze auf einem alten Stuhl gegenüber der Fenster; vor mir steht ein Tisch, daneben befindet sich ein altes graues Sofa, auf dem Trevor und Suze Platz genommen haben. Auf der anderen Seite des Raums ist das Regal, vor dem Charlie steht, ansonsten sind hier keine weiteren Möbel. Dafür liegt auf dem Boden ein großer, antik aussehender Teppich, laut Charlie ein Erbstück ihrer Familie. Daneben befinden sich zahlreiche Kerzen, von denen die meisten mindestens bis zur Hälfte hinunter gebrannt sind und deren Wachs miteinander verschmolzen ist; ein schöner Anblick, wie ich finde.
»Hier.« Charlies Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
»Ist es das?«, fragt Suze zögerlich und beäugt das in Leder gebundene Buch, das Charlie in der Hand hält. Der Einband sieht aus, als würde er beim kleinsten Windhauch auseinander fallen, und die Seiten sind vergilbt. Es scheint ziemlich alt und ebenso wertvoll für Charlie zu sein.
»Wenn ich hier nichts finde, dann nirgends«, meint sie nur, setzt sich im Schneidersitz auf den Teppich und blättert behutsam die Seiten um, während wir sie angespannt beobachten und Suze die radikale Kürzung ihrer Fingernägel wieder aufnimmt. Trevor starrt mit gerunzelter Stirn auf das Buch, als wolle er die richtige Seite per Telepathie herauf beschwören, und mir kommt der Gedanke, dass das vielleicht ganz hilfreich wäre.
Nach ein paar Minuten durchbricht Charlie endlich die erdrückende Stille, indem sie sagt: »Ich habe es gefunden.«
»Bekommst du das hin?«, fragt Suze aufgeregt und ich werfe einen Blick auf die aufgeschlagene Seite. Darauf sind ein paar Zeichnungen abgebildet, aber den Text, der daneben steht, kann ich nicht lesen, da er in einer fremden Sprache geschrieben ist. Ich denke, es ist Latein, aber sicher bin ich mir nicht.
»Natürlich«, antwortet Charlie selbstsicher, »wie oft soll ich euch das noch sagen? Wir haben noch genügend Zeit, um den Zauber durchzuführen und seine Wirkung entfalten zu lassen. Solange eure beiden Freunde nicht gegen ihren eigenen Zeitplan verstoßen, müssten wir es problemlos hinbekommen.«
»Wie wirst du vorgehen?«, erkundige ich mich neugierig. Das Bild, das ich im Kopf habe, ähnelt einem Mix aus verschiedenen Filmen, in denen es darum geht, Flüche zu beheben, oder ähnliches, aber ich bezweifle, dass es wirklich so ablaufen wird.
Charlie lässt ihren Blick prüfend durch den Raum gleiten, dann liest sie einige Zeilen. »Zuerst brauchen wir … neue Kerzen. Der Zauber wird ziemlich viel Energie brauchen, weswegen sie schneller runter brennen; die, die hier sind, sind schon zu klein«, fügt sie erklärend hinzu.
»Soll ich sie holen?«, fragt Suze und springt auf.
»Den Gang raus, die nächste Tür rechts. In dem Zimmer steht ein Wandschrank, du müsstest sie dort finden. Bring vier von den großen weißen mit«, meint Charlie. »Oh, Streichhölzer müssten daneben liegen, die brauchen wir auch.«
Sekunden später steht Suze mit den Kerzen und Streichhölzern in der Hand wieder im Raum. Charlie nimmt sie ihr aus der Hand und platziert die Kerzen an den Ecken des Teppichs auf dem Boden.
»Gut«, sagt Charlie als sie fertig ist und nimmt das Buch und legt es in die Mitte des Quadrates.
»Ihr«, fährt sie fort, »stellt euch am besten … zum Fenster. Ja, das müsste funktionieren.« Abschätzend sieht sie sich im Zimmer um, rückt den Stuhl, auf dem ich gesessen habe, näher an die Wand heran, ebenso wie den Tisch und die Couch, während wir ihr erwartungsvoll dabei zusehen. Lächelnd bemerke ich, wie Suzes Hand Trevors sucht und die Finger mit den seinen verschränkt.
Es wird funktionieren, sage ich mir wieder und wieder und bin gleichzeitig immer noch wütend auf mich, wegen dem, was passiert ist, wegen dem Umstand, dass ich aufgrund von zwei einfachen Menschen solche Panik verspüre. Ja, vor allem deswegen. Es sollte umgekehrt sein, sie sollten uns Vampire fürchten.
Aber was mich am meisten ärgert, ist, dass sie denken, sie können solche ›Spielchen‹ mit uns treiben, dass sie uns unverblümt drohen. Das werden sie noch bereuen, so viel ist sicher.
»Gut«, wiederholt Charlie und wickelt ihre Kette um ihren Finger, während sie vor dem Buch kniet. Dann steht sie auf, zündet die Kerzen im Uhrzeigersinn an, stellt sich in die Mitte und holt tief Luft. Höchst konzentriert schließt sie die Augen und spricht leise, aber deutlich Wörter in einer anderen Sprache.
Es wird funktionieren.
Nach einigen Sekunden reiße ich meinen Blick von ihr los. Von draußen sind kaum Geräusche zu hören, anscheinend genießen es die Leute, ausschlafen zu können. Ein paar wenige sind um die Zeit trotzdem schon wach; ich sehe durch einen größeren Spalt zwischen den Brettern nach unten. Gegenüber ist eine Bäckerei, in der gerade Brote hinter die Theke gelegt werden, eine Frau kauft gerade eines. Ich kann die weinerlichen Schreie eines kleinen Kindes hören, die Tauben, die über den Boden flattern, zwei Männer, die hektisch … Moment.
Einen Augenblick verharre ich wie erstarrt, dann stoße ich meinen Ellenbogen in Suzes Rippen. Sie sieht mich böse an, aber ich deute mit dem Kinn zum Fenster. Ihre Augen blicken suchend nach unten und sie will gerade fragen, was ich ihr zeigen will, als sie einen erschrockenen Schrei ausstößt und die Hände vor den Mund schlägt. Trotzdem war sie laut genug, denn mein Blick und der von Jack treffen sich in diesem Moment.

K a p i t e l v i e r


Er hat mich gesehen.
Wir starren uns den Bruchteil einer Sekunde lang an, wie gebannt von unserem Gegenüber, unfähig zu einer Reaktion, als gäbe es nur diesen einen Augenblick, ein unsichtbares Band, dass uns beide umschließen würde. Jacks Blick ist ebenso überrascht wie meiner, auch wenn es eine vollkommen andere Art der Überraschung ist.
Dann höre ich Charlies ärgerliches »Merde, was ist denn los?!«, und es ist vorbei. Ich sehe noch, wie Jack etwas zu Easton, der neben ihm steht, sagt, und die beiden verschwinden aus meinem Sichtfeld, dahin, wo sich der Eingang zum Haus befindet.
»Ich war noch nicht fertig«, redet sie weiter und will noch etwas sagen, wird aber vom Klingeln der Haustür, das Suze zusammenzucken lässt, unterbrochen. Der Klang der Glocke verleiht dem gesehenen etwas reales, bedrohliches. Endgültiges.
»Nicht aufmachen!«, faucht Suze, als Charlie Anstalten macht, nach draußen zu gehen. Auch wenn sie aggressiv klingt, spiegelt sich die Angst deutlich in ihrem Blick wieder.
»Wieso, was …«, will sie fragen, als es ein zweites Mal klingelt.
»Das sind sie, sie sind hier!«, erklärt Suze hektisch und ich kann die Panik in ihrer Stimme nicht länger unterdrücken.
Trevor runzelt die Stirn. »Du bist dir sicher, dass sie ...«
»Ja, verdammt! Ich hab sie gesehen, sie waren es, da bin ich mir sicher. Kate hat sie auch erkannt, simmt's?«
Charlie und Trevor sehen mich fragend an und ich brauche einige Sekunden bis ich begreife, dass sie auf eine Antwort warten. Da ich im Moment keinen Ton heraus bringe, nicke ich wie in Trance.
»Was sollen wir jetzt machen?!« Suze sieht sich gehetzt im Zimmer um, als gäbe es hier irgendwas, das uns weiterhelfen könnte.
»Okay, ganz ruhig«, beschwört Trevor sie, »keine Sorge, wir finden eine Lösung.« An Charlie gewandt fährt er fort: »Schaffst du es noch?«
Sie schüttelt verneinend den Kopf, was Suze frustriert aufschreien lässt. »Verdammt, was sollen wir jetzt machen?«, fragt sie wieder, bevor Charlie noch etwas sagen kann.
»Wir können schlecht hier warten, bis die beiden die Tür eintreten«, stellt Trevor klar, als es ein drittes Mal klingelt. »Kannst du sie irgendwie aufhalten oder zumindest ablenken? Dann können wir in der Zwischenzeit von hier verschwinden, warten, bis sie weg sind und danach wiederkommen, damit die Sache ein für alle mal erledigt wird.«
»Okay, kein Problem«, meint Charlie. Ein weiteres Klingeln ertönt, gefolgt von einem »Aufmachen, Polizei!«, das mich zusammenzucken lässt. Wir dürfen keine Zeit verlieren, es kann sich nur noch um Sekunden handeln, bis sie hier stehen und ihre Pfähle geradewegs in unsere Herzen stoßen.
»Ihr könnt die Bretter von den Fenstern los machen«, erklärt Charlie beim hinaus gehen, »es soll heute regnen, weshalb ihr vor der Sonne erst mal Ruhe habt. Erregt nicht zu viel Aufsehen, sonst haben wir hier bald noch ein paar mehr von Jacks Freunden stehen. Verschwindet jetzt!«
Noch während sie den letzten Satz sagt, hat Trevor die Bretter runter gerissen und das Fenster geöffnet. Ohne zu bemerken, was ich da eigentlich mache, folge ich Suze nach draußen. Es ist kalt, und obwohl es hell ist, kann uns die Sonne, wie Charlie gesagt hat, nichts anhaben, da sie sich momentan hinter den Wolken verbirgt. Fragt sich nur, wie lange das noch so sein wird, denke ich finster.
Leichtfüßig springen wir von Dach zu Dach; die wenigen Menschen, die sich auf den Straßen befinden, haben uns noch nicht bemerkt. Ich kann nicht verstehen, was Charlie zu den beiden sagt, also kann ich nur hoffen, dass es gut gehen wird.
Diese Hoffnung wird allerdings jäh zerschlagen, als ich aus der Ferne einen Schuss aus einer Pistole höre. Suze und ich halten gleichzeitig inne, unsere Blicke begegnen sich für einige Sekunden. Ich spüre leichte Übelkeit in mir aufsteigen und bete stumm dafür, dass es sich nur um einen Warnschuss gehandelt hat.
»Kommt schon, wir müssen weiter«, drängt uns Trevor.
»Aber wir -«, will Suze sagen, aber er fällt ihr ins Wort.
»Nein.Wir können jetzt nicht umkehren, wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
»Aber was ist mit Charlie, vielleicht ist sie … verletzt«, wendet Suze, die mit jeder Sekunde unruhiger wird, zögernd ein. »Wenn ja, dann ist das allein unsere Schuld!«
»Darüber können wir uns später Gedanken machen«, knurrt Trevor, »wenn wir jetzt zurück gehen, war sowieso alles umsonst, dann hätten wir gleich in Paris bleiben können. Also, kommst du jetzt?«
Leicht verunsichert sieht Suze zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind, dann wieder zu Trevor, während ich nur stumm daneben stehe.
»Ich weiß nicht … wir … Wenn wir sie abgehängt haben, müssen wir auf der Stelle zu ihr, okay?«, willigt sie schließlich ein.
»Gut, dann wäre das also jetzt auch geklärt«, murmelt Trevor und will weiterlaufen, als ich sage: »Warte.«
»Was ist denn jetzt noch?«
»Da unten ist es sicherer«, antworte ich und deute mit einem Kopfnicken auf die Straße, »sie können uns dort nicht so leicht entdecken, wie hier oben.«
»Kate hat recht«, meint Suze; bevor Trevor etwas erwidern kann, springt ohne zu zögern nach unten und landet in einer menschenleeren Seitenstraße.
»Okay, jetzt aber«, sagt Trevor, als Suze und ich neben ihm landen, aber ich halte ihn abermals auf, was er mit einem »Was ist denn jetzt noch?« quittiert. Trotzdem weiß ich, dass er nicht so ruhig ist, wie er vorgibt; sein Blick wandert ruhelos umher, als rechnete er damit, dass unsere beiden Verfolger jeden Moment vor uns stehen. Was wahrscheinlich auch der Fall sein wird.
»Wohin?«, frage ich ihn, bevor diese Tatsache zur Rede bringen kann, »Wo sollen wir hin und wo treffen wir uns, falls wir uns verlieren?«
»Wir werden schon -«, will er sagen, aber ich unterbreche ihn.
»Nein, das müssen wir jetzt klären«, verlange ich. Das Letzte, was ich will, ist, stundenlang und mutterseelenallein durch diese Stadt zu irren, in der ich jederzeit auf Carrow und seinen kleinen Freund stoßen kann.
»Das Auto«, schlägt Suze vor, »wir hängen sie ab und verschwinden von hier, locken sie auf eine falsche Fährte und kommen zu Charlie zurück, damit sie -«
»Nein.« Trevor schüttelt den Kopf. »Weißt du, wie lange wir mit dem Ding hier rein gebraucht haben? In dieser gottverdammten Stadt sind sowieso kaum Autos zugelassen und so schmal, wie hier die Straßen sind, kommt man nur im Schritttempo voran. Sie müssten sich noch nicht mal beeilen, um uns einzuholen.«
»Und wenn wir gleich zurück zu Charlie gehen? Vielleicht sind sie schon weg.« Noch während ich spreche, weiß ich, dass es eine dumme Idee ist.
»Und was, wenn nicht?«
Einige Sekunden lang überlegen wir schweigend, was wir tun sollen. Der Regen ist inzwischen stärker geworden und durchnässt meine Kleider und Haare, sodass sie unangenehm an meinem Körper kleben. Und wieder stehe ich im Regen, denke ich melancholisch und muss mir in Erinnerung rufen, dass das letzte Mal erst einige Stunden her ist. Trotzdem hat sich einiges verändert – vor ein paar Stunden dachte ich, der Vorfall in Paris hätte sich bereits erledigt, aber erst jetzt bin ich mir den Ausmaßen und der Gefahr, die davon ausgeht, bewusst.
Unwillkürlich schlucke ich und streiche mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht, während ich dem klaren Trommeln der fallenden Regentropfen lausche. Neben der Straße, die an die Seitengasse, in der wir uns befinden, angrenzt, fließt das Wasser. Auf der anderen Seite davon, die man über eine schmale Brücke wenige Meter von uns entfernt erreicht, ist eine Frau damit beschäftigt, Stühle und Tische unter das Vordach eines Cafés zu schieben, darüber sitzt ein Kind im Fensterrahmen und beobachtet uns neugierig. Schritte, die in einem anderen Rhythmus wie der Regen auf die Erde aufkommen, sind zu hören. Schnelle, hektische und trotzdem leise Schritte, die auf uns zukommen.
»Hört ihr das?«, fragt Suze, nur einen Moment bevor der Dicke schlitternd auf der Straße vor uns stehen bleibt. Seine dunkle Jacke flattert im Wind, sein Gesicht, das mich unwillkürlich an ein Schwein denken lässt, was wahrscheinlich an den Runden Backen und kleinen Augen liegt, ist vor Anstrengung rot angelaufen.
Hätte nicht gedacht, dass der Gute so schnell rennen kann, ist alles, was mir in den Sinn kommt, als er eine Waffe zückt, die wie eine Pistole aussieht, nur größer.
Einen Augenblick lang starre ich entsetzt die schwarz glänzende Waffe, die einerseits so banal und klein wirkt, andererseits mein Ende besiegeln könnte, an und verfluche mich stumm, weil ich nicht auf Trevor gehört habe, obwohl ich weiß, dass es jetzt zu spät dazu ist.
Easton hat einen Finger am Abzug und gerade, als er schießt und ich mich bereits von meinem Leben verabschieden will, zischt Trevor »Springt!« und packt mich und Suze am Handgelenk.
Die Kugel verfehlt uns knapp, schlägt in die Hauswand ein, vor der wir bis eben noch gestanden sind. Zitternd vor Schreck beobachte ich, wie Trevor Suze das letzte Stück herauf zu uns aufs Dach zieht, als wäre sie nicht schwerer als eine Feder.
»Lauf«, befiehlt mir Trevor, als ein zweiter Schuss ertönt und ich zusammenzucke. Diesmal tue ich, was er sagt, renne, ohne einen weiteren Blick auf Easton zu verschwenden, los.
Ich springe über die Dächer, weiß nicht, wo ich bin oder wo ich hin will, ebenso wenig, wie lange ich schon unterwegs bin. Der Regen ist kalt auf meiner Haut, lässt mich frösteln, aber ich renne immer weiter, so wie ich es ewig tun könnte. Der einzige Gedanke an Trevor und Suze, den ich zulasse, ist Sie haben es geschafft, sie sind entkommen, wir werden uns wieder sehen. Sie haben es geschafft.; mit einem anderen würde ich im Moment nicht zurecht kommen, das weiß ich. Wie ein Mantra rede ich es mir ein, klammere mich daran, während mir Tränen in den Augen brennen, die sich mit dem Regen, der mir ins Gesicht tropft, vermischen. Ärgerlich wische ich sie weg, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür, verdammt!, weiß immer noch nicht, wohin. Inzwischen bin ich vollkommen orientierungslos, aber wenigstens kann ich die Insel nicht verlassen haben – zumindest das hätte ich bemerkt.
Unter einem Dachvorsprung bleibe ich stehen. Ich befinde mich auf einer Dachterrasse, alleine mit zwei Klappstühlen und einem niedrigen Tisch, die nass vom Regen sind. Mein Atem geht flach und schnell, aber nicht etwa wegen der zurückgelegten Strecke, sondern wegen der Aufregung, die ich verspüre. Und der Angst. Beides würde ich nur allzu gerne abschalten oder zumindest ignorieren, aber im Moment schaffe ich es ja noch nicht mal, mich zu beruhigen.
Ruhig atme ich ein und aus, versuche, mich auf die aktuelle Situation zu konzentrieren. Trevor und Suze geht es gut, sie haben es aufs Dach geschafft, und während Suze Easton, der weiterhin daneben geschossen hat, abgelenkt hat, hat Trevor ihm seinen eigenen Pfahl ins Herz gestoßen. Ja, so war es. Ich kann es fast vor mir sehen, wie Easton sich erschrocken umsieht, als er den letzten Atemzug nimmt und leblos zu Boden fällt. Wie Trevor Suze in seine Arme nimmt, als sie neben der Leiche stehen, und diese anschließend in den Kanal werfen.
Bleibt nur noch eine Frage zu klären: Was ist mit Jack?
Er war nicht bei Easton. Heißt das, er hat solange bei Charlie gewartet, falls wir zurück kommen? Oder wollte er uns beim Auto auflauern? Vielleicht ist er auch irgendwo hier, für den Fall, dass Easton es nicht geschafft hat, sich uns drei vorzunehmen …
Nein. Unsinn. Erstens hätte er sich uns, oder zumindest mir, gezeigt, und zweitens hätte ich ihn vorher mit Sicherheit gehört. Ich meine, ja, durch den Regen heben sich seine Schritte nicht so deutlich von anderen Geräuschen ab, aber trotzdem. Es ist so. Es muss einfach so sein.
Prüfend sehe ich mich um. Der Regen hat keineswegs nachgelassen, im Gegenteil – er ist noch stärker geworden. Was allerdings auch Vorteile hat, wie zum Beispiel den, dass uns die Sonne immer noch nichts anhaben kann. Solange das Wetter noch länger so bleibt, können wir uns gefahrlos fortbewegen.
Ich frage mich, wo ich hin soll, und überlege, einfach hier zu bleiben. Wenn ich jetzt auf die Straße springen würde, wäre das gegenüber den Menschen, die sich inzwischen dort befinden, nicht gerade unauffällig; sollte der Hausbesitzer in nächster Zeit auftauchen und mich hier erwischen, wäre das auch denkbar ungünstig. Wobei, gegen einen kleinen Snack hätte ich im Moment auch nichts einzuwenden …
Nein, sage ich mir, bevor sich der Hunger bemerkbar machen kann, es gibt Wichtigeres zu tun, als über das Mittagessen nach zu denken. Also widme ich mich wieder der Frage, was ich machen soll. Besichtige ich weiterhin die Stadt von oben, ist die Gefahr, dass Jack mich entdeckt, ziemlich groß, allerdings würde ich dann auch die anderen beiden schneller finden.
In der Hoffnung auf Letzteres trete ich unter dem Vorsprung hervor. Wieder empfängt mich der eiskalte Regen, außerdem ist es hier oben ziemlich windig. Lautlos springe ich auf das nächste Dach, das höher liegt als die anderen, und lasse meinen Blick über die Umgebung wandern, während ich überlege, welche Richtung wohl die Richtige wäre. Gerade, als ich mich für eine, nämlich Osten – die, aus der ich gekommen bin – entschieden habe, höre ich einige Meter hinter mir ein Geräusch, das mich zusammenfahren lässt. Das Klicken einer Pistole.
Nein. Nein, nein, nein. Das habe ich mir eingebildet. Ich habe mir das eingebildet, genau. Ganz sicher. Anders kann es gar nicht sein. Nein.
Trotzdem wage ich es nicht, mich umzudrehen. Nein, das ist nicht wahr, rede ich mir immer zu ein, kann an nichts anderes denken, nur an diesen Satz.
Ich schließe die Augen, öffne sie, blicke nach unten, schließe sie wieder. Zu tief, es ist zu tief, um zu springen, außerdem ist das Haus von Kanälen umgeben, deren eiskaltes Wasser mehrere Meter tief ist.
Zurück, denke ich, schätze die Entfernung zum dem Dach ab, von dem ich gekommen bin. Ich werde es schaffen, da bin ich mir sicher, es ist nicht allzu weit. Ich weiß, dass jetzt der Moment gekommen ist, in dem ich springen müsste, aber ich bin wie erstarrt, in meinem Kopf klingt immer noch das Klicken, das erst vor dem Bruchteil einer Sekunde ertönt ist.
Jetzt der Schuss.
Noch während ich das denke, spüre ich einen stechenden Schmerz im Rücken, schnappe nach Luft, drehe mich reflexartig zu meinem Angreifer um, aber bevor ich auf ihn losgehen kann, durchbohrt eine weitere Kugel meinen Körper. Noch eine, zwei, drei, vier. Bei der Fünften gehe ich zu Boden, falle auf das Dach, das gerade so schief ist, dass ich nicht abrutsche, anders als der Ziegel, der unter mir den Halt verliert, nach unten gleitet und im Wasser aufkommt.
Mit meiner unverletzten Hand kann ich mich abstützen, während ich mich vor Schmerzen krümme. Es ist, als würde ich jede einzelne Faser des Holzes, das mein Fleisch durchbohrt, spüren.
Das Regenwasser unter mir verfärbt sich durch mein Blut, das auf das Dach tropft, rot, ebenso wie meine Kleider. Verzweifelt betrachte ich meine linke Hand, in der eine Holzkugel steckt, versuche, sie mit der anderen heraus zu bekommen, als mich die nächste trifft, direkt in die Schulter.
Ich verliere den Halt, kippe nach hinten, eine weitere bohrt sich durch meinen Bauch, lässt mich vor Schmerzen keuchen. Auf der einen Seite, nur wenige Zentimeter neben mir, befindet sich der Abgrund, auf der anderen ist Jack. Könnte ich, würde ich mit Freuden nach unten springen, Hauptsache, ich muss diese Art von Demütigung nicht über mich ergehen lassen.
Ich sehe hinauf in den Himmel, blinzle mir die Regentropfen aus den Augen. Mein Kopf ist zu der Seite mit dem Abgrund gewandt, mein Körper zittert vor Schmerz, ein verzweifeltes Schluchzen entweicht meinen Lippen. Ich weiß nicht, wie lange ich hier liege, ob es Minuten, Stunden, oder lediglich Sekunden sind. Ich will nur, dass es aufhört.
Irgendwann vernehme ich seine Schritte, höre, wie er langsam, als wolle er mein Ende so lange wie möglich hinauszögern, näher kommt. Seine Schuhe schaben an den nassen Dachziegeln, erzeugen ein Knirschen. Er kniet sich neben mich, gefasst, ruhig, aber ich spüre, dass er nur vorgibt, so zu sein.
Mit dem Lauf seiner Waffe dreht er meinen Kopf zur Seite, sodass ich ihn ansehen muss. Seine braunen Augen sind von dunklen Ringen unterlegt, anscheinend bin ich die einzige, die letzten Nacht überhaupt ein Auge zugetan hat, wie auf dem Bild hat er einen Stoppelbart. Die Zigarette, die im Winkel seines verkniffenen Mundes hängt, ist fast herunter gebrannt. Er drückt sie auf dem Boden neben mir aus und lässt sie dort liegen, zieht eine Packung aus der Tasche seiner durchnässten Jacke und zündet sich eine weitere an. In aller Ruhe raucht er sie, während er mich mit einer Mischung aus Ekel und Genuss beobachtet.
»Ist das jetzt die Rache dafür?«, krächze ich, aber er bleibt weiter stumm. Ohne zu wissen, warum, will ich ihn aus seiner beschissenen Ruhe bringen, will, dass er ausflippt, dass er irgendetwas macht.
»Dafür, dass wir dein liebes Brüderchen getötet haben?« Schweigen, Schweigen, Schweigen. Aber sein Blick verfinstert sich, wenn auch nur ein bisschen. Das ist mir noch nicht genug.
»Weißt du« - es kostet mir viel Mühe zu sprechen, selbst zu atmen erscheint mir schwer, aber das zu sagen ist alles, was ich jetzt noch tun kann - »er war köstlich«, sage ich so genüsslich wie möglich, wobei meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern ist.
Seine Augen verengen sich zu Schlitzen, sein Kiefer verhärtet sich und ich weiß, dass ich es geschafft habe, dass ich es geschafft haben muss.
Die Bestätigung bekomme ich, als er die Pistole zu Boden legt, in seine Tasche greift und etwas heraus zieht.
»Dann freut es dich sicher zu hören, dass das hier ebenso köstlich für mich ist«, knurrt er.
Das Letzte, was ich spüre, ist die Spitze des Pfahls, die sich in mein Herz bohrt. Dann ist alles schwarz.


E n d e


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Tag der Veröffentlichung: 18.04.2012

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