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1. Kapitel

Endlich hielt ich meinen heiß ersehnten Kaffeebecher in der Hand. Jetzt musste ich nur noch einen ruhigen Fensterplatz finden. Obwohl ich das „ruhig" wohl streichen konnte. Am frühen Nachmittag war es im „Milk and Coffee" immer rappelvoll. Kein Wunder, schließlich gab es hier den besten Kaffee in unmittelbarer Nähe des Campus.

Ich befand mich immer noch in einer Art Schockzustand, als ich mir meinen Weg durch die Menge bahnte und dabei meinen Blick durch den Raum schweifen ließ. Grund dafür, war mein bester Freund Mike. Er hatte mir vor wenigen Stunden freudestrahlend verkündet, dass er seit drei Tagen eine Freundin hatte. Ausgerechnet Mike, der schon genauso lange Single war wie ich. In letzter Zeit hatte ich mich öfter gefragt, ob ich mich in ihn verliebt haben könnte. Tja, und jetzt wo er endgültig vergeben war, war ich mir mit einem Mal ziemlich sicher, dass ich mehr für ihn empfand als nur Freundschaft. Das war doch absurd.

Stöhnend schüttelte ich meinen Kopf. In diesem Moment wurde meine Aufmerksamkeit allerdings von etwas anderem gefesselt, als von meinen Gedanken an den glücklich liierten Mike. Ich sah, wie sich jemand von seinem Stuhl am Fenster erhob und steuerte sofort den nun freien Sitz an. 

Fast an meinem Ziel angekommen,prallte plötzlich etwas Hartes mit voller Wucht gegen meine Schulter. Ich geriet gefährlich ins Schwanken, ließ vor Schreck meinen Becher fallen und konnte mich gerade noch vor einem Sturz bewahren. Mit einem lauten Knall fiel die Kaffeetasse zu Boden und zersprang in tausend Teile, während die schwarze Flüssigkeit sich vor meinen Füßen ergoss.

Welcher Idiot hatte mich gerade, um meine wahrscheinlich einzige Freude an diesem Tag gebracht? Mit einem tiefen Seufzer schaute ich auf. Neben mir stand ein junger Mann - groß, sportlich, dunkelhaarig ... und verdammt attraktiv. Missmutig nahm ich zur Kenntnis, dass er mich keines Blickes würdigte, sondern stattdessen entsetzt an sich hinunter schaute. Ich folgte seinem Blick und entdeckte, dass mein geliebtes Heißgetränk größtenteils auf seinem weißen Shirt gelandet war. Das war aber nicht mein Problem, denn er war doch derjenige gewesen, der mich angerempelt hatte. Eine Entschuldigung war das Mindeste, was ich von ihm erwartete.

Als er seinen Blick hob, funkelte er mich jedoch aus zornig verengten grünen Augen an.

„Kannst du nicht aufpassen", presste er hervor und rang dabei ganz offensichtlich um Beherrschung.

Das war ja wohl ein Witz. Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein. Meinte er, ihm gehöre die Welt. Vermutlich schon, denn in seinem ebenmäßigen Gesicht war der Ausdruck purer Arroganz zu sehen. Seine hochgezogenen Augenbrauen trieben das Ganze noch auf die Spitze und raubten mir fast den Atem.

"Erstens müsstest du dich bei mir entschuldigen, denn du hast mich angerempelt und zweitens mir einen neuen Kaffee kaufen."

Meine Stimme bebte vor unterdrückter Wut.

"Träum weiter", erwiderte mein Gegenüber ironisch.

Einen Moment lang war ich wirklich sprachlos. Er hatte es wahrhaftig geschafft, mich mit seiner unverschämten Art zu überrumpeln. Aufgrund seiner Unachtsamkeit hätte ich hinfallen und mich verletzen können. Ob er dann auch nur auf seine beschmutzten Designerklamotten fixiert gewesen wäre? Männer, wie er brachten mich zum Kochen. Für ihn war das Leben vermutlich ein einziger Sonntagsspaziergang, an jedem Finger eine Verehrerin und immer ein prall gefülltes Konto. Gab es eigentlich so etwas, wie Hass auf den ersten Blick?

„Sorry, vielleicht hätte ich dir einen neuen Kaffee besorgt, wenn du mich als Frau stärker reizen würdest", rissen mich seine Worte aus meiner Erstarrung.

Unglaube machte sich in mir breit. Hatte er das gerade wirklich gesagt oder hatte ich mich verhört? Bevor ich noch irgendetwas auf seine Dreistigkeit erwidern konnte, schnappte er seine Jacke von der Stuhllehne neben sich und machte dann auf dem Absatz kehrt. Nach Luft schnappend sah ich ihn schließlich aus dem Café treten. Einen kurzen Augenblick verspürte ich den Drang ihm nachzulaufen und ihm meine Meinung zu geigen, besann mich dann aber eines Besseren und entschied, dass er den Aufwand nicht wert war. 

Immer noch erschüttert darüber, welch unhöfliche Menschen es auf dieser Welt gab, hatte ich kaum wahrgenommen, dass eine Angestellte mit Wischmob und Eimer herbeigeeilt war. Sie begann sogleich die Scherben aufzulesen.

„Entschuldigen Sie", sagte ich zu ihr und fühlte mich dabei schrecklich unbehaglich. Na toll, jetzt entschuldigte ich mich für das, was er angerichtet hatte. Er hatte sich schön aus dem Staub gemacht, während ich den verstohlenen Blicken der anderen Cafebesucher ausgesetzt war und unbeholfen auf die Angestellte schaute, die sich dem Malheur annahm. 

Die junge Frau sah zu mir auf.

„Kein Problem, so etwas passiert. Ich erledige das schon. Sie können sich gerne ein neues Getränk holen."

„Danke", erwiderte ich leise und lächelte der Dame, die kaum älter war als, ich freundlich zu.

Ich zögerte, hatte aber eigentlich keine Lust, mich erneut an der Schlange anzustellen. Außerdem fing in zwanzig Minuten meine Vorlesung an. Mir würde nichts anderes übrig bleiben, als mir mein Koffein aus dem Automaten zu holen.

Ich seufzte und wandte mich um. Da blieb mein Blick, an dem Tisch hängen, an dem Mr. Superarrogant gesessen haben musste. Schließlich hatte er seine Jacke dort über dem Stuhl hängen gehabt. Auf der Tischplatte stand eine leere Tasse und daneben lag ein Smartphone. Neustes Modell. Das musste er vergessen haben. Ganz sicher würde ich nicht nach ihm suchen, um es ihm zurück zu geben. Nein, ich würde es einfach liegen lassen. Oder?

„Ist hier frei?", hörte ich eine Stimme neben mir. Eine Frau mit langen blonden Haaren sah mich lächelnd an.

„Äh, ja, klar", erwiderte ich und entfernte mich von dem Tisch. „Warte", rief die Blondine mir hinterher. Sie ging auf mich zu und streckte dabei ihre Hand aus. Als sie mich erreicht hatte, hielt sie mir das Mobilgerät entgegen. „Das hast du vergessen." Reflexartig nahm ich das Handy an und dann war die junge Frau auch schon wieder verschwunden. Danach ließ ich es in meine Tasche gleiten und verließ das Café.

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Tag der Veröffentlichung: 21.10.2015

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