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Dunkler Himmer

Dunkler Himmel

 

Am dunklen Himmel,

leuchtet das Licht am Hellsten.

* Andreas Tenzer

 

Die Luft war gesättigt vom Duft der Régus-Blüte.

Süßlich, reichlich und wenn man die Zunge ausstreckte, konnte man ihren herben, süßen Geschmack erahnen. Ihre kräftigen Farben leuchteten in der Nacht und schienen wie ein Wegweiser für die Bewohner von Luronia.

Die Gestalt, die sich ihren Weg durch die Straßen bahnte, war in völligem Schwarz gekleidet. Ein langer Mantel bedeckte sie komplett, die Kapuze war tief ins Gesicht gezogen. Man konnte sie weder als Frau oder Mann identifizieren und auch die Gangart war völlig geschlechtslos. Eigentlich schlich der Schatten über die Straßen, seine flachen Schuhe verursachten kein Geräusch auf dem festen Kiesweg.

Er hatte keinen Blick für die Schönheit der Régus-Blüte, deren Duft eine beruhigende Wirkung auf Kranke hatte. Auch kleinere, dunkle Blumen, deren Namen sich in vielen verschiedenen Varianten ähnelten waren kein Blickfang. Selbst als ein Ardan – ein vogelähnliches Geschöpf mit langen Klauen, einem breiten, dunkelroten Schnabel und nachtschwarzem Gefieder - leise krächzte und seine goldfunkelnden Augen auf ihn richtete, blieb der Schatten ruhig und in seinem langsamen Schleichen regelmäßig.

Die gespenstige Stille war durchzogen vom leisen Flüstern des Windes, und dem Wiegen der Blumen. Eine weiß-schwarz-gesprenkelte Katze huschte an seinen Beinen vorbei und ihre hellgrünen Augen warfen das Licht des Mondes auf den Schatten, dessen Gesicht für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar wurde.

Leuchtendblaue Augen blickten der Katze hinterher, dass ebenmäßige weiße Gesicht verzog sich leidend und eine blasse schlanke Hand blitzte im Mondlicht auf. Der Mantel klappte auf und ein weißes Bündel kam zum Vorschein.

Der Schatten zog die Kapuze vom Kopf und schneeweißes Haar fing die schwachen Strahlen des Mondes auf. Der Wind flüsterte lauter. Das Licht brach sich und die Strähnen schimmerten in den unterschiedlichsten Farben. Blau, rot, grün, gelb, violett, rosa.

Weiche, blasse Konturen schmeichelten dem Gesicht der Frau, dunkle, volle Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammen gepresst und die ungewöhnlich dunklen Augenbrauen waren zusammengezogen vor Sorge. Ihre schlanken, langen Finger strichen in unendlicher Zärtlichkeit über das Bündel und zogen das Tuch ein wenig zur Seite.

Tränen glitzerten in ihren Augen und ein Ausdruck schmerzhaften Verlustes entstellte ihre hübschen Züge zu einer Fratze. Ein leiser Laut entschlüpfte ihr, als ein bleiches, rundes Gesicht zum Vorschein kam. Die zarten Züge des Babys waren schläfrig entspannt.

Die Frau zuckte zusammen, als goldenes Licht in einem Haus unmittelbar in ihrer Nähe anging und ein Schatten in der Helligkeit zu sehen war. Der Mond wurde unwillkürlich von Wolken verdeckt und verdunkelte die Umgebung um sie herum, sodass ihr Haar den bunten Farbenschimmer verlor und glanzlos weiß wurde.

Die Haustür wurde geöffnet und ein greller Lichtschein wanderte zielstrebig über den hellen Kiesweg, erreichte aber nicht den Saum ihres Mantels. Das Baby in ihren Armen jaulte leise, die dunklen Augenbrauen zogen sich vor Unwillen zusammen. Der süßliche Duft der Regus-Blüte wurde von einem dunklen, würzigen Geruch überwuchert der stark an verbrannte Erde und Kräuter erinnerte.

Die Fremde versteifte sich und die Kapuze richtete sich ohne ihr zutun wieder auf und bedeckte ihr Gesicht. Das Baby in ihren Armen quengelte leise und öffnete die Augen.

Strahlend blau und ihren so ähnlich, blickte es in den Schatten, den der Mantel auf ihr Gesicht warf und blinzelte. Das Neugeborene war nicht mal drei Tage alt und die Haut noch empfindlich und gefährlich blass. Es konnte die Frau kaum erkennen und jetzt in dieser Dunkelheit erst recht nicht.

Doch die Frau konnte das Baby erkennen. Ihr Baby.

Und als sie den Schatten im Türrahmen erblickte, schimmerte so etwas wie Angst in ihren Augen und sie drückte das kleine Bündel fester an sich. Sie würde all das hier nicht bereuen. Auch wenn es sich genau in dieser Sekunde so anfühlte.

 

Blau wie …

© by Anna Bauer

Einsamkeit

 

Einsamkeit

 

Man kann sich auch

in Gesellschaft anderer einsam fühlen.

* Richard von Weizsäcker

 

15 Jahre später

 

Die Wände ihres Zimmers waren kahl.

Sie hatte nie die Gelegenheit ergriffen und ihr Zimmer gestrichen oder es mit Bildern und Poster beklebt. Und sie ließ auch keine Fotos ihrer Eltern auf dem Nachttisch oder ihrem Schreibtisch stehen.

Nicht das es irgendwelche Bilder gab, die ihre Eltern mit ihr gemacht hätten. Sie war sich nicht mal sicher, ob es Fotos von ihr im Kindesalter oder früher gab. Das einzige Foto das sie besaß, war das Bild ihrer Einschulung auf dem Magier-Institut.

Der gleichzeitig schlimmste und schönste Tag in ihrem Leben.

„MALINIA! KOMM SOFORT HER!“

Angstschweiß brach ihr im Nacken aus, als die Stimme ihrer Mutter durch das kleine Holzhaus hallte. Ihre Beine zitterten stark, als sie sich von ihrem schmalen, klapprigen Bett rollte und dann über den immer sauberen Boden ging. Ihre weißen Socken machten kein Geräusch auf dem Holzparkett, als sie ihr kleines Zimmer verließ und den schmalen Flur entlang zur Stube ging.

Es gab kein Licht in ihrem Flur, weil ihre Eltern das für Stromverschwendung hielten. Außerdem war eine Zero es nicht Wert, das man ihr mehr bezahlte als sie brachte. Die Worte ihrer Mutter.

„Du hast gerufen, Mutter.“, murmelte sie schließlich, als sie im Türrahmen stehen blieb und die Hände ineinander legte und vor ihrem Bauch hielt. Diese Haltung wurde ihr regelrecht eingeprügelt und sie erinnerte sich nicht gerne daran, was passierte wenn sie sie vergaß.

„Du hast zu lange gebracht, Malinia. Während du den Gang entlangschlurfst, habe ich bereits zehn Mal das Haus geputzt.“

Das Schlimme war, das ihre Mutter Recht hatte. Sie war eine hervorragende Luftmagierin und konnte daher alle möglichen Dinge bewegen und sie ihre Arbeit verrichten lassen. Verständlich, dass Mali sich dadurch noch schlechter fühlte, als es bereits der Fall war.

„Es tut mir sehr leid, Mutter. Ich werde ab jetzt schneller da sein, wenn du mich rufst.“, wisperte sie demütig und senkte den Kopf, sodass weißblonde Strähnen ihre Schultern hinab fielen und ihre Wangen streiften.

Ihre Mutter verbot ihr, sie kurz zu schneiden oder zum Friseur zu gehen, deshalb machte Mali das selber. Mit dem Ergebnis, dass sie zerzauster und stufiger waren, als sie es wollte.

Es sieht aus wie ein hässliches Mertak-Nest., sagte ihre Mutter dann immer. Es passt zu dir. Da Mertaks die Art nutzloser Raubvögel waren, die sich bloß von der Kadavern der zurückgelassenen Beute ernährten.

„Das will ich dir auch geraten haben. Hier ist eine Liste von Dingen, die ich benötige. Mach dich auf den Weg. Und trödle nicht so lange!“, fügte sie warnend hinzu, legte einige Scheine und Münzen auf den niedrigen Couchtisch, zusammen mit einer langen Liste.

Mali spürte wie ihr Herz sank und kam mit zittrigen Schritten näher. Die ganzen Sachen würde sie niemals alleine schleppen können, sie las bereits das ihre Mutter drei Säcke Ardan-Federn brauchte und die alleine wogen bereits fast zwanzig Kilo.

Das wird ein sehr langer Tag, dachte sie resigniert, unterdrückte aber das leise Seufzen. Es würde ihr eine Ohrfeige einbringen, weil sie sich darüber beschwerte wie gut ihre Mutter doch zu ihr war. Wenn sie könnte, hätte Mali bereits alles zurück gelassen und wäre geflohen. Ihr war es sogar Recht, in die Welt der Menschen zu verschwinden.

Nur würde sie niemals durch den Schutzschild kommen, der die Insel Merinia umgab. Oder den Pazifischen Ozean überqueren können, auf welchem sie lag.

„Hau endlich ab, Malinia.“

Hastig packte sie Geld und Zettel ein, als ihre Mutter sie über den Theken in der Küche anschaute. Von dort hatte sie das Haus komplett unter Kontrolle, mit nur einem Fingerzucken konnte sie erkennen ob Mali ihr Zimmer aufgeräumt hatte und wo ihr Ehepartner sich befand. Meistens in der Garage, wo er alle möglichen Dinge zusammenbastelte, um sie hinterher wieder zu Schrott zu verarbeiten.

Mali verstand den Sinn dahinter nicht, doch sie hatte sich auch nie getraut nachzufragen. Denn auch wenn ihr Vater sie nicht so sehr zu hassen schien wie ihre Mutter es tat, so hegte er doch eine Gewisse Abneigung, die sie noch nicht ergründen hatte können.

Nicht das sie das wollen würde.

Sie nahm sich schließlich den großen Weidenkorb, der neben der Haustür stand und verließ das Haus ohne einen Abschiedsgruß. Ihre Mutter würde ihr sowieso nicht antworten.

Als sie den roten Kiesweg entlang ging und dann auf die hellen Steine der Hauptstraße trat, fragte sie sich bestimmt zum tausensten Mal, was sie verbrochen hatte. Schließlich konnte sie nichts dafür, dass sie ohne jegliche Magie im Körper geboren worden war. Und auch die Tatsache das ihre Augen eigentlich ihr Magielevel hätten entscheiden müssen.

Wenn Kinder von Magiern auf die Welt kamen, waren ihre Augen das Tor zu ihrer Kraft. An ihnen konnten Heiler feststellen, welches Potenzial in jedem stecken konnte. Wenn man es richtig förderte.

Und auch die Haarfarbe eines jeden Magiers variierte mit seiner Kraft. Kräftige Farben verhießen Potenzial, blasse Farben eher weniger. Doch davon konnte man sich auch oft täuschen lassen. Den Ausschlag gaben die Augen.

Und Mali besaß die mächtigen, strahlendblauen Augen eines Wolarian. Eine mächtige Dämonenhunde-Rasse, die als fast vollständig ausgestorben halt und bei denen es sich um sowas wie Gottheiten handelte.

Da sie aber keinerlei Anzeichen für Magie in ihrem Körper hatte, war dies eine Schande für die Familie Healy. Und das sie fast weiße Haare besaß, eine so unbedeutende, nutzlose Farbe, verstärkte die Abscheu der anderen Magier umso mehr.

„Sieh mal da ... Das ist sie.“

Mali verkrampfte sich und versuchte das Tuscheln hinter ihr zu ignorieren. Junge Mädchen – vielleicht Zwölf oder Dreizehn Jahre – standen in einer kleinen Fünfergruppe im Garten eines der unendlichen Häuschen und warfen ihr spottende Blicke zu.

Es tat weh, als Außenseiterin gesehen zu werden, doch nach Jahren der Demütigung hatte sie sich irgendwie daran gewöhnt. Und sie ignorierte den Schmerz sehr erfolgreich, der sich immer wieder in ihr Herz bohren wollte.

„Pass auf. Ich hab gehört, wenn du dich mit ihr abgibst, verlierst du deine magischen Gaben.“

„Ich hab gehört, du wirst von ihrer Nicht-magischen-Anziehung so geblendet, dass es dich umbringen kann.“

„Ihr seid doch doof. Meine Mutter hat gemeint, in ihrer Nähe bekommt man einen so heftigen Ausschlag, der dauerhafte körperliche Schäden verursachen kann. Liegt alles daran, weil sie diese ungewöhnlichen Augen und diese hässlichen Haare hat.“

Malis Schritte beschleunigten sich, als das Tuscheln lauter wurde. Die Mädchen machten sich nicht mal mehr die Mühe, leise zu sprechen. Sie wollten ihr wehtun.

Sie erreichte die Weggabelung zum Markt und bog schleunigst nach rechts, nur um sich dann einen Weg durch die hunderten von Magiern zu bahnen. Auch wenn ihre Straße noch ruhig und übersichtlich gewesen war, die Marktstraße gehörte mit zu den belebtesten in ganz Luronia.

Sie ignorierte die vielen Leute, die vor ihr zurück wichen und flüsternd abwandten. Manchmal verweigerten sich sogar einige der Verkäufer ihr etwas zu geben, auch wenn sie das passende Geld dabei hatte. Es hieß dann oft, sie würde die Umgebung mit ihrem Atem verseuchen.

Natürlich war das nicht wahr, das wusste Mali. Schließlich war noch nie jemand umgekippt, nachdem sie ihn auch nur angesehen hatte. Wie viele es gegenteilig behaupteten.

Das hieß aber nicht, dass die meisten es nicht gerne sagten.

Magier waren boshaft. Jedenfalls sehr viele von ihnen. Sie kannte nur sehr, sehr wenige von ihnen, die sowas wie Mitleid für Mali empfanden. Und selbst das war in den meisten Fällen sogar geheuchelt.

Sie war allein. Und würde es auch immer bleiben.

 

Crosin streckte sich und gähnte laut, als sein bester Freund Mace, ihn gegen die Schulter stieß und er lachend zurück schubste. Sie standen ein paar Meter von der Marktstraße entfernt und beobachteten belustigt, wie der dritte in ihrem Bunde – Browe – sich durch die Masse kämpfte.

Er war heute damit dran, das Frühstück zu besorgen und er stellte sich wie immer sehr … ungeschickt an.

Crosin lachte, als sein bester Freund so tat, als würde er gluckernd in der Masse untergehen und die Arme wie beim Ertrinken in die Luft streckte. Mace hingegen verzog ein wenig das Gesicht, doch man konnte das Schmunzeln an seinem Mundwinkel erahnen.

Wie immer war es morgens brechend voll und die Straße leuchtete bei all den verschiedensten Haarfarben und dem Blitzen der Augen. Unbewusst hielt Crosin nach seiner Freundin und ihrem wunderschönen, rubinrotem Haar Ausschau, das ihm so gefiel.

„Naaa, suchst du Miss Ich-bin-so-gut?“, zog Mace ihn auf und Crosin grinste entwaffnend. Er wusste dass seine engen Freunde Cynthinia nicht mochten. Sie war ihnen zu oberflächlich und zu eingebildet und das mochte stimmen, doch er hatte immer noch die leise Hoffnung, dass sie zu dem süßen, netten Mädchen wurde, dass er letzten Sommer kennen gelernt hatte. Genau deshalb hatte er sich auf eine Beziehung eingelassen.

Er wollte Spaß mit ihr haben. Und damit meinte er nicht den offensichtlichen Spaß, bei dem viele dachten, dass er ihn regelmäßig mit ihr hatte, sondern den Spaß, den man mit einem Menschen hatte, den man liebte.

Mit dem man Lachen konnte. Und sogar weinen.

Den man aufziehen konnte, ohne dass er es zu persönlich nahm. Wohingegen Chynthinia einfach alles persönlich nahm. Sie legte jedes seiner Worte auf eine Goldwaage.

Erst letzte Woche musste er sie zum Essen zwingen, weil er ihm Spaß behauptet hatte, sie wäre ein wenig zu Schwer um sie durch die Luft zu wirbeln. Sie hatte sich die nächsten drei Tage geweigert etwas zu Essen, außer es war fettarm.

Dabei kannte er kaum jemanden, der so schlank wie seine Freundin war. Sie bestand ja fast nur aus Muskeln, Haut und Knochen. Kein Stück Fett zu viel. Und sie hatte die richtigen Kurven.

Crosin war kein großer Fan von großem Busen und knackigen Pobacken, wie sein Freundeskreis es war. Er bevorzugte sogar eher zierliche, schmale Mädchen, die beschützt werden mussten.

Cynthinia hingegen hatte einen sehr ansehnlichen … Vorbau und auch ihr Po war nicht zu verachten, auch wenn er noch nicht in den Genuss gekommen war, ihn richtig zu erforschen. Selbst nach mehr als acht Monaten Beziehung war er nicht weiter gegangen, als wildes Küssen und Fummeln. Das Gefühl hatte bis heute nicht gestimmt.

„ …sin! Alter, Bruder!“

„W-Was?!“

Crosin schreckte auf, als Browe ihm eine Tasse Schokolade unter die Nase hielt und ein Laib Brot gegen seine Lippen drückte. Der unwiderstehliche Geruch ließ seinen Magen lautstark knurren und er nahm beides dankbar an sich.

„Wo warst du mit deinen Gedanken, Sin?“, fragte Browe und trank etwas von dem schwarzen Kaffee, den irgendwie nur er runterschlucken konnte. Mace würgte allein bei diesem Anblick und sogar Crosin verzog das Gesicht.

„Bei Cynthinia.“, murmelte er schließlich und nahm einen Schluck der heißen Schokolade. Die Hitze beruhigte seinen hungrigen Magen und nach einem Bissen des frischgebackenen Brotes, fühlte er sich bereits herrlich entspannt.

„Du bist wirklich der Einzige, der sie Cynthinia nennt. Andere sagen Nia oder Tia …“, „Oder Tina.“, zählten seine Freunde auf und Crosin nickte. Das wusste er. Aber er fand, dass der Name etwas Besonderes war.

Nicht umsonst hieß er Crosin und auch wenn er die Abkürzung Sin in Ordnung fand, so hatte er eindeutig etwas gegen Cro.

Nur leider schienen viele am Institut anzunehmen, er würde es mögen.

Deshalb war er für viele bloß Cro. Einfach Cro.

Wie er das hasste.

„Siehst du, Browe? Er verzieht schon wieder das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Er denkt bestimmt wieder an seinen Namen Croooo!“, zog Mace ihn auf und zog dabei das O unendlich in die Länge. Seine Zehennägel rollten sich ein, während er ein Stück Brot nach seinem besten Freund warf.

Sie lachten zu dritt, als allgemeines Tuscheln zu ihnen herüber drang und sie verstummen ließ.

„Sie ist da.“

„Meinst du?“

„Ja!“

„Das ihre Mutter sie überhaupt noch rauslässt!“

„Dienerarbeiten … zu etwas anderem sind diese Zeros ja nicht gut.“

„Da hast du Recht … aber sieh dir ihre Augen an …

„Ich finde das schrecklich unfair unseren Kindern gegenüber. Dieses Ding besitzt die Augen eines Wolarion … Einer Gottheit!“

Eine Gänsehaut wanderte auf Crosins Haut, als er die verächtlichen Worte und das Schnauben hörte. Hass sprach aus ihnen, soviel unbändiger Hass, dass er sich unwillkürlich fragte, um wen es sich da handelte.

„Wer-.“, setzte er an, als Mace ihn mit verstimmter Stimme unterbrach.

Rerztk!“, fluchte er, blieb aber so leise das die Anderen ihn nicht hören konnten. „Nur weil dieses Mädchen die Augen eines Wolarion besitzt, wird sie mit noch mehr Verachtung gestraft, als die anderen Zeros.“

„Sie hat blaue Augen?“, fragte Browe und nahm Crosin die Worte aus dem Mund, bevor er die Frage stellen konnte.

„Leuchtend blau. Ich hab gehört ihre Augen wären so blau wie Lapislazuli, der Edelstein, der von Menschen geliebt wird. Außerdem scheinen sie zu leuchten, als würde ein Licht im Inneren brennen. Aber das sind Gerüchte und ich habe ihr nie in die Augen gesehen.“, warf Mace zum Schluss ein, während er sein Brot ihn kleine Stücke bröselte und an ihnen kaute.

Seine violett-schimmernden Augen hatten einen dunklen, fast schwarzen Ton angenommen, den sie fast immer dann bekamen, wenn er sich über ein Thema aufregte oder sehr genau darüber nachdachte. Crosin fragte sich was dieses Mal der Fall war.

„Aber sie hat so hellblondes Haar, das es fast so weiß wie Schnee wirkt. Das deutet doch darauf hin, dass sie eine Zero ist oder?“, warf Browe ein.

„Schon. Aber es gibt auch Magier deren Haar eher unbedeutend wirkt – nimm nur mal Sins schwarze Haare – aber seine Augen und sein Magielevel strafen dem Lügen.“

„Hey.“, protestierte Crosin und fuhr sich durch sein dunkles Haar. Es hatte im richtigen Licht einen leichten, dunklen Blauschimmer, doch eigentlich war es bloß schwarz. Und ein mächtiger Magier hatte nun eine sehr ausgefallene Farbe.

Wie Cynthinias rubinrot.

Oder Maces azurblau.

Oder Browes grasgrün.

Oder wie bei seinen Eltern. Seine Mutter hatte wundervoll violettfarbene Wellen, die sich um ihre schlanke Statur legten und seine Vater eine kräftige Gold- und Silberfärbung, die im Licht sogar mehr ins Karamell ging. Sein Vater – Crowes Kalra – gehörte zu den mächtigsten Magiern. Und das konnte man sowohl an seiner zweifarbigen Haarpracht, als auch an seinen dunkelroten Augen erkennen.

Die neben dem Wolarion-blau, zu den mächtigsten Farben gehörte.

„Jedenfalls sagt die Haarfarbe wenig über den Magielevel aus und es wundert mich ehrlich, dass diese Zero die schönsten blauen Augen überhaupt hat, während andere Zeros mit braunen Augen verflucht sind.“, überlegte Mace und drehte seinen Becher zwischen den Fingern.

Er hatte Recht.

In der Welt der Magier hatten Zeros – Kinder von Magiern, die kein magisches Potenzial hatten – ausschließlich braune Augen. Und in den meisten Fällen normale Haarfarben, wie braun, schwarz oder blond. Es gab selten welche, die eine ausgefallene Haarfarbe besaßen, auch wenn es nicht unmöglich war. Doch eine ausgefallene Augenfarbe war sehr ungewöhnlich, wenn nicht sogar unmöglich.

Das eine Zero die Augen einer Gottheit besaß, war wie ein böses Omen. Eine Vorwarnung und doch gleichzeitig ein Zeichen für Veränderungen.

Wie lange warteten die sogenannten Seher bereits darauf, dass die Götter ein Zeichen schickten?

Crosin dachte mit einem Schaudern daran, wie drei der wichtigsten und mächtigsten Seher ihrer Geschichte, seinem Institut einen Besuch abgestattet hatten. Zu der Zeit war die besondere Zero nicht da gewesen. Er war sich nicht sicher, was diese Gestalten sonst mit ihr angestellt hätten.

Denn, auch wenn er sie nicht kannte -er wusste nicht mal wie sie aussah- wünschte er ihr nicht, diesen Sehern in die Hände zu fallen. Das wünschte er ehrlich gesagt niemanden.

„Ich würde diese Zero gerne mal kennen lernen. Einfach um zu wissen wie sie so ist.“, fing Browe an und schluckte dabei den letzten Rest seine Frühstücks runter. „Ich mein, ich hab gehört wie einige sagen, ihre Gegenwart würde deine Magie abtöten.“

„Und das glaubst du?!“

„Nein! Für wie blöd hältst du mich, Mace?!“

Dieser schwieg, doch das leichte Schmunzeln in seinem Mundwinkel ließ selbst Crosin grinsen. Sie zogen sich nur auf und meinten keine der Beleidigungen ernst, doch das hieß ja nicht, dass man sich nicht ab und zu foppen durfte.

„Was ich sagen will, du Idiot, ist, dass ich gerne mal wissen möchte wer hinter diesen Gerüchten steckt. Ich mein, sie kann nicht wirklich aussehen wie eine zurückgebliebene Wasserleiche, deren Anblick einen vor Schock sterben lässt. Das sagen die Gerüchte, nicht ich!“

„Mich interessiert das auch. Schließlich dachten wir alle Cynthinia wäre eine oberflächliche Zicke und … warte … falsches Beispiel.“

Lachend wich Mace einem Schlag von Crosin aus, der ihn wütend anstarrte. Das Problem war einfach, dass er seinem besten Freund nicht widersprechen konnte.

Cynthinia war nun mal eine oberflächliche Zicke. So ungern er das auch zugab, aber es entsprach leider der Wahrheit.

„Und wie willst du sie ansprechen? Etwa mit „Hey Zero, wir kennen uns zwar nicht aber ich würde gerne mal wissen ob du so schrecklich aussiehst, wie viele sagen.“?“

Crosin lachte laut, als Mace seine Stimme verzerrte, sodass sie fast wie Browes klang. Welcher wütend knurrte und den blauhaarigen Jungen packte. Sie tanzten fast über die Straße. Er konnte sich kaum mehr halten vor Lachen, als er einen weißen Schatten aus dem Augenwinkel bemerkte.

Einen weißen Schatten?!

Hastig drehte er sich um, sah aber nur noch wie helles Haar in der Menge verschwand, die sich um die Person bauschte, als wäre sie giftiger Nebel.

Die Zero, dachte er verwundert, wurde aber aus seinen Gedanken gerissen, als Mace ihn packte und gegen Browe schmiss. Fast sofort war sie vergessen und die drei jungen Magier prügelten sich wie Sechsjährige und lachten laut.

Crosin konnte nicht ahnen, dass dieser Augenblick nicht der Letzte sein würde.

 

Es hatte schließlich bis tief in die Nacht gedauert, bis Mali alle Einkäufe ins Haus geschafft hatte. Zusätzlich zu den Säcken Ardan-Federn, gab es noch Säcke voll Reis, frischen Fisch, Fleisch und Gemüse.

Alles Dinge, die sie ohne magische Hilfe nicht schnell tragen konnte.

„Du hast den ganzen Tag für ein paar lausige Einkäufe gebraucht!?“

Ihre Muskeln spannten sich an und schickten Wellen der Schmerzen durch ihren Körper, als ihre Mutter sich mit einem drohenden Fauchen vor ihr aufbaute. Das dunkelrote Haar war zu einem eleganten Dutt geformt und nur einige wellige Strähnen umrahmten das junge, hübsche Gesicht. Hellgrüne Augen bohrten sich in ihre blauen und Mali drohte unter diesem Hass zu ersticken.

„E-Entschuldige Mutter … i-ich … ich musste fast zehn Mal hin und her laufen …“, stammelte sie, schloss im selben Moment aber vor Schreck die Augen als ihre Mutter glockenhell lachte.

„Na wenigstens hast du alles … so wie es scheint.“, grinste sie und amüsierte sich offenbar über den erbärmlichen Anblick ihrer eigenen Tochter. Fast wäre Mali etwas herausgerutscht, das ihr jede Menge Ärger eingebracht hätte. Aber auch nur fast.

„Ja, Mutter.“, murmelte sie stattdessen und blickte auf ihre Socken.

„Nun. Ich und dein Vater werden jetzt zu den Mirkens gehen und du benimmst dich. Bleib auf deinem Zimmer und bereite dich auf die Schule morgen vor.“

Gehorsam nickte Mali und wand sich dann ohne große Worte um. Es würde nichts bringen, ihrer Mutter viel Spaß zu wünschen. Sie würde es bloß als Sarkasmus verfälschen und sie dafür bestrafen.

Sie wartete schließlich mit klopfendem Herzen das ihre Eltern verschwanden, saß noch weitere zehn Minuten still in ihrem Zimmer, bevor sie sich hinaus traute und durch den schmalen Flur tapste.

Ihr Herz pochte lautstark in ihren Ohren, während sie über den Boden schlich und das Haus durch die gläserne Verandatür verließ. Der Mond schien durch einige Wolken hindurch und spendete ihr genug Licht, sodass sie die hölzernen Treppen der Terrasse hinabsteigen konnte und dann über den frischen Rasen lief. Ihre Socken waren nach wenigen Sekunden völlig durchnässt, doch es störte sie nicht.

Kurz vor dem Wald der Schatten blieb sie stehen und warf noch einmal einen Blick zurück zu dem Haus ihrer Eltern. Es lag ruhig da. Helle Hauswände, dunkle Fenster und ein dunkles Dach. Genau wie jedes weitere Haus es auch hatte. Sie waren einheitlich. Eine Gemeinschaft.

Und ich passe nicht dazu …, mit diesem Gedanken drehte sie dem Haus den Rücken zu und lief in den Wald. Sie war allein. Wie immer.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.02.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine beste Freundin. Du unterstützt mich immer, Egal was passiert. Ich hab dich unglaublich, Moffi!

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