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Besuch aus dem Wald

In einem Land hoch oben im Norden stand einmal ein kleines Dorf nahe eines dichten Waldes. Es hatte bloß 60 Einwohner und jeder kannte Jeden. Es gab jedoch jemanden, der sich entschieden hat allein im Wald zu wohnen. Fern von den Bewohnern seiner Dorfgemeinde. Denn leider war er in dem kleinen Dorf nicht gern gesehen und deshalb ging er auch niemals dorthin. Die Dorfbewohner hatten so gar ein wenig Angst vor ihm.


Er war ein alter Mann,von großer Statur, der einsam und allein in einer behaglichen Hütte wohnte. Er schaute etwas grimmig drein und sprach mit keinem Menschen. Er hat es sich zur Gewohnheit gemacht mit den Tieren zu sprechen. Denn diese wahren ohne Vorurteile, hörten sehr gut zu und spendeten dem alten Mann Trost wenn er traurig war oder sich einsam fühlte.
 
Die Dorfbewohner sagten ihm jede Menge Scheußlichkeiten nach und die Kinder wurden vor ihm gewarnt in dem sie ihnen sagten:
„Gebt Acht vor dem alten Mann im Wald. Der ist böse und gemein“!
Der Alte wusste von dem Gerede der Leute und es machte ihn sehr traurig und auch ein wenig zornig. Schliesslich kannten diese Leute ihn gar nicht richtig und wussten so gut wie nichts über ihn. Manche haben nichtmal seinen Namen gehört. Die Tiere im Wald waren seine Freunde und Weggefährten geworden und sollten sein Leben auf sonderbare Weise positiv verändern.- Wie?- Das erzähle ich dir jetzt... Mache es dir gemütlich und lausche der Magie der Weihnachtszeit...
 
Wenn die Vorweihnachtszeit begann fühlte er sich besonders einsam und alleine. Manchmal ging er in der Dunkelheit und im Schutz der dichten Bäume an den Waldrand und beobachtete das muntere Treiben im Dorf.
Die Einwohner schmückten ihre Häuser und der Geruch von selbstgebackenen Plätzchen stieg ihm in die Nase. Er sah, wie der große Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz aufgestellt und, begleitet von fröhlichem Gelächter, geschmückt wurde.
Traurig stapfte er durch den hohen Schnee zurück zu seiner Hütte und dort geschah etwas seltsames.
 
Er hatte gerade ein warmes Feuer angezündet, seinen wunderbar duftenden Bratapfel genossen und trank eine Tasse Kräutertee, als es plötzlich an der Tür klopfte.
Etwas verwundert darüber, wer sich bei diesem Wetter und im Dunkeln zu sich verirrt haben könnte, öffnete er und erschrak.
 Vor ihm stand ein großer Bär! Sein Fell war vom Schnee bedeckt und aus seiner Nase hingen Eiszapfen.
Mit vor Kälte bebender Stimme fragte er:“ Bitte alter Mann, darf ich eintreten und mich an deinem Feuer etwas wärmen? Mein Winterschlaf wurde von der eisigen Kälte unterbrochen und ich wandere schon viele Tage auf der Suche nach einem warmen Plätzchen umher, bis ich nun endlich den wohlig riechenden Rauch aus deinem Kamin vernahm!“
Sofort trat der Alte zur Seite und lies den frierenden Bären hinein. Dieser machte es sich gleich vor dem Kaminfeuer gemütlich und schlief zufrieden ein.
 
 Der alte Mann setzte sich wieder in seinen Sessel und wandte sich seiner Tasse Kräutertee zu, als es erneut an der Tür klopfte.
Er erhob sich und öffnete vorsichtig die Tür.
Er konnte aber niemanden sehen und mit einiger Verwunderung wollte er die Türe gerade wieder schließen, als er eine leise Stimme vernahm:


„Ich bin hier unten!“


Er sah hinunter und erschrak erneut. Dort, vor seinen Füssen, stand eine kleine, vor Kälte zitternde Maus und fragte: „Darf ich bitte eintreten und mich an deinem Feuer wärmen? Mein Mäuseloch ist so kalt und ich wandere schon so lange umher, bis ich nun schließlich dein Haus fand“ ! Seltsam dachte der alte Mann bei sich und trat zur Seite um die Maus hineinzulassen. Diese kuschelte sich am warmen Feuer an den schnarchenden Bären und schlief sofort ein.
Nachdem die Türe geschlossen war setzte sich der Alte wieder auf seinen bequemen Sessel und beobachtete die beiden schlafenden Tiere vor seinem Kamin. Der Tee war längst kalt und vergessen und der Mann überlegte verzweifelt, wie er den beiden helfen könnte, damit sie im Winter nicht in ihren Höhlen frieren. Da fielen ihm plötzlich die alten und aufgetragen Pullover und warmen Socken ein die er neulich ausgemistet hatte. Er eilte in seine Schlafkammer im oberen Stockwerk und kramte die alten Sachen hervor. Eine Schere, Nadel und Zwirn packte er auch noch dazu. Damit begab er sich wieder hinunter in die Wohnstube und machte sich gleich an die Arbeit.
Bis in die frühen Morgenstunden schnitt und nähte er. Zufrieden betrachtete er schließlich sein fertiges Werk.
Aus seinen alten Pullovern und Socken sind zwei kuschelige Decken geworden. Eine große für den Bären und eine kleine für die Maus.
Er legte noch ein paar Holzscheite auf das Kaminfeuer und deckte die beiden schlafenden Tiere behutsam zu. Erschöpft begab er sich ebenfalls zu Bett.


Als der alte Mann erwachte, lief er aufgeregt hinunter in die Wohnstube um nach dem Bären und der Maus zu sehen. Enttäuscht stellte er fest, dass der Platz vor dem Kamin leer war und sich auch sonst im Haus, außer ihm, niemand befand.
„Merkwürdig“ dachte er bei sich. „Ich habe noch nie einen Traum geträumt, der so wirklich erschien.“
Als sein Blick jedoch auf den Tisch viel, sah er die Schere und den Zwirn. Ebenso die Nadel und übrig gebliebene Wollfetzen.
Verwirrt schüttelte er den Kopf und öffnete die Tür um frische Morgenluft einzuatmen.
Gerade wollte er einen Schritt nach draußen gehen, da stieß er mit dem Fuß gegen ein Hindernis. Er blickte hinunter und strahlte über das ganze Gesicht. Zu seinen Füssen stand ein Topf mit dem feinsten Honig und ein Stück von dem besten Käse den man sich vorstellen kann. Der alte Mann rief ein lautes „Danke“ in den Wald und trug die Köstlichkeiten ins Haus.
 
Auf wundersame Weise sprach sich diese Geschichte im Dorf herum. Niemand wusste wer sie zuerst erzählte, aber jeder kannte sie und jeder erzählte sie ein wenig anders. Eine besser als die Andere. Einige fragten sich inzwischen, ob sie dem alten Griesgram Unrecht getan hätten und der vielleicht gar nicht so übel ist wie man die ganze Zeit glaubte. Es wurde viel geredet und beraten was nun hinsichtlich des alten Mannes zu tun sei. Schließlich haben sich die älteren Dorfbewohner zusammengetan und sich einen ganzen Tag beratschlagt. Am Ende wurde beschlossen, dem alten Mann eine Einladung zum jährlichen Weihnachtsdorffest zukommen zu lassen.
Einer der Dorfältesten und ein junger, kräftiger Bursche sollten diesen Dienst übernehmen. Sodann gingen die beiden los und überbrachten, etwas zögerlich, die Einladung. Der alte Mann wusste nicht so recht was er davon halten sollte und überlegte hin und her ob er der Einladung folgen sollte oder nicht. Das Fest war ja schon in drei Tagen und er war sich gar nicht sicher, ob er angemessene Kleidung für so etwas hatte.


Nach einer schlaflosen Nacht entschied er sich dazu an dem Fest teilzunehmen und stapfte, zwei Tage später, in seinen besten Hosen durch den Schnee hinunter ins Dorf.
Am Waldrand hielt er kurz inne und atmete den köstlichen Duft von Braten, Plätzchen, Kuchen und Punsch ein.
Als er den Marktplatz erreichte, sah er eine festlich gedeckte Tafel mit leckeren Speisen und fröhlichen Gesichtern drumherum. Am schönsten jedoch war der große, hell erleuchtete Weihnachtsbaum!
Als die Leute ihn bemerkten, verstummte das fröhliche Gelächter und alle starrten den alten Mann an. Diesem war das sehr unangenehm und wollte schon wieder gehen, als ein kleines Mädchen auf ihn zulief, auf einen Platz an der Speisetafel setzte und sich neben ihm niederließ. Augenblicklich wurde die ausgelassene Unterhaltung wieder aufgenommen und alle wollten nun die wahre Geschichte von dem Bären und der Maus hören.


Von diesem Tag an war der alte Mann bei jeder Dorffeier willkommen und einige besuchten ihn hin und wieder in seiner kleinen Hütte im Wald.
Denn hier wollte er bleiben. Und manchmal, wenn er abends allein in seiner Stube saß war ihm, als hörte er das zufriedene Schnarchen von den Besuchern aus dem Wald, die sich an seinem Feuer wärmten...
 
Ende
 

Impressum

Texte: Barbara Malik
Cover: Barbara Malik
Tag der Veröffentlichung: 18.08.2018

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Besuch aus dem Wald von Barbara Malik ausgedacht und geschrieben Nov´12 für meine wunderbaren Kinder Fabi und Mori! Weil wir an Wunder glauben! Zum Vorlesen und glauben, dass Dinge genauso passieren können.

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