Als Nadine Peters an diesem Abend mit ihrem Hund zur letzten Gassirunde des Tages aufbrach, konnte sie nicht ahnen, dass sie nur noch wenige Stunden zu leben hatte.
Es war kurz vor 23 Uhr, als sie mit ihrem angeleinten Boston-Terrier vor die Tür trat und den nahegelegenen Stadtpark ansteuerte. Um diese Zeit hielten sich dort kaum noch Leute auf und so konnte sie es riskieren, ihren geliebten Bozo auch mal von der Leine zu lassen, damit er seinen dringend benötigten Freilauf bekam. Sobald sie Stimmen hörte oder in der Ferne andere nächtliche Spaziergänger entdeckte, pfiff sie kurz und Bozo kam augenblicklich zu ihr zurück, damit sie ihn anleinen konnte.
Normalerweise, denn dieses Mal wartete sie nach dem Pfiff vergeblich auf seine Rückkehr. Nadine pfiff erneut und dann auch noch ein drittes Mal, aber von Bozo war weit und breit nichts zu sehen oder zu hören. Das sah ihm so gar nicht ähnlich und Nadine rief jetzt sogar seinen Namen. Als sich noch immer nichts regte, wurde sie allmählich sauer. Warum reagiert der verfluchte Köter nicht?, dachte sie und erschrak zeitgleich über sich selbst. Noch nie hatte sie ihren geliebten Schmusibusi so bezeichnet. Denn Bozo war einer der friedlichsten und verschmusten Hunde überhaupt und Yvonnes ein und alles, seitdem ihr Freund die fünf Jahre andauernde Beziehung von einem Tag auf den anderen beendet hatte. Er brauchte mehr Freiraum, meinte er. Shit! Von wegen Freiraum. Sie wurde einfach gegen ein jüngeres und weitaus besser ausgestattetes Modell ausgetauscht. Und das postete er auch noch rotzfrech in sämtlichen sozialen Medien. Nein, sie hasste ihn nicht, aber sie hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn ihm plötzlich ein schlimmer Unfall passieren würde.
Ein wimmerndes Kläffen riss sie aus ihren Gedanken und sogleich verflog der Ärger über Bozos Ungehorsam und echte Besorgnis machte sich breit. Sie beschleunigte ihre Schritte und obwohl die Gehwege im Park in der Dunkelheit gut beleuchtet waren, hatte sie einige Mühe, die Richtung, aus der das stakkatoartige Gekläffe kam, auszumachen. Wenn ihre Sinne sie nicht täuschten, dann kamen die Geräusche aus einer Gruppe von Sträuchern, welche abgelegen von den offiziellen Wegen und daher im Dunkeln lagen. Aber das war Nadine in diesem Moment egal, denn sie war voller Sorge, dass ihrem kleinen Bozo etwas zugestoßen sein könnte.
Sie verließ den Gehweg und steuerte die Richtung an, aus welcher sie die Geräusche vermutete. Und tatsächlich hockte Bozo ängstlich vor einem Gebüsch und zitterte am ganzen Leib. Über ihm kniete ein glatzköpfiges Muskelpaket und drückte Bozo mit der linken Hand auf den Boden, sodass sich das arme Tier nicht mehr bewegen konnte. Obwohl sie selbst arges Muffensausen hatte, ging sie forschen Schrittes auf den gefährlich aussehenden Mann zu. Jetzt aus der Nähe betrachtet konnte sie erkennen, dass nahezu seine komplette Haut mit Tattoos übersät war. Zumindest die Stellen, welche nicht mit Kleidung bedeckt waren. Sogar im Gesicht hatte er zahlreiche Tätowierungen. Und genau diese waren es, welche Nadine, just in dem Moment als sie sie erblickte, in Angst und Schrecken versetzten. Sie konnte die Motive und Symbole zwar nicht zweifelsfrei deuten, aber sie wusste zumindest soviel,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: R.S. Wiener
Bildmaterialien: Pixabay
Cover: R.S. Wiener
Lektorat: Frecap
Korrektorat: Frecap
Tag der Veröffentlichung: 28.04.2022
ISBN: 978-3-7554-1270-0
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