Wer sagt der Rhein fließt ins Meer
Nachts trommelte schon der Regen auf das kleine Dach unseres Iglu-Zeltes. Es konnte nicht mehr lange bis zum Morgen sein. Meine Hand tastete nach der Taschenlampe. Was war das? Wasser! Alles naß! Manuels und Cornelias Atem ging noch ganz ruhig, sie schliefen noch fest. Cornelias langen Haare lagen mitten in einer Pfütze.
Vorgestern waren wir, meine Kinder und ich, Cornelia 9¾ und Manuel mit fast 7 Jahren, mit den Rädern in Freiburg aufgebrochen. Jetzt waren wir etwa 10 Kilometer vor Karlsruhe.
Anlaß zu dieser Radtour war Cornelias Frage, woran man eigentlich merke, ob ein Gewässer ein Fluß oder ein See sei. Wir wollten den Rhein entlang radeln, so weit wir kamen, bis nach Holland?
Vorerst sah es so aus, als ob die Fahrt hier zu Ende sei!
Der erste Hahn krähte, und das erste Licht des Tages zeigte mir das ganze Dilemma. Wenn es inzwischen auch aufgehört hatte zu regnen. Ziemlich klamm kroch ich aus dem Zelt. „Nicht gut geschlafen?“ erkundigte sich die Frau des Bauern freundlich, neben dessen Hof unser Iglu stand. Als ich ihr mein Leid geklagt hatte, meinte sie: „Das ist doch nicht so schlimm, geben Sie mir halt Ihre nassen Sachen, ich habe einen Trockner.“
Mittags gings mit trockenen Sachen, strahlendem Himmel und ebensolcher Laune weiter.
So blauäugig, wie es jetzt auf den ersten Blick aussehen mag, sind wir in Freiburg nicht aufgebrochen. Seit Monaten hatte ich die Fahrt geplant. Von kleinen Touren wußte ich, daß es vor allem galt, Gewicht zu sparen.
Unser vorheriges Zelt miet den vielen Häringen hatte sich oft auf steinigem Boden als unpraktisch erwiesen. Von Luftmatratzen sind wir auf die leichten Isomatten übergegangen. Alle leichten Sachen, wie Kleider, Verbandszeug und Badesachen waren in den doppelt imprägnierten Satteltaschen gut aufgehoben. Zusätzlich ist es ganz praktisch, in Plastigtüten noch alles getrennt einzupacken; man findet schneller, was man sucht. Da ich die Kinder nicht so schwer belasten durfte, war alles Gewichtige in einem Fahrradanhänger verstaut. Vor allem die Küchensachen laufen ins Gewicht.
Gleich am ersten Ferientag waren wir aufgebrochen, und bis Lahr ging es zügig voran. Die Wege sind mir von Tagesausflügen bekannt. Erstens weils schöner ist, aber vor allem auch, weil Manuel einfach noch nicht auf die Straße gehörte, benutzten wir die Wald- und Wirtschaftswege möglich nahe am Fluß.
Ja, es ging flott vorwärts am ersten Tag und das, obwohl wir bei jedem Baggerloch eine Badepause einlegten, weil es so heiß war. Bis zum Abend hatten wir 70 km geschafft.
Es dauerte lang, bis wir ein Plätzle für unser Zelt gefunden hatten. Die Rheinauen sind Naturschutzgebiet. Es wurde ja erwogen, dort ein Kernkraftwerk zu bauen, aber die Bauern dürfen ihren eigenen Kindern nicht erlauben, ein Zelt aufzubauen, selbst nahe beim Hof.
In Ichenheim fanden wir dann doch eine Bäuerin, die sich meiner Kinder erbarmte, aber sie meinte: „Bis um neun Uhr müßt ihr wieder verschwunden sein, eher macht der ortsansässige Polizist auch nie seine Runde.“ Bis wir in die Schlafsäcke krabbeln konnten , war es schon 22 Uhr.
Wir haben es uns mit dem Auspacken immer sehr einfach gemacht. Die Packtaschen blieben an den Rädern; mit Ringschlössern gesichert, und einer Plane abgedeckt, konnte kaum etwas passieren. Unsere Küchenkiste wurde nur bei Bedarf ins Zelt geholt und diente mit einer Sperrholzplatte abgedeckt, gleich als Tisch. Sonst war sie im Hänger Gut aufgehoben.
Ein erwachender Bauernhof, mit all seinen Geräuschen, ist für einen Stadtmenschen schon etwas besonderes. Beim ersten Hahnenschrei steht man auch als Morgenmuffel mit Freuden, sozusagen mit den Hühnern, auf. Bringt dann noch die Bauersfrau sechs riesengroße, hartgekochte Eier zu Frühstück, ist 'morgens um sieben die Welt noch in Ordnung'. Die Bäuerin war die erste all der freundlichen Menschen, die uns noch begegnen sollten.
Wieder bei großer Hitze ging es heute etwas langsamer, mußten ich den Weg doch auf der Radkarte suchen. Möglichst oft ins Wasser hopsen wollten wir auch. Außerdem war die Kirschernte in vollem Gange, und wir wurden des öfteren zum Futtern eingeladen.
Wie schön der Breisgau ist!---Schon gestern vom Tauber-Gießen, einem Vogelschutzgebiet, waren auch Cornelia und Manuel ganz begeistert. Wenn überall geerntet wird, man die Früchte des Feldes und der Bäume reifen sieht, man frei ist von Verpflichtungen, und die Sonne auf all die Pracht scheint, könnte man meinen im Paradies zu sein.
So radelten wir, bis die aufkommenden Mittagshitze, Hunger und Müdigkeit der Kinder uns zu einer größeren Pause zwangen. Auf der Höhe von Baden-Baden fanden wir direkt an einem Baggersee ein Plätzchen für all unsere Bedürfnisse. Gerade hatte ich unsere Strandmuschel zu Schutz vor der Sonne aufgespannt, da zog ein Gewitter auf. Das Ding ist sogar wasserdicht, wie sich zeigte, denn wahre Fluten stürzten auf uns nieder. Weil's plötzlich auch noch kalt wurde, holten die Kinder sich ihre Schlafsäcke, und bald war es ihnen so gemütlich, daß sie die ganze Sintflut verschliefen. Ich hatte es in dem verbleibenden Eckchen die nächsten zwei Stunden weniger kommode.
Gerne wäre ich die Nacht an diesem See Geblieben. Aber mit zwei kleinen Kindern, ganz alleine, weit ab von allen Menschen, hatte ich einfach Angst. So suchte ich lieber die Nähe eines Bauernhofes.
Die folgende Nacht habe ich zu Anfang beschrieben.
Heute mußten wir durch Karlsruhe. Mir war das nicht ganz geheuer, denn beide Kinder waren dem hektischen Großstadtverkehr nicht gewachsen.. So mogelten wir uns durch kleine Nebenstraßen, und durch den Stadtkern haben wir die Räder lieber geschoben.
Auf einem Spielplatz haben wir dann gerastet und gekocht. Meine Zwei waren begeistert von einer alten Dampfwalze, die einfallsreiche Stadtväter, bunt bemalt, dort aufgestellt hatten. Nur die Aussicht auf ein Eis konnte Cornelia und Manuel ' loseisen '.So sind wir an diesem Tag nicht weit gekommen. Schon wenig Kilometer hinter Karlsruhe galt es, ein Plätzchen für die Nacht zu suchen.
Verflixt, gab es denn hier überhaupt keine Bauernhöfe? Einen Zeltplatz anscheinend auch nicht!
So klingelten wir an einer abgelegenen, ziemlich verfallenen Gärtnerei. Niemand da! Weitersuchen? Inzwischen war es dunkel und wir ziemlich müde, und so bauten wir unser Iglu hinter dem Haus auf einer kleinen Wiese auf. Versteckt durch eine Hecke war wir zumindest von der Straße aus nicht zu sehen. Vorteil des Fleckchens, es gab einen Wasserhahn. So ganz wohl war mir nicht in meiner Haut, was sollte ich nur den Leuten sagen, falls doch..........? Da war ich schon eingeschlafen.
Das erste Licht des Tage trieb mich aus den Federn. Es schien wirklich niemand zu Hause zusein. Nichts rührte sich. Gerade wollte ich ganz erleichtert das Frühstück richten, da kam ein kleiner Mann und verschwand im Haus. Von dort aus muß er uns gesehen haben, denn er kam wieder ´raus und direkt auf mich zu. Ich sagte gleich mein Sprüchlein auf, von wegen, es sei so spät gewesen, und das wir nichts anderes gefunden hätten. „ Er wäre nicht von hier, hüte nur das Haus seiner Tochter, die in Urlaub sei.“ Eine kräftige Alkoholfahne wehte mir entgegen. Mir wurde immer mulmiger zu Mute, denn der Alte machte mir doch tatsächlich einen eindeutigen Antrag und tatschte mir auf den Po.
Die Rettung nahte schon, eine ältere Frau mit Korb kam angeradelt. Sie schickte den Alten ins Haus. „ Bitte entschuldigen Sie meinen Bruder“, meinte sie, „ er ist schon nicht mehr recht im Kopf vom vielen Saufen.“ Wir haben uns dann noch eine Weile unterhalten, und sie erlaubte uns, von den Himbeeren zu pflücken, die reichlich hinterm Haus wuchsen. Inzwischen waren auch meine Küken aus dem Zelt gekrabbelt und kamen dieser freundlichen Aufforderung begeistert nach. So hatten wir ein sehr feines Frühstück..
Der Weg führte uns heute direkt am Rhein entlang. Die Hitze flimmerte über dem Wasser, und dicke Kähne zogen ihre träge Bahn. Bald waren unsere Wasserflaschen leer und wir waren froh, als das nächste Dorf auftauchte, denn die Zunge klebte uns am Gaumen. Die Kinder konnten nicht mehr!
Als wir noch auf einer Treppe unter dem Dach einer Scheune unsere Wurst kauten, brachte ein kurzes Gewitter ein wenig Frische.
Auf einer langen, hohen Brücke überquerten wir den Rhein, und jetzt war es nicht mehr weit bis Spayer. Vorher lud uns aber noch ein Altrheinarm zum Baden ein. An diesem einsamen, malerischen Fleckchen blieben wie noch bis zum Abend, kochten, und ich reparierte noch meine Gangschaltung, der Zug war gerissen.
Mit der untergehenden Sonne fuhren wir nach Spayer hinein. Vor der Stadt standen wir noch einmal auf einer kleinen Anhöhe und konnten uns an dem Blick auf den Dom nicht satt sehen. Wenn man durch Spayer hindurch fährt, findet man an einem der künstlichen Seen einen Campingplatz, der wenig Komfort, dafür umso mehr Romantik bietet und nicht sehr teuer ist. Dort blieben wir drei Tage. Cornelia und Manuel wollten ausgiebig spielen, ich den Dom besichtigen und fotografieren und außerdem mußte ich ja das Zelt abdichten, damit wir nicht noch einmal ' schwimmen ' gingen.
Die letzten Tage hatte ich ängstlich nach dem Himmel geschielt, aber Petrus war uns wohlgesonnen. Eigentlich sollten neue Zelte dicht sein!!!
Wäsche waschen mußte ich auch mal, den wir hatten ja nicht viel dabei. Übrigens hat sich die gute alte Kernseife bestens bewährt.
Der Dom!--- Allein seinetwegen hat sich die Tour gelohnt! Es ist mir sogar gelungen, die Kinder dafür zu interessieren. Ich erzählte ihnen die Geschichten und Sagen, die sich um die rheinischen Kunstschätze ranken, und so fing für sie der Stein zu leben an.
Inzwischen sind viele Jahre vergangen, und sie wissen noch viele Einzelheiten.
Während der Fotografiererei hätte ich Manuel fast verlohen. Er fühlte sich plötzlich einsam, und macht sich ganz alleine auf den ziemlich weiten, recht komplizierten Weg zum Campingplatz und hat ihn zum Glück gefunden. Mir ist schleierhaft, wie er das geschafft hat.
Den Weg von Spayer nach Worms legten wir an einem Tag zurück, obwohl die Fahrt durch Ludwigshafen eine Tortour war. Ich hatte keinen Stadtplan und mußte mich durchfragen. Vor der Stadt hatten wir auf einem vergammelten Spielplatz gerastet. In meinem kleinen Radio hörte ich , daß am Nachmittag Fußballmeisterschaften übertragen werden. Seit Tagen hatte ich beobachtet, daß zu den Spielzeiten die Straßen wie leergefegt waren. Das machten wir uns jetzt und später bei allen großen Städten zu Nutze.
So kamen wir sicher und heil zum Bahnhof. Dort saßen wir erst mal ziemlich ratlos, denn inzwischen war der Feierabenverkehr ausgebrochen. Wie es weiterging wußten wir auch nicht.
Eine Gruppe türkischer Buben half uns dann weiter. Sie sprachen noch kein Deutsch, verstanden aber was wir wollten, und geleiteten uns in halsbrecherischem Tempo an dem riesigen Gebiet der BASF vorbei bis zum Stadtrand.
Dort wollte ich eigentlich unten am Rhein weiterfahren, aber eine alte Dame riet uns sehr davon ab. „Dort treibe sich Gesindel rum“, meinte sie. Dann spendierte sie uns noch ein Eis. So wählten wir den unbequemeren, weil bergigen Weg. Mein Anhänger, in ebenen Gelände kaum zu spüren, machte mir enorm zu schaffen. Es war Abend, aber immer noch glühend heiß, kaum auszuhalten. Als wir an einem Rasensprenger vorbei kamen, haben wir in Kleidern geduscht, herrlich! Turnhose und Hemdchen waren gleich wieder trocken.
Ganz bis Worms haben wir es dann doch nicht mehr geschafft. Es war fast dunkel, ein Bauernhof war nicht zu sehen.
Im letzten Dorf vor Worms fragte ich eine Frau, die gerade den Gehweg kehrte. Wie so oft, wurden wir nach dem Woher und Wohin gefragt, dann meinte sie: „ Ihr könnt mit mir kommen, ich habe Platz für Euch, wenn Ihr mir nicht den ganzen Rasen verschandelt“. Wir guckten nicht schlecht, als1 sie das Gartentor aufmachte, und sich dahinter ein ganzer Bauernhof verbarg.
Wir erfuhren, daß das in der Pfalz immer so sei. Da hätten wir noch lange suchen können. Unsere Gastgeberin hat uns mit Leberwurstbroten bewirtet und wir haben bis 23 Uhr geschwätzt. Todmüde krochen wir in unsere Schlafsäcke.
Morgens war ich schon sehr früh wach, habe mich im Zelt gewaschen, ein eingedrückter Wasserball diente mir als Schüssel, und wollte gerade das Frühstück richten, als die liebe Frau mit einem kompletten Frühstück auf ihrem Tablett erschien und alles auf dem Gartentisch herrichtete. Mal wieder an einem richtigen Tisch essen, frische Brötchen, Kaffee aus der Termoskanne, Kakao für die Kinder, ich war einfach platt über so viel Freundlichkeit.
Wir haben ordentlich gefuttert und unsere Gastgeberin fand es auch schön, nicht alleine frühstücken zu müssen. „Ihr Sohn sei zur Zeit nicht zu Haus, er bewirtschafte sonst den Hof, und ihre Tochter sei im Badischen verheiratet. Leider sähe sie ihre Enkel, die etwa so alt wie meine Kinder seien, nur selten.“, erzählte sie. Freundlich winkte sie uns nach, als wir um acht Uhr aufbrachen.
Nicht lange, trotz großer Steigungen, und wir waren in Worms. Vor dem Dom ketteten wir unsere Räder an, in der Hoffnung, noch alles vorzufinden, wen wir wiederkämen.
Im Dom war es angenehm kühl. Bis wir alles angeschaut hatten, ich meine Geschichten erzählt hatte, alle Bilder im Kasten waren, war der Vormittag um. Als wir aus dem Dom traten, schlug uns Backofenluft entgegen. Es war unmöglich, weiterzufahren.
Wir versorgten uns mit frischen Lebensmitteln und fanden einen Spielplatz mit Planschbecken. Sehr zur Freude meiner Wasserratten. Ich sah schon schwarz für diesen Tag. Es war immer noch so heiß, als wir endlich aufbrachen, obwohl es schon 17 Uhr war.
Ich hatte nicht gebadet, nur meine Schirmmütze immer wieder ins Wasser getaucht, und das merkte man. Die Kinder radelten mir auf dem Radweg der B9 laufend weg. Es gab kaum Schatten! Immer wieder leerten wir das Wasser der Nippelflaschen über den Kopf.
Bei einer Gärtnerei konnten wir nachfüllen und uns gründlich naß spritzen.
Es war 20 Uhr, als wir durch Oppenheim fuhren. Ich hätte mir gerne die Katharinenkirche angeschaut. Hoch oben auf einem Hügel sieht man sie in gotischer Leichtigkeit in den Himmel ragen. --Ja wenn sie nicht oben auf diesem Hügel stände, es weniger heiß und wir nicht so müde gewesen wären, ja dann hätten wir sie angeschaut. Ich bedauere immer noch, sie nicht gesehen zu haben.
Außerdem, Manuel hatte es eilig! In Bodenheim ist eine Kindergärtnerin beheimatet, die ihn durch die letzten drei Jahre Kindergarten begleitet hat, und die bei ihren Eltern Ferien machte. Da wollte er hin.
Ich hatte so meine Zweifel. Sie hatte zwar gesagt, daß wir sie besuchen sollen, wenn wir es wirklich so weit schaffen, aber solche Einladungen sind oft nicht ganz ernst gemeint. Außerdem war es schon ziemlich spät.-- Ein kurzer Anruf, der Bruder war am Telefon: „Das ist ja toll, ihr seid von Freiburg hierher geradelt. Meine Schwester ist im Moment nicht da, aber natürlich könnt ihr kommen! Für Euer Zelt haben wir im Garten Platz.“
Dann kamen wir leider doch sehr ungelegen. Die Eltern waren beim Umbau, und der Vater wollte Fußball sehen. Uns wurde im Garten etwas zum Trinken angeboten. Wenn Manuel nicht so ein enttäuschtes Gesicht gemacht hätte, wäre es bei einem kurzen Hallo am Gartentor geblieben. Manuels Kindergärtnerin war peinlich berührt. So richtig engagiert war ihr Bruder. Der hätte gerne noch mit uns länger zusammengesessen, sich erzählen lassen. Auch seine etwas vorschnelle Zusage war ihm arg. So zeigte er uns ein ruhiges Plätzle beim Spritzenhaus. „ Da stört Euch keiner, da zelten manchmal welche“, meinte er. Aber auch da lag er nicht ganz richtig. Die Kinder sind zwar sofort eingeschlafen, aber ich konnte keine Ruhe finden. Die Dorfjugend kurvte ganz in der Nähe mit ihren Mofas rum. Wußte ich, auf was für Ideen die vielleicht kommen? Außerdem fürchtete ich Schwierigkeiten von Seiten der Ortsverwaltung. Zwar dürfen Radfahrer und Wanderer zur Not überall eine Nacht campieren, aber so mitten im Dorf? Dann siegte aber doch die Müdigkeit.
Bei Tagesanbruch, nach meiner 'Katzenwäsche', packte ich alles zusammen, was sich einpacken ließ ohne die Kinder zu wecken, und spitzte jedesmal ängstlich die Ohren, wenn ich Schritte hörte. Aber wir blieben unbehelligt. Natürlich sind meine Beiden von der Krustelei dann doch aufgewacht, zumindestens kamen wir auf die Weise zeitig los.
Bald waren wir in Mainz. In einem Park hörten wir einem Posaunebläser eine Weile zu, und ich fachsimpelte mit einer Radlergruppe, die aus der Gegenrichtung kam. Wie alle Kinder konnten meine Kinder das gar nicht leiden, wenn ich mit fremden Leuten sprach. Aber wieder mal erhielt ich gute Tips und Information über den Weg.
Der Mainzer Dom sah aus wie neu. Der Sandstein, vom Schmutz vergangener Jahrhunderte, vor allem der letzten Jahrzehnte, gereinigt, erstrahlt in seinem ursprünglichen Rot. Später erbaut als der Dom zu Spayer und Worms, trägt er schon gotische Elemente (Kreuzgang) und ist auch viel leichter gebaut. Bis wir auch noch den Domschatz bewundert hatten, und die Ausstellung im Kreuzgang, war es fast Mittag. So deckten wir uns auf dem Markt mit frischen Lebensmitteln ein und weiter gings. Hinter Mainz konnten wir nicht direkt am Rhein weiterfahren, dort verläuft die Autobahn. So ging es zwar wenig, aber doch stetig bergauf. Ein schöner Blick entschädigte zwar für die Mühe, aber dennoch mußten wir sehr weit fahren, bis wir große Pause machen konnten. Zwischen 15 und 17 Uhr war die Hitze kaum auszuhalten. Am Abend fanden wir auf einem Obstgut ein Plätzchen für die Nacht.
Der nächste Tag fing ja gleich prächtig an, der Weg wurde sandig, wir mußten schieben. Dafür war der Landschaft recht romantisch, und führte direkt am Fluß entlang. An einem beschaulichen Eckchen scheuchten wir ein Liebespärchen auf. Weiden senkten ihre Zweige in den träge dahinziehenden Strom, und lauschige Städtchen ruhten in der Mittagshitze aus.
Wir hatten das Ausruhen auch nötig und kauften uns ein großes Eis. Die Kinder planschten im Brunnen eines Spielplatzes, Treffpunkt südländischer Familien. Eine junge Türkin bot mir Eiskaffee an, und ihr Baby krabbelte mit nacktem Po über den Rasen.
Am Abend Fuhren wir übers Biengener Loch bis zur Lorelei. Auf dem Radweg kamen wir rasch voran. Die Kinder wären am liebsten auf jede Burg geklettert, aber wohin mir dem Gepäck?
So nah an der Straße hätte nur jemand schnell umladen müssen.. Und dan wollte ich auch die Abenkühle nutzen.
Mit dem Wort Lorelei verbinden sich recht romantische Vorstellungen. So beschienen von der Abendsonne sieht sie wie ein ganz normaler Felsen aus.
Direkt gegenüber liegt ein Campingplatz, kaum Comfort, dafür teuer. Aber wir waren müde genug, um weder die hoppeligen Wiese zu spüren, noch die Züge, die an beiden Rheinufern die ganze Nacht über fuhren, zu hören. Am nächsten Morgen, sehr früh, konnte ich plötzlich verstehen, wie die Sage um diesen Felsen entstanden ist.
Das ganze Tal war vom Morgendunst verhangen, und aus dem Thein stieg swarz und geheimnisvoll die Lorelei. Ein Lastkahn schien direkt auf sie zuzutreiben, drehte im letzten Augenblick in der Stromung und rauschte auf mich zu. Zum Glück hatte ich menen Fotoapparat dabei, so gelangen mir ein paar wirklich gute Bilder.
Die Sonne malte den Himmel mit ihren zartesten Farben aus, n brach die ersten Strahlen des Tages den Zauber.
Noch war es still auf dem Platz und ich träumte noch ein wenig im hohen Gras am Ufer sitzend. Das Wasser im Teekessel brodelte, da kroche auch meine Beiden verschlafen aus dem Iglu. Noch verriet der Morgen nichts von der Hitze des Tages. Die Wiese triefte vom Tau, und es war kalt. Bald war alles gepackt.
Sicher auf dem Radweg fahrend, konnten wir die Landschaft genießen. Es dauerte nicht lang, und wir waren in Braubach bei Rhens. Nach dort mußten wir mit dem Schiff übersetzen, nachdem wir unser Gepäck abgeladen, und unser Zelt auf dem Zeltplatz aufgebaut hatten.
Wenn man an den bunten Kiosken vorbei ist, nimmt einem das mittelalterliche Städtchen gefangen, das sich wie schutzsuchend an den Burgberg schmeigt. Durch winkelige Gäßchen führt ein Fußweg hinauf zur Marksburg, und trotz der glühende Hitze hatten meine Beiden es eilig hinauf zu kommen.1 Ich hatte ihnen versprochen die Geschichte von Alheidis zu erzählen, von deren Lieben und Leben ein Roman meines Grovaters berichtet.Da er immer sehr genaue Studien betrieben hat, waren mir die Örtlichkeiten bestens vertraut.
Der Führer hatte gerade das mächtige Tor mit einem groooßen Schlüssel geöffnet und uns eingelassen, da haben wir uns vob der Führung davon geschlichen. Wir gingen auf den Pfaden des Burgfräuleins mit seinem traurigen Schicksal, und alles begann zu leben.
Es war fast Abend,als wir uns aus der Verzauberung lösten. Um Haaresbreite hätten wir die letzte Führung verpaßt, um wieder herauszukommen.
Die Marksburg ist nie erobert worden. Selbst Napoleon, der viele Burgen schleifen ließ, hat die Feste umsonst bestürmt. So ist auch alles Mobiliar ud die alten Gerätschaften noch erhalten. Der Besuch lohnt sich!
Auf dem Schiffchen zum Zeltplatz auf der anderen Seite überfiel uns die Müdigkeit. Nach einer erfrischenden Dusche und einem saftigen Obstsalat war von uns nichts mehr zu hören.
Dafür waren wir am nächsten Tag die ersten, die um frische Brötchen anstanden.
Es war aber schon fast Mittag, als wir in Koblenz ankamen.
Hier weitet sich das Rheintal wieder.reger Verkehr herrschte auf dem großen Fluß, und die Kinder winkten jedem Kahn eifrig zu. Manchmal winkte auch jemand zurück.
Am deutschen Eck kletterten die Kinder auf das wuchtige Monument. Ich zog es vor, im Schattenzu warten und den Blick auf Mosel und Rhein, das Städtchen und die Feste Ehrenbreitstein zu genießen.
Dann schleckten wir noch ein Eis, schon war eine Stunde vertrödelt. Ich wollte nicht gerade in der größten Mittagshitze im Verkehrsknoten hinter Koblenz stecken bleiben, so trieb ich zur Eile an. Unsere Nippelflaschen waren auch fast leer. Man glaubt es kaum, im deutschen Land kann man verdursten.Ein paar geklaute Sauerkirschen brachten auch kaum Linderung.
Gleich am Eingang des nächsten Städtchens hörten wir das Gegröle eines Schwimmbades. Es wurde uns erlaubt, unser Gepäck sicher unterzustellen, und wir genossen es bis zum Abend, mal wieder Schwimmen zu können. Müde vom Baden und der großen Hitze, schafften wir es gerade noch bis Andernach.
Dort, wo sich auf hohen Stelzen die Autobahn um deb Berg windet, führt ein schmaler Pfad direkt am Fluß entlang. Weiden verneigen sich vor dem mächtigen Strom, und Sandbänke strecken ihre Arme bis weit hinaus ins Wasser. Leutersdorf winkte uns mit seinen Lichtern vom anderen Ufer freundlich zu. Da aber der Zeltplatz dort für uns nicht erreichbar war, blieben wir an diesem lauschigen Plätzchen.Manuel und Cornelia haben im letzten Licht des Tages noch eine Sandburg gebaut, wir haben Feuer gemacht und Würstchen gebraten. Wildromantisch!
Weniger schön war, daß Cornelia am nächsten Morgen mit zugeschwollenem Auge aus dem Zelt krabbelte. Schnaken gibt es überall am Rhein reichlich, und wenn ich das Fliegengitter abends am Zelt zugezogen hatte, suchte ich/ Wir eifrig nach den Plagegeistern. Diese mußte ich übersehen haben. Was machen?
Wir hatten kaum noch Wasser, die Kiender alleine lassen traute ich mich nicht. Es blieb uns gar nichts anderes übrig, als weiterzufahren. Armes Mädchen! Aufmerksam studierte ich die Karte. Der Weg, der uns hierher geführt hatte, folgte weiter dem Flußlauf bis zum nächsten Ort, war aber reichlich schlecht. Im Dorf gab es eine Apotheke, aber keinen Campingplatz, und so mußte ich mit meinem halbblinden Kind den Weg fortsetzen.
Der Weg führe weiter am Fluß entlang, wurde uns gesagt. So wagten wir es dann. Aber mein Mädchen wurde heute offensichtlich vom Pech verfolgt, denn kaum einen Kilometer weiter fuhr sie in einen Nagel.
Bei 30 Grad im Schatten, in der knallen Sonne einen Reifen zu flicken , ist auch nicht gerade eine Wonne. Aber was beklagere ich mich? Es war unsere erste Panne. In einer Viertelstunde war es geschafft.
Der Weg war zwar für mein einäugiges Kind gut, aber er war sandig, und ich hatte schwer zu kämpfen mit meinem Hänger. Lange habe ich das nicht ausgehalten bei diesen Temperaturen, und es gab große Pause unter einer Trauerweide. War das heiß, wir konnten uns für Stunden nicht von der Stelle rühren. Cornelias Auge haben wir mit Sprudel gekühlt. Manuel hat dann noch seinen Hut ins Wasser fallen lassen. Eine Schirmmütze war keine aufzutreiben, so hat er Cornelias zerknautschten Lederhut bekommen, und sie einen neuen Strohhut. Das stellte ihr angegriffenens Selbstbewußtsein wieder her. Ein bißchen konnte sie wieder sehen auf dem lädierten Auge, und so fuhren wir fröhlich weiter.
Ehe wir uns versahen, waren wir in den Vororten von Mainz angekommen. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht hatte, wir hätten in Bad Godesberg auf dem Campingplatz bleiben sollen. Es war schon acht Uhr, als wir in den Parkanlagen vor dem Bundeshaus unser Müsli aßen.
Auf dem Radweg, der nach Köln führt, kamen wir gut voran. In Wesseling mußten wir aber dann doch einsehen, daß wir es bis zum Zeltplatz in Köln nicht mehr schafften. Auf meiner Karte war nichts verzeichnet, es konnte aber trotzdem hier ein Campingplatz sein, und Fragen kostet nichts.
Ich schaute mich gerade hilfesuchend um, da klang es hinter mir: „Wo wollen sie denn hin?“ Es war eine Frau, die gemütlich auf einem Kissen aus dem Fenster lehnend, diese Frage an uns richtete. So wurde ich gleich meine Frage nach einem Campingplatz los. „ Ja in Köln sei einer“, und dann: „ Ja was hat denn das Kind am Auge?“ Dann wurden wir hereingebeten, „Auf den Rasen hinter dem Haus ist Platz!!“ Wir wurden sehr verwöhnt. Cornelia bekam einen Eisbeutel auf ihr Auge, und wir wurden großzügig zum Abendessen eingeladen. Das Bad wurde uns zur Verfügung gestellt, und das waren ganz fremde Leute. So was gibt es noch! Ja inzwischen hatten wir doch schon einiges zu erzählen, die Kinder wären fast im Sitzen eingeschlafen. Morgens bekamen wir noch Frühstück, und als ich nach einem Kartengeschäft fragte, denn nach Köln fuhren wir aus meiner letzten Karte heraus, bekam ich vom Herrn des Hauses eine geschenkt, und brauchbare Ratschläge dazu.
Meinem Töchterchen ging es wieder gut, das Eis hatte Wunder gewirkt. So fuhren wir fröhlich, von vielen guten Wünschen begleitet, weiter.
So fuhren wir fröhlich, von guten Wünschen begleitet, weiter. Erst durch ein stinkendes Industriegebiet, das war nicht gerade eine Freude, aber in der darauffolgenden Rheinschleife von Rodenkirchen liegt ein großer Park mit Wiesen, Wald und Spielplatz. Die Kinder wollten hier im Rhein baden, einige Leute waren im Wasser, und weil es so heiß war, probierten wir es auch. Nur ganz kurz, so ganz geheuer war mir das nicht und vorsichtshalber haben wir uns unter dem nächsten Springbrunnen ,geduscht'.
Weiter ging es, direkt an der Uferpromenade, vorbei an Bootshäusern, an Cafés,die ihre Terrassen neugierig über den Strom strecken. Gewaltige Brücken halten die Ufer zusammen und halb Köln schien sich auf der Promenade verabredet zu haben. Ein Bild voll sommerlicher Fröhlichkeit.
Bald hatten wir den Stadtkern erreicht, und in der Hoffnung, daß die Ehrlichkeit doch noch größer ist als ihr Ruf, schlossen wir Räder und Hänger doppelt und dreifach am Geländer des Kais fest, und hofften, daß uns niemand das Gepäck klaute, und suchten den Weg zum Dom. Behäbig tront er in der Stadt. Ist das Freiburger Münster ein junges Mädchen, hat das Straßburger Münster die reife Schönheit einer Frau, so wirkt der Kölner Dom, obwohl auch gotisch, kraftvoll wie ein Mann. Hingerissen war ich von der Schönheit der Fenster. Gereinigt nach einem ganz besonderen Verfahren von Schmutz und Ruß, strahlen sie in den herrlichsten Farben. Ich konnte mich gar nicht satt sehen und habe einen ganzen Film verknipst. Leider sind viele Aufnahmen nichts geworden, mit der Beleuchtung bin ich nicht zurechtgekommen. Auf dem Bummel zurück durch die Altstadt haben wir noch was gegessen und eingekauft. Gott sei Dank, unsere Sachen waren noch da.
Weit konnten wir nicht mehr den Fluß entlang fahren, der Hafen versperrte uns den Weg. Aber wir mußten vorher noch mal eine Pause einlegen, Manuel hat eine Schraube von der vorderen Radgabel verloren. Es dauerte ewig, bis ich am Mittwochnachmittag ein Fahrradgeschäft gefunden habe. Die1 Kinder hatte ich auf einem Spielplatz zurückgelassen, mit keinem so guten Gefühl.
Kaum war die Schraube an ihrem Platz, da brach ein mächtiges Gewitter los, und wir mußten Schutz unter einer Brücke suchen. Jetzt war es eigentlich zu spät zum Weiterfahren, aber zurück durch die Stadt? Da vertrauten wir lieber auf unser Glück! Bei leichtem Nieselregen ging es auf einem Radweg durch die schier endlos scheinenden Vororte.
Im ersten Dorf war es wieder da, das Glück! Ein Fünfzehnjähriger den ich fragte, sagte, wir könnten unser Zelt unten bei ihnen am Baggersee aufstellen, sie hätten Sondererlaubnis, und niemand hätte die Zelte gezählt. Kurz darauf kamen noch zwei, die Biwak machen wollten. Unser Iglu stand gerade, da ging ein sintflutartiger Regen los. Ich konnte gerade noch unsere Sachen in Sicherheit bringen. Dieses mal war unser Zelt dicht! Bei einer Portion Kartoffelpuffern hatten wir es sehr gemütlich. Die beiden im Biwak blieben auch trocken, hatten es aber weniger kommod. Meine Einladung, bei uns mit ,reinzukriechen und mitzufuttern, haben sie ausgeschlagen. Eine Weile schaute noch mal der Himmel durch, aber dann pladderte es erneut los, und so verkrochen wir uns bald in die Schlafsäcke.
Am nächsten Morgen brachte uns der junge Mann frische Milch, Brötchen und Wasser mit, und es gab ein Frühstück in großer Runde. Die Sonne war auch wieder da, wir wagten einen Sprung ins Wasser. Mitten in dem See wartete eine Brücke vergeblich auf den Anschluß an eine Straße, die nie gebaut werden sollte; Fehlplanung.
Wir sind nicht weit gekommen, da passierte es. An meinem Anhänger brach die Deichsel. Was nun? Recht verzweifelt schaute ich nach Hilfe aus. An Weiterfahren war nicht zu denken. Da schickte uns der Himmel einen lieben Menschen, einen Handwerker, der wohl gerade zur Mittagspause nach Hause wolltel Auf meine Frage, ob es hier irgendwo eine Werkstatt gäbe, meinte er:" Kommen sie nur mit mir, ich habe ein Schweißgerät, in einer halben Stunde können sie weiterfahren." So war es denn auch, nach 30 Minuten war alles wieder eingepackt und mit einem herzlichen Dankeschön machten w i r uns wieder auf den Weg.
Nun sind wir schon so vielen netten Leuten begegnet. Wenn man in einer Hochhaussiedlung wohnt, machen vor allem die Kinder oft schlechte Erfahrungen mit Erwachsenen, die sich durch sie gestört fühlen. Allein dieser positiven Erfahrungen wegen, war die Reise ein Erlebnis.
Vor dem Raum Düsseldorf, Duisburg war mir ziemlich Angst gewesen. Ich hatte mich gründlich getäuscht! Wir bekamen nur wenig von der Industrie mit. Durch die Städte führten Radwege, wir radelten durch liebliche Landschaft, und kamen zügig voran.
Als wir an diesem Tag über Neuss und Meerbusch hinaus waren, fanden wir in Kaiserwerth einen Campingplatz.
Jetzt waren wir endgültig im Flachland. Der Rhein zog hier träge, müde von der langen Reise dahin. Am nächsten Tag folgten wir weiter seinen Windungen und kamen durch manch beschauliches Örtchen. Gepflasterte Gässchen führen zwischen Klinkerhäuschen hindurch. Wir radelten etwas über Wesel hinaus, und bauten unser Zelt einfach so am Rhein auf. Kein Mensch weit und breit, nur ab und zu zog ein Lastkahn seines Weges.
Am nächsten Morgen gings zeitig los, wir kamen auf kleinen Ufersträßchen rasch voran. Holland rückte immer näher, und wir hofften, heute noch die Grenze zu erreichen. Am Kernkraftwerk Kalkar kamen wir vorbei, nur noch einige, mit Sprühdosen aufgespritzte Parolen zeugen von dem Kampf, den die Bevölkerung dagegen führte.
Kurz vor Kleve hielt uns ein Plattfuß am rechten Rad des Anhänqers auf. Was habe ich mich geplagt, bis ich den dicken Mantel unten, das Loch geflickt, und den Mantel wieder drauf hatte. Nach einem Kilometer war das selbe Rad wieder platt. Noch ein Loch, und der Flicken von vorhin saß auch nicht richtig. Es war zum Verzweifeln. Auch nach dem dritten und vierten Versuch hielt die Luft nicht lange. Pumpend, schiebend, schimpfend erreichte ich die nächste Tankstelle im nächsten Dörfchen, und ein freundlicher Tankwart hat mir nicht nur größere Flicken verkauft, sondern auch noch das Rad geflickt und montiert, umsonst und obwohl er schon Feierabend hatte.
Inzwischen hatte es keinen Wert mehr Richtung Grenze zu fahren. Ein Blick auf die Karte zeigte mir, daß wir sogar ein Stück zurück mußten, wollten wir einen Bauernhof finden. Die Höfe sind hier richtige Gutshöfe mit Herrenhaus, ich traute mich kaum anzuklopfen. Ein paar andere Rad1er, die zurück von einem Sonntagsausflug kamen, machten mir Mut, und so faßte ich mir ein Herz. Wir wurden an einen Weiher verwiesen, und waren auch bald in den Federn verschwunden. So recht Ruhe finden konnte ich aber nicht, der Boden glich einem Waschbrett. Ziemlich verkatert kroch ich an nächsten Morgen aus dem Zelt. Die Kinder hatten gut geschlafen. Manuel machte auch gleich einen Erkundungsgang zum See, während ich mit Packen beschäftigt war. Ein ängstliches Rufen, ,, Mama schnell! Manuel war bis zur Taille in stinkendem Schlick versunken. Um ihn da ,raus zu holen, mußte ich selbst bis zu den Knien in den Dreck. Mühsam sind wir über einen Stacheldraht auf einen Landungssteg geklettert, um uns wieder zu waschen. Kaum waren wir fertig kam der Bauer, um uns vor dem See zu warnen. Schon zu spät! Als die Sonne aufging, sah das Dreckloch so malerisch aus, daß der Anblick mich ein wenig versöhnte. Ein romanti-sches Frühstück!
Trotzdem kamen wir an diesem Tag kaum vorwärts, ich war einfach zu müde. Durch Kleve fuhren wir wieder am Rhein entlang. Kurz vor der Grenze kamen wir an Reihenhäuschen mit üppigen Gärtchen vorbei. Es war früher Nachmittag. Eine Familie lud uns zum Kaffee ein, Cornelia hatte nur angehalten um an den Rosen zu schnuppern, und beim Erzählen ging der Nachmittag ganz schnell vorbei. Noch ein Stückchen oben auf der Rheindammkrone, und wir waren in Holland. Kaum zu glauben wir waren wirklich in Holland!!!
Häuschen aus Ziegelstein, Häkelgardinen, die einen Blick durchs ganze Haus zulassen, Kopfsteinpflaster, das war unser erster Eindruck von Holland.
An einem kleinen See schlugen wir unser Iglu auf. Ein ganz reines Gewissen hatte ich nie, wenn wir einfach wildes Camping machten. Als ein Mann mit einer Angel direkt auf uns zu kam, klopfte mein Herz. Holländisch kann ich nicht, aber ein Schild hatte ganz offensichtlich darauf hingewiesen, „Betreten verboten“. Der Mann herrschte mich auch prompt holländisch, als ich deutsch antwortete, in deutsch an, ,,ob ich nicht wüßte, daß wildes Zelten verboten sei?" Was sagt man in so einem Moment? Schüchtern versuchte ich es mit ,,so müde, und kein Zeltplatz in der Nähe" und einem Lächeln. Er hörte mit finsterem Gesicht zu, und mir wurde schon himmelangst, dann hellte sich sein Gesicht auf, und er meinte ,,ich verrate sie ja nicht, aber seien sie hübsch leise und brechen sie bei Zeiten auf". Sein Deutsch war , wie das vieler Holländer ausgezeichnet. Erleichtert habe ich weitergekocht, die Kinder gespielt, und dann haben wir noch kurz gebadet, bevor wir schliefen
Nach einer ruhigen Nacht, diesmal hatte ich prima geschlafen, trotz des Schrecks in der Abendstunde. Um 8 Uhr waren wir verschwunden.
Ohne es zu ahnen habe ich die reizvollste Landschaft ganz Hollands für unsere Fahrt ausgesucht. Immer noch oben auf der Rheinkrone, ging es vorbei an kleinen Höfen die sich wie schutzsuchend unter ihren Rieddächern an den Damm schmiegten. Vorbei an Pferden, Kühen, braunen und schwarz-weißen, Ziegen, Gänsen und Schafen. Die Kinder mußten alle Nase lang anhalten ,um sie zu streicheln, Grasbüschel auszureißen und die lieben Vierbeiner zu füttern. Einkaufen, bzw. erst1 mal holländisches Geld besorgen mußte ich auch an diesem Tag. So kamen wir nicht mal bis Nimwegen, sondern mußten uns wieder ein heimliches Plätzchen fürs Zelt suchen. Überall waren Viehzäune, und ich fürchtete Ärger von seitens eines Bauern. In etlicher Entfernung von einem Dorf fand ich eine leere Weide, der Damm wich hier ein Stück vom Fluß zurück, Dünen verdeckten den direkten Einblick vom Weg. Wie geschaffen für uns. Überraschungen hatten wir hier kaum zu befürchten.
Zufrieden kroch ich nach dem Essen in meinen Schlafsack, war auch bald eingeschlafen. Die Kinder lachten mich sowieso meistens aus, wenn ich mit meinen Sorgen kam, von wegen ungebetenen Besuch. Bevor ich in das Reich der Träume sank, hörte ich noch eine Ankerkette rasseln, dann war ich weg.
Morgens hatten wir dann doch Besuch, vierbeinigen. Wie groß war mein Erstaunen, als mir ein Kuhmaul ins Gesicht fuhr, als ich meinen Kopf aus dem Iglu steckt. Ich bin nicht sicher, wer mehr erschrocken ist, die Kuh oder ich. Die Kinder sind von meinem Gelächter erwacht. Die ganze Herde hatte sich neugierig um uns versammelt, und galoppierten nun erschrocken weg. Der Bauer hatte sein Vieh nur , reingelassen, und wäre von den Versuchen meiner Zwei, es einzufangen, sicher nicht begeistert gewesen. Ich hab mich gekugelt vor Lachen, und dann meinerseits meine zwei Cowboys wieder eingefangen.
An diesem Tag überquerten wir den Waal, so heißt der Arm des geteilten Flusses, und kamen ins Sieben-Mühlen-Land. Auf markierten Radwegen kamen wir gut voran. Schon stand auf den Hinweisschildern des ,Feetspads' Rotterdamm. So weit kamen wir aber heute noch nicht, es war Zeit fürs Nachtlager. Die Holländer gehen offensichtlich früh zu Bett, kein Mensch zu sehen. Einfach bei jemanden klingeln mochte ich doch nicht. Wasser hatten wir schon, aus Erfahrung klug geworden, fragte ich immer schon frühzeitig danach. Da es schon spät war, verkrochen wir uns samt Zelt unter einem Gebüsch etwas abseits des Weges.
Noch vor der Sonne waren wir wieder unterwegs. Der ,Feetspat' führte uns abseits der großen Straße durch kleine Ortschaften, an kleinen Kanälen mit Hebebrücken aus Holz vorbei. Ein paarmal warteten wir gerne, wenn ein Kahn vorbei kam, das war das Schauspiel wert. Auf ein Ruf des Kapitäns kam ein meist alter Mann aus dem Brückenhäuschen, betätigte die Mechanik der Brücke und kassierte mit einem Klingelbeutel an einem langen Stock. Vor allem Manuel war jedes mal ganz hingerissen. Ab und zu sahen wir eine Windmühle sich gemächlich im Wind drehen. Leider erfuhren wir erst später, daß sie zu besichtigen sind.
Über große Straßenschleifen fuhren wir in Rotterdam ein. Da wieder eine Panne. Bei einer Bodenwelle brach die Radbefestigung am Anhänger. Wenigstens an der richtigen Stelle, direkt vor einer Lastwagenwerkstatt. Da fragte ich halt, ob sie meinen Mini-Lastwagen auch reparieren. Die Mechaniker lachten, erfüllten mir meinen Wunsch, auch noch umsonst. Nun galt es einen Zeltplatz zu finden, quer durch die Stadt, ohne Stadtplan.
0 je!
Fünf Tage Pause, Besichtigung des Euroports, eines alten Dampfschiffs, Wäsche waschen, alles mußte wieder ein bißchen in Ordnung gebracht werden.
Es zog uns weiter, wir wollten zum Meer, dem Ziel unserer Reise. Ein Tag trennte uns noch davon. Ein Tag, vorbei an dem Riesenhafen, Gewächshäusern und durch beschauliche Dörfchen. Das Meer!!!
Müde, hungrig aber glücklich setzten wir uns mit Kuchen vom ,Warmebeeker' an die Reeling. Da kam ein riesiger Tanker, sowas hatten wir noch nicht gesehen, um im Europort seine Ladung zu löschen. Ich schnell den Fotoapparat raus. Wie bekommt man so ein Ungetüm auf die Platte? Geschafft!
Ich wollte mich gerade wieder setzen, da kam die Überraschung, eine riesige Flutwelle und wir saßen im Wasser, unser Kuchen schwamm munter mit der Welle davon. Erst furchtbar erschrocken, mußten wir uns dann doch ausschütten vor Lachen. So was konnte nur uns Landratten passieren. Für unser Zelt fanden wir ein Plätzchen in den Dünen. Uns störte weder die Polizei, die den Strand kontrollierte, noch der Sand zwischen den Zähnen beim Nachtessen, wir waren einfach glücklich. Über 1080 Kilometer weit hatten wir unser Ziel erreicht. Bei Meeresrauschen und Sternenhimmel träumte ich noch lange in die Nacht hinaus. Die Kinder hatte schon zeitig die Müdigkeit übermannt.
Am nächsten Tag galt es eine Zeltplatz zu finden, möglichst nah am Meer. Wir mußten aber doch einige Kilometer die Küste entlang fahren, bis wir einen fanden, nicht gut, aber teuer. Nur behelfsmäßig war ein Terrain eingezäunt, mit einem Wagen für WC und Waschbecken. Die Wiese war voller Disteln, aber erlag direkt hinter den Dünen. Wir hatten drei schöne Tage dort, Manuel versuchte sich ,, durchzugraben“ , nach China natürlich. Cornelia und ich aalten uns am Strand und schauten den Wellen zu. Zum Baden war es leider zu kalt. So war es auch nicht verwunderlich, daß sich Manuel eine saftige Erkältung holte, denn er war halt ständig am Wasser und naß. Als auch noch das Wetter stürmischer wurde, und der WC-Wagen den Geist aufgab, so daß man nicht mehr aufs Klo konnte, packten wir zusammen, und fuhren weiter nach Norden. So malerisch schön die Dünen sind, mein Anhänger mächte mir selten so zu schaffen. Da hat uns Abends der Fisch im Fischerhafen von Den Haag besonders gut geschmeckt. Die Portionen an dem Stand wären so groß, daß die Kinder den Rest an die Möwen vefütterten. Noch hatten wir keinen Zeltplatz gefunden, und die Sonne warf ihre letzten Strahlen auf das Delftland und verwandelte es in ein Zauberreich.
Wir mußten unseren Iglu im Dunkeln auf einem Waldcampingplatz aufschlagen. Da Wälder etwas sehr seltenes in Holland sind, war der Preis dem entsprechend. Entfernung zum Strand fünf Kilometer. Hier konnten wir also nicht bleiben, genossen aber die warme Dusche am Abend bevor wir ins Land der Träume versanken.
Gefrühstückt haben wir in Gesellschaft einer Schar Enten, und die Kinder verfütterten mehr an sie, als sie selber aßen. Jeden Morgen war es noch etwas kälter an der Küste, und Manuels Husten wurde auch immer schlimmer, so entschloß ich mich, nach Amsterdam abzubiegen - schade, das Meer gefiel mir so gut. Vielleicht war der Wind am Iselmeer weniger kalt.
Auf halbem Weg dorthin, zelteten wir auf einer kleinen Wiese etwas außerhalb eines Dorfes. Auf einer angrenzenden Weide weideten Pferde und ein Esel, der besonders zutraulich sich kraulen und füttern ließ. Die Kinder waren hingerissen. Mir gefiel der Platz auch, die Wiese war so schön grün, malerisch im Winkel zweier Bäche, beschattet von Birken, wie für uns geschaffen. Nun nachts war ich nicht mehr ganz der Meinung. Als ich mal ,raus mußte, stand ich bis zu den Knöcheln im Wasser.
Bis jetzt war im Zelt noch alles trocken, aber da ich nicht wußte, wie weit die Flut noch stieg, mußte ich meine zwei Küken aus dem Nest scheuchen, und zusammen zogen wir unseren Iglu auf den Weg. Ich wundere mich noch heute, wie tapfer meine zwei in solchen Situationen waren. Sie beklagten sich nicht einmal, als sie barfuß mitten in Brennesseln gerieten, die wir im Dunkeln nicht1 gesehen hatten.
Nur zwei Stunden trennten uns von Amsterdam, und so erreichten wir früh am nächsten Tag den Campingplatz. Nachdem wir unseren Iglu aufgebaut, und uns unseren Gepäcks entledigt hatten, wollten wir gleich in die Innenstadt radeln. Uns wurde aber der Bus empfohlen, da in der Stadt Fahrräder nicht unbeaufsichtigt bleiben durften.
So sind wir zu Fuß die Krachten entlang und über zahlreiche Brücken gebummelt. Zu gerne waren wir mit einem der Rundfahrtenboote gefahren. Die Preise sind für drei aber einfach zu hoch, und unsere Urlaubskasse war inzwischen ziemlich leer. Am nächsten Tag mit dem ganzen Gepäck haben wir nördlich aus der Stadt aber noch mal einen Kanal mit den phantastisch aussehenden Hausbooten bewundert und kamen an Häusern im Zuckerbäckerstil vorbei.
Dann ging es am Iselmeer entlang bei frischem Wind, aber auch die Sonne war wieder da, und wir fuhren fast bis Edam--Käseland.
Eine Woche haben wir neben einem kleinen Fischerhafen auf einem Zeltplatz verbracht. Gebummelt, gesonnt, Holzschuhe gekauft und zugesehen wie sie gemacht werden, im Iselmeer gebadet und frischen Fisch gegessen, die kleinen Dörfchen ringsum angeschaut, uns wurde die Zeit nicht lang.
Dann mußten wir an den Heimweg denken, wir hatten noch zwei Wochen Ferien, und den ganzen Weg mit der Bahn ging nicht, von wegen der Geldbeutelebbe. So packten wir wieder etwas traurig, unsere Sachen und retour gings. Bei bestem Wetter erst zurück nach Amsterdam, noch eine Nacht dort auf dem Zeltplatz. und dann quer durchs Land. Riesige Äcker und Wiesen, gesäumt durch große und kleine Kanäle so weit das Auge reichte. Oft tuckerten auf relativ kleinen Kanälen ziemlich große Lastkähne und die Flußschiffer mußten immer wieder mit Stangen für Abstand vom Ufer sorgen. Bei jeder Zugbrücke blieb Manuel stehen. Das Schauspiel des Hebens und Senkens, wenn der Brückenwächter seinen Klingelbeutel aus Schiff streckte, entzückte ihn immer aufs neue.
Einmal schwamm ein Kahn über uns auf der Brücke, und wir radelten untendurch
. In kleinen Dörfern saßen Angler abends direkt vor dem Haus und angelten im Hauskanal. Ja, und ins holländische Fernsehen sind wir auch gekommen, wir mit unseren Rädern und dem vielen Gepäck paßten so richtig ins holländische Bild. Wie staunten die Filmleute, als sie hörten, daß wir Deutsche sind und aus Freiburg kommen.
Fünf Tage brauchten wir zurück nach Köln. Es gab immer ein Gehöft, dessen Besitzer uns zwar meist etwas reserviert, aber dennoch erlaubte, auf einer Wiese die Nacht über zu zelten.
Zwei Tage machten wir noch unterwegs Pause auf einem Campingplatz, dessen Spielplatz die Kinder begeisterte. Mit einem ,Riesenhammer konnte man sich hoch in die Luft schaukeln.
Nach einem Mammuttag, 70 km auf einmal, erreichten wir Ventlo am Abend. Wir waren so müde und plötzlich packte uns das Heimweh. Als wir erfuhren, daß wir in einer halben Stunde Anschluß nach Köln, und dann weiter nach einer Stunde direkt nach Hause hatten, hielt uns nichts mehr. Sanftes Rattern der Bahn schaukelte uns in den Schlaf, und morgens um 6 Uhr waren wir wieder zu Hause.
Wer sagt, der Rhein fließt ins Meer..... Gunde Kottenrodt
Tag der Veröffentlichung: 24.02.2010
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