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Leseprobe

Metainformationen zum Buch

Birthe fährt mit ihrem Auto im Sturm eine Allee entlang, kann gerade noch vor einem umknickenden Baum halten.
Der ihr folgende Sven stößt sie trotz Vollbremsung leicht an.
Nachdem ein weiterer Baum auf sein Auto kracht, alles blockiert ist, können sie sich noch gerade so in ein Landhotel retten, wo nach einem Stromausfall aus dem Sturm zunehmend unbändiger Drang wird, der nur noch sehr schwer zu kontrollieren ist …

Die Aufräumarbeiten nach dem Sturm werden daraufhin nicht nur ein äußeres Anliegen, sondern auch eine innere Aufgabe für die beiden.
Nicht nur bei einem kleinen Ausflug in ein nahegelegenes Moor mit einem schönen Naturerlebnis suchen sie nach Irrungen ihren Weg.
Alles ist neu und frisch durchgewirbelt nach dem Sturm, alles drängt zu neuen Perspektiven sowie letztlich wieder Daheim zu einer wichtigen Entscheidung …

Durch Sturm zum Drang

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelseite
  2. Metainformationen
  3. Epigraph
  4. Vorwort
  5. Im Sturm
  6. Landhotel Eichenhain
  7. Stürmischer Drang
  8. Erwachen und Aufräumen
  9. Welchen Weg nehmen?
  10. Kleines Malheur
  11. Abermals lockende Versuchung
  12. Aufräumen
  13. Abfahrt
  14. Wieder zusammen
  15. Einlassung

Epigraph

Jeder schimpft auf das Wetter, aber keiner tut etwas dagegen.

Mark Twain

Sturm läutert die Luft.

Caspar David Friedrich

Lust der Sturmnacht

Justinus Kerner

Es ist die Frage, was man im Leben sucht, Unterhaltung oder Liebe. Im ersten Falle darf man es nicht allzu genau mit der moralischen, im zweiten nicht allzu genau mit der geistigen Beschaffenheit der Menschen nehmen, mit denen man sich umgibt.

Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

Es gibt nichts Schöneres als geliebt zu werden, geliebt um seiner selbst willen oder vielmehr trotz seiner selbst.

Victor Hugo

Nicht die Vollkommenen, sondern die Unvollkommenen brauchen unsere Liebe.

Oscar Wilde

Liebe ist die Antwort, aber während man auf sie wartet, stellt der Sex ein paar ganz gute Fragen.

Woody Allen

Vorwort

Zum Inhalt

Diese fiktive Erzählung ist vielleicht erotisch, vielleicht auch eher liebevoll, wobei das eine das andere nicht ausschließt oder auch bedingt. Was als erotisch oder auch als liebevoll empfunden wird, ist aber auch eine Frage des Geschmackes und der persönlichen Assoziation oder Erfahrung.
In diesem Sinne gewissermaßen als Luststück kann die kleine Schnurre oder Posse auch als freie, unkonventionelle Variation zum Monomythos der Heldenreise aufgefaßt werden. Allerdings gibt es, typisch für eine Liebesschnulze, hier gleich zwei Helden, welche aus ihrem Alltag gerissen werden, um gemeinsam ein großes Abenteuer zu überstehen, Widerstände und Retardierungen zu überwinden, um letztlich die Heimat wieder erreichen zu können, in welcher sie bereit sind, sich ausgehend von den frisch gemachten Erfahrungen ganz neuen Herausforderungen sowie Fragen zu stellen.

Technisches

Bei diesem Buch handelt es sich um eine vereinfachte Textausgabe. Anders als die der Originalausgabe enthält diese, einmal abgesehen vom Titelbild, keine Graphiken und als Voreinstellung nur eine einfache Stilvorlage ohne Farbangaben. Diese Ausgabe ist besonders geeignet für Präsentationsprogramme, Geräte und Konversionsskripte, welche EPUB nur sehr rudimentär interpretieren können. Für Programme, welche das Format EPUB korrekt interpretieren, ist dringend die Originalausgabe zu empfehlen.

Technisch wurden bei diesem EPUB einige Hilfen integriert, um dem Leser besseren Zugang zum Inhalt zu ermöglichen. Es gibt etwa verschiedene Stilvorlagen, zwischen denen gewählt werden kann. Bei einem Darstellungsprogramm, welches EPUB komplett interpretieren kann, wird es eine solche Auswahlmöglichkeit geben. Von daher kann dann leicht zwischen heller Schrift auf dunklem Grund und einer dunklen Schrift auf hellem Grund gewechselt werden. Für eigene Einstellungen eignet sich der per Voreinstellung verfügbare einfache Stil, welcher lediglich einige Strukturen hervorhebt oder anordnet.

Verfügbare alternative Stilvorlagen:

  • dunkel auf hell: Dunkelgraue Schrift auf hellgrauem Hintergrund
  • hell auf dunkel: Hellgraue Schrift auf dunkelgrauem Hintergrund
  • einfach: Einfacher Stil ohne Farbangaben, besonders geeignet zur Kombination mit eigenen Vorgaben (Voreinstellung)

Bei automatischen Konversionen dieses Buches im Format EPUB in andere Formate können diverse Mängel auftreten, welche sowohl an Fehlern und Problemen der zu naiv sowie einfach konzipierten Konversionsprogramme als auch an dem Format liegen können, in welches konvertiert wird. Autorin und Mitarbeiter dieses Buches haben keine Kontrolle über spätere Manipulationen oder Formatkonversionen, haben also keinen Einfluß auf die komplette Verfügbarkeit von Inhalten und Hilfen solch manipulierter Versionen. Sie empfehlen daher dringend, das unveränderte Original zu verwenden und sich dieses von einem leistungsfähigen Darstellungsprogramm präsentieren zu lassen.

Manuell ist es recht problemlos möglich, einige Techniken sowie Merkmale des Buches so weit zu vereinfachen, Inhalte anders aufzubereiten, um diese auch in verminderter Qualität in anderen Formaten verfügbar zu machen. Insbesondere bei wohl noch immer recht beliebten proprietären Amazon-Formaten (Mobipocket oder KF8) ist es recht einfach, ein passend vereinfachtes EPUB zu erstellen, aus welchem sich ein lesbares Buch in diesen minderwertigeren Formaten erzeugen läßt, sofern man sich mit EPUB sowie den Möglichkeiten dieser Formate etwas auskennt.

Im Sturm

Birthe war unlängst zu dem Schluß gekommen, daß es eine ganz schlechte Idee gewesen war, heute rauszufahren, auch noch mit dem Car-Sharing-Auto einfach so ins Blaue, ohne auf den Wetterbericht zu achten. Und dabei sah es heute Morgen noch gut aus, also schon noch ungefähr nach einer Fahrt ins Blaue. Es war im Laufe des Tages allerdings immer grauer sowie windiger geworden. Es hatte sich schnell zugezogen.
In ihr war einfach der Drang aufgekommen, heute rauszufahren, mal nicht ökologisch korrekt mit dem Rad durch die Stadt ins benachbarte Grüne, nein, es einmal unbeschwert rauslassen sowie mit dem kleinen Flitzer durch die Gegend zischen, gedankenverloren gasgeben, durchs Grüne juckeln, Gedanken und das Selbst schweifenlassen, schlichtweg Erholung von der Forschungsarbeit im Institut. Diese Woche hatte sie genug geleistet, freitags also bloß nur noch raus, nicht produktiv, innovativ sein, stattdessen unabhängig, gelöst, unerreichbar ohne besonderes Ziel unterwegs, dabei nicht einmal über die Ziellosigkeit ihres Tuns, vielleicht gar ihres Lebens nachdenkend.
Natürlich ist es eine Illusion, es als befreiend zu interpretieren, in einem Auto nur zum Spaß ziellos durch die Gegend zu brausen sowie mit den Abgasen unproduktiv die Umwelt zu verpesten. Nun, natürlich ist es immer noch harmlos gegenüber einem Flug in den Urlaub. Birthe war all dies schon klar, konnte überdies ein sparsames Modell aussuchen, so blieb ihre Schuld in der Umweltbilanz in ihren Augen noch im vertretbaren Rahmen.

Nun war es am späteren Nachmittag nicht nur dämmrig, was im Herbst in dieser Weise zu erwarten war, nein, ein Sturm verfinsterte zusätzlich das Restlicht des Tages. Ein Orkan war das schon, welcher Regen auf ihr Auto peitschte, es aus der Spur zu drängen drohte, die Bäume der Allee dieser abgelegenen Landstraße heftig schwingen ließ, bösartig heulte und zerrte. Dies Szenario war schon in etwa so unheimlich wie in einer dieser romantischen Schauergeschichten, denen Birthe nicht so viel abgewinnen konnte. Sicherlich würde ihr kein verirrter Werwolf vor den Wagen springen. Solcher Unsinn amüsierte sie eher. Selbst die inzwischen wieder real existierenden richtigen Wölfe sind eher scheue Gesellen, welche höchstwahrscheinlich bei dem drohenden Unwetter mitnichten ausgerechnet auf dieser Straße hier herumirren würden.

Birthe Wunsch bestand derzeit nur noch darin, zügig heimzukommen sowie in eine Decke gekuschelt dies Unwetter geduldig vorbeiziehen zu lassen. Daran war aber gerade gar nicht zu denken. Vielmehr war Konzentration angesagt, um mit dem Auto nicht von der Straße gepustet zu werden, bei dem starken Regen nicht eine Kurve zu übersehen und so gar noch im Graben oder vor einem der Allee-Bäume zu landen. Das wäre nicht nur sehr schade für den Baum gewesen, das demolierte Automobil wäre obendrein eine Ressourcen-Verschwendung, ganz zu schweigen von eigenen Verletzungen.

Sehr bedenklich wackelten diese Allee-Bäume.
Birthe gruselte es, wie lange sollte das noch gutgehen?
Naja, ein paar Jahrzehnte standen jene Bäume doch wohl schon, dies war keineswegs der erste Orkan, den jene Bäume überstehen mußten, warum also ausgerechnet heute umkippen?
Warum sollte es ausgerechnet sie treffen?
Birthe versuchte, mit solchen Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen ihren Verstand etwas abzulenken. Die Parameter waren allerdings keineswegs konstant, alles ist ständig im Fluß, beziehungsweise hier im Sturm sogar. Alles ist in Bewegung, alles verändert sich. Sturm als Metapher des Lebens.

Sven war erledigt, hatte einen Kollegen vertreten müssen, welcher im Urlaub einen kleinen Unfall hatte; es würde noch ein paar Wochen dauern, bis dieser wieder einsatzbereit war. An dessen kleiner Uni war man mehr als ausgelastet, im Rahmen der Kooperation mit seiner Uni und weil er mit dem Kollegen sowie dem Thema gut vertraut war, hatte man das so organisiert, daß er die ersten paar Freitage des Semesters vertretungsweise einspringen sollte. So heizte er nun freitags am Morgen – sogar mit einem Dienstwagen der Uni, wovon es gar nicht viele gab, er hatte ja gar kein eigenes Auto – immer hin, hielt Vorlesung, Übung sowie Sprechstunde ab, nachmittags wieder zurück sowie anschließend Heim ins verdiente Wochenende. Naja, um ehrlich zu sein, hatte er am Wochenende gewöhnlich gar nicht viel vor, las meist oder bereitete etwas für die neue Woche vor. Es gibt ja immer was zu tun, etwas Neues zu erfahren, zu erkunden. Dafür ist diese Ruhe des Wochenende ideal geeignet.

Diese Spritztouren über Land bedeuteten schon eine gewisse Abwechslung vom akademischen Alltag, eine gewisse andere Ablenkung, einen anderen Aspekt des Lebens, fernab von sonstigen Forschungsprojekt.
An diesen paar Freitagen hatte er schon mehr Fahrpraxis gesammelt als im ganzen Jahr, dennoch fühlte er heute eine deutliche Überforderung, der dichte Regen des Orkans, die am Auto zerrenden sowie stoßenden Böen forderten mächtig Respekt ein. All dies war nun deutlich mehr Abenteuer und Erlebnis, als er Bedarf daran hatte.
Dann war er auch noch auf dieser Nebenstrecke unterwegs, welche der Kollege ihm empfohlen hatte, weil es hier so schön war.
Ha!
Heute war es eher das Grauen, ständig hatte er das Gefühl, die Bäume der Allee würden auf die Fahrbahn krachen. Und es wurde immer schlimmer. So war er schon ein wenig froh, voraus auf der Straße ein Auto zu erkennen, Rücklichter, Orientierung, welcher er nur folgen brauchte, um hoffentlich alsbald wieder auf eine sicherere Straße zu kommen.

Birthe hatte schon vor einiger Zeit die Musik abgestellt, dieser Orkan forderte volle Aufmerksamkeit, schlechte Sicht bei dem Regen, dazu das unheimliche Prasseln auf dem Autoblech, das Heulen des Sturms, kein anderer Wagen voran, dafür noch reichlich Wegstrecke nach Hause. Hinten klebte zudem ein anderes Auto am Heck, vielleicht etwas zu nah, vielleicht auch nicht, irgendwie machte derlei etwas unruhig, jemanden so im Nacken zu spüren, sich beobachtet zu fühlen.
Von vorne kam nun überraschend ein etwas anderes Geräusch, irgendwie ein morsches Knacken sowie Kreischen, Rauschen, fast vom Orkan verschluckt.
Ein Baum der Allee neigte sich, fiel!
Schreck!
Vollbremsung!
Birthes Herz schlug so heftig, sprang ihr fast aus der Brust.
Vollbremsung!
Trotzdem rutschte das Elend unaufhaltsam näher, brechende, knisternde, wippende Äste mitten auf der Straße vor ihr!
Vollbremsung, daß der Fuß schmerzte, ihre Finger hilflos um das Lenkrad krampften, sich Augen sowie Mund entsetzt öffneten, sich der Rücken fest in den Sitz preßte!
Kontrollverlust sowie Schlittern ins Geäst.
Die Bruchteile von Sekunden, welche alles nur dauerte, schienen im fokussierten Kanal der Aufmerksamkeit erheblich gedehnt zu werden.
Fluchtreflex ohne Möglichkeit des Ausweichens!
Irgendwie hielt ihr Auto noch im Geäst, bevor größere Äste die Windschutzscheibe durchschlagen hätten.
Birthe krampfte noch ums Lenkrad, noch immer die Luft anhaltend, fassungslos auf das Geäst direkt vor der Windschutzscheibe starrend!

Svens Augen tränten leicht vor Anstrengung, irgendwie den Durchblick zu behalten. Er hätte wohl doch auf eine Fahrt zu diesem Zeitpunkt verzichten sollen. Aber da war auch die Pflicht, für den Kollegen einzuspringen. Dennoch, eine Woche Ausfall hätte er mit den Studenten spielend wieder herausgeholt.
So oder so war es nun zu spät. Er hatte das Wetter unterschätzt.
Sollte der Orkan nicht erst abends losbrechen?
Jetzt war er schon mittendrin. Selbst wenn er sich beeilt hätte, wenn er seine Sprechstunde verkürzt hätte, wäre er noch keinesfalls wieder in der Stadt angekommen.
Schrecksekunde!
Rote Bremsleuchten beim Auto vor ihm!
Reflex!
Vollbremsung!
Auch seine Finger krampften hilflos ums Lenkrad, seine Augen starrten fasziniert, entsetzt, erstarrt zu, wie jene Leuchten immer näherkamen!
Sein Auto schlidderte, rutschte auf der nassen Fahrbahn einfach weiter, schon ein etwas älteres Modell, blockierende Reifen, trotz dieses Anti-Blockier-Dingsbums’ und so. Ausweichen war ohnehin völlig ausgeschlossen, hätte er überdies gar nicht hinbekommen, Kontrollverlust über den Wagen auf rutschiger Fahrbahn. Es rumste nur so eben, als sein Auto Stoßstange an Stoßstange des anderen zum Stehen kam.

Birthe hatte die Hände schon etwas entspannt, atmete seufzend sowie zitternd durch.
Da kam plötzlich noch ein leichter Schubser von hinten!
Merklich heller werdendes Licht im Rückspiegel war ihr jetzt nur so nebenbei erst aufgefallen, sickerte nun erst im Nachhinein ins Bewußtsein!
Nun schaute sie direkt nach hinten, dort war augenscheinlich einer aufgefahren, nur so eben leicht touchiert, ihren Wagen noch ein paar Zentimeter weiter ins Geäst geschoben. Sie wollte sich aufregen, gleichzeitig irrational erleichtert lachen.
Definitiv ein Adrenalinschub bis zum Abwinken!
Den umstürzenden Baum hatte sie überlebt.
Hoffentlich krachte nun nicht noch ein Lastkraftwagen mit voller Wucht in das aufgefahrene Auto hinter ihr!
Trotz Unwetter hatte sie unwillkürlich den Türgriff in der Hand, drückte die Wagentür auf.
Draußen peitschte ihr der Orkan den Regen nur so ins Gesicht, drückte die Tür fast wieder zu, sie hielt tapfer dagegen, gelangte hierauf irgendwie raus!
Ihre Finger klammerten am Wagen fest, ihr Blick war auf den anderen Wagen gerichtet.

Sven war geschockt, es war indessen irgendwie überstanden.
Definitiv ein Adrenalinrausch, welcher ihn ganz kirre machte!
Beim Wagen vor ihm bemerkte er eine Bewegung, jemand stieg aus.
Sven wollte instinktiv wissen, ob was passiert war, Warnblinkanlage zunächst jedoch reflexartig an, Knopfdruck!
Sorgfältig hatte er vor der ersten Nutzung des Wagens natürlich die Gebrauchsanweisung überflogen.
Jetzt Türgriff!
Kräftig gegen den Sturm drücken!
Raus!
Windböen, Regen im Gesicht, augenblicklich klitschnaß!
Und dann sah er sie, also jene Frau aus dem Wagen vor ihm, irgendwie ein Engel, zutiefst beeindruckend, jedoch gleichfalls vom Orkan getrieben, an ihr Auto gekrampft. Fasziniert stolperte er durch den Sturm er ein paar Schritte auf jene Frau zu.

„Was passiert?“, schrie er gegen den Sturm an.
Birthe winkte ab, konnte kaum den Mund öffnen bei dem Sturm, duckte sich schützend runter.
Erst im kaum vorhandenen Windschatten des Autos preßte ihre Stimme heraus: „Neee, geht schon!
Baum ist auf die Straße gekracht, genau vor mir!“
Sven hatte dies als Ursache ihrer Vollbremsung erst jetzt mitbekommen, schaute, noch immer irgendwie benommen, nickte.
Der Sturm heulte, reichlich Wasser prickelte kalt im Gesicht, getriebene Blätter schmirgelten ab und an über die Wangen. Ein erneutes Knirschen und Knacken bei einer gewaltigen Böe.
Birthe schrie entsetzt auf: „Achtung!“
Wies auf den schon fallenden Baum.
Beide duckten sich, preßten ihre Körper eng an ihren Wagen, da krachte jener Baum auch schon herunter, mitten auf Svens Auto, Äste streiften ebenso Birthes Wagen, immerhin wischten nur ein paar dünne Äste mit noch reichlich Blättern des Herbstes hinter das Auto, jedoch vor allem über sie hinweg.
Die noch reichlich vorhandenen Blätter sowie der relativ frühe Herbststurm mochten in der Kombination gleichfalls die Ursache für den Baumregen sein!
Aber nochmal gutgegangen!
Keine Blessuren, dennoch erneut ein heftiger Schrecken!
Das macht lebendig, das macht munter!
Beide spürten das Leben heftig durch ihre Körper pulsen sowie schwirren!
Wäre Sven in seinem Auto geblieben, wäre er nun platt!
Sein Herz schlug bis zum Hals wegen beidem!

Sven hatte irgendwie als erstes die Fassung wieder, schrie in den Sturm: „Müssen hier weg!“
Er hatte seine Hand fordernd zur noch immer geschockt zitternden Birthe ausgestreckt.
Diese schaute ihn an, stieß daraufhin hervor: „Aber wohin?
Noch einer kann hier doch wohl keineswegs umfallen!“
Damit hatte sie irgendwie schon Recht, überlegte Sven, allerdings so im Regen und Schrott verharren?
Sinnlos!
Sven wies zurück: „Hab’ ’n Stück zurück ’n Schild gesehen, Landhotel oder so …“
Birthe nickte, forderte „Moment noch …“, riß noch einmal die Tür ihres Wagens auf, griff hinein, war auch schon wieder heraus, kam auf Sven zu.
Dieser bot wieder seine Hand.
Dies gefiel Birthe gleich an ihm, er zeigte Initiative sowie Entschlußfreudigkeit in der Krise, machte Vorschläge, schritt mutig voran, wo andere sich lieber murrend verkriechen und abwarten würden, so war sie eigentlich auch, war gleichfalls lieber aktiv, behielt die Initiative, hier war sie noch etwas von der Rolle aufgrund der dramatischen Ereignisse. Deshalb folgte Birthe gerne einer entschlossenen, vernünftigen Ansage. Ihre Hand ergriff die starke, entschlossene Hand sofort und anschließend suchten beide irgendwie einen Weg um den niedergewehten Baum herum, durch den Matsch, den tosenden Sturm, die Straße weiter hinunter durch das dämmrige Inferno. Der Sturm ließ sie kaum noch Atem holen, es war immer wieder notwendig, den Körper gegen den Sturm zu drehen sowie die Köpfe eng zusammengesteckt etwas geschützter Atem zu holen. So standen sie immer wieder, ihre Köpfe dicht zusammen, fast panisch nach Luft schnappend. Irgendwie verbindet solch ein Erlebnis auch in der Not.
Sie hatten jedoch Glück, der Weg war ansonsten frei. Obwohl die Bäume erheblich schwankten, waren noch keine weiteren umgekippt, sie kamen voran. Alsbald kam ein Schild als Hinweis auf einen bescheidenen Seitenweg: Landhotel Eichenhain.
Eichenhain – hmmm – eine ideale Wahl bei einem Orkan mit der belegten Fähigkeit, massive Bäume zu entwurzeln?
Weiter die Landstraße zurück lag noch ein Baum auf dem Asphalt, versperrte den Weg noch mehr als jener, den beide mühsam passiert hatten. Man hätte denken können, daß der Sturm die Bäume wenigstens alle in die gleiche Richtung umkippen läßt. Es war jedoch böeig und wirbelig, daher variierte die Lage der Bäume relativ zur Straße doch über einen etwas größeren Winkelbereich.
Der Seitenweg zum Landhotel schien allerdings noch? frei zu sein.
Beide zögerten einen Moment, hierauf stürzten sie fast schon verzweifelt den Weg entlang und weiter. Hier war es ebenfalls spärlich beleuchtet, ein Haus als ihr Ziel indessen allerdings schon noch erkennbar. Sie kämpften sich durch den Sturm, zwangsläufig wortlos, denn sie hatten genug zu tun, um bei den Böen überhaupt Atem zu holen.

Landhotel Eichenhain

Tür öffnen, gemeinsam hinein, Tür schließen.
Irgendwie fielen beide sich kurz und spontan sowie erleichtert in den Armen, atmeten tief durch in der plötzlichen Windstille des Hauses!
Diese plötzliche Nähe kam überraschend, indes sicher keineswegs unangenehm!
Dazu die ganze Aufregung, jene Urgewalt des Sturmes, diese unerwartete Begegnung im Elementaren. Derlei hatte schon Wirkung, beeindruckte nachhaltig.

Beide standen vor so etwas wie einer Rezeption. Leer hier, etwas irritiert über so viel Innigkeit sowie Nähe lösten beide schnell wieder ihre spontane Umarmung, schauten einen Moment lang bei Licht flüchtig durch den Raum, hernach länger aufeinander.
Birthe war noch immer merklich aufgewühlt, stellte anerkennend in Gedanken fest: ‚Hübscher Bursche, durchaus lecker, könnt’ mir schon gefallen.‘
Sven dachte, ihn hätte der Schlag getroffen, sie hatten sich wirklich kurz umarmt; obgleich vom Sturm zerzaust, vom Regen komplett durchnäßt sowie derangiert war seine sturmgeborene neue Bekanntschaft so schön!
Überdies im Licht betrachtet bekam er ganz wackelige Knie bei ihrem Anblick, ihrer Nähe, ihrem Blick, welcher ruhig in seinen Augen ruhte, so überlegt und doch zart sowie sanft.
Ganz merkwürdige Stimmung, dabei so ein eigenartiges Gefühl wie Ostern, Weihnachten und Silvester auf einen Tag, alles wirbelte irgendwie durcheinander, der Orkan, ebenso die Gedanken, Emotionen, Gefühle und so.

Beide ließen fast gleichzeitig ein Räuspern hören, um irgendwie wieder im Hier und Jetzt anzukommen!
Sven riß seinen Blick ungern von ihr los, drückte auf eine Klingel, hier hörte man diese gut vernehmlich, jedoch schrillte ebenso irgendwo weiter weg etwas ziemlich grell durch den Hain.
Ein paar Minuten verstrichen, daraufhin kam durch jene zuvor benutzte Tür eine gleichfalls sturmzerzauste Frau in mittlerem Jahren herein, schaute beide erstaunt an.
Sven erläuterte kurz: „Auf der Allee sind Bäume umgekippt, haben unsere beiden Autos erwischt!“
Die Frau nickte, meinte: „Jau, die an der Straße sind mal nicht so solide wie unsere Eichen hier, welche hier aber ohnehin weiter weg von den Häusern oder der Scheune stehen.
Kommt im Übrigen reichlich früh dies Jahr, der Orkan, noch reichlich Blätter auf den Bäumen.
Schade drum!
Aber kann man nix machen!
Ich rufe den Hein von der Polizei mal an!
Autos auf der Straße, Baum davor oder drauf, oder?“
Sven zückte sein Mobiltelephon: „Hab’ ich gar nicht dran gedacht!
Bin doch etwas durch den Wind, irgendwie …
Also, äh ja, Autos hin, ich glaube mindestens drei Bäume auf der Landstraße hier um die Einfahrt zum Landhotel herum.“
Die Frau schüttelte den Kopf: „Is’ tot das Mobilfunknetz.
Festnetz is’ angesagt.
Geht noch.
Den Funkmast hat es wohl schon früher erwischt!“
Sven stellte ebenfalls eine fehlende Verbindung fest.
Birthe probierte es reflexartig genauso mit ihrem kurz zuvor noch aus dem Leihwagen geretteten Gerät, keine Verbindung.
Beide steckten ihre Dinger wieder ratlos weg.
Die Frau meinte: „Übrigens, Erika mein Name.
Haben sonst diese Woche keine Gäste, nichts los um diese Jahreszeit, könnt selbstverständlich bleiben.
Ich gebe das allerdings erst einmal schnell dem Hein durch, wegen Straßensperrung und so!“

Nebenbei stellten sie sich genauso mit Vornamen vor. Alles ganz formlos hier auf dem Lande.
Erika nickte freundlich, griff zum Schnurtelephon, wählte, woraufhin eine kurze Unterhaltung folgte, während Birthe und Sven artig sowie ziemlich fertig nebeneinander auf eine Bank plumpsten. Wie von selbst hatten ihre Hände zueinander gefunden, hielten sich artig, beide starrten gleichwohl gebannt auf Erika, bekamen gar nicht richtig mit, war ihre Hände gerade angestellt hatten.
Erika hakte kurz nach: „Ihr beide seid in Ordnung?
Nicht verletzt?“
Beide stimmten zu, bis auf den Schrecken sowie die demolierten Autos alles klar.
Erika nickte, plauderte weiter am Telephon.
Danach legte sie auf, verkündete das Ergebnis: „Sind noch mehr Bäume weggerissen, Straße wird weiträumig gesperrt.
Schlechte Saison für die Alleebäume irgendwie.
Schade drum.
Heute komplett ausgeschlossen, hier noch wegzukommen.
Zu gefährlich.
Hein meint ebenfalls, ihr müßt bleiben.
Und das dicke Ende kommt wohl noch, der Orkan legt erst noch zu!“
Erika machte eine Pause, kam heran, schaute abschätzend auf ihre beiden Gäste, kurz gleichfalls auf jene traulich ineinandergelegten Hände: „Seid ja komplett durchgeweicht.
Doppel- oder Einzelzimmer?“
Fast gemeinsam erwiderten beide: „Einzel.“
Sven ergänzte: „Haben uns eben das erste Mal getroffen …“
Birthe fügte hinzu: „… mit den Autos …“
Sven schaute Birthe reuig an: „Ähm, tut mir leid, hab’ sofort gebremst, ist einfach weitergerutscht. Wäre ich öfter mit dem Auto unterwegs, hätte ich es besser wissen müssen …“
Birthe zuckte ihre Schultern: „Egal jetzt, der umkrachende Baum hat deine Karre sowieso erledigt, meine ist ein Leihwagen, Vollkasko – trotzdem – schade um den Schrott, die Ressourcen.“
Sven erläuterte: „Meins is’n Dienstwagen der Uni, ebenso Vollkasko …“
Erika schaute noch mal auf ihre harmonisch verschlungenen Hände, unterbrach: „Na gut, ihr beiden Unglücksraben, bringe euch mal zu euren Zimmern, warme Dusche, Bademantel, danach sieht die Welt gleich wieder anders aus, bekommt zudem zwei Zimmer, wo es bestimmt nicht kracht, alle Eichen sind weiter weg. Unsere Eichen sind sowieso

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 16.03.2018
ISBN: 978-3-7438-6151-0

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