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Leseprobe

Metainformationen zum Buch

Sammlung von Kurzgeschichten, kurzen Geschichten und Kürzestgeschichten, kurzen Erzählungen, Minigeschichten, Wortspielereien, eben unter anderem auch kleinere Firlefänzchen, Klimbim, Mumpitz, Kokolores, Kinkerlitzchen, Killefitz, Schnickschnack, Mätzchen, Larifari, Heckmeck, Humbug, Schmarren aus dem Werk der Marie de Sade.

Aktuell sind folgende Werke enthalten:

  • Kürzestgeschichten
    • Auf die Spitze getrieben
    • Irrweg
    • Schockmoment
    • Schlagfertig
    • Heidenspaß
    • Xenophobisch?
    • Genderqueerbeet
    • Wendepunkte
    • Acht Aale
    • Dröger Drachentöter
    • Erstaunliche Ermittlung
    • Gänsegaunerei
    • Zwergenfest
    • Schönheitskönigin
    • Sophies Erkenntnis
    • Bernadettes kurzer Irrtum
    • Elmars Wende
    • Öko-Golfplatz
    • Tiefer gründeln
  • Märchen
    • Bärenerlebnis
    • Braunbeerenbeschmutzung
    • Das rosa Taschentuch
    • Gundula und das Geheimnis der farblosen Schmetterlinge im Tal der Keinhörner
    • Gundula entdeckt das Geheimnis des leuchtenden Berges
    • Ayses Wunderlampe
    • Susi und die gute Fee
  • Geschichten
    • Wenn Buchstaben nicht mehr tanzen dürfen
    • Die Offenbarung der Jennifer
    • Sperenzchen, Firlefänzchen
    • Befristung
    • Aufbruch
    • Leckerchen
    • Überfahrt
    • Klönschnack: Abgekanzelt
    • Aufgerüttelt
    • Nachbarschaftshilfe (Fortsetzung zu Aufgerüttelt)
    • Hauptdarstellerin (kleines Luststück)
    • Sonjas
    • Überraschungspaket für Jörn
    • Kan’nich’klag’n
    • Die Dackel-Eskalation
    • Fliegenpicknick
    • Wiesenklee
    • Baggerseewesen
    • Denkzettel
    • Arbeit
    • Geld
    • Antriebslos
    • Verboten schnell
    • Pandemisch
    • Gedrehte Welt
  • Surreale Geschichten
    • Astfisch
    • Traum der drei Tauben
    • Strandidyllendrama
    • Das Geheimnis der Wüstenstele
    • Der Flughafenzwischenfall
    • Bericht von einem Drama im Kiez
    • Kurioses aus der Stadt
    • Sylter Sand
    • Gänseblümchen-Kartell entlarvt
    • Im Springkraut verloren
    • Lichte Worte
    • Ewigkeit ist mein Freund
    • Wolfslichtung
    • Schildkrötenvogel
    • Glasfaserkabel mit flüssigem Kern flexibler
    • Gequetschte Quantenzustände in mRNA-Impfstoff gefunden
    • Scheinstoß
    • Erwin löst sich auf

Dies Buch enthält keine Audio- oder Videodateien, Schriftartendateien, keinerlei Animationen, enthaltene Graphiken haben eine Textalternative, sind ohnehin optionaler Zusatzinhalt. Der vorhandene ausgezeichnete Text repräsentiert den Inhalt komplett.

Erfüllt die Anforderungen für Zugänglichkeit gemäß Ace 1.3.2 von DAISY gemäß WCAG 2.0 Level AA, nach eigener, manueller Prüfung überdies ebenso Level AAA bei der Auswahl der einfachen Stilvorlage. Ferner stellt es für die Rezeption auch kein Problem dar, die Interpretation von mitgelieferter Stilvorlagen komplett zu deaktivieren. Alternativ zur Rezeption als digitales Buch ist es auch möglich, die Inhaltsdateien direkt mit einem Präsentationsprogramm für XHTML nach eigener Wahl zu lesen. Jedes Inhaltsdokument hat eine eigene Navigation im Buch.

Firlefänzchen

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelei
    1. Titelseite
    2. Metainformationen
    3. Epigraph
    4. Vorwort
      1. Zum Inhalt
      2. Technisches
  2. Kürzestgeschichten
    1. Auf die Spitze getrieben
    2. Irrweg
    3. Schockmoment
    4. Schlagfertig
    5. Heidenspaß
    6. Xenophobisch?
    7. Genderqueerbeet
    8. Wendepunkte
    9. Acht Aale
    10. Dröger Drachentöter
    11. Erstaunliche Ermittlung
    12. Gänsegaunerei
    13. Zwergenfest
    14. Schönheitskönigin
    15. Sophies Erkenntnis
    16. Bernadettes kurzer Irrtum
    17. Elmars Wende
    18. Öko-Golfplatz
    19. Tiefer gründeln
  3. Märchen
    1. Bärenerlebnis
    2. Braunbeerenbeschmutzung
    3. Das rosa Taschentuch
    4. Gundula und das Geheimnis der farblosen Schmetterlinge im Tal der Keinhörner
    5. Gundula entdeckt das Geheimnis des leuchtenden Berges
    6. Ayses Wunderlampe
    7. Susi und die gute Fee
  4. Geschichten
    1. Wenn Buchstaben nicht mehr tanzen dürfen
    2. Die Offenbarung der Jennifer
    3. Sperenzchen, Firlefänzchen
    4. Befristung
    5. Aufbruch
    6. Leckerchen
    7. Überfahrt
    8. Klönschnack: Abgekanzelt
    9. Aufgerüttelt
    10. Nachbarschaftshilfe (Fortsetzung zu Aufgerüttelt)
    11. Hauptdarstellerin (kleines Luststück)
    12. Sonjas
    13. Überraschungspaket für Jörn
    14. Kan’nich’klag’n
    15. Die Dackel-Eskalation
    16. Fliegenpicknick
    17. Wiesenklee
    18. Baggerseewesen
    19. Denkzettel
    20. Arbeit
    21. Geld
    22. Antriebslos
    23. Verboten schnell
    24. Pandemisch
    25. Gedrehte Welt
  5. Surreale Geschichten
    1. Astfisch
    2. Traum der drei Tauben
    3. Strandidyllendrama
    4. Das Geheimnis der Wüstenstele
    5. Der Flughafenzwischenfall
    6. Bericht von einem Drama im Kiez
    7. Kurioses aus der Stadt
    8. Sylter Sand
    9. Gänseblümchen-Kartell entlarvt
    10. Im Springkraut verloren
    11. Lichte Worte
    12. Ewigkeit ist mein Freund
    13. Wolfslichtung
    14. Schildkrötenvogel
    15. Glasfaserkabel mit flüssigem Kern flexibler
    16. Gequetschte Quantenzustände in mRNA-Impfstoff gefunden
    17. Scheinstoß
    18. Erwin löst sich auf
  6. Epilog

Epigraph

Ernst ist die Kunst und heiter das Leben.

Kurt Schwitters

Die Kunst ist das einzig Ernsthafte auf der Welt. Und der Künstler ist der einzige Mensch, der nie ernsthaft ist.

Oscar Wilde

Wieviele Ideen schweben nicht zerstreut in meinem Kopf, wovon manches Paar, wenn sie zusammen kämen, die größte Entdeckung bewirken könnte.

Georg Christoph Lichtenberg

Verflucht! zur rechten Zeit fällt einem nie was ein,
Und was man Gutes denkt, kommt meist erst hinterdrein.

Johann Wolfgang von Goethe

Wilhelm Busch

In meiner Jugend war ich überzeugt, ich müsse eine große Dichterin werden, und jetzt ist mein Herz von Glück und Dank erfüllt, wenn es mir gelingt, eine lesbare Geschichte niederzuschreiben.

Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

Die logische Einfachheit ist der einzige Weg, auf dem wir zu tiefen Erkenntnissen geführt werden.

Albert Einstein

Der ist kein freier Mensch, der sich nicht auch einmal dem Nichtstun hingeben kann.

Marcus Tullius Cicero

Zunächst sorgsam notiert, hernach abgelegt, fast vergessen, wiedergefunden, nochmal überlegt, Notiz zerrissen, Ideen somit als Irrtum noch vor der Umsetzung verworfen, letztlich vergessen.
Wie wohltuend kann es doch sein, so Abstand, Abschied von einem Projekt zu nehmen!

Dr. Olaf Hoffmann

Vorwort

Zum Inhalt

Diese Sammlung eigener kurzer Geschichten spiegelt zum größeren Teil verschiedene Facetten meiner Gedankenwelt wider, humoristisch, grotesk, ironisch, erotisch …
Sie wird jeweils bei Gelegenheit ergänzt.

Technisches

Am Ende jeder Inhaltsdatei gibt es unten einen kleinen Navigationsbereich mit folgenden Funktionen:

Bei der Titelseite reicht hingegen ein Anklickern, um in das Inhaltsverzeichnis zu gelangen.

Die skalierbaren Vektor-Graphiken im Buch haben eher dekorativen Charakter.

Technisch wurden bei diesem EPUB einige Hilfen integriert, um dem Leser besseren Zugang zum Inhalt zu ermöglichen. Es gibt etwa verschiedene Stilvorlagen, zwischen denen gewählt werden kann. Bei einem Darstellungsprogramm, welches EPUB komplett interpretieren kann, wird es eine solche Auswahlmöglichkeit geben. Von daher kann dann leicht zwischen heller Schrift auf dunklem Grund und einer dunklen Schrift auf hellem Grund gewechselt werden. Für eigene Einstellungen eignet sich der ebenfalls alternativ verfügbare einfache Stil, welcher lediglich einige Strukturen hervorhebt oder anordnet.

Wem der voreingestellte Stil nicht so zusagt, welcher bei dieser Sammlung bei jedem Text wechselt, kann ja einfach zu einem anderen Stil mit einer üblicheren, schlichteren visuellen Hervorhebung von Absätzen durch einen vergrößerten Abstand zum Absatz davor oder danach wechseln oder die Interpretation von Autoren-Stilvorlagen komplett deaktivieren oder eine eigene Stilvorlage verwenden.

Einige Darstellungsprogramme sind allerdings fehlerhaft und bieten keine Wahlmöglichkeit an. Falls der voreingestellte Stil dann nicht zusagt, ist zu empfehlen, einfach ein leistungsfähigeres Programm zu verwenden, welches EPUB korrekt interpretiert.

Verfügbare alternative Stilvorlagen (die Voreinstellung ist je nach Text unterschiedlich):

  • hell auf dunkel: Hellgraue Schrift mit dunkelgrauem Hintergrund (auch eine Variante ohne Darstellung von Bildern)
  • dunkel auf hell: Dunkelgraue Schrift mit hellgrauem Hintergrund (auch eine Variante ohne Darstellung von Bildern)
  • finster: Helle Schrift mit dunklem Hintergrund, farbige Variante, Voreinstellung
  • vergilbt: Dunkle Schrift mit hellem Hintergrund, farbige Variante
  • Pogo: Stil im blau-violetten Bereich mit Farbverlauf als Hintergrund – wie der Name schon andeutet hinsichtlich des Lesevergnügens etwas aggressiver und fordernder
  • blau: Blauer Stil. dunkle Schrift auf hellem Grund
  • grün: Grüner Stil, dunkle Schrift auf hellem Grund
  • Rubri: Stilvorlage samt Rubrizierung sowie Initiale
  • Rubri-D: Stilvorlage samt Rubrizierung sowie Initiale, dunkler Stil
  • Alinea: Stilvorlage samt Rubrizierung sowie Alinea, heller Stil
  • D-Alinea: Stilvorlage samt Rubrizierung sowie Alinea, dunkler Stil
  • Ecke: Stilvorlage mit stark betonter Einrückung, heller Stil
  • D-Ecke: Stilvorlage mit stark betonter Einrückung, dunkler Stil
  • Tag: Ein einfacher, heller Stil
  • Nacht: Ein einfacher, dunkler Stil
  • Schatten: Einfacher Stil mit Schatteneffekten
  • Kante: Semantische Strukturen sind mit Kanten hervorgehoben
  • Rand: Semantische Strukturen sind mit Rändern hervorgehoben
  • Gauß: Semantische Strukturen sind Hintergrundfarben mit diffusen Rändern hervorgehoben
  • Struktur: Semantische Strukturen sind Hintergrundfarben hervorgehoben.
  • Element: Am linken Rand werden einige Elemente als Randnotiz benannt, wichtige Attributwerte werden zudem explizit angegeben; eine Hilfe zur Textanalyse aufgrund der semantischen Textauszeichnung
  • einfach: Einfacher Stil ohne Farbangaben, besonders geeignet zur Kombination mit eigenen Vorgaben
  • kein: keine Autorenstilvorlage, besonders geeignet zur Kombination mit eigenen Vorgaben

Autorin sowie Mitarbeiter dieses Buches haben keinerlei Einfluß auf Mängel, Fehler, Lücken in der Interpretation von EPUB durch das jeweils verwendete Darstellungsprogramm. Bei Darstellungsproblemen sollten diese zunächst analysiert, lokalisiert werden. Dazu kann es unter anderem als erster Schritt helfen, mit verschiedenen Programmen auf Reproduzierbarkeit zu prüfen oder auch mit speziellen Prüfprogrammen zu verifizieren, daß insbesondere im Buch selbst wirklich kein Fehler vorliegt.
Entsprechend wird es anschließend möglich sein, eine zielführende Fehlermeldung korrekt zu adressieren. Die Autorin sowie Mitarbeiter können je nach Fehler durchaus die korrekten Ansprechpartner sein. Bei der Qualität aktueller Darstellungsprogramme können dies jedoch gleichfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entwickler dieser Darstellungsprogramme sein. Entsprechend sind möglichst präzise Angaben zum Problem bei einer Fehlermeldung immer hilfreich.
Generell ist die Fehlerrate bei Darstellungsprogrammen vom Typ Brauser gängiger Anbieter deutlich geringer als bei speziellen Programmen oder Erweiterungen für Brauser zur Interpretation von EPUB. Insofern kann es bei größeren Problemen mit der Darstellung ebenfalls ein Ausweg sein, das EPUB-Archiv zu entpacken (es handelt sich bei EPUB immer um ein Archiv vom Typ ZIP, das Buch alsdann direkt im Brauser zu lesen, wozu zunächst die Datei Inhaltsverzeichnis.xhtml im Verzeichnis Inhalt aufzurufen ist, um einen Einstieg in die Lesereihenfolge sowie einen Überblick über den Inhalt zu bekommen. Über die Verweisfunktion des Verzeichnisses kann anschließend jeweils der gewünschte Inhalt aufgerufen werden.
Dieses Vorgehen kann gleichfalls nützlich sein, um Probleme oder Fehler zu lokalisieren. Bei Einzeldokumenten sind überdies andere Prüfprogramme verwendbar.

Bei automatischen Konversionen dieses Buches im Format EPUB in andere Formate können diverse Mängel auftreten, welche sowohl an Fehlern und Problemen der zu naiv und einfach konzipierten Konversionsprogramme als auch an dem Format liegen können, in welches konvertiert wird. Autorin und Mitarbeiter dieses Buches haben keine Kontrolle über spätere Manipulationen oder Formatkonversionen, haben also keinen Einfluß auf die komplette Verfügbarkeit von Inhalten und Hilfen solch manipulierter Versionen. Sie empfehlen daher dringend, das unveränderte Original zu verwenden und sich dieses von einem leistungsfähigen Darstellungsprogramm präsentieren zu lassen.

Manuell ist es recht problemlos möglich, einige Techniken sowie Merkmale des Buches so weit zu vereinfachen, Inhalte anders aufzubereiten, um diese auch in verminderter Qualität in anderen Formaten verfügbar zu machen. Insbesondere bei wohl noch immer recht beliebten proprietären Amazon-Formaten (Mobipocket, AZW oder KF8, KFX) ist es recht einfach, ein passend vereinfachtes EPUB zu erstellen, aus welchem sich ein lesbares Buch in diesen minderwertigeren Formaten erzeugen läßt, sofern man sich mit EPUB sowie den Möglichkeiten dieser Formate etwas auskennt.

Auf die Spitze getrieben

Sie schauten beide erschrocken auf das Messer in seiner Brust. Bei diesem Streit hatte sie ihn auf die Spitze getrieben!

Irrweg

Der Weg hatte anfangs noch sehr gut ausgesehen. Nun grübelte sie trotz langem Pferdeschwanz, warum es eigentlich so schwierig ist, sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen.

Schockmoment

Im Lügen routiniert war der Präsident aschfahl erschrocken zusammengefahren, als ihm versehentlich mal eine profane Wahrheit einfach so rausgerutscht war, worauf er allerdings gleich wieder erleichtert durchatmete, denn ihm würde ja sowieso niemand glauben, bei dem es eine Rolle spielen würde.

Schlagfertig

Sich umdrehend sah er noch, wie sie die Bratpfanne hoch erhoben hatte. Es tat ihm ja auch vorher schon irgendwie ein wenig leid. Nun bereute er es.

Dann war nichts mehr so, wie es zuvor gewesen war. Sie fragte sich noch nach Jahren, warum sie immer nur so halbe Sachen machte und dann doch immer den ganzen Ärger ausbaden mußte. Und zwischendurch hatte sie nun viel Zeit zum Überlegen.

Heidenspaß

Atheisten basteln christliche Devotionalien. Erstaunlich für gescheite Heiden! Immerhin jedoch könnten letztere mogeln. Normalerweise obsolete Possen querköpfiger Rabauken. Sonst tatsächlich unverständliches Vorgehen. Welch x-fache Yogis zahlen?

Xenophobisch?

Acht blöde Chaoten denunzierten einen Fremden. Gänzlich hemmungslos insistierten jemals kaum Leute. Morbide Nieten oder perverse Quälgeister. Reuen solcher Taten - unwahrscheinlicher Vorfall! Weswegen xenophobisch Yetis zernichten?

Genderqueerbeet

Siegfrinde drehte sich um, erkannte plötzlich den Menschen, nachdem sie sich all die Jahre gesehnt hatte – sie hatte in einem Spiegel geschaut und sich selbst erkannt!

Wendepunkte

Damals, auf dieser schicksalshaften Party dachte sie noch, daß der fesche Typ ihr Traumprinz wäre. Es hatte sie total erwischt.

Heute war sie hin- und hergerissen und sie verfluchte ihre Naivität und Leichtgläubigkeit, als der Schmerz schier unerträglich wurde. Sie hielt das nicht für eine gerechte Strafe, mehr für eine natürliche Folge ihrer dummen und spontanen Einlassung.

Dann, später war sie eigentlich ganz versöhnt, sie hatte es doch irgendwie geschafft, ohne jemandem an die Gurgel zu springen. Das kleine, noch namenlose Wesen nuckelte friedlich an ihrer Brust. Sie mußte sich wohl nun zusammenreißen und es für sie beide schaffen.

Acht Aale

Acht Aaale aßen allenthalben alles Auffindbare auf!
Ach! Ausgehungerte Andere angelten alle Aale, aber allerliebst angerichtet aufgegessen!
Allerdings alsdann angewidert ausgespuckt!
Alles angefaultes Aas, ach ach!
Ansonsten aber ambitioniert, alle Aaale anzuknabbern.
Akribisch absorbierten Adler alles auf.

Dröger Drachentöter

Drei dummdreiste Drachen drängten draußen die drapierten Damen dermaßen dämlich, daß der dröge Drachentöter derweil Düsteres dachte. Doch dann donnerte das dermaßen, daß die Drachen dahinflogen. Dadurch dachten die drapierten Damen, daß diese drangsalierenden Drachen desillusioniert davonzuckelten. Der dröge Drachentöter dümpelte demnach daraufhin desinteressiert drollig davon. Die drapierten Damen dankten dem donnernden Dachdachs, denn der dürfte des Donnerdramas dürftiges Dasein Deutung darlegen.
Donnerlittchen!

Erstaunliche Ermittlung

Ernsthaft ermittelten ehrliche Esel erwiesenermaßen Erstaunliches:
Ein Elb erbte eine Erbse, ebenso ein Einhorn, einen Ebenholzeßtisch, eine elektrische Eisenbahn. Elf Elfen essen emsig eingelegte ererbte Essiggurken. Eindeutig ein erlesenes Essen, eventuell eben erst entdeckt. Erfahrene Einhörner ebneten eine Einsiedlerhöhle, ein Einsiedler einsiedelte emsig ein, ebenso einsam. Einige eventuelle esoterische Explorationen eines Einsiedlers erbrachten erratische Erkenntnisse.

Gänsegaunerei

Gerne grasten gut genährte Gänse genügend grünes Gras. Ganz gewöhnliche graue Gänse gründelten genüßlich, gar gänzlich gehaltvolles Grün. Gemeinen Gaunern gelangen gezielte Gemeinheiten, gruselige Grausamkeiten gegen geerbte Gänse generöser Großeltern. Gendarmen griffen ganze Gruppe, geleiteten Gauner gegen Gericht, Gefängnis.
Gänse gerettet!

Zwergenfest

Zahlreiche zwielichtige Zwerge zwirbelten zum Zwergenfest zerzaust zerfaserten Zwirn ziemlich zweckmäßig zu zäher Zahnseide, zugigen Zäunen zusammen. Zudem zwischterten zwanzig zaghafte Zaunkönige zwischendurch zuckersüße Zaubermelodien zum zarten Zusammenspiel. Zuviele zimperliche Zicken zeterten zersetzend zu zweifelhaftem Zerwürfnis zernichtenden Zwistes zagender Ziegen.
Ziemliches Zinnober!
Zuerst zerlegten zwei zerstrittene Zauberer zehn zackige Zander zu zerdrückten Zwiebeln, zerschnittenen Zitronen, zersiebtem Zimt, zerlassenem Zucker, zündelten Zunder zum Zerkochen zuletzt, zelebrierten zudem Zeremonien zweifelhafter Zierrat. Zuletzt zögerten zwölf zaghafte Zwerge zweifelhafte Zimperlichkeiten zusammen.

Schönheitskönigin

Kindlich noch wird sie schnell influenzt, macht auf sexuell.
So wird sie als Schönheitskönigin gewählt, benutzt und beschmutzt.
Ver- und zweifelt.
Zunächst ißt sie nicht mehr.
Anschließend ist sie nicht mehr.

Sophies Erkenntnis

Sophie war eine begabte Schülerin, welche immer die besten Noten hatte. Eines Tages bekam sie eine Hausaufgabe, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Sie war so aufgeregt, daß sie die ganze Nacht daran schrieb. Am nächsten Tag gab sie ihre Geschichte ab.

Als sie bei der Rückgabe ihre Note sah, war sie enttäuscht, denn sie hatte eine schlechte Note bekommen.
Aber als sie genauer hinsah, bemerkte Sophie, daß ihre Lehrerin ihr eine Bemerkung hinterlassen hatte: „Ich habe noch nie eine so originelle Geschichte gelesen. Aber das Ende fehlt.“

Sophie war einerseits erleichtert und glücklich, dass ihre Geschichte originell war, andererseits sie war auch überrascht, dass ihre Lehrerin das Ende vermißte, denn dies offene schien ihr ja gerade der Kniff daran zu sein. Dadurch hatte Sophie doch etwas über die Lehrerin gelernt, auch deren Möglichkeiten waren offenkundig begrenzt und Sophie hatte eine dieser Grenzen gefunden.

Zur Textentstehung

Dieses Gedicht wurde erstellt in Zusammenwirkung mit einem Skript aus dem Netz, welches angeblich über künstliche Intelligenz verfügt: perplexity.ai.

Der Vorschlag des Skriptes schien allerdings wenig ausgefeilt (siehe unten). Daher waren ein paar Nachbearbeitungen notwendig. Diese Nachbearbeitungen sowie die genaue Fragestellung lag bei mir, nicht beim Skript, insofern also eine gemischte Anstrengung – mit zugegeben mäßig originellem Erfolg. Aber immerhin als kleines Experiment mit einem lernfähigen Programm ganz interessant sowie informativ.

Es folgt der originale Vorschlag des Skriptes samt zugehöriger Anforderung:

Originale Anfrage:
Kannst du eine kurze Geschichte schreiben, nicht mehr als hundert Wörter lang, dennoch originell, mit überraschendem Ende?

Sophie war eine begabte Schülerin, die immer die besten Noten hatte. Eines Tages bekam sie eine Aufgabe in der Schule, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Sie war so aufgeregt, dass sie die ganze Nacht wach blieb und schrieb. Am nächsten Tag gab sie ihre Geschichte ab und wartete auf das Ergebnis. Als sie ihre Note sah, war sie enttäuscht. Sie hatte eine schlechte Note bekommen. Aber als sie genauer hinsah, bemerkte sie, dass ihre Lehrerin ihr eine Bemerkung hinterlassen hatte: "Ich habe noch nie eine so originelle Geschichte gelesen. Aber das Ende war zu kurz." Sophie war erleichtert und glücklich, dass ihre Geschichte originell war, aber sie war auch überrascht, dass ihre Lehrerin das Ende vermisste.

Die Geschichte ist einerseits hundertfünfzehn Wörter lang, andererseits doch so originell auch wieder nicht, ferner bleibt die Überraschung am Ende doch in engen Grenzen, auch weil keine weitere Auseinandersetzung mit dem Konflikt folgt. Dazu ist anzumerken, daß obere Überarbeitung noch länger ist, von daher auch nicht zu einer der Anforderungen paßt.

Bernadettes kurzer Irrtum

Eine Tür öffnend trat Bernadette in den Raum. Darin war es stockfinster, nichts war zu sehen. Plötzlich und unerwartet spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Bernadette schrie auf und drehte sich um. Doch da war niemand im fahlen Licht, welches durch die noch offene Tür in den Raum fiel. Bernadette war allein. Verwirrt sowie verängstigt verließ sie den Raum wieder, schloß die Tür.

Bernadette sann nach, kam in Kontemplation wieder zur Ruhe sowie zur Einsicht: Alles Quatsch!
Erneut öffnete sie die Tür in denselben Raum und alles war anders: Der Raum war grell erleuchtet sowie voller Menschen in kurzweiliger Konversation. Bernadette erkannte indessen niemanden und niemand schien sie zu bemerken. Dies war ihre übliche Erfahrung auf derlei Festivitäten, denen sie auch nicht sonderlich zugeneigt war. Bernadette fragte sich, ob sie eben bloß in ihrer eigenen Realität kurz falsch abgebogen war.

Zur Textentstehung

Dieses Gedicht wurde erstellt in Zusammenwirkung mit einem Skript aus dem Netz, welches angeblich über künstliche Intelligenz verfügt: perplexity.ai.

Der Vorschlag des Skriptes schien allerdings wenig ausgefeilt (siehe unten). Daher waren ein paar Nachbearbeitungen notwendig. Diese Nachbearbeitungen sowie die genaue Themenwahl lag bei mir, nicht beim Skript, insofern also eine gemischte Anstrengung – mit zugegeben mäßig originellem Erfolg. Aber immerhin als kleines Experiment mit einem lernfähigen Programm ganz interessant sowie informativ.

Es folgt der originale Vorschlag des Skriptes:

Originale Anfrage (sinngemäß, denn es gab dazu erst mehrere Fehlschläge und Erläuterungen meinerseits, warum die Anforderung nicht erfüllt war):
Kannst du eine kurze Geschichte schreiben, maximal hundert Wörter lang, dennoch originell, mit überraschendem Ende?

Sie öffnete die Tür und trat in den Raum. Es war dunkel und sie konnte nichts sehen. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Sie schrie auf und drehte sich um. Doch da war niemand. Sie war allein. Verwirrt und verängstigt verließ sie den Raum. Als sie später zurückkehrte, war alles anders. Der Raum war hell erleuchtet und voller Menschen. Sie erkannte niemanden und niemand schien sie zu bemerken. Sie fragte sich, ob sie verrückt geworden war.

Elmars Wende

Nachdem Elmar zu der Erkenntnis gelangt war, daß keineswegs die Erde Mittelpunkt des Universums ist, sich vielmehr alles um ihn selbst dreht, nahm er sich vor, seinen Alkoholkonsum erheblich zu reduzieren.

Öko-Golfplatz

Freier Öko-Golfplatz in einmaliger Lage hatte sich Gerd anders vorgestellt:
Golfball in Rapsfeld verschollen, Cabrio in Feldweg-Pfütze abgesoffen, Klamotten klitschnaß wegen Wolkenbruch. Frustriert Mobiltelephon gezückt, Hannelore um Abholung bitten, doch: Funkloch oder Regenwasser im Gerät?

Tiefer gründeln

Rentner Theo gründelte am längst ausgetrockneten See.
Sein alter Kumpel Karl kam zufällig vorbei, sah dies und fragte: „Theo, was tust du denn da?“
Theo schaute ihn an, entgegnete: „Karl, siehst du doch, ich fische in der Vergangenheit, vielleicht verfängt sich ja doch noch was!“
Karl erwiderte: „Ach, früher war auch nicht alles besser …“
Theo sprach: „Na, früher haben wir doch schon etwas tiefer gegründelt als diese heute.“
Und da wußte Karl auch nicht mehr.

Bärenerlebnis
Ein Bärenmärchen

Stachelbär und Himbär wummerten nur so zusammen, als sie im vollen Lauf im spitzen Winkel zusammentrafen. Die Schockwelle des Zusammenstoßes raste durch ihre massigen Leiber und löste in ihren Köpfen eine gewisse Schummrigkeit aus, daß beide gar nicht komplett mitbekamen, wie sie gemeinsam zu Boden sanken.

Es dauerte etwas, doch dann konnte Stachelbär wieder einen klaren Gedanken fassen, schaute auf den überraschenden Stoßkontrahenten, kommentierte: „Bissu dennn tooootal bescheuert, behämmert und beknackt, mich derart anzurummsen‽“
Dies wollte der Himbär, nachdem er nun gleichfalls wieder bei sich war, keineswegs auf sich sitzen lassen, erwiderte: „Ich‽
Du Grobian hast mich doch wie toll über den Haufen gerannt, während ich friedlich dem Nelkenpfeffer nachjagte …“
Der Stachelbär antwortete: „Auch ich folgte bloß meiner Jagdpassion, doch du irrst, es war die Lärche, welche da behend durch den Hain entsprang …“
Der Himbär brummte: „… nun entflohen ist. Doch es war gewiß der Nelkenpfeffer, das feine Piment, ich erkannte dies am Duft und folgte, keineswegs war es die Lärche in ihrem eleganten Habitus, dem eleganten Lauf …“
Abermals widersprach der Stachelbär: „Die Lärche war’s, die tolle Kiefer, nichts anderes war mein Begehr, als diese zu erhaschen!“
Ärgerlich bereits versicherte der Himbär mit aufgerichtetem Fell: „Der leck’re Nelkenpfeffer war’s. Du lenkst bloß ab, willst mir eine Beere aufbinden, doch du bist auf dem Holzweg, mein bester!“
Stachelbär plusterte sich aufgeregt auf, daß alle seine Stachel spitzig glänzten: „Ich auf dem Holzweg?
Wenn ich auf dem Holzweg wäre, so folgtest du einer ganzen Allee – von wegen Nelkenpfeffer, ich sage es dir, es war die feinste Lärche, ganz gewiß, welche da im rasanten Lauf, im feinen Rauschen uns entfloh, ich sah es genau!
Mir hast du einen Beerendienst erwiesen, weil du mir diese Beute nicht gegönnt, sie selber nicht erreichtest!
Ich hätt’ sie indessen schon erwischt, die feine Lärche …“
Empört hatte sich Himbär erhoben in ganzer pinker Pracht, auch Stachelbär stand auf, machte sich breit, spreizte betont alle seine Stacheln, beide schauten sich grimmig an, beide hatten die Stimmen erheblich erhoben.
Himbär brüllte: „Nelkenpfeffer!“
Stachelbär gröhlte zurück: „Lärche!“

Kurz darauf kam der Johannisbär hinzu, mischte sich ein: „Was für ein Gebrüll im sonst so ruhigen Hain – ihr seid wohl total versessen?“
Himbär informierte: „Stachelbär hat mich angerempelt, gönnte mir den wundervollen Nelkenpfeffer nicht, welchem ich so dicht auf der frischen Spur war, durch seine Schuld ist er entflecht!
Elender!
Durch diese hohle Gasse tat er kommen!
Kein and’rer Weg führet hier hindurch!“
Erneut widersprach Stachelbär: „Vollkommener Quatsch!
Dieser Tölpel hat mich umgerannt, als ich der schmackhaften Lärche zarte Spur verfolgte, kein anrüchiger Nelkenpfeffer weit und breit, den Gestank hätt’ ich vernommen …“
Der Johannisbär schüttelte seinen Kopf: „Ihr beide irrt, denn dieser Wald hat weder Nelkenpfeffer noch birgt er Lärchen, ihr habt doch beide eine Meise!
Vermutlich habt ihr beide etwas genommen, vielleicht von jenem Pilzepulver, mutterkörnig oder vom narrischem Schwammerl, dem kahlköpfigen Psilocybinproduzenten, welches jene finstren Menschen hinterließen, welche jüngst der mächtige Brombär titanenhaft, heldenmäßig bekämpfte, er verlor dabei so manche Ranke, doch obsiegte er, wennschon zerzaust noch immer mitgenommen. Seitdem hat schon so mancher von dem Pülverchen genascht, jagte alsdann seinen Traumgespinsten nach.
So seid ihr beide vollgedröhnt durch den Wald gejagt, zusammengerasselt im Wahn der Pilze!“
Stachelbär kratzte sich nachdenklich am Kopfe, Himbär räusperte sich erst einmal verlegen, brummelte schwärmend: „Von Zeit zu Zeit seh’ ich den alten Brombärn gern … und hüte mich, an ihn zu brechen.“

Stachelbär fragte nach kurzer Pause: „Johannisbär, du meinst wirklich, es sei das mutterkörnige oder psilocybine Pülverchen, von dem ich genascht, welches mich flugs auf jene Fährte schickte‽ War es der arglistige Pilz und nicht die tolle Lärche, welcher mich täuschte, zur Raserei durch den Hain gar verlockte‽“
Himbär fügte hinzu: „Der Pilz war’s, nicht der Nelkenpfeffer, welcher mich derart verzückte‽
Verrückte Welt!
Verrückte Menschen!“
Johannisbär forderte: „Kommt runter, Leute, da war rein gar nichts außer diesem Pulver, seid Freunde wieder!
Gelingt dies, gewährt mir die Bitte, ich sei in eurem Bunde der Dritte.“
Himbär brummte: „Das also war des Pudels Kern – abgefahrene Pilze – der Kasus macht mich lachen!“
Stachelbär kommentierte: „Pudel?
Du phantasierst im Gedankensturm … ein Fuchs vielleicht mit seinem Wurm …“
Himbär widersprach: „Wir sind keine Erdbären, Moosbären, Heidelbären oder eingebildete Preiselbären, da ist kein Wurm drin, den Pudel bracht’ ich bloß symbolisch doch ins Spiel, der hat ja keinen Kern, ist ja kein Obst, da leg’ ich die Faust noch obendrauf!“

Johannisbeer stellte fest: „Zwar weiß ich viel, doch mag ich manches missen – doch Nelkenpfeffer sowie Lärchen haben wir hier nicht, auch keine Pudel, das ist ein and’res Stück, verwurmte Füchse und auch Mäuse wohl …“
Stachelbär versicherte: „Lärchen sind gar scheues Wild, verstecken sich schelmenreich im Dickicht oder auch ganz keck hinter Hirschen!“
Himbär nickte nachdenklich: „Auch der Nelkenpfeffer ist gar listig, tarnt sich geschickt, daß er leicht übersehen wird, so mancher sieht vor lauter Wald die Bäume nicht …“
Johannisbär: „Nun hört aber auf, es waren die Pilze, weder Nelkenpfeffer, noch Lärche, welche euch zur Raserei gebracht!“
Stachelbär merkte an: „Zu spät dran sind wir ohnehin, längst entflohen ist diese zweifelhafte, gar fintenreiche Flora.“
Himbär räumte ein: „Die mögliche Wirkung des Pülverchens gibt mir zu denken. Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode.“
Johannisbär mahnte: „Alter schützt vor Torheit nicht!“
Stachelbär klopfte ihm auf seine Schulter: „Gut gebrüllt, Löwenzahn!“
Johannisbär erwiderte: „In der Kürze liegt die Würze!“
Himbär ergänzte: „Hoffnung ist oft ein Jagdhund ohne Spur!“
Johannisbär überlegte: „Solange das Pilzpülverchen verfügbar ist, ist was faul in diesem Haine!“
Stachelbär gab sich einsichtig: „Wenn alle Tage im Jahr gefeiert würden, wäre ständiger Rausch so lästig wie Arbeit.“
Himbär fiel dazu noch ein: „Dem schlecht’sten Ding an Art und Gestalt leiht die Droge doch Verlockung und Gehalt!“
Johannisbär resümierte: „Wenn diese Schatten euch mißfielen,
Denkt zum Trost von diesen Spielen,
Daß euch hier nur Rausch umfing,
Als das alles vor sich ging.
Dies Gebild’ aus Schaum und Flaum,
Wiegt nicht schwerer als ein Traum …
Doch genug von diesem Reigen
Der Rest sei Schweigen!“

Braunbeerenbeschmutzung
Ein Bärenmärchen

Jamila, die kleine Johannisbärin, hatte es diesen Tag nicht leicht in der Schule. Denn diesmal hatten es die Rabauken der Schule in der großen Pause auf sie abgesehen. Schnell war sie von diesen umzingelt und ihr sonst so schönes Fell war mit ekliger, klebriger Braunbeerpaste beschmiert.
Alle Rabauken, viel stärker als sie, lachten sie aus: „Angeschmiert! Angeschmiert!“
Jamila floh beschämt aus der Johannisbärenschule im Tal nahe des Waldrandes.

Jamila irrte eine Weile umher, wollte bloß noch fortlaufen. Auf diese Weise kam sie zu den Hügeln, dies war die feinere Wohngegend mit feinen Pinkeln, den sogenannten Preiselbären.

Preiselbären haben viel Besitz und sind stets argwöhnisch samt starker Neigung zur Ausbeutung, dem Leben auf Kosten anderer. Dieser Argwohn, die Furcht vor Verlust bei den Preiselbären zeigte sich auch bald für Jamila, denn plötzlich wurde sie von einem Preiselbären angerufen, ja geradezu angepöbelt: „Häj du Rumtreiber, verzotteltes Blag, was hast du hier zu suchen?“
Jamila war ganz verdattert über diese harsche Unfreundlichkeit, wobei sie ja nun wirklich durch die Braunbeerenpaste schwer verschmutzt war. In dem klebrigen Zeug hatte sich unterdessen auch bereits Staub verfestigt, was alles noch ungepflegter aussehen ließ.

Der Preiselbär hatte jedenfalls sofort das Wachpersonal der Gegend gerufen. Dies war eine Horde übler Stachelbären, braungelb, stachelig, aggressiv. Diese tobten nun von mehreren Seiten mit tiefem, bedrohlichen Gebrüll heran. Jamila lief, doch diese üble, jedoch gut trainierte Truppe war schneller, trieb sie mit Piksen ihrer Stacheln weiter und weiter aus der Gegend heraus, allerdings in eine andere Richtung, als jene, aus welcher sie gekommen war.

Endlich war die Grenze des Preiselbärviertels erreicht, die Stachelbären trieben Jamila mit lautem Gegröhle noch ein Stück weiter, drohten Übles an, sie solle sich hier nicht wieder blicken lassen, brüllten noch einige Beleidigungen hinterher sowie mit auf den Weg, zogen sich alsdann zurück.

Jamila war ziemlich verwirrt, dieser Tag hatte sich nun noch schlechter entwickelt – weit über ihr bisheriges Vorstellungsvermögen hinaus, welches sich auch gar nicht so schnell anpassen konnte. Sie hätte nicht gedacht, daß es je so schlimm kommen könnte. Mutlos zog sie weiter, weiter weg von ihrem Zuhause, vom jetzigen Standort aus jenseits der Hügel mit den üblen Preiselbären samt ihren gelbbraunen, verhetzten Stachelbären als Schlägertruppe für das Grobe.

Unschlüssig irrte Jamila herum, einstweilen den Weg entlang, ohne dessen Ziel oder Richtung zu kennen. Endlich kam sie an einen ganz anderen Hügel, war mißtrauisch, was sie hier erwarten würde. Allerdings waren hier nach einiger Zeit bloß ein paar Erdbären zu sehen, welche sich genüßlich auf einer Wiese sonnten, es sich gutgehen ließen.

Jamila schlich vorsichtig am Fuße des Hügels weiter, wollte nicht bemerkt werden. Dies gelang allerdings bloß ein Weilchen. Ein junger Erdbär wurde auch sie aufmerksam, tickte die sich neben ihm sonnende Schwester an. Beide richteten sich auf.
Der junge Erdbär rief zu Jamila hinunter: „Hallodri, was ist dir denn widerfahren?“
Seine Schwester ergänzte: „Wer hat das denn mit dir angestellt?
Du siehst ja völlig beschmuddelt sowie verklebt aus – und das mit diesem häßlichen Braun!“

Jamila wich verunsichert zurück. Die beiden jungen Erdbären waren aufgestanden, kamen ein paar Schritte heran.
Die Erdbärin sprach beruhigen: „Och, da bleiben wir mal locker und kühl wie eine Eisbeere, wir tun dir doch nichts, zeigen uns bloß interessiert, vielleicht können wir helfen?“
Das hörte sich für den heutigen Tag für Jamila schon einmal sehr freundlich an.
Sie blieb erst stehen, wagte alsdann sogar ein paar Schritte auf die beiden zu, erklärte: „In der Schule hat man mir Beeren aufgebunden, mich mit Braunbeerenpaste eingerieben, klebt ganz schrecklich – sonst bin ich ehrlich ganz sauber, habe ein feines Rot, ähnlich wir ihr, ähm bloß ohne diese Dinger …“
Der junge Erdbär winkte ab: „Diese Dinger brauchen wir doch, um unsere Erdstollen voranzutreiben, damit wühlt es sich sehr gut durch das Erdreich des Hügels, im Untergrund sind wir in unserem Element – doch wie du siehst, ein anständiges Sonnenbad genießen wir selbstverständlich ebenso, das Leben besteht keineswegs aus Arbeit allein, ein wenig sonnen, entspannen muß auch mal sein …“
Die Erdbärin sprach: „Tja, mit Braunbeeren haben wir es hier nicht so, wir sind nett zueinander, halten zusammen, da hat solch ein braunes Zeug keine Chance. Also, bei uns ist es so, daß beim oder nach dem Wühlen die Erdreste einfach abfallen, spätestens, wenn wir uns kräftig schütteln – versuche es doch auch einmal …“
Beide machten es mit großer Hingabe vor, daß sie bloß so zottelten und einige Grashalme von der Wiese nur so durch die Gegend flogen, welche sich in ihren kleinen Dingern verklemmt hatten.

Die drei lachten nun heiter, Jamilas Stimmung besserte sich mit den beiden fröhlichen Erdbären. Nun schüttelte auch sie sich – doch leider fiel nichts für sie ab und von ihr weg. Ratlos standen die drei.
Da hatte die junge Erdbärin noch eine Idee: „Schlendern wir zu Muttern, vielleicht hat diese eine Idee!“
Ihr Bruder nickte: „Immerhin ein gute Möglichkeit …“
Also zogen sie weiter den Hügel hinauf.

Wo für den uneingeweihten Beobachter bloß ein Erdhaufen zu sehen war, legte der junge Erdbär flugs einen Stolleneingang frei und Jamila wurde hineingebeten. Zwar war es bald dunkel, doch mit einem netten Bären vor sich, einen aufmerksamen Bärin hinter sich, kam Jamila schon klar.

Bald hatten sie Mutter Erdbär gefunden.
Diese war gerade beschäftigt, hatte sogar ein Lichtloch nach oben gewühlt, warf so einen skeptischen Blick auf das Mitbringsel ihrer Kinder: „Was für einen Drecksspatz habt ihr denn da mitgebracht?“
Jamila war sogleich wieder verunsichert, aber die junge Erdbärin sprang ihr gleich zur Seite: „Übler Schulstreich, man hat ihr Braunbeeren aufgebunden, sie mit Braunbeerenpaste beschmutzt …“
Ihr Bruder ergänzte: „Was ist zu tun?“
Muttern brummte: „Hmmmm, wenn es mit etwas Gewühle nicht abgeschubbert ist, weiß ich auch kein Rezept – probieren geht hier über studieren, oder?“
Sie lachten alle und Jamila wurde gezeigt, wo sie wühlen sollte, wo das Erdreich für die Maßnahme besonders geeignet erschien. Jamila probierte, doch ohne die groben, hakeligen Dinger wollte dies nicht gelingen.

Die Erdbärenmutter meinte dazu: „Tja, dieser Trick klappt bei dir leider nicht so wie bei uns. Ist nichts zu machen. Aber – mit vollem Magen sieht die Welt gleich weniger trostlos aus.“
So wurde Jamila erst einmal zu einem Mittagessen eingeladen, denn so spät war es unterdessen bereits geworden. Es gab ein feines Kompott aus gemischten Beeren des Waldes, welches gar herrlich mundete.

Nach dem Essen war Jamila immerhin satt, bereit sowie gestärkt für weitere Versuche. Die vier berieten sich, nun wieder oben in der Sonne. Dabei wurde überdies kurz darauf auch noch Großmutter Erdbär zu Rate gezogen.
Diese meinte: „Tja, vielleicht wissen die Himbären mehr, eventuell habe diese einen Tip?
Diese lustige Truppe macht sich gerne fein, hat kein Werkzeug zum Wühlen und sollte mehr Ideen als wildes Schütteln haben, um den Dreck auf andere Weise von sich abzuschütteln, welcher mal so haften bleibt!“
Jamila wollte versuchen, jene Himbären zu erreichen, also wurde ihr genau der Weg beschrieben. Hernach war Abschied.

Jamila zog also weiter, wobei ihr Weg nun noch weiter fort von ihrer Heimat führte. Aber so schmuddelig wollte sie sowieso nicht vor die Augen ihrer Eltern treten.

Immerhin war es nicht wirklich weit, durch einen Hain in ein abgelegenes, jedoch weites Tal ging ihr Weg. Alsbald traf sie dort wirklich auf eine Truppe Himbären. Der Start war nicht wirklich gut, diese feinen, rosa Typen mit etwas auffälligem Gebaren rümpften erste einmal ihre Nasen. Jamila riß sich zusammen, erzählte kurz ihre Geschichte bis hin zur Idee der Großmutter Erdbärin, doch hier einmal zu fragen.

Nun neigten die Himbären durchaus versonnen ihre Köpfe, nickte gar mitleidig.
Eine der rosa, etwas exaltierten Gestalten merkte nun an: „Hmmmm, Braunbeerenpaste – da bist du ganz ordentlich angeschmiert – das ist arg!
Und du kannst uns glauben, wir kennen uns aus mit derartigem Schabernack, derlei haben viele von uns selbst bereits erlebt – rosa scheint manches Pack zu Untaten zu verleiten.
Wir sind rosa – gerne binden uns insbesondere braune Type draußen in der Welt Beeren auf, darum sind wir lieber unter uns, pflegen uns, putzen uns heraus, sind lieb miteinander.“
Ein anderer grübelte: „Tja, was kann man da nun tun?
Tut uns wirklich leid für dich – zwar bist du keine von uns Tunten, aber naja, so angeschmiert würden wir uns sehr gerne solidarisch zeigen – doch das braune Zeug hängt eben hartnäckig an. Kahlrasieren vielleicht – oder du fragst einfach mal bei Leuten nach, die sich auskennen – wir kennen uns hier eher mit … Verfeinerungen sowie Selbstfindung oder Selbstverwirklichung aus, also eher die innere Reinigung … leider für dich weniger mit dem Entsorgen von grobem Braun – daran läge uns selbst sehr viel – allein, daran sind wir bislang gleichfalls gescheitert, das klebrige Braun aus den Gedanken, dem Sein zu entfernen, tja, selbst aus dem Fell, wenn es dort erst einmal haftet – äußerst knifflig, mehr als eine Herausforderung …“
Alle seufzten.

Jamila atmete tief durch, hakte aber doch nach: „Ähm, ja, aber, wer kennt sich aus mit der Abwehr, wer könnte so wehrhaft sein, das Braun der Welt abzuschütteln‽“
Man überlegte, plötzlich kam von einer Himbärtunte eine Idee: „Mit denen haben wir zwar sonst nicht viel zu tun, tja, aber, also, ähm, die Brombären sind wehrhaft, haben Dornen und so, diese sind indes ganz anders als die braungelben Stachelbären, die sich so leicht manipulieren, aufhetzen, instrumentalisieren lassen. Jene Brombären sind zudem deutlich härter als wir, haben ein viel tieferes Blaurot im Gegensatz zu unserem feinen Rosa – das muß dich ja keineswegs abschrecken, bist ja ebenfalls anders – ach im Grunde sind wir doch alle irgendwie anders, besonders – etwas widerborstig sind die Brombären, aber im Grunde steckt ein weicher Kern hinter ihrer Abwehr – die könntest du durchaus mal fragen, was du anstellen kannst – vielleicht haben die auch ein Mittel im Sinn, damit man dir wenigstens in Zukunft nicht immer wieder Beeren aufbindet!“
Jamila nickte verständig und ihr wurde der Weg zu den Brombären erklärt.

Brombären leben bevorzugt im dichten Wald oder an dessen Rand. Was sie dort so treiben, ist sonst gar nicht genau bekannt, denn sie lassen niemanden von außen rein und erzählen auch anderen nichts darüber. Immerhin ging Jamilas Weg damit nun nicht noch weiter von Zuhause weg. Sie mußte gut im rechten Winkel abbiegen, über Wiesen mit hohem Gras schlendern, sich schon etwas durchkämpfen. Endlich kam sie zum Waldrand, mußte noch etwas suchen, bis sie wirklich auf Brombären traf. Diese hatten, wie angedeutet, eine erhebliche Abneigung dagegen, jemanden in ihren Wald zu lassen.
Also blieb Jamila am Waldrand stehen, rief: „Hallo, Brombären?“, denn diese hatten erst einmal gar nicht auf sie reagiert.

Nun allerdings ließ sich ein Brombär herab, antwortete: „Du Schmuddelbär kommst hier nicht rein, mußt dich gar nicht anbiedern oder so …“
Jamila versicherte: „Wollte ich an sich gar nicht, ist doch alles ganz anders …“
Der stattliche Brombär schaute sie streng an: „Also gut, wenn du nicht rein willst – heraus mit deinem Anliegen!“
Jamila schilderte daraufhin ihre Geschichte bis hin zum Tip der Himbären, doch einmal die wehrhaften Brombären nach Abhilfe zu fragen.

Der stattliche Brombär räumte ein: „Hmmmhmmmmmhmmmmmmmmm, Braunbeeren aufgebunden – da hat man dir übel mitgespielt – was für ein ekelhaftes Zeug – anderen haben sie dies auch bereits angetan?“
Jamila überlegte kurz: „Äh ja, schon, nicht gerade sooooo, aber anderen haben jene Rabauken auch schon Streiche gespielt, ja äh, je älter sie werden, desto dreister werden offenkundig ihre Attacken …“
Der Brombär guckte sie streng an: „Soso, du und die anderen Opfer – ihr habt euch fein jeder für sich verkrümelt und seid froh gewesen, daß es euch den Tag nicht erwischt hat?“
Jamila verzog verlegen den Mund, nickte jedoch, so ungefähr war es ja wirklich gelaufen.

Auch der Brombär nickte, verkündete jedoch: „Jedenfalls: wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt!
Siehstde ja nu selbär – kleine, spaßige Lautmalerei am Rande, aber egal.
Ist eine Sache, beleidigende Sprüche von sich abperlen zu lassen. Bei körperlichen Übergriffen, Braunbeerenpaste, Beeren aufbinden hört der Sapß allerdings auf. Da müßt ihr Opfer doch zusammenhalten. Wenn ihr entschlossen seid, haben die Rabauken Respekt. Es muß ja nicht gerade eure Art sein, brutal wie die Rabauken zurückzuschlagen, doch haltet ihr zusammen, gibt es weniger Angriffspunkte, das Risiko für die Rabauken steigt, selbst in den Dreck gezogen zu werden. Wer überzeugend Bereitschaft demonstriert, bekommt mehr Respekt von den Idioten, hat bessere Chancen.
Gemeinsam ist dabei Trumpf!
Das wäre mein Tip – sich organisieren, zusammenhalten, euer Waldstück so sozusagen sauber halten. Es geht im Grunde nicht darum, selbst Gewalt auszuüben, vielmehr mit Dornen glaubhaft Wehrhaftigkeit zu zeigen, um Schurken vor Übergriffen zu bewahren – und im Ernstfall eben nicht bloß wehrlos einzustecken.“
Jamila nickte überlegend, an sich ein guter Tip, denn es war ja wirklich nicht richtig, das jeweilige tägliche Opfer einfach so den Rabauken zu überlassen, bloß froh zu sein, den Tag nicht selbst Opfer zu sein.

Jamila erwiderte: „Petzen ginge ja an sich auch …“
Brombär antwordete: „Für Petzbären durchaus. Naja, bei jungen Bären, wenn es gar keine Sozialisierung gibt, immer noch besser als alles wegzustecken, fortzulaufen, sich weiter einschüchtern zu lassen. Da ist abzuwägen – geht es ums eigene Fell, gibt es irgendwann keine Ehre mehr, da will man bloß noch möglichst ungeschoren davonkommen …“
Jamila nickte: „Ja – apropos scheren – war der Tip der Himbären hinsichtlich des verklebten Fells – was ist deine Meinung dazu?“
Brombär brummte sehr tief, antwortete: „Sieht ihnen ähnlich, die würden etwas in der Art durchziehen, danach so herumlaufen. Naja, Himbären eben – also nichts gegen die an sich – sind eben so, wie sie sind – aber wenn du nicht so bist, war der Tip wohl eher von begrenztem Nutzen. Es hat eben nicht jeder diesen inneren Drang zum Himbären …“
Jamila schluckte, fragte nach: „Ja gut, dein Tip – wenn du einen hättest?“
Brombär schubberte sich erst einmal überlegend an einem Baum.

Endlich meinte er: „Tjaaaaa. Da haben wir hier keine große Expertise. Wir beugen eben vor, halten unseren Laden hier sauber.
Sauber – also keineswegs Saubär – keinerlei Affront von mir zu deiner kniffligen Situation.
Tja, achachach, tja was kannst du tun – oder wen nach einer sinnvollen Lösung fragen – hmmmmmhmmmmmhmmmmmmm, knifflig!
Eine Möglichkeit wären noch die Blaubären, diese haben an sich allerhand drauf, insbesondere mit Wasser uns so – die könntest du mal fragen – nagut, an sich will ich dich damit schon irgendwie loswerden, aber ist auf der anderen Seite auch ein ernsthafter Hinweis, die haben diesbezüglich etwas drauf, also nichts für ungut, Laden sauber halten – verstehst schon – denn auch wir wollen hier keinerlei braunes Zeug reinlassen – wehret den Anfängen!
Dabei gilt die Ausgrenzung jetzt keineswegs dir persönlich. Wir hier haben gar nichts gegen Johannisbären, Himbären, Erdbären, Blaubären, Moosbären und so – mit Preiselbären sowie ihren doofen Stachelbären haben wir indessen so rein gar nichts am Hut und so – wir bleiben doch insgesamt lieber unter uns, da weiß Bär, was er hat – die Blaubären sind geselliger, also durchaus eine Chance für dich mit deinem Problem da, diesem schäbbigen, durchaus klar, daß du den Dreck wieder loswerden willst …“
Jamila nickte verzagt, einerseits schon ein wenig betrübt über die erneute Ablehnung, aber immerhin hatte sie doch einen weiteren Tip bekommen. Tapfer riß sie sich zusammen, ließ sich vom Brombären den Weg beschreiben.

Zwar nicht geradezu entmutigt, aber doch eher in gedrückter Stimmung schlich Jamila also weiter. Das war heute echt nicht ihr Tag, dieser Weg führte nun eindeutig noch weiter weg von Zuhause, wobei sie zudem auch noch zunehmend unsicherer wurde, wo ihr Zuhause eigentlich war. Ihr Weg führte sie jedenfalls eindeutig weiter hinunter, in ein ihr komplett unbekanntes Flußgebiet samt Altarmen, eine durchaus unübersichtliche Gegend, tückisch. Immerhin hatte der Brombär ihr einige Landmarken genannt, an denen sie sich ganz gut orientieren konnte.

Zunächst ging sie wohl in die Irre. Glücklicherweise traf sie auf einen allerdings etwas mürrischen Moosbären in einer beinahe schon sumpfigen Gegend. Auf Nachfrage gab dieser immerhin einen sinnvollen Hinweis, in welche Richtung sie sich wenden möge, um einerseits den Sumpf wieder zu verlassen, alsdann andererseits die richtige Richtung zu den Blaubären einzuschlagen. Jamila hörte aufmerksam zu und fand so letztlich ihren Weg.

Jamila mußte in der Gegend des Flusses mit reichlich Gestrüpp eine ganze Weile suchen, bis sie endlich munteres Geplätscher und Bärenstimmen hörte. Vorsichtig pirschte sie sich heran und sah alsdann – die Blaubären, von manchen auch Heidelbeeren genannt – an einem seichten Nebenarm des Flusses, aufgeteilt in zwei Gruppen. Die eine Gruppe urinierte flußaufwärts blau ins Wasser – vielleicht daher ihr Name, die andere fing etwas weiter flußabwärts jene aufgeregten Fische, welche dort dem blauen Wasser auszuweichen suchten.

Sie schaute dem Treiben eine Weile zu. Bald waren die Blaubären mit ihrem Fang ohnehin fertig, kamen an Land, schüttelten sich, verzehrten ihren Fang. Mutig wagte sich nun Jamila aus der Deckung.

Ein Blaubär wurde auf sie aufmerksam, rief: „Oijoijoi, Schmuddelkind-Alarm!
Was bist’n du für eine‽
Wen ha’m wir’n da‽“
Jamila atmete tief durch, schluchzte.
Eine Blaubärin kam heran, sprach ihr gut zu: „Schmutzelchen, ist doch keineswegs böse gemeint, was’n los?
Was ist passiert?
Wir können uns schon denken, daß dies jetzt nicht gerade deine bevorzugte Erscheinungsform ist.“
Weitere Blaubären kamen hinzu, eine bot an: „Forelle blau?“
Jamila lehnte dankend ab, hatte auch einige Bedenken hinsichtlich der Herkunft von ‚blau‘, außerdem hatte sie eine leicht ausgeprägte Tendenz zum Veganen. Jedenfalls erzählte sie von ihrem bisherigen Tag, damit auch von ihrem Anliegen.

Die Blaubären waren wirklich eine ganz muntere Truppe, sprachen ihr Mut zu, suchten sie aufzumuntern, einfach mal ins Blaue hinein gemeinsam den Tag genießen, ebenso mal blaumachen, dies war ihr Motto.
Jedenfalls wollte man helfen, deshalb wurde schnell vorgeschlagen: „Das Fellchen bekommen wir schon wieder rein. Dahinten haben wir einen kleinen, ruhigen Tümpel.
Wir sammeln hier in der Gegend ein paar Waschbeeren und dann geht es los – sollst mal sehen, ruckzuck ist die klebrige Paste weg und du strahlst wieder im vollen Glanze, wie es einem Johannisbären geziemt!“

Jamila war skeptisch, doch die Idee wurde umgehend umgesetzt, sie half nach kurzer Anweisung beim Sammeln der Waschbeeren. Kurz darauf war sie mit ein paar Blaubären am Waschtümpel, wo sie sogleich ordentlich mit Waschbeeren durchgeschrubbelt wurde. Dies war ein munteres Treiben mit fröhlichem Scherz – und endlich sehr gutem Ergebnis, denn diese Waschbeeren hatten wirklich eine interessante Wirkung auf die klebrige, leicht stinkige Braunbeerenpaste – erst wurde diese Paste irgendwie duftend, bald darauf schon seifig, ihr Fell fluffig, plusterte sich auf wie ein Schneeflöckchen, um alsdann wieder in Form gekämmt zu werden.
Jamila war reingewaschen von der üblen Paste!
Dank Waschbeeren und Blaubären endlich wieder erkennbar Johannisbärin!
Jamila war sooooo erleichtert, als sie ihr Spiegelbild im Wasser betrachtete!

Ein Problem also gelöst, wozu ihr herzlich gratuliert wurde.
Doch Jamila mußte zugeben, daß sie inzwischen ein weiteres Problem hatte: „Ehrlich gesagt: Nun bin ich zwar wieder blitzeblank, sogar äußerst angenehm duftend, jedoch fern der Heimat.
Ich weiß gar nicht mehr, wie ich zurückfinden soll, den Weg, den ich gekommen bin, würde ja wieder durch das Viertel der gemeinen Preiselbären mit ihren fiesen Stachelbären führen!“
Eine Blaubärin meinte dazu unmittelbar: „Dem Kinde muß geholfen werden!“
Eine andere warf ein: „Das ist aber wohl wiederum gar nicht mehr unsere Gegend‽“
Ein Blaubär allerdings hatte eine hilfreiche Idee: „Muß ja auch nicht. Einige Vogelbären schulden uns noch einen Gefallen, die kennen sich zudem aus, die haben eine große Reichweite, die sollten sie bringen können …“
Die erste Blaubärin nickte anerkennend: „Gute Idee an sich – doch wie sagen wir denen Bescheid?“
Auch dazu hatte der Blaubär eine gute Idee: „Ja so direkt sowie kurzfristig zwar schwierig, jedoch, wenn wir uns an den alten Holunderbären, den Einsiedler wenden, der hat so einen Draht zu beinahe allem hier in der Gegend, hat Einfluß auch auf die Vogelbären …“
Die Blaubärin nickte anerkennend: „Das ist einen Versuch wert …“

Jamila hakte nach: „Ist es denn weit bis zum Holunderbär?
Wie soll das gehen mit den Vogelbären?“
Der kundige, ideenreiche Blaubär erläuterte ruhig: „Die Vogelbären sind groß, da bist du kleines Bärchen eine akzeptable Luftfracht. Die sind zwar etwas schräg drauf – was aber auch ein Vorteil sein kann, denn wenn diese die Geschichte hören, welche dir mit den Stachelbären auf Anweisung eines Preiselbären widerfahren ist, ich bin zuversichtlich, mit ihrem Gerechtigkeitssinn lassen sie sich etwas Schräges als Revanche einfallen. Um die Schandtat an deiner Schule müßtest du dich allerdings wohl selber kümmern, sonst wird es eher noch ärger.
Der Holunderbär ist zwar niemandes Freund, aber ich denke, in seiner Art wird er auch nicht gerne hören, was dir widerfahren ist, den Gefallen wird er uns schon tun …“
Jamila nickte erfreut, erwiderte: „Vom Brombär habe ich bereits Tips erhalten, was ich hinsichtlich der Rabauken an der Schule unternehmen könnte – insofern also durchaus in Ordnung, wenn das wirklich so klappt.
Über den kurzen Wurf in die Braunbeerenpaste hinaus indes bin ich nie geflogen – das wird ja was werden!“
Der Blaubär war optimistisch: „Wenn sich die schrägen Vogelbären der Angelegenheit annehmen, bist du bei denen gut aufgehoben, wir werden darauf achten, daß sie beim Start nüchtern sind.
Das wird ein Spaß für dich werden!“
Also war Jamila einverstanden; neben dem vorschlagenden Blaubären machte sich auch die eine Blaubärin mit auf den Weg zum Holunderbären, nachdem sich der Rest der munteren Truppe am Fluß verabschiedet hatte.

Tatsächlich war es nicht so weit bis zum Holunderbären. Der Einsiedler lebte auf einer kleinen Anhöhe nahe beim Fluß.
Er grüßte die Ankömmlinge: „Ouuuha, Besuch auf meiner Anhöhe!
Tut das wirklich Not?“
Die Blaubärin kam gleich zur Sache, um den Holunderbären nicht unnötig lange in Anspruch nehmen zu müssen: „Wir kommen wegen eines kleinen Anliegens, eines Gefallens für diese kleine Johannisbärin im Namen der Gerechtigkeit!“
Der Holunderbär schaute Jamila erst einmal scharf an, forderte: „Große Worte!
Aber naja, wollen mal nicht so sein; heute bin ich gut aufgelegt, mal heraus mit deiner Geschichte.“
Also erzählte Jamila von ihrem Tag, welcher sie bis hierher geführt hatte.

Nach dem Ende der Erzählung fügte der Blaubär noch seine Idee für den Heimweg hinzu.
Der Holunderbär nickte dazu weise, verkündete: „Die Vogelbären bekomme ich schon in die Spur sowie in den Einsatz. Wir müssen bloß drauf achten, daß sie nüchtern und auch nicht bekifft sind, die schrägen Vögel – unter den Nebenbedingungen wird es eine schnelle, komfortable Heimreise für unser nun wieder blitzeblankes Johannisbärchen. Gemeinsam könnten wir uns noch überlegen, was hinsichtlich Preiselbär samt seiner Stachelbärmeute zu tun ist.“
Jamila wirkte erleichtert, hakte nach: „Aber wie benachrichtigst du die Vogelbären‽“
Da schmunzelte der Holunderbär und informierte: „Gute Frage aus deiner Perspektive, doch wie die Blaubären schon vermuteten, voraussichtlich eine Kleinigkeit. Ein paar Vogelbären sollten schon in der Nähe sein. Tja, also, ich habe eine ganz spezielle Flöte, deren Ruf reicht weit – hmmm wie soll ich sagen, diesem Rufe werden sie mitnichten widerstehen können, schon damit ich damit nicht weiter flöte.“

Es dauerte einen Moment, bis der Holunderbär seine Flöte geholt hatte. Er stand nun ganz akkurat, bat um Ruhe, Konzentration, fokussierte sich selbst und hub an zu flöten – gut, was daraufhin folgte, war nun weit weg von melodisch, jedoch in der Tat ziemlich durchdringend. Immerhin setzte der Holunderbär bald wieder ab. Allen Anwesenden war nunmehr ziemlich klar, daß diesem Flötenspiel nicht lange zu widerstehen war.

Kurz darauf erschien am Himmel wirklich drei Vogelbären, zwei riesige erwachsene und ein jüngeres Exemplar.
Holunderbär nickte zufrieden: „Die sind in Ordnung.
Mit ihrer Tochter dabei reißen die sich am Riemen, keine Extratouren, keine Drogen und so, sind aber nichtsdestotrotz locker drauf, also Obacht, nicht vergrätzen mit merkwürdigen Kommentaren über schräge Vögel oder so!“
Das hätte wohl ohnehin niemand gewagt bei den stattlichen Gestalten, welche nun landeten.

Mit den Ankommenden wurden Begrüßungen ausgetauscht.
Vater Vogelbär kam gleich zur Sache: „Watt flötest du, daß einem der Schmalz aus den Ohren krümelt?“
Holunderbär entgegnete: „Wird euren Ohren guttun, mal wieder durchgepustet zu werden. Aber geht um ein ernstes Anliegen, einen Gefallen …“
Der Blaubär ergänzte: „Immerhin staubt ihr bei uns auch immer mal wieder reichlich Fisch ab, also …“
Mutter Vogelbär kürzte ab: „Schon gut, ist ja mal nicht so, daß ihr den Fluß für euch reserviert hättet, ist doch für alle genug …“
Holunderbär schaute zu Jamila, forderte: „Erzähle doch einfach einmal von deinen heutigen Erlebnissen, deinem verbleibenden Problem …“
So geschah es, Jamila breitete abermals ihr Drama aus, nun insgesamt bereits eine etwas längere Geschichte dieser spontanen, unfreiwilligen Abenteuerreise.

Nach Vollendung ergänzte der Blaubär seine Vorstellung über Jamilas Heimreise.
Der Holunderbär fügte hinzu: „Hinsichtlich eines Denkzettels für Preiselbär samt Stachelbärenmeute wäre auch noch zu hinterfragen, ob euch dazu etwas einfällt, ihr habt die Reichweite sowie die günstige Lufthoheit …“
Nun lachte die Tochter Vogelbär, bestand darauf: „Wir müssen Jamila helfen, ist doch klar. Tja, was die üble Bande unter stinkreicher Führung betrifft, da hätte ich eine Idee – wir begeistern Vaters alte Bande von Kiffern, diese kommen mit und in einem Überraschungsluftangriff scheißen wir die diese Scheißer ordentlich zu!“
Papa Vogelbär klopfte seiner Tochter anerkennend auf die Schulter, lachte, die Mutter sprach: „So wird es gemacht!“
Nun lachten alle mit.

Nun gab es zunächst einen Abschied vom Holunderbär, welcher sehr zufrieden war, nun wieder seine Ruhe zu haben. Die drei Vogelbären begleiteten Blaubären und Jamila zurück zum Fluß. Dort gab es selbstverständlich noch etwas Wegzehrung – inzwischen hatte man sogar einige gar köstliche, vegane Früchtchen für Jamila herangeschafft, ferner wurde ein gar köstliches Soufflé mit Schwarzbeeren gereicht.

Bald darauf hatte Jamila ihren ersten Flug, sorgsam bei Mutter Vogelbär festgekrallt. Erst einmal ging es indessen zu Vater Vogelbärs alten Kumpels.
Hui!
Das war ein wilder Flug für Jamila, durchaus unheimlich diese Höhe, die geschmeidige Flugweise, der stete Wind des Fluges.

Angekommen bei der Bande Vogelbären, waren diese schnell zu begeistern für eine kleine Scheißerei auf fiese Typen, egal ob stinkereich oder gelbbraun versifft. Dabei konnte es keinen falschen treffen. Zwar war die Truppe mal wieder total bekifft, doch Familie Vogelbär hielt sich weiterhin zurück. Zumal die Blaubären ihnen reichlich Fischproviant mit auf den Weg gegeben hatten – nach der Verdauung durchaus vorzügliche Munition für den geplanten Luftangriff. Also wurde in der großen Kifferrunde erst einmal ordentlich geschlemmt. Bald machte sich das ganze Geschwader auf den Weg. Diesmal krallte sich Jamila bei Vater Vogelbär fest.

Sie waren lange unterwegs. Jamila war bereits müde, doch Vater Vogelbär paßte auf, sprach sie an, daß sie sich weiter zuverlässig festkrallte. Endlich kamen sie über dem Gebiet von Preiselbär mit seiner Meute von Stachelbären an. Die Vogelbären stimmten sich ab, hatten unterwegs ihr reichhaltiges Fischmahl gut verdaut und legten unter Berücksichtigung der Windstärke akkurat los.

Offenkundig durch Geräusche aus der Höhe aufschlagenden Kotes aufmerksam geworden, kamen Preiselbär sowie Stachelbären heraus und wurden sogleich reichhaltig bekleckert mit streng riechendem Fischkot der Vogelbären. Diese hatten Ausdauer und weißelten das Gelände sorgfältig, bevor sie unter lautem Gejohle abdrehten und Richtung Siedlung der Johannisbären weiterflogen.

Jamila wies nun den Weg zu ihrem Zuhause, wurde abgesetzt, verabschiedet. Schon waren die Vogelbären wieder unterwegs, verschwanden bereits in der Ferne.
Jamila schaute ihnen noch ein Weilchen nachdenklich nach: Was für ein Tag!

Als sie ins Haus ging, wurde sie gleich aufgeregt von ihren Eltern bestürmt, wo sie bloß so lange gewesen sei. Nun, in dieser Hinsicht kann das geneigte Publikum zur Klärung dieser Frage bei Interesse durchaus wieder am Beginn des Märchens beginnen, ähnlich wie es Jamila tat. Bei den Ereignissen könnten ihre Eltern Jamila natürlich nicht mehr böse sein, sprachen ihr stattdessen Mut zu, denn nun galt es ja, wie vom Brombären empfohlen, in der Schule die bisherigen Opfer als Freunde in der Not zu gewinnen, um so im Bedarfsfalle gemeinsam die dann in der deutlichen Unterzahl befindlichen Rabauken angemessen in die Schranken zu weisen, ohne die Situation allerdings eskalieren zu lassen – eine erhebliche Herausforderung also.

Das rosa Taschentuch
Ein Märchen

Die Nele lebte einst in einem kleinen, abgelegenen Dorf von ansonsten nicht weiter bekannter Relevanz. Sie lebte bei ihrer Großmutter, denn ihre Mutter arbeitete in einer weiter entfernten Stadt in einem Beruf, welcher von Großmutter und Nele nicht weiter hinterfragt wurde. Mutter schickte auch bloß selten einen Brief, denn Porto ist kostspielig für einen Brief in diese abgelegene Gegend, so Großmutters Argumentation dazu, welche nicht so gerne über ihre Tochter sprach. Über ihren biologischen Vater war Nele gar nichts bekannt, dieser schien in ihrer Welt irgendwie gar nicht zu existieren, insofern gab es auch keinen Anlaß, ihre Großmutter dazu zu befragen.
Die Briefe ihrer Mutter waren zudem auch eher kurz, knapp, jeweils mit ziemlich knapper Geldbeilage. Aber Großmutter und Nele kamen so ganz gut zurecht, Großmutter stellte gebrannte Tontöpfe sowie einige andere Haushaltsartikel her, hatte zudem einen Garten zur Selbstversorgung als Ergänzung.

Eines Morgens war Großmutter noch gar nicht munter. Im Grunde hatte sie bereits den Tag zuvor geschwächelt. Nele schaute besorgt nach ihr. Weil beide keinen Rat wußten, suchte Nele die Kräuterfrau des Dorfes auf. Diese wiederum machte sich mit Nele auf zurück zur Großmutter, untersuchte die Angelegenheit erst einmal sorgfältig samt ausführlicher Befragung. Wie sich herausstellte, hatte die Großmutter von einem Rest gegessen, weshalb wegen der sonstigen Befindlichkeit der Verdacht aufkam, daß dieser nicht mehr gut gewesen sei, daher ihre unerfreuliche Unpäßlichkeit.

Die Kräuterfrau überlegte: „Hmmmmmm, an sich hätte ich da wohl ein Rezept, welches wahrscheinlich Abhilfe schaffen sollte, doch tja, wie nicht zu übersehen ist …“, sie wies dabei auf ihren Gehstock, „… hatte mein Unfall jüngst bei dem heftigen Regenschauer auf dem schlammigen Weg unangenehme Folgen. So kann ich jene Zutaten, welche mir ausgegangen sind, welche hier aber nützlich sein könnten, jedenfalls nicht sammeln – schlimmer noch, sogar jene, welche mir selbst wieder zügig auf die Beine helfen sollten, sind nun jenseits meiner Reichweite … zwar gibt es einige davon in meinem Kräutergarten, doch für die wirksame Medizin brauche ich noch einige Zutaten mehr …“
Nele bot an: „Wenn du mir genau beschreibst, was wo ungefähr zu finden ist, könnte ich doch suchen‽“
Die Kräuterfrau neigte den Kopf, schaute sie nachsinnend an, spitzte ihren Mund, kratzte sich am Kopfe, erklärte alsdann: „Wir können es ja mal probieren – in meinem Häuschen kann ich dir Abbildungen zeigen, dazu alsdann genau beschreiben, dir sagen, wo genau was zu finden sein sollte – mit etwas Glück hättest du Erfolg.“
Diesbezüglich waren sich die drei sogleich einig und Nele begleitete die Kräuterfrau zurück in ihr Heim.

Dort wiederum holte die Kräuterfrau gemäß ihrer Ankündigung ein großes Buch hervor. Darin gab es reichlich handgezeichnete Abbildungen, interessante Texte, Rezepte. Nele war fasziniert, interessiert, was die Kräuterfrau wohlwollend zur Kenntnis nahm.
Sie sprach: „Unabhängig von meinem aktuellen Malheur bin ich ja auch schon älter, nicht mehr so gut unterwegs. Wenn du über die aktuellen Probleme hinaus Interesse an der Kunde der Kräuter, Pilze, Mittelchen haben solltest, könnte dies für uns beide nützlich sein, du könntest lernen, meine Assistentin werden, dereinst sodann selbst Kräuterfrau werden, anderen helfen, so kommt Frau an sich sehr gut durch, ist geachtet im Dorfe – hmmmm, bei deinen Familienverhältnissen sollte dies für dich eine erhebliche Verbesserung darstellen …“
Nele wollte ihre Familienverhältnisse jetzt nicht weiter thematisieren, irgendwie war ihr in den letzten Jahren durchaus klar geworden, daß da etwas faul sein mochte, einige Bürger des Dorfes verhielten sich ihr gegenüber auch etwas reservierter als gegenüber anderen Kindern.
Jedenfalls schaute sie die Kräuterfrau interessiert an: „Wenn du meinst, daß ich das hinbekomme?“
Die Kräuterfrau lächelte sie aufmunternd an: „Du bist doch ein aufgewecktes Mädchen, kannst dir bestimmt allerhand merken, bist ganz freundlich zu den Leuten und hast jetzt sonst hier auch keine anderweitigen großartigen Perspektiven – das paßt alles zusammen. Aber schauen wir erst einmal, daß wir unsere akuten Probleme lösen können, alsdann mag sich noch allerhand ergeben …“
Nele nickte artig.

Also zeigte ihr die Kräuterfrau, was benötigt wurde: für ihre eigene Behandlung ein besonderes Kraut, für die Großmutter sollte es ein besonderer Pilz sein, die anderen Zutaten hatte sie noch auf Vorrat oder im Kräutergarten, zeigte Nele aber schon einmal ein paar weitere interessante Pflanzen, welche diese bei Sichtung schon einmal mit einsammeln könnte.
Hinsichtlich des Standortes meinte die Kräuterfrau: „Pilz und mein Kraut solltest du am Waldesrand finden, also jenseits des Zauns unserer Allmende. Du bleibst aber am Waldrand, denn du weißt ja, der Wald selbst ist verwunschen. Darin schlummert ein mächtiges Wesen namens Mükorriza bereits seit vielen Jahrzehnten. Zwar ist es ruhig um Mükorriza geworden, doch ein Störung könnte sie zu sehr viel Unheil bewegen. Wer in den Wald eindringt, den Fuß auf die falsche Pflanze oder den falschen Pilz setzt, kann sie wecken und zieht ihren Zorn auf sich, diese Person kommt nicht wieder zurück. Ferner mag alsdann rund um den Wald allerhand anderes Unheil eintreten – was schlecht für uns wäre, denn so weit weg vom Dorfe, einigen Feldern, genutzten Wiesen ist er nicht.
Deshalb werdet ihr Kinder immer vor dem Betreten des Waldes gewarnt – also bloß den Waldrand entlang suchen, nicht mehr als diese ersten Meter im Übergang in den dichten Wald absuchen!
Hier ist weniger stets sicherer!“
Nele nickte, antwortete: „Ja, daran werde ich mich halten. Gewiß hat man uns immer wieder vor dem Wald gewarnt, dem Düsteren, Unheimlichen mit diesem eigenartigen Wesen Mükorriza darin – allein, gesehen hat dieses wohl seit Generationen niemand, daher haben einige Leute bereits Zweifel geäußert, ob es dies Wesen überhaupt noch gibt, ob es nicht dumm sei, auf das Holz des Waldes, seine Beeren zu verzichten – es könnte uns besser gehen …“
Die Kräuterfrau hob mahnend den Finger: „Läßt du schön bleiben, ist alles Geschwätz dummer Leute. Mit Mükorriza ist nicht zu spaßen!“
Nele nickte artig, prägte sich nochmals das Aussehen der notwendigen sowie der optionalen Sammelstücke ein.

Anschließend kehrten beide zurück zur Großmutter.
Die Kräuterfrau hatte ein Mittelchen mitgenommen, erklärte: „Dies wird einstweilen beruhigen, uns mehr Zeit verschaffen.
Nele, ich werde hier bei deiner Großmütter wachen – veranstalte du keinen Unfug beim Sammeln am Waldrand!“
Nele versicherte dies abermals, setzte ihr blaues Mützchen auf, legte auch ihren roten Umhang um. In eine Tasche des Umhanges steckte sie ein Taschentuch, denn wie bekannt ist, ohne sauberes Taschentuch macht eine anständige junge Dame keinen Ausflug. Dies Taschentuch war einst weiß gewesen, bei einem Waschgang war es indes versehentlich in der Tasche des Umhangs geblieben, weshalb es nun rosa war. Diese kleine Farbänderung gefiel Nele sogar, das Taschentuch war im Grunde eine Zier, ihr schönster Besitz. Hinzu kam noch eine robuste Umhängetasche für die anstehende Sammlung. Nele verabschiedete sich, zog los zur Allmende. Diese lag nun deutlich abseits vom Dorf, eben am Rande jenes düsteren Waldes, den niemand zu betreten wagte.

Als Nele am Zaun zur Allmende ankam, ging sie durch ein Tor, streifte über die langgezogene Allmende mit Obstbäumen, einer Wiese, welche gewöhnlich für Schafe genutzt wurde. Konflikte gab es hier primär bei der Obsternte, wie üblich bei Allmenden, sonst war es das ganze Jahr eher ruhig. Von den Schafen war indes nichts zu sehen, aber Nele mußte ja auch noch ein ganzes Stück bis zum Waldrand gehen, die gesamte Allmende war ohnehin nicht vom Tor oder einem Punkt aus einsehbar.

Endlich hatte Nele die Allmende nahezu durchquert, sah den Zaun, weiterhin jedoch keines der hier erwarteten Schafe. Der Zaun um die Allmende hatte selbstverständlich eine Höhe, welche zwar von ihr oder anderen Menschen zu überwinden war, jedenfalls nicht von Schafen oder von Getier ähnlicher Größe. Allerdings sah Nele nun einen Schaden. Möglicherweise bei dem Unwetter, in dessen Folge die Kräuterfrau bereits ausgerutscht war, hatte es hier einen bereits ziemlich alten, morschen Obstbaum niedergeschlagen. Dieser hatte wiederum den Zaun beschädigt. Somit bot sich hier durchaus die Möglichkeit für die Schafe, der Allmende zu entfleuchen.

Nele wollte ohnehin auf die andere Seite des Zauns, hatte derzeit an sich auch wichtigeres zu tun, als sich um den Verbleib der Schafe zu kümmern. Sie nutzte also erst einmal lediglich diese neue Bresche, um einfach auf die andere Seite zu gelangen. Die Angaben der Kräuterfrau hatte sie genau im Kopf, wendete sich also in die passende Richtung, wanderte weiter. Entlang des Zauns zum Waldrand hin war jedenfalls erkennbar, daß sich hier die Schafe mutmaßlich tatsächlich am frischen Grün außerhalb der Allmende gütlich getan hatten – ohnehin sah die Allmende ziemlich abgefressen aus, insofern also durchaus nachvollziehbar, daß die Schafe diese Chance auf frisches, saftiges Grün umgehend genutzt hatten.

Als sie an jener Stelle des Waldrandes ankam, welche die Kräuterfrau beschrieben hatte, erkannte sie erst das Problem: auch hier hatten die Schafe mächtig zugeschlagen. Die seltenen Kräuter, Pilze waren wegschnabuliert, der Bereich kahl.
Ein Stück weiter sah sich nun bereits zwei Schafe in einem etwas desolaten Zustand: Wirkung der besonderen Kräuter?
Sie folgte weiter dem Zaun den Waldrand entlang, sichtete weitere Schafe in ähnlich instabilem Zustand. Nele sann nach, drehte alsdann um, wieder durch die Bresche und über die Allmende zurück Richtung Dorf.

Am dorfseitigen Tor des Allmendezauns traf sie alsdann auf den leicht dösigen, meist relativ entspannten Günni, welchem die Aufgabe zukam, unter anderen nach den Schafen der Allmende zu sehen, aber ebenso, einiges anderes Getier außerhalb zu hüten.
Günni sprach: „Nele?
Was machst’n dud’n hier?“
Nele erwiderte: „Hallo Günni, ich war mit einem Auftrag der Kräuterfrau unterwegs. Ich habe entdeckt, daß du ein Problem hast. Beim Unwetter ist wohl ein alter Obstbaum umgestürzt, hat den Zaun eingerissen, die Schafe haben jenseits des Zauns am Waldrand gefressen …“
Günni verzog den Mund, überlegte kurz: „Ach, die hauen schon nich’ weit ab, kein Problem. Auf der Allmende hatten s’e datt Gras ohnehin ziemlich kurz, deshalb war es sowieso hilfreich, wenn sie mal woanders fressen, sin’ mittlerweile einfach zuviele für d’e Allmende – abba isch gucke dann bessa doch ma’ vorsichtshalber. Wenn s’e jetzt erst einmal satt sin’, sin’s’e doch träge, schnell wieder einzusammeln …“
Nele atmete tief durch: „Sie scheinen von den speziellen Kräutern sowie Pilzen gefressen zu haben, welche ich sammeln sollte, diese haben besondere Wirkungen – und jene Schafe, welche ich gesehen habe, wirkten auch eigenartig dösig …“
Günni lachte amüsiert: „Issoch gut, umso leichter habe isch s’e wieda eingefangen …“
Nele atmete abermals tief durch: „Nun haben sie allerdings weggefressen, was ich sammeln sollte – meine Großmutter braucht Medizin, gleichfalls unsere Kräuterfrau …“
Günni kratzte sich nachdenklich am Kopfe, spekulierte: „Wenn am Waldrand was war, is’ drinnen bestimmt noch viel mehr – und d’e Schafe werden sich nich’ durch datt Unterholz zwängen, denn dort am Waldrand is’ doch reichlich – un’ am Ende des Zauns noch viel mehr.“
Nele seufzte: „Aber du kennst doch die Geschichten vom Walde – da soll niemand rein …“
Günni winkte ab: „Kinnergeschicht’n, glaubt doch niemand wirklich. D’e Bauern überlegen doch schon länger, ob s’e nich’ doch abholzen sollen, man könnte datt Holz wohl gut jebrauchen, denn der Hain auf der anderen Seite is’ bereits deutlich ausgeschlagen, licht, dort hat man etwas übertrieben, et wird Jahrzehnte dauern, bis sich der Hain erholt, wenn überhaupt, denn wenn weiter eingeschlagen wird, is’et schlecht um ihn bestellt … meine Meinung … aber da hört ja sowieso niemand auf misch …“
Nele verzog den Mund: „Meinst du wirklich?
Es droht gar keine echte Gefahr im Wald?“
Günni zuckte seine Schultern: „Isch weiß jedenfalls so ungefähr, was da am Waldrand so wuchs, derlei findest du jedenfalls nich’ auf den bewirtschafteten Wiesen.
Da mußt’e wohl schon etwas riskieren, wenn et wichtig is’!“
Nun kratzte sich Nele am Kopf, überlegte, ob sie es wagen sollte. Zwar war Günni nicht der Schlaueste, doch immerhin war er ja täglich unterwegs, insofern war seiner Einschätzung durchaus zu trauen, wie es auf den anderen Dorfwiesen oder im Hain aussah. Die Natur genau beobachten, darin agieren, war durchaus seine Sache.

Auch Günni hatte überlegt, stellte nun fest: „Guuut, gucke isch mal nach den durchgeknallten Schafen, ob irgendein scharfes Kraut wirklich eine arge Wirkung hatte – kommst’e wieder mit‽
Doch Kräuter un’ Pilze direkt im Walde pflücken?“
Nele gab sich einen Ruck, tatsächlich hatte sie nie aktuelle Geschichten gehört, daß da irgendwas im Wald passiert wäre oder Merkwürdigkeiten zu den Lebzeiten der heutigen Dorfbewohner vorgefallen wären, immer bloß Geschichten, wilde Gerüchte, nichts Konkretes, daher wohl auch hatte man ein interessiertes Auge auf den Waldbestand geworfen, erwog, dort ein wenig zu holzen. Also, kurzum kam sie mit. Beide schlenderten also über die Allmende, gelangten abermals an den umgestürzten Baum.
Günni grübelte: „Joooah, muß isch mir überlegen, Baum entfernen oder Zaun drumrum reparieren, wenn d’e Schafe wieder zurück sin’ – bestimmt hat wieder niemand Lust, dabei zu helfen, etwas an der Allmende zu arbeiten, wenn et nix direkt zu ernten jibt …“
Nele ging nicht weiter drauf ein: „Wirst ja sowieso erst einmal nach den Schafen gucken wollen …“
Günni nickte: „Stimmpt, erstemal d’e Schaf’ wieder zurück. Danach provisorisch d’e Lücke dichtmachen, hernach rumfragen, was mitt’m Baum zu tun ist – und von wem?“
Nele klopfte ihm auf seine Schulter: „Weise Strategie!“
Günni lächelte gönnerhaft: „Isch kenne misch aus!
Übrigens, so links herum ein Stück weiter gib’et eine lichtere Stelle, von da kommst’e wohl leichter in’en Wald, kannst vielleicht vom Waldrand aus etwas erkennen – hatte abba selbst stets Besseres zu tun, als im Wald zu stöbern …“
Nele nickte: „Danke für den Tip!“
Folglich wollte sie links zwischen Zaun und Waldrand entlang, Günni indes ging rechts herum zu den Schafen, welche den Weg links herum schon deshalb nicht gewählt hatten, weil dieser vom Baum versperrt wurde. Nele hatte hier Mühe, umrundete den Baum auf der Seite der Allmende, kletterte ein Stück weiter über den Zaun und folgte alsdann Zaun sowie Waldrand auf der Suche nach der lichten Stelle.

Tatsächlich wich das sonst relativ dichte Gehölz des Wandrandes irgendwann merklich zurück. Hier standen durchaus einige Gewächse, welche es sonst so außerhalb des Waldes nicht gab. Dies war wohl jene Stelle, von welcher Günni gesprochen hatte. Nele zauderte erst einmal, schaute. Schnell wurde der Wald auch hier wieder dichter, eine Schneise wies allenfalls noch auf einen Pfad von Rehen oder Wildschweinen hin. Prinzipiell wäre es also durchaus möglich, ohne Werkzeug zur Zerschlagung des Unterholzes tiefer in den mysteriösen, geheimnisvollen, unheimlichen Wald vorzudringen. Großmutter und Kräuterfrau brauchten zudem die Medizin. Nele stand unter Druck, zauderte noch immer, trat etwas näher heran, schaute genau nach den Pflanzen.

Den Ausschlag gab eigentlich ein Kraut, welches Nele ein paar Meter rein in der Schneise erkannte. Dies war noch nicht das, was unbedingt gebraucht wurde, aber immerhin eines, welches bei der Kräuterfrau gleichfalls bereits zur Neige ging. Nele hielt die Luft an, traute sich, überlegte zudem in diesem Kontext: Es ist ja keineswegs ganz scharf definiert, wo der unheimliche Wald genau beginnt, also, hier war es ja relativ licht – im Grunde betrat sich den Wald ja noch gar nicht, wenn sie bloß in dieser Schneise dies Kraut zupfte. Also wagte sie es, ging die paar Schritte, zupfte einige Blätter des ersehnten Krautes, erhob sich wieder, lauschte in den Wald hinein – nichts Auffälliges war zu vernehmen, durchaus ein paar allerdings typische Geräusche des Waldes, keinerlei Erwachen des Unheils indes darunter. Nele atmete tief durch – vermutlich alles doch bloß ‚Kinnergeschicht’n‘.

Vom neuen Standpunkt aus schaute Nele folglich tiefer in den Wald, also die Schneise entlang. Ein Stück weiter meinte sie etwas zu erkennen – Pilze unter einem alten Baum. Aus dieser Entfernung konnte sie indes nicht ausmachen, ob es jene waren, von welchen sie welche beschaffen sollte.
Sie überlegte: Sollte sie es wagen?
Immerhin, ja immerhin, ihre Großmutter brauchte die Medizin!

Wieder ging merklich ein Ruck durch Nele, sie riß sich zusammen, nahm Haltung an, ging ein paar weitere Schritte den Wildtierpfad entlang, verharrte, lauschte – weiterhin nichts Auffälliges aus dem Wald zu hören. Nele schlich weiter, auf Zehenspitzen, schaute sich intensiv, unruhig um.

Jedenfalls passierte nichts, bis sie bei den Pilzen war. Sie erkannte nun die Sorte – diese war durchaus schmackhaft, jedoch keineswegs die erforderliche Art. Dies könnte durchaus für eine üppige, schmackhafte Mahlzeit reichen.
Sollte sie einfach so, zusätzlich zum Auftrag pflücken?
Kurz war sie versucht, schluckte, schaute sich um – widerstand allerdings, zudem sie von diesem Ort aus nunmehr weiter drin im Wald gleich noch weitere Kräuter lokalisiert hatte. Also ging sie noch etwas tiefer hinein – da waren nun wieder welche dabei, welche für den Vorrat der Kräuterfrau nützlich wären. Nele erntete mit Bedacht sowie Sorgfalt, stets bloß einige Blätter pro Pflanze, um hier kein Unheil zu stiften, auf diese Weise würden sich die Heilkräuterpflanzen schnell erholen. So ging es Schritt für Schritt weiter, sie vertiefte sich in ihre Suche, vergaß darüber beinahe die unheimlichen Geschichten über den Wald, welcher so direkt erlebt an sich gar nicht so unheimlich wirkte.

Auf diese Weise gelangte sie deutlich tiefer in den Wald. Endlich fand sie auch jene Kräuterart, welche die Kräuterfrau dringend benötigte, allerdings nicht sonderlich viel davon, auch hatte die Kräuterfrau ermahnt, bloß nicht die komplette Pflanze zu ernten, bloß einige Blätter, damit sich die Pflanze erholen könne. Daran hatte Nele sich bereits vorher gehalten, so auch hier. Sie schaute sich weiter um. Tatsächlich standen ein Stück weiter ein paar mehr Pflanzen von dieser Sorte. Damit hatte sie bald genug gesammelt, ohne einer einzigen Pflanze arg zuzusetzen. Bis auf die so wichtigen Pilze hatte sie damit an sich bereits alles von ihrem Auftrag. Die Pilze sollten es indes schon noch sein, die waren doch der wichtigste Teil ihres Sammelauftrages, essentiell für die Heilung ihrer Großmutter. Also suchte Nele weiter.

Irgendwann, inzwischen schon tief im Wald, kam Nele an eine Lichtung mit einem Teich. Hier lag alles friedlich. Einige Pflanzen blühten hier schön sowie üppig auf einer sehr wilden Wiese. Diese Pflanzen waren indes für ihren Auftrag bedeutungslos, jedoch so als kleine Wiese im Wald schön anzusehen. Am andere Ufer des Teiches, unter Bäumen war der Bewuchs karger. Unter einem mächtigen Baum wiederum stand dort eine Gruppe von Pilzen. Nele schaute genauer, doch auf die Entfernung war nicht genau zu erkennen, ob es sich um die ersehnte Art handelte. Um dies genau einzuordnen, mußte sie näher heran, also durch wie wilde Wiese, um den Teich herum direkt bis zu den Pilzen vordringen.
Abermals lauschte Nele in den Wald hinein – war es nicht seit ein paar Minuten verdächtig still geworden?
Stille vor dem Sturm?
Einen Moment war Nele beunruhigt, winkte dann jedoch tapfer-trotzig ab, immerhin ging es um Medizin für ihre Großmutter.

Folglich eilte sie durch die wilde Wiese. Jetzt geschah allerdings etwas Unerwartetes: Weil sie durch die Pflanzen streifte, wurden Blütenpollen in überraschend großer Menge aufgewirbelt. Diese kitzelten Nele wiederum heftig in der Nase. Es kribbelte und juckte, daß es zum Wahnsinnigwerden war. Nele hustete, eilte indes noch weiter.

Als sie die wilde Wiese praktisch durchquert hatte, beinahe um das Teichufer herum war, spürte Nele es unaufhaltsam in sich aufsteigen. Hektisch nestelte sie ihr rosa Taschentuch hervor – und mußte heftig sowie laut niesen, wobei sich die mit Blütenpollen vermischte Rotze im Taschentuch zu einem fragilen oder gar fraktalen Muster geformt hatte, wie sie erkannte, als sich nach dem Niesen ins Taschentuch schaute. Beinahe gleichzeitig war sie mächtig erschrocken, denn dieser beherzte Nieser mußte sehr laut durch die Stille des Waldes geschallt sein.
Sie erstarrte, ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken: Hatte sie zuviel gewagt?
Oder waren die Geschichten doch alle Blödsinn, ‚Kinnergeschicht’n‘?

Sie lauschte in den Wald hinein. In der Tat wurde es nun noch unheimlicher, denn nach dem Nieser in der Stille war nun ein allmählich anschwellendes Rauschen zu vernehmen.
Nele drehte sich, denn irgendwie kam das Rauschen vom Teich oder doch von der wilden Blumenwiese oder doch irgendwo aus dem Wald dahinter?
Über der wilden Wiese der Lichtung stand noch immer diese diffuse Wolke aus Pollen. Nele wich zurück – oder auch voran in ihrer vorherigen Richtung auf die möglicherweise ersehnten Pilze zu.
Sie schaute flüchtig zu Boden, da puffte auch schon aus einem Pilz eine Sporenwolke auf, den sie gestreift hatte!
Dies war nun nicht einmal die gesuchte Sorte; auf dem Weg hatte sie indes schon erkannt, daß diese aufpuffende Sorte weiter vorne stand, hinten andere, welche den gewünschten Pilzen doch sehr ähnelten.

Nun kam sie allerdings nicht zu einer genauere Untersuchung jener anderen Pilze, vielmehr schaute sie gebannt, fasziniert auf die diffuse Wolke aus Pollen, welche irgendwie verwirbelt wurde, zudem jetzt noch angereichert durch die Pilzsporen, welche sie versehentlich losgetreten hatte.
Überhaupt war das ein gewaltiger Strom von Sporen, sie wich erschrocken von den puffenden Pilzen zurück, schaute, es wurde immer mehr von diesen Sporen!

Die wabernde Mischung in der Luft über der Lichtung wirbelte, verdichtete sich hier, wurde dafür anderweitig lichter, insgesamt nahm die Menge an Sporen sowie Pollen darin weiter zu.
Nele war erstarrt!
Dies ging nun nicht mehr mit rechten Dingen zu. Ihre Hand mit dem Taschentuch war längst gesunken, das Taschentuch nicht mehr beachtet.

Diese Wolke wurde noch bizarrer, dichter. Plötzich meinte Nele darin eine konkretere Form zu erkennen.
Es bildete sich daraus leicht verschwommen die Form einer schwebenden Frau, welche sie mit ernstem Blick betrachtete!

Nele stockte der Atem: Sollte sie die geheimnisvolle Wächterin des Waldes Mükorriza geweckt haben?
Was mochte ihr nun blühen, daß sie es gewagt hatte, den Wald zu betreten, die Ruhe zu stören?
Nun hatte sie versehentlich auch noch den Puffpilz angeditscht, daß dieser sich entladen hatte!

Jetzt hatte sich die Gestalt so weit verdichtet, daß sie sprechen konnte: „Nanu‽
Was bist denn du für eine‽
Was treibst du hier mitten im Wald‽
Dreiste Räuberin‽“
Nele hatte einen ganz trockenen Hals, das Herz puckerte beinahe aus ihrer Brust heraus, ein harter Kloß bildete sich im Hals, wohingegen ihr ganz weich in den Knien wurde.
Als Antwort röchelte sie erst einmal nur, krächzte, stieß alsdann eher zaghaft hervor: „Nele …“
Nun stellte sich auch ihr noch immer diffuses Gegenüber vor: „Mükorriza … und?“
Nele machte eine zaghafte, abwehrende Geste, schaute kurz zu Boden, alsdann wieder zu Mükorriza: „Äh, äh …“
Mükorriza mahnte: „Wenn du nicht gleich verständlich antwortest, passiert etwas – und das wird dir keineswegs gefallen!“
Aus Nele sprudelte es hervor: „Meine Großmutter ist krank, so auch die Kräuterfrau, Kräuter vom Waldrand sammeln, ausgebrochene Schafe haben sie jedoch gefressen, Schneise, äh, äh, wollte keineswegs, äh, hat sich irgendwie so entwickelt, beinahe wie von selbst … plötzlich hier mitten im Wald … äh …“
Die Mükorriza-Wolke kam blitzartig auf Nele zu, verharrte erst kurz vor ihrem Gesicht: „Soso, Gründe gibt es immer …“
Nele kitzelte es schon wieder in der Nase. Ganz automatisch wich sie einen Schritt zurück, spürte schon wieder, wie dieses Niesen unaufhaltsam in ihr aufstieg, ihr Gehirn verkribbelte. Instinktiv, blitzschnell hob sie ihr Taschentuch und abermals nieste sie sehr kräftig hinein, schaute danach gleich wieder schuldbewußt auf Mükorriza.

Diese wiederum schaute erst auf Nele, danach auf das rosa Taschentuch, begehrte zu wissen: „Was ist das‽“
Nele antwortete komplett eingeschüchtert: „Bloß ein Taschentuch …“
Sie zeigte es wie ein Friedensangebot vor.

Mükorriza konzentrierte sich plötzlich auf das Taschentuch, jene silbrigen Strukturen der verteilten Rotze darin, welche im Sonnenlicht glitzerten, netzwerkartig, gnubbelig, fraktal angeordnet waren. Sie sann nach, schaute zu Nele, alsdann wieder auf die Rotzstreifen im Taschentuch. Nele verstand überhaupt nichts mehr.

Mükorriza fragte plötzlich mit kurz zusammengekniffenen Augen: „Bist du etwa eine von uns?“
Nun schien ihr Blick Nele zu durchbohren. Das war heftig, Nele brachte nur hervor: „Hä?“
Mükorriza erwiderte: „Diese verzweigten Strukturen, ein Mycel, Netzwerk, unser Erkennungszeichen, unser Sein?“
Nele war verwirrt, doch auch Mükorriza schien ins Stocken, Grübeln geraten zu sein, weshalb Nele wieder etwa mehr Mut faßte: „Da kennst du dich wohl besser aus, wollte an sich auch gar nicht stören oder hier etwas kaputtmachen – ähm bloß die Medizin und so?“
Sie räusperte sich hoffnungsfroh, denn so unfreundlich hatte Mükorriza bei ihren letzten Worten gar nicht mehr geklungen.

Diese schaute sie genau an: „Mensch du!
Du!
Dieser Wald ist eine Gemeinschaft, ein Netzwerk – ohne Menschen …“
Nele atmete tief durch, sprudelte los: „Ich habe darauf geachtet, bloß ein paar Blätter zu rupfen, nichts komplett zu vernichten oder auszurupfen, ähm, Wurzeln waren zum Glück nicht auf meiner Liste – ohohoh – ein paar Beeren haben ich indes eingesteckt, gemampft, gestehe ich ein, jedoch, äh, ja, das sind doch ähnlich wie die sichtbaren Teile der Pilze Fruchtkörper, davon naschen doch wohl auch die Tiere des Waldes, sind also schon so großzügig ausgelegt dafür gedacht, daß sie geerntet werden – geht ja bloß um kleinere Mengen und so, wollte an sich sonst auch gar nicht weiter stören, ist aber wichtig, äh, weil Großmutter krank, Kräuterfrau krank, Schafe fraßen die Kräuter, Pilze am Waldrand …“
Nun lachte Mükorriza sogar: „Kleines, freches, dreistes Mädchen, hmmmm, Nele nennst du dich. Nun bin ich allerdings wach, da entgeht mir nichts mehr.
Deine Argumente – Gründe finden sich immer, wo ein Wille, da ein Gebüsch und so – hier ist allerdings kein Platz für Menschen!“
Mükorrizas Wolke vergrößerte sich bedrohlich.

Nele schrumpelte wieder total eingeschüchtert zusammen, flüsterte: „War bestimmt nicht böse von mir gemeint, wußte bloß gar nicht mehr, was ich tun sollte – meine Großmutter ist doch ebenfalls wichtig!
Deshalb!
Zudem …“, nun zeigte sie ihr Taschentuch vor „… hast du doch eine Gemeinsamkeit festgestellt …“

Mükorriza sann nach.
Alsdann sprach sie: „Du willst dich hier bloß rauswurschteln …“
Nele erwiderte: „Gebe ich unumwunden zu – aber hätte auch Vorteile für dich …“
Mükorriza ließ sich erst einmal darauf ein: „Nun bin ich schon einmal wach, also gut: Unterhalte mich!
Was könntest du mir für mich Vorteilhaftes anbieten‽“
Nele erläuterte: „Naja, die Leute zweifeln bereits an deiner Existenz. Würde ich bloß verschwinden, so wäre gar nicht viel zum Schutze des Waldes gewonnen, ich bin für sie ohnehin kaum von Belang, würde sich niemand kümmern, irgendwann in näherer Zukunft würden die Bauern allerdings zu holzen beginnen …“
Mükorriza hatte einen Einwand: „Nun bin ich wach, sie würden alle krank werden beim ersten gefällten Baum – Pilzsporen ließe ich aufwirbeln, sie atmen sie ein, diese keimen im Körper, fressen sich durch das Gewebe bis zum Hirn, lassen alle dem Wahnsinn verfallen – habe ich drauf …“
Nele wendete ein: „Bis dies wirkt, sie den Wahn mit ihrer Untat verbinden, hätten sie bereits ein gutes Stück Wald gefällt, welcher sodann erst einmal verloren wäre …“
Mükorriza ließ ein Lüftchen über der Lichtung kreisen, hakte nach: „Was also wäre dein Vorschlag?“
Nele erwiderte: „Zwei Alternativen.
Variante eins: Du läßt mich ziehen und ich schweige über alles hier …“
Mükorriza: „Damit würden jene Menschen noch immer abholzen wollen …“
Nele nickte: „Eventuell, vielleicht würden sie die alten Geschichten doch noch einige Zeit abhalten. Allerdings wüßten sie sodann nichts von der Pilzinfektionsgefahr, falls sie es doch versuchen sollten …“
Mükorriza fragte nach: „Variante zwei?“
Nele schmunzelte verwegen: „Jaaa, diiiese wäre viiiiel besser: Du läßt mich ziehen und ich erzähle im Dorfe eine ganz erschröööckliche Geschichte über unsere Begegnung am Waldesrand, nur mit Not sei ich dir entronnen – vielleicht huste und niese ich ein Weilchen ganz kränklich, um zu zeigen, wie ernst es war, wie knapp ich entronnen bin – die Dörfler wären gewarnt, der Wald wieder für ein oder zwei Generationen sicher – wenn du dazu in der Lage bist, könntest du auch noch den Günni am Zaun der Allmende kräftig umpusten, mit Pollen einhüllen – der ist ohnehin etwas einfacher in seinem Verständnis von der Welt, zudem irgendwie direkter mit der Natur verbunden – doch seine Erzählung würde meine belegen …“

Mükorriza überlegte kurz, merkte sodann an: „Du hast bereits einige Sporen jener gefährlichen Pilzsorte inhaliert – liegt rein an mir, ob davon welche keimen, wie schwer, wie lange du davon hustest, bis du erst Blut spuckst, danach deine aufgelösten Eingeweide, am Ende dröseln sich deine Gehirnwindungen auf, verwandeln sich in halb vom Pilz verdauten Schleim …“
Nele wurde ganz blaß.

Mükorriza war allerdings offenkundig noch relativ milde gesonnen, denn sie fuhr fort: „Nun, diese Sporen halten sich ganz gut – weil ich zudem jetzt wach bin, habe ich eine erhebliche Reichweite, zudem haust du besser nicht ab, denn über die nächsten Monate jedenfalls brauchst du meine Kontrolle über die Sporen, damit diese kein Eigenleben in dir entwickeln. Ziehst du den Plan mit der wahrhaft erschröööcklichen Geschichte durch, könnte ich in der Tat mal Gnade vor Recht ergehen lassen; wird ferner nicht geholzt, bis du raus, nichts keimt – wenn doch, tja, ist deine Spezies; mitgefangen, mitgehangen, nicht wahr?“
Nele schluckte, bekam allerdings den Eindruck, daß sie mehr nicht heraushandeln konnte, also nickte sie: „Abgemacht!
Erschröööcklichen Geschichte – du setzt dem Günni mit Pollen zu – ähm jetzt nicht auch mit Sporen, denn der ist ja gar nicht in den Wald vorgedrungen – ferner, wenn du später noch so rein präventiv die richtigen Pollen sowie Sporen am Waldrand ausbringen könntest, würden dort ja wieder die tollsten Kräuter sowie Pilze gedeihen und ich wäre gar nicht abermals versucht oder verlockt, nochmals im tiefen Wald zu suchen …“
Mükorriza antwortete: „Abgemacht, Schlawinerin, du bist mir ja eine Marke; eine Ladung harmlose Pollen für den Burschen, den ich bereits lokalisiert habe – der hat ohnehin mit den Schafen zu tun, welche zuviel vom scharfen Kraut genascht haben, die nächsten Tage noch ziemlich dösig sein werden!
Sonst solltest du verstehen, solch ein Wald ist ein Netzwerk voller Wechselwirkungen, kein Nutzgarten – indes, es stimmt durchaus, am Waldesrand ließe sich in der Tat so einiges ansiedeln, was dir und der Kräuterfrau sehr nützlich werden könnte …“
Nele neigte den Kopf: „Also?“
Mükorriza sprach: „Nun gut, einverstanden, in dieser Hinsicht gehe ich beträchtlich in Vorleistung, doch hältst du die Menschen fern vom Wald, sind wir praktisch Freunde auf Distanz – ich wäre gar bereit, bei Problemen deinerseits am Waldesrand mal einen kleinen Plausch zu halten – ist ja zudem klar, Pflanzen sowie Pilze brauchen eine Weile, bis du etwas ernten kannst …“
Nele nickte, dies war ihr klar, also sprach sie: „Hervorragend, auf gute Freundschaft – auf Distanz!
Oftmals sind sowieso jene die besten Freunde, welche einem nicht oder selten allenfalls in größter Not auf den Keks gehen …“
Mükorriza meinte dazu: „Sehe ich jedenfalls bei Menschen ähnlich – Freundschaft auf Distanz!“

Nele war erleichtert, irgendwie nochmals so gerade eben davongekommen.
Sie sprach folglich: „Prima, dann mache ich mich mal auf den Weg!“
Mükorriza betonte: „Im Grunde bloß, weil du diese hübsche Struktur in das Taschentuch hineinbekommen ist, ist dir ja wohl klar!“
Nele lächelte verhalten: „Sowieso!
An sich wollte ich gar nicht schleimen, aber kam eben so heraus – gelegentlich können auch Menschen solche Strukturen erzeugen, so filigran, gnubbelig, schleimig, verzweigt, vernetzt …“
Mükorriza unterbrach: „Genug Geschwätz!“
Damit war Nele durchaus einverstanden. Schon ging diese los, am Teich entlang, um den Rückweg anzutreten.

Mükorriza aber donnerte los: „Halt!“
Nele erstarrte, Mükorriza fragte nach: „Hast du nicht etwas vergessen?“
Nele schaute zu ihrer Sporen- und Pollenwolke, entgegnete: „Äh, was denn?“
Mükorriza erinnerte sie: „Wolltest du nicht noch ein paar Pilzfruchtkörper als Genesungshilfe für deine Großmutter sammeln‽“
Nele wurde blaß: „Auweier, da war ich einen Moment ganz durchhin!
Kurzfristig einzig damit beschäftigt, meinen eigenen Hals zu retten!“
Mükorriza erwiderte: „Nun, kannst mir dankbar sein, daß ich dran gedacht habe.
Du meintest, jene da wären die passenden?“
Ein feiner Faden von Sporen führte direkt zu jenen Pilzen, welche Nele auf diese Seite des Teiches geführt hatten.

Nele folgte also dieser subtilen Spur, sah sich die Pilze an, diese sahen den Abbildungen der Kräuterfrau durchaus sehr ähnlich, allerdings waren da einige Details, auf welche die Kräuterfrau warnend hingewiesen hatten, welche nicht stimmten.
Schon fragte Mükorriza: „Naaaaa?
Meinst du, diese hätten eine gesundheitsförderliche Wirkung für deine Großmutter?
Willst du selber mal probieren?
Greifst du zu?“
Nele schaute sie an: „Du fragst sehr manipulativ – ich habe mir das im Buch der Heilpflanzen und der besonderen Pilze durchaus genauer angesehen, mir genau erläutern lassen – diese hier sind es mitnichten, diese haben ein starkes Gift, vor welchem die Kräterfrau gewarnt hat – du hättest mich doch nicht wirklich probieren lassen?“
Mükorriza lachte merkwürdig in ihrer staubigen Form, erklärte dazu: „Tja wer weiß – das wäre eine kurze Probe unserer frischen Freundschaft geworden … war jedoch bloß eine Prüfung, wollte mal sehen, was du so drauf hast …“
Nele verzog den Mund: „Dafür offenkundig gerade noch so genug – was jetzt indessen mitnichten meiner Großmutter hilft …“
Gnädig meinte dazu Mükorriza: „Ich begleite dich mal ein Stück auf einem Weg hinaus aus dem Wald – also ein etwas anderer als jener, welcher dich hierher geführt hat – hmmm, da kommen wir gar nicht einmal so zufällig an einer Stelle vorbei, bei welcher dich die dort leicht auffindbaren Pilze schon deutlich mehr interessieren dürften …“
Nele lächelte erleichtert: „Kannst ja richtig nett, aufmerksam sein, neue Freundin …“
Diese brummte bloß wolkig, wies mit einem Pilzsporen die gewünschte Richtung. Nele schlenderte munter los, Mükorriza begleitete sie wolkig durch den sonst dichten Wald, welcher allerdings wunderbar genau dort gerade frei genug war, wo Nele weiter durchschlüpfen sollte.

Tatsächlich sichtete Nele alsbald in einer kleineren Lichtung weitere Pilze. Sie schaute genau, Mükorriza hielt sich zurück.
Endlich wies Nele auf einige prächtige Exemplare am Rande der Lichtung: „Die sollten es sein!“
Mükorriza bestätigte: „Gute Wahl, dann mal los!“
Also pflückte Nele, wobei sie für den von der Kräuterfrau angegebenen Bedarf etwa ein Viertel brauchte. Für Mükorriza ging dies so in Ordnung und sie begleitete Nele noch bis zum Waldesrand.

Dort hüllte Nele plötzlich nochmals eine gewaltige Wolke von Pollen ein, daß diese gleich wieder kräftig niesen mußte, ins Taschentusch schnupfte.
Mükorriza erläuterte: „So kommt deine erschröööcklichen Geschichte doch gleich nochmal glaubhafter rüber, wenn du einige Tage wirklich schniefen mußt; es sind jedoch keine gefährlichen Sporen dabei … zur weiteren Unterstützung werde ich auch über dem gesamten Wald noch ein spektakuläres Schauspiel aufführen, einen prächtigen Pollensturm mit bedrohlichem Wirbel, so als unterstützende Information, daß ich jetzt erst einmal wieder genauer aufpasse, was so vorgeht …“
Damit verabschiedete sich Mükorriza, während Nele dazu derzeit bloß schniefen, husten, niesen, schnaufen konnte, ihre Augen tränten, die Nase tropfte, alles würgte trocken im Hals. Mükorriza war verschwunden, noch bevor Nele etwas sagen konnte.

Jedenfalls eilte sie nun am Waldrand entlang, so schnell es der noch wilde Bewuchs dort zuließ. Hier war sie noch ein ganzes Stück von der Allmende entfernt, vom Dorf sowieso, also hatte sie ein ganzes Stück zu laufen.

Irgendwann kam der Zaun der Allmende in Sicht, hier bog sie vom Waldrand ab, folgte dem Zaun grob Richtung Dorf. An der Ecke bog sie ab auf den Weg, welcher zum Dorf sowie auch zum Tor der Allmende führte. Unterdessen hatte sich über dem Wald ein bedrohlich dunkler, jedoch stiller Wirbel geformt. Nele sah Günni über die Allmende zum Tor rasen. Dort trafen sich beide, Günni hechelte, schnaufte, röchelte, schniefe nun ebenso wie Nele.

Nele kommentierte mühsam, unterbrochen von Schnaufern: „Ich habe da beim Pflücken in einer etwas tieferen Schneise des Waldes wohl trotz aller Vorsicht Mükorriza geweckt … nun ist aber was los!
… Ich konnte gerade noch so entkommen, habe eine mächtige Ladung Pollen abgekommen … und da kam noch erheblich mehr hinter mir her … hätte böse ausgehen können … du mit deinem Tip!
… Zum Glück habe ich immerhin die gewünschten Kräuter und Pilze finden können!“
Auch Günni nieste erst nochmal kräftig durch, bevor er antworten konnte: „Jau!
Plötzlich kam so’ne steife Brise aus’em Wald, kurz darauf allerhand Pollen hinterher … isch dachte, isch werd’ nich’ mehr!
Schafe sin’ abba wieda in der Umzäunung …“, er wies nun auf die Allmende, auf welcher in der Tat nun die Schafherde, noch immer ziemlich angeschlagen, möglichst weit weg vom Wald drängte, sich so kurz darauf am Zaun versammelte, ängstliche Laute von sich gab. Tatsächlich braute sich über dem Wald ein mächtiger Wirbel zusammen. Nele und Günni eilten erst einmal weiter zum Dorf.

Dort hatte man ebensfalls bereits jenes brodelnde Unheil über dem Wald entdeckt, rief so die Dorfbewohner zusammen, geradezu der ideale Moment, als Günni und Nele eintrafen. Erst erzählte Günni hastig seine schnupfige Geschichte, hernach folgte Neles erschröööcklichen Geschichte, wie sie am Waldrand noch gerade einmal so durch panische Flucht dem Tode entronnen sein.

Die Dorfbewohner jedenfalls zeigten sich beeindruckt. Man war sich jedenfalls schnell einig, daß es die Beschützerin Mükorriza wohl doch geben müsse, man in Anbetracht dieser Entwicklung wohl doch Abstand davon nehmen müsse, an jenem Wald zu holzen. Auch Günnis Bitte um Unterstützung beim umgestürzten Baum wurde erhört – jedenfalls unter der Nebenbedingung, daß sich der Wald erst einmal wieder beruhigen müßte, bevor man dort arbeiten wolle, sagten einige Männer des Dorfes Hilfe zu. So weit war die Vorstellung also durchaus überzeugend. Mükorriza hatte sogar neben dem eigenartigen, unheimlichen Pollenwirbel über dem Wald auch noch ein eigenartig schrilles Kreischen spendiert, welches bis ins Mark ging. Die Dorfbewohner machten sich Sorgen, was daraus noch kommen mochte.

Nun gab es sogar Kritik an Nele – gerade von jenen Dumpfbacken, welche vor diesem Ereignis noch abholzen wollten.
Nele merkte an, mit dem Pollensturm sei überdies eine Eingebung von Mükorriza über sie gekommen, dies sei hauptsächlich eine Warnung an alle Dorfbewohner, die Finger vom Wald zu lassen – von wegen Abholzen, derlei Geraune habe Mükorriza durchaus mitbekommen.
Einer der Bauern äußerte sich grüblerisch: „Soso, Eingebung mit auf den Weg?
Wenn du da mal nicht doch etwas angestellt hast.“
Ein anderer sann gleichfalls nach, wies zum kreischenden Wirbel: „So oder so, gewarnt sind wir!“
Nele erklärte daraufhin noch: „Sie hat mir eingeflüstert oder eingetrichtert, in Holzfäller würden Pilzsporen eindringen, welche zur Hirnerweichung, Siechtum, Tod führen würden …“
Nun nieste, prustete sie heftig, bekam sich kaum noch ein, daß die Bauern einige Schritte vor ihr zurückwichen.
Der erste Bauer kommentierte dazu: „Dann bleibe mal besser weg von uns mit deinem hirnerweichenden Niesen und Husten. Wollen wir nix mit zu tun haben – weder dort vom Wald noch durch eine Ansteckung von dir …“
Nele versicherte: „Sind wie bei Günni bloß die Pollen, diese reizen enorm – erst wer Hand an den Wald legt, bekommt die tödliche Sporendröhnung, so meine Information, welche mir bei meiner knappen Flucht noch eingeflößt wurde – bislang alles lediglich eine Warnung, welche uns alle aufmerken lassen soll …“
Günni stieß hervor: „Issss’ gelung’n …“
Beide niesten und schnupften gleich wieder ganz erbärmlich, zu Günnis Erkenntnis gab es indes brummende Zustimmung.
Nachdem Neles Attacke abgeklungen war, zeigte sich diese verständig, reuig, also ließ man sie zur Großmutter ziehen; es hätte ohnehin niemand gewagt, an Nele oder auch Günni näher heranzutreten, solange diese noch unter solch heftigen Attacken litten, was ja doch vielleicht ansteckend sein mochte.

Die Kräuterfrau stand vor dem Häuschen der Großmutter, stieß hervor: „Was hast du angestellt‽“
Nele winkte ab, erzählte von dem Problem mit den Schafen, Günnis Tip, ging danach flüssig vom Schnupfen sowie Niesen über zur erschröööcklichen Geschichte, zeigte aber auch vor, was sie nichtsdestotrotz gesammelt hatte.
Die Kräuterfrau neigte den Kopf, schaute sie streng an, danach auf den kreischenden Wirbel über dem Wald, schüttelte den Kopf, flüsterte ihr zu: „Ähm, ich hatte da auch schon einmal eine erheblich unspektakulärere Erscheinung, als ich mich als Kind in eine unerhebliche Schneise des Waldes vorgewagt hatte – hmmmm, offenkundig bist du erst einmal entkommen – hoffen wir mal, daß sich dein Husten, Niesen, Schnupfen bald wieder legt, hoffen wir mal, daß sich auch das da bald wieder beruhigt – wird den Holzfällern wohl auch mächtig in die Glieder gefahren sein, denn wenn das wegen ein paar Blättern von Heilkräutern sowie ein paar Pilzen passiert – hui, was hätten die erlebt, wenn die wirklich etwas mit Äxten angestellt hätten, was nicht einfach wieder nachwächst …“
Nele nickte schiefend.

Die Kräuterfrau starrte erst noch weiter auf den kreischenden Wirbel über dem Wald, welcher immerhin bereits nachließ. Erst wurde das Kreischen leiser, alsdann der Wirbel schwächer, bis bloß noch eine Pollenwolke über dem Wald allmählich absackte, dort den Himmel trübte, sich etwas weiter über die Gegend rund um den Wald verteilte.
Die Kräuterfrau brummte überlegend: „Tja, haben wir Glück, wachsen nun auch einige Kräuter etwas weiter weg vom Waldrand, vielleicht wachsen auch einige Büsche, Bäume, Pilze etwas weiter abseits des unheimlichen Waldes …“
Nele schniefte, erwiderte: „Warten wir es ab!“

Als es beim Wald wieder ruhig, jedoch weiterhin noch dunstig-pollig aussah, schien Entwarnung angemessen.
Die Kräuterfrau nickte, wendete sich Neles Tasche zu: „Dann zeige doch einmal deine Ausbeute, ob das Drama wenigstens etwas gebracht hat …“
Nele zeigte niesend ihre Ausbeute, die Kräuterfrau inspizierte genau.

Alsdann nickte die Kräuterfrau anerkennend: „Du hast wirklich alles in sehr guter Qualität, nützlicher Menge dabei, ich bin beeindruckt – so erfolgreich war ich an einem Tag bislang noch nicht.
Du hast Potential, hmmmm, naja, wenn du weiterhin Interesse hast, bei mir einzusteigen – also selbstverständlich nun ohne weitere Konfrontation mit Mükorriza, machen wir beide da etwas draus!“
Nele nickte erfreut, konnte sie doch wohl zudem auch auf etwas Kooperation am Waldrand von Mükorriza hoffen.
Nun allerdings erinnerte sie an den eigentlichen Auslöser: „Abgemacht.
Aber nun ist doch erst einmal das Mittelchen für Großmutter dran!“
Die Kräuterfrau nickte, beide schauten nach Großmutter, diese lag einstweilen ruhig durch das Mittel der Kräuterfrau, also wechselten beide zum Haus der Kräuterfrau.

Dort bereiteten beide das Heilmittel für die Großmutter zu, welches alsbald verabreicht wurde. Auch die Kräuterfrau versorgte sich mit einem frischen Mittel für ihr Leiden in Folge ihres Ausrutschers. Tatsächlich ging es Großmutter im Laufe der nächsten Tage wieder ausgezeichnet. Bei der Kräuterfrau dauerte es etwas länger.

Über dem Wald war wieder Ruhe eingekehrt, somit erfolgte auch die Reparatur des Allmendezauns wie zugesagt. Nele lernte nun fleißig bei der Kräuterfrau, was Großmutters Zustimmung fand. Bei Günni legte sich das Niesen schneller als bei Nele. Aber auch diese hatte nach einiger Zeit wieder Ruhe, was Großmutter sowie Kräuterfrau sehr erleichterte.

Ihr rosa Taschentuch ließ Nele in der frischen Luft gut trocknen, bewahrte dies auf als Erinnerung an den Pakt mit Mükorriza. Dies Tuch war ferner von nun an ihr Wegbegleiter, wenn die Notwendigkeit wieder einmal an den Waldrand führte. Für den praktischen Einsatz indes nutzte Nele nun einfachere Tücher; jenes in Rosa blieb reserviert als handfeste Erinnerung oder vielleicht auch symbolische Versicherung.

Es dauerte eine ganze Weile, Nele hatte bereits viel gelernt, als sie eines Tages beim Sammeln am Waldesrand, an dem es nun tatsächlich eine üppigere Auswahl an hilfreichen Pflanzen wie Pilzen gab, einen eigenartigen Luftzug aus dem Wald spürte. Es kulminierte bloß in einem Wispern in ihrem Kopf, ein Gruß von Mükorriza, welche einerseits klarstellte, daß sie durchaus weiterhin aufmerksam sei, die Angelegenheit mit den eingeatmeten Sporen für Nele indessen nunmehr erledigt sei, diese seien nicht mehr keimfähig. Nele war erleichtert. Als Überraschung wies Mükorriza ferner noch auf eine Heilwirkung einer besonderen Pflanze hin. Mükorriza meinte dazu, der Kräuterfrau sei dies gewiß nicht bekannt, diese feine Pflänzchen könnte Nele sehr nützlich sein. Nele dankte artig, nahm etwas davon und wollte dies mit der Kräuterfrau klären, nutzbringend einsetzen.
Mükorriza flüsterte: „Die Lage ist ruhig, das ist gut, unsere Beziehung ist entspannt. Bei Gelegenheit werde ich dir wohl ab und an mal ein paar weitere Tips geben – als Unterstützung für unsere friedliche Freundschaft, die Koexistenz zwischen Wald und Mensch … hoffen wir, daß es dabei bleibt und wir uns gegenseitig weiter gelten und leben lassen können!“

Gundula und das Geheimnis der farblosen Schmetterlinge im Tal der Keinhörner
Ein Märchen

Es war einmal in einem fernen Land, wo die Sonne immer heller scheint und die Blumen sowie Schmetterlinge immer prächtiger sind als du dies je gesehen hast, ein kleines Dorf. Gundula lebte in diesem abgelegenen Dorf am Fuße eines verzweigten Gebirges, ansonsten in einer ländlichen Gegend. Als selbständige, neugierige Jugendliche zog Gundula allmählich immer weitere Kreise, um die Gegend rund um ihr Dorf besser kennenzulernen. Stets trug sie ihr blaues Käppchen, an welchem sie jedenfalls im offenen Gelände weithin erkennbar war. So gelangte sie eines Tages durch einen relativ dichten Wald entlang eines Baches in ein ziemlich verborgenes, jedoch erstaunlich großes Tal, von welchem sie zuvor gar keine Kenntnis hatte.

Der Bach führte sie nach einer längeren Wanderung schließlich zu einem See samt einer Lichtung mit Blütenwiese daneben.
Als sie auf diese Lichtung trat, huschte irgendetwas in die Büsche, von dem nicht genau erkennbar war, was es war, ein Reh, Hirsch, Pferd?
Gundula konnte aufgrund der bloß flüchtigen Wahrnehmung aus dem Augenwinkel bloß spekulieren.

Sie schaute sich weiter um. Auch so war auf der Blütenwiese allerhand los, eine Menge Insekten unterwegs. Was sie bei genauerer Betrachtung verblüffte: Darunter waren farblose Schmetterlinge, also nicht bloß einfach weiß, nein, diese hatten transparente Flügel, etwas, was sie so noch nie gesehen hatte. Von der Flügelform, dem Körper sowie der Größe her kam ihr die Art durchaus bekannt vor, doch sonst hatten die Flügel dieser Art eine eher kräftige, blaue Färbung.
Was ging hier vor?
Abermals konnte Gundula bloß spekulieren, was hier vorging.
Konnte diese blasse Farblosigkeit den Schmetterlingen Vorteile bringen?

Gundula grübelte, konzentrierte sich dabei ganz auf die zarten, hübschen, transparenten Schmetterlinge, vergaß sonst alles um sie herum. Plötzlich allerdings merkte sie doch auf, als etwas in den Büschen am Rande der Lichtung raschelte. Gundula schaute interessiert, was da vorging.
Es erschien ein Tier auf der Lichtung, tja, aber was für eines?
Einerseits sah es schon einem Einhorn sehr ähnlich, andererseits war es keineswegs rosa wie ein gut genährter Flamingo und hatte augenscheinlich auch gar kein Horn. Nun war es wiederum auch kein Roß, Reh oder Hirsch, dies Tier war irgendwie anders. Derlei hatte Gundula auch noch nicht gesehen. Das Tier kam zögerlich heran.

Noch verblüffter war Gundula unmittelbar darauf, als es von dem Tier angesprochen wurde: „Hallo, du wirkst neugierig, jedoch friedlich, wer bist denn du?“
Gundula schluckte, nickte freundlich, erwiderte: „Hui, ich bin überrascht. Etwas wie dich habe ich ja auch noch nie gesehen. Und, äh, ja ich bin die Gundula, schaue mich bloß neugierig um, jage nichts, will niemandem etwas tun, bloß mehr erfahren …“
Nun stellte sich auch das Tier vor: „Das klingt gut. Wir haben hier nicht so oft Besuch, was für uns auch ganz gut ist.
An sich sollte ich gar nicht mit Fremden plaudern, auf unsere Art damit aufmerksam machen – ich war jedoch gleichfalls sooooooo neugierig, was du für eine bist mit dem Blau am Kopf!
Also, jedenfalls bin ich die Erika und ich gehöre zu den Keinhörnern. Nun, wir sind durchaus verwandt mit den Einhörnern, welche ja gleichfalls bereits selten geworden sind, auch wegen der vielen Einhorn-Jäger, weshalb, ja, ähm, wir uns eigentlich versteckt halten sollen, aber ich bin eben sooooooooo neugierig gewesen …“
Gundula war beeindruckt, aber auch gleich eingenommen von Erika.
Sie erklärte, ihre Kappe kurz abnehmend, durch die Luft schwenkend: „Ouuu, das Blaue am Kopf ist bloß eine Kappe, eine Kopfgedeckung, ansonsten bis auf die Farbe vielleicht nichts besonderes, nützlich gegen Sonnenstrahlung – dahingehend bin ich etwas empfindlich.“
Derweil traten noch zwei weitere von diesen Tieren auf die Lichtung.
Erika schaute sich kurz um, stellte vor: „Das sind Erna und Eckbert, Freunde …“
Gundula grüßte.

Nach der Begrüßung sinnierte Gundula: „Ja, das mit den Einhörnern ist tragisch, tun keinem etwas und nichtsdestotrotz wurden sie so stark von Jägern verfolgt.
Da seid ihr hier besser geschützt – selbstverständlich verrate ich euch nicht!“
Eckbert meinte dazu: „Dies ist sehr freundlich von dir …“
Gundula spekulierte: „Ist das fehlende Horn eine Art Anpassung eurer Art an die Verfolgung durch die Jäger?“
Erna erläuterte: „Dies kann man so sehen, ebenso wie unser Versteck hier im Keinhorntal.“
Erika ergänzte nun keck: „Kein Horn ist ja auch nicht so ganz korrekt …“
Kurz ließen die drei nun schemenhaft jeweils ein prächtiges Horn erkennen, lachten dazu, wobei dies auch bereits wieder verblaßte, unsichtbar wurde.

Gundula rief beeindruckt: „Spektakulär!“
Die drei präsentierten sich in voller Schönheit, ließen auch mal wieder ihre Hörner kurz diffus sichtbar werden, nur so gerade eben, daß man erahnen konnte, daß sie eines hatten.
Gundula spekulierte: „Dies ist also eure Strategie, dem Jagddruck auf Einhörner auszuweichen‽“
Erika erwiderte: „Dies könnte man durchaus so sehen. Wir wissen es gar nicht so genau, immerhin, was kein Jäger weiß, macht ihn nicht heiß. Und ein unsichtbares Horn gibt auch mal gar keine attraktive Jagdtrophäe ab – Jäger spinnen doch, morden, um die Gemordeten ausgestopft an die Wand zu tackern …“
Dem stimmte Gundula sogleich zu, wobei sie kurz nachsann, denn immerhin sammelte sich auch gelegentlich mal Blumen zum Trocknen als Dekoration.

Nun wies sie auf die Schmetterlinge, wobei sie keine Schmetterlingssammlerin war, nichtsdestotrotz assoziierte sie gleich einmal frei: „Hmmmm, könnte die Transparenz jener Schmetterlinge eine ähnliche Tarnung, Anpassung sein?“
Erika räusperte sich, schnaufte kurz, entgegnete: „Ohoh, jene Schmetterlinge – neeee, die armen Dingen haben letztens erst ihre Farbe verloren, im Grunde wissen wir nicht, warum dies passiert ist, wir wissen lediglich, wann sich dieser Zwischenfall so ungefähr ereignet haben muß …“
Gundula hakte sogleich nach: „Zwischenfall‽ …“
Die drei nickten, zögerten allerdings merklich mit weiteren Ausführungen, wirkten durchaus etwas bedrückt, weshalb Gundula ihnen Zeit ließ.

Endlich begann Erika zu erläutern: „Nun, vor einigen Monaten ist die Älteste unserer Herde verstorben, also Edeltraut war wirklich alt, sie hatte uns unlängst darauf vorbereitet. Als es dann passierte, waren wir dennoch alle sehr traurig, diese Trauer zog sich so hin. So wurde sogar eine Zauberin namens Illuminata auf uns aufmerksam, welche sich sorgte. Jedenfalls sah sie sich veranlaßt, ein Mittel zu entwickeln, um zwar unsere Trauer, jedoch nicht das Andenken, die Erinnerung allmählich verblassen zu lassen. Die ganze Herde war bereit, als dieses Mittel fertig war. So trafen wir uns hier auf der Wiese am See und Illuminata verteilte das Mittel als eine Art Blütenstaub oder Pollenflug über uns, daß es alsbald in den Nasen kitzelte. Was kann man sagen, dies Mittel wirkte, bald bereits waren wir wieder fröhlicher und behielten Edeltraut nichtsdestotrotz in wacher Erinnerung. Weiterhin stellte sich uns bei einem Konflikt, einer Meinungsverschiedenheit alsbald die Frage, wie Edeltraut wohl den Ausgleich bewirkt hätte – und im Nachdenken darüber fiel bald darauf wirklich eine gute Lösung ein. So betrachtet sind wir durch das Mittel durchaus versöhnt mit dem Verlust, wir konnten wieder in unseren Alltag zurückkehren.“

Gundula strich sich nachdenklich durchs Haar: „Hmmm, tja, das Verblassen der Traurigkeit, da hat diese Illuminata wirklich etwas für euch getan. Einerseits ist Trauer zur Verarbeitung eines Verlustes durchaus angebracht, jedoch eben in Maßen statt in Massen, denn nach dem Verlust muß ja alles trotzdem weitergehen. Der Lauf der Zeit läßt sich nicht bremsen oder gar umdrehen, korrigieren.
Doch gibt es einen Zusammenhang mit den transparenten Schmetterlingen?
Auch ihre Farben sind verblaßt – was allerdings nichts mit dem Verblassen eurer Traurigkeit zu tun haben sollte – Farben, Traurigkeit, ganz andere Sachverhalte, bloß hier verbunden durch das Verblassen …“
Erika antwortete: „Wie gesagt, mehr wissen wir nicht, ziemlich genau seit diesem Tag haben jedenfalls die Schmetterlinge ihre Farbe verloren, wie wir unsere Traurigkeit, ersteres ist sehr schade, letzteres eine ganz gute Entwicklung für uns Keinhörner, eine Erleichterung für alle. Nun hatte Edeltraut nie etwas besonderes mit den Schmetterlingen zu tun, auch darüber gibt es keine weitere Verbindung. Dies ist indes der einzige Hinweis, welcher uns dazu einfällt. Eventuell hätte Illuminata eine Idee …“

Plötzlich raschelte es wieder im Unterholz des Waldrandes und es traten weitere, prächtige, große, starke Keinhörner auf die Lichtung, daß Gundula klar wurde, daß Erika, Erna und Eckbert ähnlich wie sie Jugendliche waren, vielleicht hatten sie sich auch bloß im jugendlichen Überschwang aus dem Unterholz zu ihr getraut, nun mußten jedenfalls einige Erwachsene notgedrungen nachziehen, um die Lage aufzuklären.
Ein stattliches Exemplar dröhnte nun über die Lichtung: „Kinder!
Was wurde euch immer wieder eingeschärft‽
Kein Kontakt zu Fremden!“
Eckbert erläuterte vorsichtig: „Gundula ist aber ganz nett, von ihr droht kein Unheil …“
Die Keinhörner versammelten sich um Gundula, Erika, Erna und Eckbert, Blicke durchbohrten Gundula von allen Seiten. Alle schwiegen, die Lage wirkte brenzlig, angespannt. Für meinen Moment schien plötzlich Gundulas Schicksal in der Schwebe zu sein.

Niemand hatte zwischenzeitlich gesprochen, Gundula hatte ein ziemlich mulmiges Gefühl. Erst so allmählich entspannte sich die Lage, als hätten die Keinhörner ihre friedliche Grundstimmung eingesogen, sich so davon überzeugt, daß von ihr keinerlei Gefahr drohe.
Die Sprecherin der erwachsenen Keinhörner wendete sich nun direkt an Gundula: „Du verrätst uns nicht!“
Irgendwie klang dies beinahe hypnotisch, Gundula fühlte sich sogar leicht benommen, erwiderte etwas mühsam: „Dies hatte ich bereits Erika, Erna sowie Eckbert versprochen …“
Damit schienen die erwachsenen Keinhörner einstweilen zufrieden zu sein, einige wendeten sich entspannt ab. Keines der erwachsenen Tiere hatte sein Horn bisher aufblitzen lassen. Gundula fragte sich nun so nebenbei, wie groß die Hörner der Erwachsenen sein mochten, denn die von Erika, Erna und Eckbert hatten bereits Eindruck gemacht, selbst bei ihrem bloß schemenhaften Erscheinen.

Auf Nachfrage hin wurde Edelgunde, der bisherigen Sprecherin der Erwachsenen, das bisherige Thema der verblaßten Schmetterlinge erläutert. Auch Edelgunde hatte dazu keine bessere Idee, als Illuminata zu befragen, wenn dem auf den Grund gegangen werden sollte. Jene Keinhörner, welche noch zugehört hatten, zeigten sich jedenfalls ebenso erstaunt über den Farbverlust der Schmetterlinge. Es gab etwas Gebrumme, Gemurmel, grob war herauszuhören, daß es in der Tat angemessen wäre, Illuminata diesbezüglich zu befragen, in einer Nuance lag da so ein Nebenton eines Verdachtes drin, wobei dieser keineswegs ausgesprochen oder auch bloß angedeutet wurde, es ging mehr um eine Tonlage zum jeweiligen Ende einer Anmerkung hin.

Gundula überlegte: „Nun bin ich hier völlig fremd, habe folglich keinerlei Ahnung, wo diese Illuminata zu finden wäre, um sie fragen zu können …“
Eckbert erläuterte dazu: „Oh, nachts bekommen wir ihren ungefähren Standort oft mit, weil von diesem ein Leuchten ausgeht, daher auch ihr Name. Sie hat ein Häuschen etwas weiter weg, aber im Grunde gut erreichbar …“
Gundula meinte dazu: „Ohoh, die Nacht über wollte ich an sich wieder daheim sein, sonst machen sich meine Eltern Sorgen …“
Edelgunde betonte dazu bloß: „Jaaa, Eltern machen sich Sorgen, was ihre Kinder so anstellen …“ dabei schaute sich noch immer mit einer Anmutung leichter Kritik auf ihre drei jugendlichen Pappenheimer.
Erika schlug vor: „Ähm, ja, wissen wir doch. Gut, ähm. Wir drei könnten Gundula begleiten, dies Rätsel mit ihr lösen …“
Erna befürwortete diesen Vorschlag: „Ja, ein kleiner Ausflug, das wäre toll!
Eckbert, du kennst doch den Weg zum Häuschen?“
Der Angesprochene bestätigte: „Ja, das finden wir leicht …“
Edelgunde meinte dazu: „Soso, ihr Strolche, also ein weiteres kleines Abenteuer, ein Ausflug …“
Die drei baten um Erlaubnis, diese wurde endlich gewährt und die vier machten sich auf den Weg.

Unterwegs erzählte Gundula ein wenig über das Leben der Menschen im Dorfe, die Keinhörner etwas Allgemeines über ihr Leben im Keinhorntal. Damit war für etwas Kurzweil auf dem Weg gesorgt, auch weil es einige interessierte Nachfragen von beiden Seiten gab.

Der Weg ging über schmale, kaum erkennbare Pfade durch die Wildnis. Ohne die Keinhörner hätte Gundula gar keine Chance gehabt. Endlich gelangten sie zu einer weiteren Lichtung, an dessen Rand vor einem felsigen Hintergrund, an diesen angelehnt eine Hütte stand. Nebenan gab es einen gut ausgestatteten Kräutergarten, an dessen Rand auch einige prächtige Hanfpflanzen standen, die größten mehrere Meter hoch. Gundula erkannte auch weitere scharfe Kräuter, Pilze, ebenso diverse Heilpflanzen. Expertin war sie keineswegs, hatte in dieser Hinsicht aber bereits etwas gelernt. Die vier schauten sich um, entdeckten Illuminata endlich um die Ecke in einer Schaukel.

Diese bemerkte daraufhin ihre Annäherung, schaute erstaunt: „Oj, welch seltener Besuch, zumal in solch einer Kombination …“, sie vollführte eine freundliche Geste zu den Keinhörnern: „… euch erkenne ich, ihr gehört in dieses Tal …“, ihr Finger stocherte nunmehr in Gundulas Richtung: „… aber du bist nicht von hier, eventuell aus dem Dorf draußen vor dem Tal?
Verirrt, besonderes Anliegen?“
Erika stellte Gundula Illuminata sowie umgedreht vor.

Nach der Begrüßung formulierte Gundula ihr Anliegen: „Ich schaue mich eben gerne mal in der etwas weiteren Umgebung meines Dorfes um. Jedenfalls bin ich heute mal neugierig dem Bach gefolgt, in das Keinhorntal, dessen Existenz sowie Name mir erst heute zuteil wurde, bin dort endlich auf den See gestoßen, samt der Blumenwiese daneben …“
Illuminata nickte: „Respekt, ist nicht einfach, bis dahin vorzustoßen, alsdann auch noch die Keinhörner kennenzulernen …“
Gundula spekulierte: „Hmmm, ich habe mich umgesehen, über einen Bergkamm könnte es noch leichter sein, dort gibt es doch eine weitreichende Almwiese?“
Illuminata erläuterte: „Durch den Bach ist schon die sichere Variante, wenn auch im Dickicht von eurem Dorf aus sehr gut verborgen. Die Alm ist tückisch. Einerseits gibt es dort auch Klüfte, Abhänge, jäh abfallende Stellen, bei welchen ein Wanderer schnell abrutscht. Auf der Wiese selbst lauern andererseits jedenfalls für Trophäenjäger noch erheblich größere Gefahren – in Form von Gänseblümchen …“
Gundula lachte auf: „Günseblümchen‽
Haben wir auch in der Nähe des Dorfes auf der Wiese, was soll an denen gefährlich sein?“
Illuminata erläuterte geduldig: „Schon, eure Gänseblümchen – die heißen mutmaßlich so, weil Gänse diese gerne verschnabulieren. Die gleichnamigen oben im Berg sind damit nicht näher verwandt, das sind ganz heimtückische, fleischfressende Pflanzen, die täuschen bloß vor, sehr dekorative Gänse zu sein, welche die Alm abweiden, dort ordinäre Gänseblümchen fressen …“
Gundula neigte ungläubig den Kopf: „Ähm, wieso?“
Illuminata erklärte weiter: „Sie locken damit Trophäenjäger an – also diese sehen die hübschen Gänse, verspüren auch durch gleichfalls verbreitete Hormone den unaufhaltbaren Drang, eine Gans abzuknallen, um eine weitere Trophäe zu erringen – kurzum: Knall, Puff!
Die Gans scheint getroffen, fällt um, der Jäger tritt heran, um seine Trophäe einzusammeln.
Plötzlich aber! Haps! Weg ist er!
Alles war bloß ein Trick, der Schuß, das Blei hat die Falle scharfgemacht und die fleischfressende Pflanze fängt den Jäger, löst ihn samt Waffe, Munition mit einem Verdauungssekret allmählich auf, profitiert von den Metallen, weiteren Nährstoffen.“
Gundula spitzte den Mund: „Willst mich nicht verscheißern mit einem Ammenmärchen?“
Illuminata neigte lächelnd den Kopf: „Nö, ist auch keine Kifferphantasie, vielmehr handelt es sich um eine üble Gegend dort oben.“

Nun waren sie immer noch nicht bis zu ihrem Anliegen vorgedrungen, weshalb Illuminata endlich fragte: „Was also führt euch vier konkret zu mir?
Den nicht so ganz einfachen Weg vom See bis hierher?“
Folglich erläuterte Gundula: „Nun, die Begegnung mit den Keinhörnern dort war für mich schon ein tolles Ding. Indessen ist mir dort noch etwas aufgefallen. Es gibt dort farblose, transparente Schmetterlinge, was mich in ähnlichem Ausmaß verblüfft hat. Die Keinhörner wußten auch nichts über die Ursache, erinnerten sich bloß, daß sie erst farblos seien, seit es dort dieses Ereignis mit dir wegen der Edeltraut gegeben hat …“
Illuminata schaute sie mit großen Augen an, fuhr sich durch ihre Haare, stieß hervor: „Weier!
Das!
Farblose Schmetterlinge, transparent – uiuiui … uiuiuiuiui, ohoh, hmmmmmm, weier!
Auau, brrrrrrr …“
Nun rubbelte sie nachdenklich ihr Kinn, nuschelte so undeutlich: „Könnte da etwas schiefgelaufen sein?“
Erika fragte nach: „Tja, könnte es da einen Zusammenhang geben, hast du eine Idee?
Diese Schmetterlinge wirkten schon etwas bekümmert ob ihrer plötzlichen Blässe – Kümmernisse wollen wir ja eigentlich gar nicht …“
Illuminata nickte: „Gewiß, gewiß!“
Sie überlegte einen Moment, weshalb Stille eintrat. Sie war aufgestanden, ging einige Schritte.

Illuminata hakte nach, sich an die Keinhörner wendend: „Ihr seid euch sicher, daß das Verblassen der Schmetterlinge zeitlich eng zum Verblassen eurer Trauer vonstatten ging?“
Erna bestätigte: „Ja, dahingehend waren wir uns einig, also auch jene, welche nicht mitgekommen sind …“
Illuminata brummelte: „Hmmmmm, hmmmmmmmmmmm, hmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm – wäre es möglich, daß ich da etwas verbockt habe?

Möööööglich wäre es, wenn, tja, wenn mir auch nicht so ganz klar ist, wie das passiert sein könnte.
Farbig ist metaphorisch die Erinnerung, die Trauer trägt schwarz, sollten als Nebenwirkung die Farben der Schmetterlinge verblaßt sein?
Wieso?
Welcher Zusammenhang?
Wundersam ist die Zauberei …
Tjaaaa, nun bin ich lange bereits dabei – und lerne immer noch etwas dazu!“

Gundula spekulierte einfach mal drauflos: „Sprach nicht bereits die Weise Judith Die Zeit heilt alle Wunder?
Könnte es nicht sein, daß bereits in der nächsten Generation der Schmetterlinge die Farben von alleine wieder da sind?“
Illuminatas Hände vollführten eine abwägende Geste: „Kluger Gedanke an sich – aber weißt du – Zauberei ist noch einmal etwas anderes als Philosophie, Genetik und so. Lassen wir uns erst einmal darauf ein, daß es Zauberei, Magie, Wunder gibt, so ist plötzlich alles anders …“
Alle nickten, taten, als ob sie Tiefsinniges verstanden hätten.

Nach einem Weilchen der Stille begann Illuminata zu erklären: „… also das Mittel ist letztlich entstanden als eine Weiterentwicklung von etwas, was ich einst zusammen noch mit Edeltraut entwickeln durfte. Damals ging es darum, eine arge, traurige Erinnerung von mir abzuwandeln. Edeltraut konnte mir in dieser Krise helfen, hat dazu einigen Abrieb vom Keinhorn-Horn spendiert, dies wurde kombiniert mit einigen wirksamen Kräutern, Beeren, Pilzen – auch ihr kennt euch vielleicht aus mit grundlegenden Heilpflanzen, Pilzen?“
Sogleich nickten die vier, Erika erklärte: „Selbstverständlich lernen wir von den Älteren, was so im Tal wächst, was wie wirkt, wobei Vorsicht angebracht ist, was gar nicht geeignet ist – oder bloß in besonderen Fällen … Rezepturen, fein abgestimmte Mischungen indes sind doch eher etwas für die Ältesten – und selbstverständlich noch mehr für dich.“
Gundula erklärte dazu: „Ich schaue mich gerne um, finde etwas heraus, lasse mir erklären, was so wächst …“
Illuminata nickte zufrieden, sann abermals kurz nach.

Alsdann fuhr sie fort: „Mir war klar, daß ich das Rezept für das Problem der Keinhörner etwas ändern mußte. Als ich endlich eine gute Mischung hatte, habe ich dann eben zum Treffen geladen, angeboten. Danach wurde das Mittelchen als eine Art Staub in die Luft geblasen und alle sollten tief durchatmen – hatte doch Wirkung?“
Erika bestätigte: „Ja, unmittelbar kribbelte es heftig in der Nase, im Kopf; innerhalb weniger Tage ging es allen besser, allmählich löste sich die Trauer, demnach ein gutes Rezept!“

Eckbert spekulierte: „Die Schmetterlinge könnten etwas davon abbekommen haben.
Wenn du das ursprünglich für dich gedachte Rezept von Edeltraut für uns abgewandelt hast – mag dies neue Rezept ja wiederum auch bei Schmetterlingen etwas anders wirken als bei uns Keinhörnern‽ …“
Illuminata neigte den Kopf, kratzte sich an einer Schläfe, bekannte: „An sich war es so abgestimmt, daß es allgemein wirken sollte, so ebenfalls auf mich, ich war ja gleichfalls betroffen, hat bei mir übrigens auch gewirkt.
Nuuuuuun sind Schmetterlinge als Insekten ja bereits ziemlich weit weg von uns – mööööglich also durchaus, daß bei diesen eine etwas andere Wirkung eingetreten ist, wobei es wegen der großen Unterschiede an sich gar keine Wirkung hätte haben sollen – gab es auch eine bei Fliegen, Bienen, Ameisen oder so?“
Die Keinhörner schüttelten nach kurzer Überlegung ihre Köpfe. Illuminata schnaufte: „Zauberei – hmmmm, eventuell hätte ich bei der Entwicklung des Rezeptes doch weniger Inspiration im Hanf suchen sollen – aber naja, passiert ist passiert, oder?“
Dies war bloß eine rhetorische Frage, diese wurde insofern aus der Runde nicht weiter beantwortet außer mit auffordernden Blicken an Illuminata, etwas zu unternehmen.

Diese nickte: „Jaaaa – schon gut!
Habe verstanden: Ich habe es verbockt, muß es nun wieder richten, mir etwas einfallen lassen …“
Gundula schlug vor: „Wenn du ein Mittel weißt oder hast, könnten wir es ja mitnehmen, den Schmetterlingen helfen. Wäre doch schade um die schönen, blauen Schmetterlinge …“
Illuminata schaute auf Gundula sowie auf ihre blaues Käppchen, fuhr sich durch ihre Haare: „Ach, diese blaue Sorte, hmmmmm, nach meiner Kenntnis ist diese ohnehin leicht verzaubert, angewunschen, von jeher – kommt bei euch drunten im Dorfe vermutlich sowieso bloß deutlich blasser vor …“
Gundula zuckte ihre Schultern: „Ich kann ja bloß aus dem sonstigen Aussehen schließen, dies schien mir zu passen zu jener Sorte, welche mir bekannt ist – doch wenn du weißt, daß sie dort auf der Blumenwiese am See kräftiger im Blau waren …“
Illuminata meinte dazu: „Ja, waren sie, kommt so sonst nicht vor außerhalb des Tals. Eventuell hängt die Nebenwirkung meines Pülverchens damit zusammen, daß diese spezielle Sorte Schnetterlinge bereits seit langer Zeit angewunschen waren, dann kann allerhand passieren, sie werden empfänglicher für zauberhafte Reizstoffe, reagieren unvorhersehbarer. Dies liegt zum Teil auch an der Wunderquelle, von welcher ein Rinnsal in den See fließt.
Unverdünnt, kombiniert mit einem farblichen Stärkungsmittel könnte das Wasser dieser Quelle reichen – hmmmm, Zufall hin, Glück her – deine Kappe hat gerade die passende Farbe, oder?“
Die Keinhörner schauten kurz, stimmten sogleich zu.

Gundula frage daraufhin interessiert: „Was bedeutet dies konkret?“
Illuminata erläuterte ihre Idee: „Was zu tun ist, ist erst einmal relativ einfach – sofern du dich darauf einlassen magst, daß deine Kappe eventuell in der kräftigen Farbgebung dabei etwas nachläßt?“
Gundula neigte den Kopf, nahm ihre Kappe ab, betrachtete diese nachdenklich, gab sich einen Ruck: „Ja, darauf kann ich mich schon einlassen. Also, ich mag meine Kappe, diese Farbe, aber nun gut …“
Illuminata wirbelte so mit ihren Fingern durch die Luft, merkte so nebenbei an: „Die Farbe paßt eben gerade gut, da habe ich im Moment keine passende Alternative, deshalb …“
Gundula nickte einverstanden.

Also bat Illuminata Gundula, gerade mal mit reinzukommen, bot den Keinhörnern eine nette Stelle zum Grasen an.
In ihrer Hütte ging es in einen gesonderten Raum, Illuminata überlegte kurz, griff sich ein paar Behälter, mischte feinste Stäube, zerriebene Blätter, ein paar weitere Ingredienzien zusammen, tat alles in ein zur Tüte gerolltes Blatt, verschloß dieses geschickte, mahnte: „Also, jetzt keinen Fehler machen – diese Tüte nicht rauchen!
Sie dient bloß zum Transport. Du nimmst sie mit, läßt dich von den Keinhörnern zur Wunderquelle bringen. Dort läßt du deine Kappe mit dem Wunderwasser vollaufen, sie ist hoffentlich hinreichend dicht – sickert auf dem Rückweg bloß die Hälfte heraus, ist es auf jeden Fall genug.
Bist du zurück auf der Wiese bei den Schmetterlingen, mischt du das Pülverchen aus der Tüte zum Wunderwasser in der Kappe – und ab geht die Luzi!“
Gundula schaute sie fragend an.
Illuminata erläuterte: „Oj, soll heißen: Die Schmetterlinge werden von dieser Mischung magisch angezogen, naschen allesamt vom Wundermittel, erlangen daraufhin ihre Farbe zurück – im optimalen Fall überträgt sich einfach die Farbe deiner Kappe auf sie in zauberhafter Weise, wenn es etwas weniger zauberhaft abgeht, verblaßt das Blau deiner Kappe dabei etwas; ganz die Farbe verlieren wird sie indes keineswegs, also bleibt schon noch blau …“
Gundula machte eine Geste mit der Hand: „Klingt machbar …“
Illuminata klopfte ihr aufmunternd die Schulter: „Bist aufgeweckt, neugierig, bekommst das hin. Aus dir wird etwas, merke ich schon – ich indessen schweife gelegentlich ab, ufere aus oder so, aber du bist ganz fokussiert, hast Potential, bekommst es hin.
Schon von daher bist du genau die Richtige für diese Mission – ebenso der farblich passenden Kappe wegen!
Ich sehe da eine interessante Zukunft für dich, schaue ich dir tief durch die Augen in dein Sein!
Naja, du erledigst dies erst einmal, schaust, daß du zum Abendbrot wieder daheim bist, damit sich dort niemand sorgt – ich mutmaße, wir sehen uns demnächst mal wieder, wenn du erneut hier durch die Gegend stromerst …“
Tatsächlich sah sie Gundula nun direkt in die Augen, daß dieser durchaus etwas mulmig wurde, aber dem Blick hielt sie doch stand. Letztlich gab Illuminata ihr die Tüte, nahm danach nebenbei eine andere, zündete sich diese an, inhalierte tief, zeigte sich alsdann deutlich entspannter, als sie wieder hinausgingen.
Illuminata verkündete zunehmend breiter lächelnd: „Problem erkannt, Problem gebannt – schon wieder ganz entspannt!
Ihr macht euch auf den Weg, erledigt das, bekommt ihr ohne mich hin. Bei Gelegenheit schaue ich mal am See vorbei, ob die Sache Bestand hat …“
Damit war der Abschied gekommen und die vier machten sich auf den Rückweg.

Die Keinhörner hatten eine Idee, wählten einen anderen Weg, welcher bald darauf bereits in einen lichteren Bereich des Tals führte, dort konnten sie zügiger hinauf zur Wunderquelle gelangen. Auf Nachfrage von Gundula erläuterten die Keinhörner einige Besonderheiten des Tals, die relative Lage zu Illuminatas Hütte, zum See an der Blumenwiese sowie zum Bach, an welchem entlang Gundula ins Tal gelangt war. Zudem war kurzzeitig sogar in der Ferne jene Almwiese zu sehen, auf welcher die gefährlichen, Trophäenjäger fressenden Gänseblümchen den Zutritt zum Tal verwehrten.
Erika erzählte dazu: „Gemäß einer Legende haben einst die Ahnen diese Art gezaubert, um das Tal besser vor Trophäenhägern zu schützen.“

Nach einem Weilchen wies Gundula ein Stück weiter: „Seht mal, ein Gänseblümchen‽“
Die Keinhörner schauten kritisch, Eckbert kommentierte: „Immerhin kein Gänseimitat in der Nähe, doch Vorsicht ist besser als Nachsicht – auch ohne Flinte oder Munition bestehen wir doch aus reichlich Nährstoffen …“
Die Keinhörner lachten, die Gruppe zog weiter.

Endlich gelangten sie in einen Bereich mit etwas steileren Felsen, es plätscherte ein Rinnsal.
Erika meinte dazu: „Gleich haben wir es, dies ist bereits das Wasser der Wunderquelle – die wunderliche Wirkung soll allerdings relativ schnell verfliegen, weshalb es wohl notwendig ist, das Wasser direkt der Quelle zu entnehmen!“
Diese Annahme deckte sich mit Illuminatas Angaben zur Rezeptur. Hier wurde es nun etwas mühsamer, dem Rinnsal zur Quelle zu folgen. Die vier mühten sich.

Irgendwann wurde die kleine Felsschlucht so eng, daß Erika zu Gundula meinte: „Allmählich wird es für uns Keinhörner wirklich eng, so eng, daß wir von hier ab den Rückweg wohl rückwärts antreten müßten, also hier ist wohl die letzte Möglichkeit für uns, sich einfach wieder umzudrehen.
Schaffst du den Rest allein?
Es dürften bloß noch so gut hundert Meter sein, die Stelle ist klar erkennbar, die Quelle entspringt eindeutig aus dem Felsen. Als wir noch deutlich jünger, kleiner waren, war dieser Weg kein Problem – inzwischen würde dies für uns schon mühsam werden …“
Gundula gab sich zuversichtlich: „Stimmt, da bin ich etwas flexibler, kann mich einfacher umwenden. Wenn die Stelle eindeutig erkennbar ist, bekomme ich es hin …“
Erna informierte: „Gut, wir warten hier auf dich …“
Also arbeitete sich Gundula das letzte Stück zur Quelle weiter vor. Keinhörner sind ja keine Steinböcke oder Bergziegen, insofern war für sie nachvollziehbar, daß für diese an jener Stelle Schluß gewesen war. Nun mußte sie sich wirklich zwängen, klettern, abmühen, doch sie kam voran.

Hundert Meter können in derart unwegsamem Gelände durchaus lang werden, dies erfuhr nun auch Gundula. Endlich aber erreichte sie ihr Ziel. Dort rieselte tatsächlich Wasser aus einer schmalen Lücke im Felsen, plätscherte. Zögernd nahm sie ihre Mütze ab, betrachtete diese. Sie sann so über den Rückweg nach – keine Kleinigkeit, diesen mit einer Mütze voller Wasser anzutreten, ohne viel davon zu verschütten, also eine weitere Herausforderung. Schon klar, daß Illuminata keine echte Lust hatte, sie zu begleiten, daß sie ihr diese Aufgabe überlassen hatte. Gundula zuckte tapfer ihre Schultern, hielt ihre blaue Kappe hin, um das Wunderwasser aufzufangen. Die Mütze füllte sich und immerhin lag Illuminata mit ihrer Einschätzung richtig, daß kaum etwas unten heraustropfte. Zwar fühlte sich die Kappe durchaus feucht an, aber das feuchte Material schien sich irgendwie selbst zu dichten, was ihr an sich bekannt war, denn auch bei Regen funktionierte dies ja umgedreht, feucht wurde die Kappe durchaus, jedoch kam letztlich danach nichts weiter durch.

Einige Zeit später hatte Gundula die Mütze voll. Vorsichtig balancierte sie, trat so den Rückweg an, welcher durch den Balanceakt noch schwieriger, langwieriger wurde als der Hinweg.

Dennoch kam sie bloß mit geringen Verlusten wieder bei den Keinhörnern an, berichtete kurz. Auf dem weiteren Weg achteten die Keinhörner sorgsam darauf, daß die Wasserträgerin Gundula über nichts stolperte, gut voran kam. Sie folgten grob dem Rinnsal, welches sich immer wieder mal mit weiteren Rinnsalen zusammenschloß, alsbald zu einem Bach wurde, welchem gleichfalls gut gefolgt werden konnte.

Tatsächlich kamen sie irgendwann wieder beim See an. Unterwegs hatte Gundula durchaus etwas Wasser aus der Mütze lassen müssen, doch war noch deutlich mehr als die Hälfte darin verblieben, nach Illuminatas Angaben sollte dies ja nun reichen. Alsdann standen die vier auf der Blumenwiese. Gundula wußte nun nicht so genau, was nun zu tun sei, stand einfach mit der Wassermütze in den Händen, schaute sich um. Auf Nachfrage halfen ihr die neuen Freunde, Illuminatas Pülverchen aus dem gefalteten Blatt ins Mützenfasser zu streuen.

Abermals paßte Illuminatas Vorhersage, denn bereits kurz darauf kamen farblose Schmetterlinge heran, setzten sich an den Mützenrand, wobei Gundula die Mütze etwas geneigt hatte, daß das Wasser von einer Seite aus gut erreichbar war. Die ersten Schmetterlinge rüsselten, weitere kamen herbei. Die Keinhörner und Gundula schauten gespannt.

Bald hatte der erste Schmetterling vollgetankt, zog seinen Rüssel ein, kurz ging ein Leuchten von ihm aus, danach erblaute seine Gestalt allmählich. Noch pumpte er irgendwie Farbe, hob alsdann in kräftigem Blau ab. Schon hatte ein weiterer vollgetankt, leuchtete kurz auf. Weitere kamen heran. So ging es weiter, Wasser tanken, aufleuchten, erblauen, abfliegen. Es konnten jeweils bloß wenige Schmetterlinge auf einmal trinken. Deshalb dauerte es eine ganze Weile, bis alle Schmetterlinge durch waren. Gundula wartete noch auf Nachzügler. Derweil schauten sie über die Blumenwiese, über welche sich die nun wieder prächtig blauen Schmetterlinge verteilt hatten. Wirklich kamen noch ein paar blasse Nachzügler heran. Auch für diese war noch genug in der Kappe. Geduldig ließ Gundula auch diese volltanken.

Sie wartete eine ganze Weile, die Keinhörner schauten sich um, doch es war keiner der Schmetterlinge mehr transparent.
Mission erfüllt!
Sie waren zufrieden. Tatsächlich war das Wasser in der Mütze auch beinahe weggerüsselt. Die Farbe der Mütze hatte indes kaum nachgelassen, allenfalls um eine Nuance. Dies konnte Gundula gut verschmerzen.

Es kamen noch ein paar der erwachsenen Einhörner hinzu, ließen sich berichten, lobten nun sogar Gundula für ihr Engagement.
Unterdessen war allerdings auch schon später Nachmittag und Gundula wurde gefragt, ob sie daheim nicht vermißt würde?
Selbstverständlich sollte sich Gundula jetzt auf den Rückweg machen, auch ein wenig eilen. Erika, Erna und Eckbert als ihre neuen Freunde wollten sie noch ein Stück am Bach entlang begleiten, also keineswegs bis aus dem Tal hinaus, aber doch noch eine ganze Weile muntere Gesellschaft.

Irgendwann waren sie allerdings in dem Bereich angelangt, den die älteren Keinhörner vorgegeben hatten, welcher von den Keinhörnern nicht überschritten werden sollte. Dies war eine markante Stromschnelle im Bach, ein kantiger Felsen. Hier galt es also, einstweilen für diesen Tag Abschied zu nehmen. Man war sich allerdings einig, sich die Tage abermals zu treffen, Gundula noch mehr vom Tal zu zeigen. Gundula machte sich auf den Weg. Als sie sich nochmals umdrehte, war von den Keinhörnern rein gar nichts mehr zu sehen, als wären diese nie dort gewesen. Gundula seufzte, folgte dem Bauchlauf ganz hinaus aus dem Tal. In der Sonne beim Weg durch Wiesen trocknete die blaue Kappe erstaunlich schnell.

Als Gundula daheim ankam, war Abendbrotzeit. Immerhin stromerte sie auch sonst gerne herum, weshalb man sie noch gar nicht vermißt hatte. Gundula hatte ja versprochen, das Geheimnis des Keinhorntals zu wahren, weshalb sie bloß kurz erwähnte, durch die Felder unterwegs gewesen zu sein, Tiere beobachtet habe, Standorte von Pflanzen ausgemacht zu haben. Ihre Eltern fragten gar nicht weiter nach.

Damit endete also dieses kleine Abenteuer. Gundula hatte neue Freunde gewonnen, das war ein schöner Tag gewesen. Gemeinsam durch die Gegend zu ziehen, die Natur zu erleben, hatte ihr sehr gefallen. Auch Illuminata war zwar etwas schräg, aber doch gleichfalls sehr interessant. Auch diese würde sie gewiß alsbald einmal wieder besuchen. Diese hatte ja offenkundig etwas in ihr gesehen, was Gundula auch in der Erinnerung nicht bloß als wohlwollendes Gerede ansehen wollte, ebensowenig als Ausrede, um sich nicht selbst bis zur Wunderquelle durchzwängen zu müssen.

Gundula entdeckt das Geheimnis des leuchtenden Berges
Ein Märchen

Gundula, uns bereits bekannt aus ihrem Abenteuer um das Geheimnis der farblosen Schmetterlinge im Tal der Keinhörner, schreckte des Nachts auf, als sie im Bett durchgeschüttelt wurde. Noch im Halbschlaf schaute sie erst irritiert, ziellos herum, fokussierte aber doch alsbald zu voller Aufmerksamkeit. Indessen war niemand an ihrem Bett, welcher sie durchgeschüttelt hätte, im Haus war alles ruhig.

Wie sie feststellte, dämmerte es dem Morgen bereits ganz schwach. Das Ruckeln hatte unterdessen nachgelassen. Nun gab es allerdings abermals ein schwächeres Beben. Gundula stand auf, verließ ihr kleines Kämmerchen und stieß kurz darauf auf ihre ebenfalls erwachten Eltern. Auch diese waren ratlos. Derlei Rumoren der Erde hatte noch keiner von ihnen je erlebt.

Zögernd traten sie sodann hinaus. Weil auch die Nachbarn zu einem ähnlichen Entschluß gekommen waren, trafen sie auf diese. Nun ist das Dorf keineswegs dicht an dicht besiedelt, daher schlenderte man gemeinsam zum Dorfplatz, auf dem sich wirklich zahlreiche Bewohner über kurze Zeit versammelten. Alle waren ratlos, gleichzeitig beunruhigt über das Phänomen.

Es kam zu einem abermaligen Beben. Hinzu kam alsdann ein eigenartiger Lichtschein von einer nicht allzu fernen Bergkuppe, welcher alle aufraunen ließ. Alle spekulierten wild herum, das Gemurmel der Dorfbewohner erfüllte den gesamten Platz. Der Berg schien aufgerissen, gespalten, aus dem Spalt an der Kuppe strahlte es unheimlich. Alle rätselten über diese Erscheinung, mutmaßten einen Zusammenhang mit dem Beben, welches sie so in dieser Gegend auch gar nicht kannten, bloß aus Erzählungen aus entfernten Gegenden.

Nach dem Beben kam indessen nichts mehr nach. Trotz erheblicher Beunruhigung kam man bei der fortgesetzten Rätselei weder zu einem Ergebnis noch Beschluß. Die ersten zuckten ihre Schultern, woran man ohnehin nichts dran ändern kann, darum muß man sich auch nicht weiter kümmern. Wenn es nicht weiter bebt, sich nicht weiter sorgen, das Weitere würde sich schon geben. So jedenfalls zogen sich bereits die ersten Bewohner, jene mit dem dicksten Fell, wieder zurück in ihre Hütten oder Häuser.

Irgendwann zog sich auch Gundulas Familie verunsichert, jedoch hilflos zurück. Wieder daheim machte man sich erst einmal, etwas verfrüht zwar, aber doch fertig für den Tag, frühstückte in nach wie vor bestehender Unruhe, Sorge um die Veränderung.

Gundula machte sich zudem Sorgen um ihre Freunde, die Keinhörner in ihrem verborgenen Tal. Zwar lag dies ein Stück weit neben dem gespaltenen Berggipfel, aber doch schon näher dran als das Dorf. Nach ihrer Einschätzung lag ferner die Hütte der Zauberin Illuminata noch am nächsten zu diesem leuchtenden Phänomen, wobei sie auch nicht genau einordnen konnte, wo genau sich überall die Keinhörner im Tal, den Pässen, Anhöhen aufzuhalten pflegten.

Hatte Illuminata nach zuviel Kiffen die Kontrolle über ihre Leuchtkraft verloren?
Gundula sorgte sich. Denn wenn da schon bei dem Phänomen der farblosen Schmetterlinge die Zauberei außer Kontrolle geraten war, so schien dies nun ein deutlich dramatischerer Kontrollverlust zu sein.
Aber hatte dieser wirklich etwas mit Illuminata zu tun?
So oder so fiel Gundula niemand sonst ein, welcher hier besser informieren, forschen könnte, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen.

Offenkundig wäre es nicht so ratsam gewesen, ihren Eltern genau zu erzählen, was sie vorhatte, hatte sie doch ohnehin die Existenz des Tals der Keinhörner samt der dortigen Bewohner sorgsam für sich behalten, um deren Geheimnis zu bewahren. Nun wollte sie abermals dorthin, um dem neuen Rätsel gemeinsam mit ihren dortigen Freunden nachzugehen.
Während ihre Eltern noch damit beschäftigt waren, sich auf den Tag vorzubereiten, trotz der leuchtenden, latenten Bedrohung des gespaltenen Berggipfels, hinterließ Gundula für diese bloß eine kurze Botschaft auf einem Zettel: ‚Bin unterwegs, abends wieder zurück!‘ und entschlüpfte alsdann von diesen unbemerkt.

Auf einem kleinen Umweg, um nicht beobachtet zu werden, führte Gundulas Ausflug über einen Bach ins Tal der Keinhörner, direkt zur Blumenwiese am See mit den Schmetterlingen, die nun wieder blau waren. Angekommen schaute sich Gundula um. Kurz darauf trat bereits Keinhorn Erika auf die Lichtung, grüßte Gundula, wirkte besorgt. Gundula grüßte zurück. Kurz darauf kamen auch Eckbert und Erna hinzu, wurden gleichfalls von Gundula herzlich begrüßt.

Gundula wies nun auf den gespaltenen, leuchtenden Bergkamm, fragte: „Was ist da los?“
Die Keinhörner schauten kurz, Eckbert erwiderte: „Keine Ahnung, wüßten wir doch gleichfalls gerne, dies Phänomen hat auch uns komplett überrascht. Das ist sehr beunruhigend, seltsam, unheimlich, furchtbar. Die anderen Keinhörner haben sich weit zurückgezogen, wir wollten an sich auch los, uns verstecken, wobei dies ja nichts ändern würde.“
Erna und Erika nickten.

Gundula formulierte ihre Hypothese: „Ob Illuminata etwa die Kontrolle über ihre Leuchtkraft verloren hat, eventuell weil sie es mit dem Kiffen übertrieben hat?“
Die Keinhörner schnauften erst einmal tief durch.
Erika äußerte sich alsdann zurückhaltend: „Derartige Auswirkungen hatte das ja nie …“
Erna spekulierte: „Wie sollte …“
Gundula warf ein: „Naja, immerhin hatte sie ja auch bei der Affäre rund um die Schmetterlinge längst nicht alles im Griff …“
Eckbert wiegte den Kopf: „Naja …“
Alle schwiegen einem Moment, über die Möglichkeit nachsinnend.

Gundula schlug endlich vor: „Wir könnten doch gemeinsam hin, nachsehen, ob mit ihr alles in Ordnung ist, ihre Meinung einholen?
Selbst wenn nicht irgendwie darin verwickelt, scheint mir Illuminata doch die kompetenteste Person in erreichbarer Nähe zu sein, um über das Phänomen zu spekulieren oder es aber sogar aufzuklären …“
Die Keinhörner schnauften verlegen.
Erna verzog kurz ihren Mund, meinte grübelnd: „Ui, das ist aber noch näher am Leuchten als hier … genau die andere Richtung wäre sicherer …“
Auch Gundula verzog kurz ihren Mund, erwiderte: „Tja, ähm, wenn sich alle wegducken, sich niemand kümmert, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen, bekommen wir ja nie heraus, was los ist, erlangen somit garantiert keine Information, was sinnvoll zu tun ist, verbleiben in Ahnungslosigkeit ohne weitere Perspektive …“
Die Keinhörner grummelten zu diesem Einwurf.
Erna spekulierte: „Eventuell renkt sich ja sowieso wieder alles von alleine ein …“
Erika stupste sie leicht an: „Glaubst du ernsthaft?“
Eckbert sinnierte: „Ausgeschlossen ist das nun auch nicht – indes, so ramponiert, wie der Berggipfel aussieht, ist mir unklar, wie sich das von selbst wieder einrenken sollte – und mit dem Leuchten, der Dreckswolke ist da schon allerhand in der Luft, was nach Klärung schreit …“
Gundula nickte: „Ebend!“
Alle schauten nochmals genauer nach der leuchtenden Bergkuppe.

Endlich gab sich Erika einen Ruck: „Gundula hat schon Recht.
Wenn Illuminata nicht bereits die Ursache ist, hat diese eventuell eine Idee, was das für ein Phänomen ist!
Wir müssen also zu ihr …“
Eckbert und Erna schnauften beunruhigt, nervös, stimmten allerdings doch nach einiger Überlegung zu. So zogen die vier los in Richtung zu Illuminatas Hütte.

Damit näherten sie sich auch weiter dem unheimlich leuchtenden, gespaltenen Berggipfel. Zwar waren sich durchaus unsicher, hielten aber durch und schritten letztlich immer weiter mutig voran, wobei Erika und Gundula als die Unerschrockendsten vorangingen, Eckbert und Erna nachfolgten, schon aus Gründen der Solidarität dabei waren. Spekulierten sie anfangs noch etwas über die Erscheinung, wurden sie doch mit jeder Minute der weiteren Annäherung schweigsamer.

Endlich näherten sie sich Illuminatas Hütte, was insofern auch etwas erleichterte, weil der aktuelle Weg nun so gelegen war, daß die direkte Sicht auf das Leuchtphänomen verdeckt war. Nun mußten sie allerdings aus dem dichten Waldstück wieder hinaus auf eine Lichtung mit relativ hohem Bewuchs von Kräutern, Blumen, Gräsern.

Sie zauderten, denn einerseits wurde nun der Leuchtberg wieder sichtbar, noch beeindruckender als bei fernerer Betrachtung. Anderseits war da etwas auf der Lichtung im Bewuchs, welcher sich bewegte, dazu gab es dort eigenartige Laute, die Gundula gar nicht zuordnen konnte.
Sie schaut zu Erika: „Ein spezielles Tier hier aus dem Tal, welches ich noch gar nicht kenne?“
Erika neigte den Kopf: „… nie sowas gehört …“
Eckbert pflichtete ihr bei: „… weier, das gehört hier doch nicht hier her‽ …“
Erna schlug sogleich vor: „Eventuell sollten wir doch lieber den Umweg um die Lichtung herum nehmen?“
Sie überlegten.

Gundula hatte unterdessen weiter sorgsam gelauscht, das hatte durchaus etwas Menschliches an sich, was da gurrte, hurzten, grumpelte, rapunzte, krawummste, wie immer man es nennen mochte.
Sie zuckte ihre Schultern, rief einfach auf die Lichtung hinaus: „Wer da?“
Ihr keinhörnerischen Freunde zuckten vor Schreck zusammen, von Erna bekam sie gar einen Knuff in die Seite. Die Keinhörner waren jedenfalls zum flüchtigen Sprung bereit.

Indessen erhob sich auf der Lichtung – Illuminata – und gurrte, schmagulzte wirr fragend sowie mit irrem Blick in ihre Richtung.
Die Keinhörner atmeten hörbar erleichtert durch, Erika hakte sogar gleich nach: „Illuminata‽
Was’n los mit dir?“
Die angesprochene taumelte breit grinsend heran, brabbelte, rapunzte, guggelte weiter vor sich hin, stolperte alsdann und rummste am Rande der Lichtung einfach direkt in Richtung der Gruppe, daß Gundula gerade noch eingreifen konnte, bevor Illuminata hart auf den Boden schlug. Die Keinhörner halfen nun, Illuminata in eine stabile Seitenlage zu drehen, auf dem Boden abzulegen, denn diese war ohnmächtig geworden. Alle schauten sich fragend an ob dieses weiteren, höchst seltsamen Phänomens.
Hatte Illuminata wirklich zuviele Drogen konsumiert, die Kontrolle über ihren Verstand sowie ihre Leuchtkraft verloren, welche droben im Berg eingeschlagen war?
War dies die gesamte Ursache des Phänomens, beinahe schien es ihnen so.

Erna mutmaßte keck: „Illuminata wüßte, was zu tun ist …“
Alle lachten verlegen.
Gundula kratzte sich nachdenklich am Kopf: „Als nächste Maßnahme erscheint es mir sinnvoll, sie erst einmal ein Stück in den Wald zu bringen, außer Sichtrichtung des leuchtenden Berges sowie aus dem Sonnenschein.
Bis zu ihrer Hütte wäre eventuell etwas knifflig?
Jedenfalls für mich!“
Eckbert richtete sich gerade auf: „Schaffe ich, rüber mit ihr, festhalten, ist so weit von hier nicht mehr …“
Erika nickte: „Stimmt, weg in den Schatten ist sinnvoll, zu ihrer Hütte noch besser, eventuell finden wir ja irgendwas, was ihr helfen könnte – sie hat auch Bücher mit Rezepten …“ – sie schaute zu Gundula.
Diese nickte: „Bücher – wiederum kein größeres Problem für mich!“
Also waren sie sich einig. Eckbert kniete sich hin, die anderen halfen dabei, Illuminata auf seinen Rücken zu befördern. Dabei ergab es sich ganz günstig, daß sogar Illuminata so im Halbschlaf um sich griff, gerade so etwas erwischte, was bei dem Manöver half.

Eckbert erhob sich mit leichter Mühe und daraufhin zogen sie weiter. Eckbert schnaufte nach einer Weile durchaus, indessen war es nicht mehr notwendig zu wechseln, denn bald darauf waren sie bei Illuminatas Hütte angelangt. Durch die Ruckelei war Illuminata so halb wach, daß es gelang, die lallende, torkelnde zu ihrer Hütte zu geleiten, dort ließ sie sich in einen Sessel fallen, wo sie erst schnaufte, dann wild grumalzte.
Dennoch wagte es Gundula und fragte sie: „Was ist zu tun, um dich wieder zu klarem Verstand zu bringen?“
Illuminata schlapuckte erst, wackelte bedenklich mit dem Kopf, antwortete aber ziemlich direkt: „Grmpf diplich ogomehig öhö oje!“
Dies war zwar eine Auskunft, jedoch keine verständliche. Allerdings wies nun ihr Finger immerhin kreisend in eine vage Richtung, welcher Gundula schon einmal folgen konnte.

Die Richtung ging jedenfalls eindeutig zu einem Regal – indessen mit mehreren dicken Büchern – abermals schaute sie fragend zu Illuminata, zog einen Band hervor, was bei Illuminata heftig ablehnendes Kabulken auslöste, also schob sie diesen Band zurück, versuchte einen anderen, wobei sich alles wiederholte, bis bei einem Band Illuminata endlich zufrieden zurücksang, einverstanden grunzte. Gundula brachte ihr den Band, blätterte darin herum, was Illuminata mit bedenklich wackelndem Kopf beobachtete.

Bei einer Seite allerdings machte sie sich deutlich bemerkbar, tickte Gundula an, wirbelte mit den Fingern, dazu grumpelte sie aufgeregt.
Gundula las, ein Rezept zur Entrauschung – Erfolg!
Illuminata sackte wieder erschöpft zurück, ihr mühsam zusammengesammelter Verstand von vorhin war im aktuellen Zustand jedenfalls erst einmal aufgebraucht.

Wie sich herausstellte, war eine Ingredienz abermals, wie bereits bei den farblos gewordenen Schmetterlingen frisches Wasser aus einer ganz bestimmten Quelle. Kurzes nachsehen im Kräuterschrank wie im Kräutergarten ergab, daß ansonsten alles vorhanden war. Gundula unterrichtete die Keinhörner über das Ergebnis ihrer Studien. Diese hatten sich etwas Abseits zum Grasen positioniert, jedenfalls außerhalb der Sichtachse zum Leuchtberg.

Erika resümierte: „Also zur Quelle …“
Gundula merkte an: „Ich weiß noch, wie ich dorthin komme …“
Eckbert schüttelte den Kopf: „Lese bitte nochmals vor …“
Gundula tat wie geheißen.
Erika nickte verständig: „Eckbert hat Recht, das ist eine andere Quelle, da warst du noch nicht …“
Erna seufzte, Gundula schaute diese an: „Was denn?
Ist doch machbar, wenn ihr wißt, wo sie ist …“
Erna schnaufte: „… noch näher am leuchtenden Berg …“
Erna tänzelte dazu nervös.
Gundula nickte verständig: „Jemand müßte sowieso hierbleiben, aufpassen, daß Illuminata keinen Dummfug anstellt oder wieder durch die Gegend irrt …“
Erna nickte erfreut: „Bekomme ich hin!“
Erika überlegte: „Ist vielleicht sowieso besser, wir teilen uns auf, zwei hier, zwei zur Quelle …“
Eckbert nickte: „Wohl ist mir keineswegs dabei, aber ich weiß wohl am genausten, wie man hinkommt, in einem leichten Bogen, Umweg weitgehend außerhalb der Sichtweite des leuchtenden Berges, irgendwas läßt mich ahnen, daß es nicht so gut ist, dem Leuchten aus der Nähe lange ausgesetzt zu sein …“
Erika knuffte ihn: „Gut, daß du dich dafür meldest, ich war mir leider wirklich nicht so ganz sicher, wie ich dorthin komme, ohne die ganze Zeit durch dies Licht zu marschieren, immer weiter nahezu direkt drauf zu!“

Damit war jedenfalls alles für diese Aktion abgemacht. Erna und Erika paßten auf Illuminata auf. Eckbert und Gundula zogen los, auf einem geschützten, schattigen Umweg zur Quelle, nachdem Gundula noch einen Krug gegriffen hatte, weil Erika sie darauf hingewiesen hatte, daß in diesem Falle ihre blaue Kappe nicht notwendig sei.

Eckberts Weg schlug dann einen eher etwas weiteren Bogen, aber auf diesen sahen die beiden in der Tat nur sehr selten für einige Sekunden den leuchtenden, gespaltenen Berggipfel. Alsdann wanderten sie entlang eines Baches diesen hinan. Allmählich wurde der Bereich mit steilen Wänden zur Schlucht.
Irgendwann hielt Eckbert und meinte: „Naja, mühsam ist es hier für mich schon länger. Am wirksamsten ist das Quellwasser aber wohl direkt an der Quelle. Verzweigungen gibt es hier nicht mehr, du kommst da leichter durch …“
Gundula nickte: „Verstehe schon, du wartest, ich schaue, daß ich zur Quelle komme …“
Eckbert tänzelte etwas verlegen: „Tja, kennst das ja bereits von der letzten Quelle …“
Beide lachten und Gundula setzte den Weg alleine weiter fort.

Tatsächlich wurde es alsbald noch enger und Gundula mühte sich voran. Immerhin, für Menschen war die Passage durchaus gut machbar, wenn sie auch achtgeben mußte, nicht in den Bach zu treten und nasse Füße zu bekommen. Endlich gelangte sie zu jener Stelle, an welcher das frische Wasser mit den mysteriösen Inhaltsstoffen munter aus einer Felsspalte in einen kleinen Teich sprudelte, von dem aus der Bach begann, dem sie gefolgt war. Obgleich das Wasser im Teich klar war, mit dem Bach ein reger Abfluß vorhanden war, wollte Gundula doch auch Nummer sicher gehen und das benötigte Wässerchen direkt aus der Felsspalte beziehen. An die war indessen bloß durch den Teich heranzukommen. Gundula überlegte nicht lange, sie war ja allein, also keine weiteren Bedenken oder Zimperlichkeiten: Sie entkleidete sich und stieg nackt ins kalte Wasser, bloß den Krug in der Hand. Sonderlich tief war der Teich nicht, sie konnte diesen durchwaten, war deshalb schnell bei der Felswand mit dem Riß, aus welchem das Wasser munter sprudelte. Sie füllte den Krug und eilte zurück, raus aus dem kalten Wasser. Am Ufer schüttelte sie sich heftig, mehr oder weniger die Kälte ab, zauderte noch ein wenig, zog dann ihre Kleidung wieder an und machte sich auf den Rückweg.

Wieder bei Eckbert angekommen, schwenkte sie den vollen Krug, kommentierte: „Da war bloß mit einem Bad in einem klaren, kalten Teich ranzukommen, aber erledigt!“
Eckbert nickte ihr freundlich zu: „Hervorragend!“
Damit traten nun beide den Rückweg an, auf welchem sich nichts weiter Berichtenswertes ereignete.

Wieder bei Illuminatas Hütte angekommen, wurden sie von Erna und Erika begrüßt, bei ihnen war unterdessen alles ruhig geblieben. Illuminata war mehr oder weniger zur Ruhe gekommen und brummelte und grumpelte derzeit bloß in ihrem Sessel.

Das Mittel gegen den Rausch war nun wiederum schnell angerichtet. Alsdann stand Gundula damit vor Illuminata und grübelte darüber, wie dies nun zu servieren sei.
Scherzhaft versuchte sie es mit einer Ansprache: „Lecker Medizin ist fertig!“
Damit reichte sie den Becher mit dem dubiosen Getränk Richtung Illuminata. Diese wiederum neigte ihren Kopf, brabbelte Unverständliches, griff nach weiterem kurzen Zögern indessen zu und gurgelte den Trank munter herunter. Danach summte und gurrte sie, verdrehte ihre Augen, schüttelte sich kurz darauf heftig durch und rülpste heftig aus tiefstem Inneren, schnaufte danach, atmete tief, schloß die zuvor weit aufgerissenen Augen und kam so zur Ruhe.

Gundula stand dem etwas hilflos gegenüber, war indessen erleichtert, als Illuminata nun ganz vernehmlich sprach: „Hui!
Das war ’ne harte Nummer – hatte ich noch nie – besten Dank für die Hilfe!
Wie konnte mir dies bloß widerfahren‽“
Gundula spekulierte: „Zuviel oder falsches Kraut gekifft‽“
Illuminata öffnete erst ein Auge, danach das zweite, schaute sie kritisch an, erwiderte: „Bloß das Übliche, keine nennenswerte Menge zudem …“
Gundula hakte nun nach: „Wann und wieso – wo das doch mit dem Berg gerade abgeht …“
Illuminata atmete tief durch: „Uiii, der Berg – hätte ich anläßlich meiner persönlichen Unpäßlichkeit beinahe verdrängt …“
Gundula informierte: „Der Gipfel ist gespalten und leuchtet …“
Illuminata nickte grübelnd, erwiderte: „Hmmm, jaaaa jajaja, hmmm, doch, die Leuchten, rätselhaft, in der Tat, damit hat niemand gerechnet, konnte niemand rechnen, ein außerordentliches Ereignis, da ist etwas faul, mächtig faul, will ich meinen …“
Gundula wagte mal eine Vermutung einzustreuen: „Kann es sein, daß du im Rausch die Kontrolle über deine Leuchtkraft verloren hast, die komplette Selbstkontrolle – und sich das alles dort oben entladen hat?“
Illuminata schaute sie beinahe empört an: „Schnickschnack, so läuft das garantiert nicht.
Mit dem Leuchtphänomen, dem gespaltenen Berg habe ich garantiert nichts zu tun!“
Gundula machte eine abwehrende Geste: „Schon gut, war nur eine vage Idee, keine Anklage …“
Illuminata bestätigte versöhnlich: „Kein Drama meinerseits!
Ich kann sofort nachvollziehen, daß überall Unruhe aufkommt, Spekulationen, was es damit auf sich haben mag!“
Sie schwiegen ein Weilchen.

Gundula merkte an: „Erika, Eckbert und Erna sind ebenfalls hier, warten draußen …“
Illuminata erwiderte: „Schauen wir nach ihnen …“ und stand auf.
Gundula fragte nach: „Wieder alles im grünen Bereich bei dir?
Sicher auf den Beinen?“
Illuminata bestätigte: „Jepp, der Trank räumt auf im Gehirnkasten, ich blicke wieder voll durch, habe die Kontrolle zurück, auch im üblichen Rahmen über meinen Körper … danke für die Nachfrage und das Kümmern!“
Beide lachten und schlenderten hinaus.

Draußen schaute Illuminata gleich unwillkürlich zur leuchtenden Bergkuppe, Gundula erläuterte: „Die Keinhörner halten sich vorsichtshalber bevorzugt dort auf, wo die Strahlung vom Berg nicht hinkommt …“
Illuminata nickte: „Dies scheint mir intuitiv ganz richtig zu sein, man sieht nicht notwendig alles an Strahlung, was von dort kommen mag …“
Also gingen sie um die Ecke und Illuminata dankte alsdann allen für ihre Hilfe.

Erika wollte daraufhin selbstverständlich wissen: „Was ist das nun für ein Phänomen, was die Ursache?“
Illuminata zuckte ihre Schultern, versicherte auch den Keinhörnern: „Die Ursache liegt jedenfalls nicht bei mir, mein Zustand ergab sich erst eine Weile nachdem der Berg gespalten wurde.“
Eckbert schlug vor: „Du warst ja näher dran als wir, vielleicht erzählst du der Reihe nach, wie du es erlebt hast und wie du so verwirrt geworden bist?“
Illuminata stimmte zu: „Gerne.
Also: Nachts erwachte ich durch leichte Erschütterungen – erst dachte ich, jemand würde immer wieder gegen mein Bett treten, allerdings war da selbstverständlich niemand und ich selbst hatte auch nicht im Alptraum ausgetreten. Dies Beben beruhigte sich allerdings, ich schaute mich kurz um, sah aber weder in meiner Hütte noch draußen etwas. Erdbeben haben wir hier doch sonst nicht, mir wurde klar, sollte sich das wiederholen, müßte ich mich um dies Rätsel kümmern. So jedenfalls legte ich mich erst einmal wieder hin und döste.
So kurz vor dem Morgengrauen ging es dann aber richtig los, es hätte mich beinahe aus dem Bett geworfen!“
Gundula ergänzte: „Dies haben wir dann auch unten im Dorf gemerkt, alle stürmten raus und sahen dann die leuchtende, geborstene Bergkuppe.“
Die Keinhörner bestätigten, auch sie seien dadurch darauf aufmerksam geworden.

Illuminata fuhr fort: „Jedenfalls bin ich ebenfalls raus, habe den gespaltenen Berg samt Leuchten gesehen, war wie ihr entsetzt, verblüfft, konnte mir unterdessen aber auch keinen Reim drauf machen, versuchte es aber. Etwas später kamen ja noch Beben nach. Ich sann weiter nach, blätterte ein wenig in historischen Aufzeichnungen, ohne Ergebnis. Ich schaute dann wieder genauer – das Leuchten kommt aus dem gespaltenen Berg, also dem Aufriß oder der Spalte, zusammen mit leichtem Staub, eventuell auch etwas Rauch, eher Staub, meine ich. Am Staub jedenfalls streut das Licht aus dem Berg, weshalb wir dort diese Leuchterscheinung sehen. Wenn wir Glück haben, wird vorrangig bloß harmloses Licht zu uns gestreut, denn da könnte noch anderes Zeug herausstrahlen, weiß man so nicht. Jedenfalls sollte Gundulas Dorf weit genug weg sein, daß man von dort aus auch länger gucken kann. Die Keinhörner sind schon näher dran, also schlau, dem weitgehend aus dem Wege zu gehen. Ich bin noch näher dran und habe dennoch eine ganze Weile geguckt …“
Gundula hakte nach: „Du meinst, dies könnte die Ursache für deine Verwirrung sein?“
Illuminata sann kurz nach, schüttelte dann langsam den Kopf: „Unwahrscheinlich, so wirkt das doch nicht. Aber eventuell war ich etwas dumm, unvorsichtig – denn, hmmmm – als mir nichts einfiel, da war es längst hell, schlenderte ich los für eine andere Sicht. Dabei kam ich beim Hanf vorbei, kam plötzlich auf die törichte Idee, mit einer Tüte könnten mir gute Einfälle kommen – also drehte ich mir eine ganz frische – an sich harmlos, gewöhnlich trocknet man den Bubatz auch erst, aber egal – kurz darauf kamen statt der guten Ideen oder Einfälle jedenfalls Ausfallserscheinungen …“
Gundula spekulierte: „Da war was mit dem Bubatz?“
Illuminata neigte nachsinnend den Kopf: „Diese Hypothese wäre zu prüfen, dann hätten wir eventuell das erste Rätsel gelöst …“
Gundula insistierte: „Also gut, kümmern wir uns erst da drum, wenn du meinst, das ermitteln zu können …“
Illuminata gab einen Wink und machte sich mit Gundula auf einem Weg, jetzt anders als morgens allerdings auf einem Bogen außerhalb der Sichtachse zum Leuchtgipfel hin zum Hanf.

Dort angekommen schaute Illuminata genau hin, spekulierte: „Wenn da nun bei der Sprengung des Berges merkwürdiges Material verteilt wurde?
In Kombination mit dem Bubatz?
Hmmmmmmmm …“
Auch Gundula schaute genauer: „Etwas staubig sieht es schon aus, feines Zeug hat sich da in den Blüten oder Knospen in den Vertiefungen festgesetzt …“
Illuminata machte eine Geste: „So lange, wie die mutmaßliche Staubwolke über dem Berg steht und leuchtet, feines Material, könnte durchaus passen, hmmmm?“
Gundula nickte und Illuminata nahm eine großzügige Probe, kommentierte: „Ich habe das für meine frische Tüte nicht gesäubert, dies war töricht von mir, insbesondere im Kontext mit dem explodierten Berg.
Selbstverständlich hätte ich aus meinem getrockneten Vorrat nehmen müssen, wird mir eine Lehre sein!
Naja, nicht mehr zu ändern.
Zurück in meiner Hütte filtere ich etwas aus und wir analysieren!“
Gundula nickte und bald waren sie wieder auf dem Rückweg.

Zurück nahmen sie einen anderen Weg und Illuminata schaute genauer auf die Vegetation, wies Gundula bei speziellen Kräutern auf Unterschiede hin; je nachdem, ob diese dem Licht des Berges ausgesetzt waren oder davor geschützt, waren die ausgesetzten merklich erschlafft, die anderen normal. Illuminata runzelte ihre Stirn, nahm eine Probe der nicht beeinträchtigten Pflanzen mit. Nach Rückkehr zur Hütte legte sie diese Probe erst einmal in Sichtweite der Bergstrahlung aus. Alsdann machte sie sich mit Gundula daran, den frisch geernteten Hanf zu filtern. Tatsächlich blieb ein feiner Staub neben dem Hanf übrig, ließ sich von diesem dann mit reichlich Wasser ganz gut trennen. Hier untersuchten sie weiter und Gundula war fasziniert von Illuminatas Kenntnissen, Möglichkeiten.
Endlich kam Illuminata zu einem Schluß: „Pulver oder Staub – das ist keineswegs bloß harmlos zermahlenes Gestein, da ist etwas wie Magie drin, etwas Manipulatives, Halluzinogenes. Indessen doch eine relativ geringe Konzentration. Dies hat sich bei mir offenkundig bloß durch die Inhalation zusammen mit dem Bubatz verstärkt.
Wenn die Leute also Korn oder Gemüse ernten, reinigen, ist es belanglos, jedenfalls aktuell bei der Menge, eventuell ist man damit etwas anfälliger für Unfug – indessen könnte das bei höherer Konzentration ganz schön blöd im Kopf machen – hmmmm, weier! – normaler Staub ist das keineswegs, da muß Absicht dahinterstecken, irgendeine Schurkerei, mutmaße ich gleich einmal keck drauflos!
Aber dieser Staub ist eine Spur zur Ursache, denn wenn Magie drin ist, in diesem Staub vom Berg, hat das jemand verursacht, welcher große magische Macht hat, keine Skrupel, diese auch einzusetzen …“
Gundula zog ihre Stirn kraus: „Wer könnte dies sein?“
Illuminata kratzte sich am Kopf, stieß daraufhin hervor: „Weier!
Dazu fällt mir nur VladPute ein, ein skrupelloser Magier, machtgierig, durchtrieben, rücksichtslos, brutal, intrigant …“
Gundula hakte nach: „Aber wozu?“
Illuminata schaute sie ernst an: „Sehr gute Frage bei VladPute.
Wenn der etwas anstellt, ist stets Arges im Gange!“
Gundula insistierte: „Nuja, aber gespaltener Berg, Leuchten, leicht manipulatives Geriesel, welches erst in hoher Konzentration zusammen mit Bubatz wirkt – wozu?“
Illuminata entgegnete: „Ein gespaltener Berg mit bedrohlichem, unheimlichem Leuchten schüchtert schon ein, schafft eine Basis von Angst in der Gegend, was es erleichtert, Leute zu manipulieren, diese zu etwas zu bringen, diese mit Lügen, Betrügereien unter Kontrolle zu bringen, dummen Vorschlägen zu folgen. Ist jedoch gleichfalls richtig, auf die geringe Konzentration von dem manipulativen, magischen Pulver kann ich mir in dem Kontext allerdings keinen Reim machen – indessen – obgleich VladPute schlau, durchtrieben ist, gelingt ihm selbst längst nicht alles so, wie gedacht, er schwelgt eben doch auch gerne in eigenen Machtphantasien. Gut möglich also, daß wir gerade den Anfang einer groß angelegten Aktion erleben, die leicht schiefgegangen ist.
Doch, so wie er ist, bleibt der hartnäckig am Ball und legt nach!
Denn vorbei ist es ja keineswegs, der Berg leuchtet weiter, es geht weiteres Pulver in die Wolke über, wenn diese sich auch kaum in unsere Richtung auszudehnen scheint.
Die Aktion ist noch im vollen Gange, er führt irgendeine Schurkerei im Schilde!“
Gundula zischte: „Uff!“
Sie gingen zu den Keinhörnern und teilten die Ergebnisse, Spekulationen.

Die Sichtung der jüngst ausgelegten Pflanzenprobe ergab auch bei diesen eine Erschlaffung. Mit einer Lupe analysierte Illuminata genauer und entdeckte subtile kurze Leuchteffekte, dies war ihrer Meinung oder Einschätzung nach eine Abwehrreaktion auf das magische Pulver.
Sie nickte zufrieden und holte noch eine weitere, größere Probe samt Wurzelballen, testete eine kurze Bestrahlung, guckte wieder und erläuterte endlich: „Damit habe ich ein grobes Maß für die Intensität der Strahlung, immerhin!
Das ist ein zweiter Effekt, jenseits des magischen Pulvers. Das Leuchten ist keineswegs bloß sichtbares Licht. Da steckt mehr Energie drin.
In geringer Konzentration prasselt das immer auf unseren Planeten ein, doch dies hier kommt doch mit dem Licht aus der frischen Bergspalte, das ist gemacht, von anderer Art mit künstlichem Ursprung!“

Erika fragte: „Was aber nun, was unternehmen wir – wir können uns derlei doch nicht einfach gefallen lassen, immerhin schwelt die Bedrohung ja weiterhin über uns – jederzeit könnte eine größere Menge von dem Zeug mit einem neuen Ausbruch in die Gegend geblasen werden – und diese Strahlung wollen wir ja auch nicht dulden – welche Möglichkeiten haben wir?“
Illuminata erläuterte: „Wie es aussieht, müssen wir nachsehen, meine Vermutung prüfen. Je nachdem, was wir vorfinden, flexibel handeln, eingreifen, die Quelle der Strahlung sowie des Pulvers abschalten, um wieder zur Ruhe zu finden, dem nicht mehr ausgesetzt zu sein …“
Sie nickten alle.

Erna gab zu Bedenken: „Wenn die Strahlung jedoch heikel ist, oben zudem noch mehr Pulver, hmmm, gefährlich, oder?
Wenn wir dort nachsehen würden?“
Illuminata räumte ein: „Durchaus eine Mission für Mutige, aber doch wohl notwendig. Einerseits können wir einen Umweg wählen, welcher uns über große Strecken schonen wird, andererseits können wir die Einwirkung auch zeitlich eingrenzen auf das Notwendigste, ferner werden wir einen Trank mitführen, welcher neutralisiert, wenn die Belastung nicht zu hoch wird, ich gebe euch vorsichtshalber auch etwas, was die Festsetzung des Materials reduzieren wird. Und ferner werde ich nach etwas Lektüre ein Zaubermittel verfügbar haben, welches jedenfalls die Strahlung über kurze Zeit abwehren kann, nicht den kompletten Weg, aber für einige Minuten bestimmt, so können wir auch in der Nähe des Spaltes schnell von einer Deckung zur nächsten eilen. Was die magische Wirkung betrifft – tja, nachdem ich davon weiß, werden wir alle ein Gegenmittel einnehmen und ich werden Reserven mitführen.“
Mit diesem Plan waren alle einverstanden, wenn auch Erna und Eckbert über ihren Schatten springen mußten, um mitzugehen, wobei für sie nun schwerer wog, den Freunden beizustehen.

Kurz diskutierten die Keinhörner mit Illuminata die einzuschlagende Route. Die Keinhörner kennen sich gut im Tal aus, weniger hinsichtlich eines Passes bereits jenseits ihres Tals zur anderen Seite der Bergkette. Aufgrund der Ausrichtung des Risses im Berg spekulierte hier Illuminata über einen geeigneten Zugang mit minimaler Strahlenexposition, denn diese schien ihr heikler als das magische Pulver, gegen welches sie ein wirkungsvolleres Mittel parat hätte. Diese Meidung der Sicht auf die leuchtende Bergkuppe kam allen sehr entgegen, weshalb die Keinhörner bloß noch Details zum Weg zum Paß ergänzten, was wiederum insgesamt zu einem etwas weiteren Bogen führte. Nach einer kleinen Stärkung ging es dann endlich los.

Erst einmal ging es indessen hinunter, denn der Weg sollte sogar aus dem Tal heraus und um einen Bergkamm herum führen, um vor der Strahlung des Berges über weite Strecken geschützt zu sein. Jener Teil ihrer Mission vom Paß sowie auf der anderen Seite des Berges wäre dann auch Neuland für die Keinhörner.

Unten am See mit der Blumenwiese kam es alsdann zu einer Begegnung mit einigen noch anwesenden erwachsenen Keinhörnern. Diesen mußte nun der Plan offenbart werden.
Kommentar zu Erika, Erna und Eckbert: „Aus unserem geschützten Tal heraus?
Das wäre ja wohl ein unverantwortliches Narrenstück!“
Erna erwiderte standhaft: „Das Pulver vom Berg, das gefährliche Leuchten – immer mehr wird sich hier verbreiten und unsere Lebensgrundlagen vergiften, uns das Leben im Tal schwer machen.
Schon jetzt ducken wir uns doch ängstlich hinter Ecken, Felsen, ins Gebüsch, um das Leuchten zu meiden, was richtig ist – doch so wollen wir doch nicht auf Dauer weiterleben?
Bereits das Verbergen vor Trophäenjägern ist eine Last, aber jetzt noch hier in unserem Tal verstecken vor dem Leuchten der Berges, magischen Pulver vor jedem Bissen erst wegwaschen, damit das Wasser verunreinigen?
Es muß etwas unternommen werden – ihr habt unseren Plan gehört – Risiko ist so oder so dabei, ohne Gegenmaßnahmen aber sind wir der schädlichen Strahlung sowie dem manipulativen Zeug zur Kontrolle hilflos ausgeliefert!“
Es gab einige Brummelei, weitere Beratung.
Die Wortführerin der Erwachsenen sprach endlich: „Durchaus gute Argumente.
Euren Mut, euren Datendrang in dieser Angelegenheit müssen wir durchaus würdigen. Praktisch solltet ihr aber wenigstens nicht am Tage das Tal verlassen. Dort draußen außerhalb des Schutzes des Tals könntet ihr leicht gesehen werden. Denn in kleiner Zahl wirkt unsere Unauffälligkeit deutlich schlechter, gut, das Horn könnt ihr weiter verbergen, aber ihr seid im Bewußtsein von Passanten bei Begegnungen viel präsenter.
Ganz dunkel wird es zwar auch in der Nacht nicht werden, dieses restliche Licht erleichtert es euch einerseits, den Weg zu finden, andererseits bleibt es dunkel genug, damit ihr nicht entdeckt werdet, nachts sind zudem ohnehin wenige Menschen unterwegs in dieser Gegend, jenseits des Berges wissen wir dies nicht …“
Illuminata nickte überlegend, schaute zu Gundula: „Wie sieht es eigentlich bei dir aus?
Heute schaffen wir diese Mission ohnehin nicht mehr, später Nachmittag ist es bereits.
Wirst du nicht daheim erwartet?“
Gundula atmete tief durch, nickte alsdann aber mit enttäuscht hängenden Schultern.

Nach einer Pause insistierte Gundula: „Ich will aber mit euch gehen!“
Illuminata schaute in die Runde, meinte: „Wie es aussieht, ist es auch für die Keinhörner sinnvoller, eine Pause einzulegen. Wir würden nachts die Passage um den Bergkamm wagen, auch jenseits des Kamms gibt es selten Wanderer. Die großen Ansiedlungen, auf welche es wahrscheinlich auch VladPute primär abgesehen hat, liegen ohnehin ganz auf der anderen Seite des Bergmassivs. Mir scheint, wir hier sind bloß Kollateralschäden, späterer Beifang, wenn seine Macht sich bereits ausgedehnt hat, er jene größeren Städte unter Kontrolle hat. So oder so wird also auf unserem Weg nicht viel los sein, einzig die Kehre um den Kamm herum ist etwas kritischer, auch wegen des Dorfes.
Nun wäre meine Idee, wir regeln das so, daß wir zunächst hier rasten, du, Gundula, indessen kehrst zeitig zum Sonnenuntergang in dein Dorf zurück, auch damit dort keine Unruhe aufkommt oder gar noch Suchtrupps in der Nacht unterwegs sind. Ohne Vermißte bleibt es also ruhig und Erna, Eckbert, Erika und ich wagen des Nachts die Kehre um den Kamm.
Zwar bin ich dort selten unterwegs gewesen, aber dort gibt es durchaus einen größeren Hain, in dem wir uns gut verbergen können - kennst du diesen ebenfalls?“
Gundula nickte: „Ja klar, den kenne ich, da wagt sich sonst auch niemand rein, ähnlich wie hier am Anfang des verborgenen Tals …“
Illuminata: „Gut, morgens ziehst du früh, aber ausgeschlafen mit etwas Proviant für dich wieder los zu jenem Hain, wir beobachten dich, passen dich ab, alsdann setzen wir danach zusammen unsere Mission fort, neuer Tag, neue Chance!“
Gundula strahlte zufrieden: „Klingt nach einem sehr guten Plan!“
Darauf konnten sich auch die anderen einlassen. Zwischendurch spürten sie sogar wieder leichte Beben vom Berg, als sie noch zusammen waren, jedoch harmloser als am Morgen, auch zeigte der Berg keine auffälligen Veränderungen. Etwas hielt sich Gundula noch bei den anderen auf, zog alsdann rechtzeitig los zurück ins Dorf.

Im Dorf hatte sich tatsächlich noch niemand um Gundula gesorgt, denn sie war öfter bis zum Abend unterwegs. Als sie daheim ankam, gab es allerdings doch eine kurze Nachfrage, der besonderen Situation mit dem Berg geschuldet. Unterdessen war der Berg zwar durchaus weiter Gesprächsthema im Dorf gewesen, niemand hatte indessen erwogen, diesbezüglich nach Ursachen zu forschen, man setzte also eher auf ein vorübergehendes Phänomen, welches sich von allein zu erledigen hatte – oder dem man wahlweise ohnehin nichts entgegenzusetzen hatte, man mußte schlicht dulden, so die einhellige Meinung im Dorf. Gundula konnte hinsichtlich ihrer Aktivitäten schnell abwiegeln, ablenken, daß kein Verdacht aufkam, sie könnte es anders halte als der Rest der Dorfgemeinschaft. Damit kam ihre Familie schnell zur Ruhe, wenngleich das Phänomen am Berg, das fahle Leuchten die Stimmung drückte. Alle ahnten, daß da noch mehr Unheil drohte, doch wie Gundula weiter erfuhr, hatte man zwar im Dorf weiter beratschlagt, war indes zu keinem Ergebnis gekommen als zu hoffen, daß sich die Lage von selbst wieder beruhigt. Damit hatte also die übliche Trägheit auch in diesem Falle bei den Dorfbewohnern gesiegt.
Was einen nicht direkt bedroht, ist zunächst ein Problem anderer Leute – wenn überhaupt eines!

Trotz der Aufregung, vielleicht aber auch wegen der Anstrengungen des Tages, kam Gundula doch bald zur Ruhe, schlief ein. Der Schlaf der Jugend kann tief und fest sein, auch in bedrohlicher Lage. Ferner brauchte sie die Erholung, um der Mission am nächsten Tag gewachsen zu sein. Eventuell hatte aber auch das Pulver vom Berg eine gewisse Wirkung, einlullend, beruhigend. Insbesondere bei den Dorfbewohnern schien sie doch die Gleichgültigkeit noch zu fördern.
Waren nicht auch bereits die erwachsenen Keinhörner aufgeschlossener für ihre Ideen gewesen, leichter zu überzeugen?
All dies bereits eine leichte Wirkung des magischen Pulvers?

Illuminata, Erika, Erna und Eckbert zogen also nachts los. Leichte Bewölkung dämpfte einerseits das Mondlicht, verteilte indessen andererseits gleichfalls das Leuchten des Berges breiter, daß es keineswegs ganz dunkel war. Vorsichtig schauten sie in die doch ruhige Nacht jenseits des Tals. Im Dorf waren die Lichter erloschen, sonst nichts weiter zu sehen, also wagten sie sich hervor, zogen über Wiesen herum um die Ausläufer des Bergkamms auf die andere Seite, fanden dort wie erhofft den schützenden Hain. Das gute Gespür der Orientierung der Keinhörner im Walde, in der Natur half der kleinen Gruppe ganz gut, sich im Dämmerlicht des Hains so weit zurechtzufinden, daß sie sich nahe des Hainrandes ein gut geschütztes Lager einrichten konnten. Hier ruhten auch sie, warteten auf den Morgen mit Gundulas Ankunft, um die Mission gemeinsam fortzusetzen.

Morgens war Gundula wieder früh munter, was bloß zweitrangig an leichten Beben lag. Dennoch waren auch die anderen im Hause erwacht. Nach kritischen Blicken auf den Berg ging das Dorfleben weiter, denn zwar hatte sich über dem Berg die schimmernde Wolke vergrößert, aber doch primär zur anderen Bergseite hin, was nur so eben erkennbar war, denn sonderlich hoch hing die Staubwolke nicht über dem gespaltenen Berggipfel und als Streuung des Lichtes, welches aus dem Riß im Berg kam, wurde dieses in der Wolke seitlich auch schnell fahler. Menschen gewöhnen sich relativ schnell auch an ungewöhnliche Umstände. Also würde auch diesen Tag das Leben im Dorf nahezu wie gewohnt weitergehen, die übliche Trägheit obsiegen.

Gundula verabschiedete sich abermals früh, vergaß dabei nicht ihren Proviant für den Tag. Vom Dorf weg schlenderte sie zunächst gemütlich, schlug einen Bogen ein, um so eventuellen Beobachtern keine direkten Rückschlüsse auf ihr Ziel zu offenbaren.

Trotz des kleinen Umwegs kam sie noch im Morgengrauen beim als Treffpunkt auserkorenen Hain an, schaute umher. Kurz darauf trat aber auch schon Erika aus dem Hain hervor; ohne diese explizite Geste wäre sie nicht erkennbar gewesen. Gundula eilte auf sie zu, beide begrüßten sich, begaben sich zu den anderen, welche sich auch bereits zum Aufbruch bereit machten.
Gleich tauschte man sich aus, zwar schienen die bloß leichten Beben nicht weiter alarmierend zu sein, als Gundula allerdings von der vergrößerten Staubwolke berichtete, welche vom Hain aus nicht sichtbar war, zog Illuminata doch ihre Augenbrauen hoch, kommentierte: „Es ist etwas im Gange, die Schurkerei nimmt weiter ihren Gang …
Soso, zieht primär zur anderen Seite, gut für unsere Seite, aber absehbar, denn dort liegen jene Städte, auf welche VladPute es eigentlich erst einmal abgesehen haben wird. Hat er die Leute mit dem magischen Propaganda-Pulver hinreichend berieselt und vernebelt, hat er leichtes Spiel, dort zu manipulieren und die Kontrolle zu übernehmen. Beim wem es nicht hinreichend funktioniert, der verschwindet ziemlich schnell, dafür findet er schnell Vasallen, Speichellecker, Opportunisten …“

Bald darauf setzte die Truppe ihre Mission fort, zog hinauf zum Bergpaß. Bloß einmal war in der Ferne jemand zu sehen, wobei es leicht war, sich zu verbergen. Jenseits des Passes zogen sie weiter. Hier war nun mehr von der unheimlichen Wolke erkennbar. Illuminata verteilte schon einmal vorsorglich das Gegenmittel an alle. Ein Teil davon sollte gegen heikle Partikel, die mysteriöse Strahlung helfen, ein anderer Teil die Wirkung des magisches Pulvers neutralisieren.

Irgendwann erblickten sie in der Ferne eine eigenartige Gestalt, irgendwie verhutzelt, orange Gesichtsfarbe, künstlich wirkendes, wirres, dünnes Haar, dicklich mit zu kurzen Beinen, zu kleinen Händen, bedingt auch durch die Statur eigenartigem Gang. Diese Gestalt schien auf dem Weg vom Berg hin zu einer der Städte in der Ebene zu sein, hatte es indessen allerdings offenkundig gar nicht so eilig, schaute sich immer wieder gern selbstverliebt, bewundernd in einem kleinen, goldenen Spiegel an.

Illuminata hob ihre Hand: „Obacht!
Den erkenne ich, das ist Trumpelstielzchen!“
Gundula schaute genauer, erwiderte: „Stimmt den eigenartigen, böswilligen Kauz habe ich vor längerer Zeit auch mal im Dorf gesehen, er wollte den Leuten nutzloses Zeug andrehen, sie mit Geschäften hereinlegen oder gar auf doch durchsichtige Weise erpressen, um ihm etwas zu seinem Vorteil zu überlassen. Ein übler, wenn auch eher dummer, dickfälliger Gauner ohne jegliche Empathie, lästert mitleidlos über andere, lügt herum, um sonst friedliche, arglose Leute mit Unterstellungen gegeneinander aufzubringen, um sie gegeneinander auszuspielen. In der Gemeinschaft anderer Menschen blüht sein Haß auf alles richtig auf und er verteilt jedenfalls davon großzügig. An anderen Menschen liegt ihm also nichts, wenn diese nicht seinem unmittelbaren Vorteil dienen.
Aber er liebt sich selbst mehr als alles andere – und wiegt sich in der Illusion, alle anderen müßten dies auch so sehen, also samt seiner irrigen Selbsteinschätzung von Genialität …“
Illuminata nickte: „Eine ganz gute Einschätzung. Obgleich er selbst relativ leicht manipulierbar ist, in der Tat eher etwas dösig, ist er doch skrupellos und hartnäckig, ein unangenehmer Zeitgenosse.
Ich meine, nachdem er sich wohl eine Weile so als Betrüger, Trottel und Möchtegern-Charmeur der geschmacklosen Art durchgeschlagen hat, ist er irgendwann unter VladPutes Einfluß geraten und dient jetzt diesem als Lakai sowie Erfüllungsgehilfe.
Einerseits könnten wir von diesem Typen allerhand erfahren, wenn wir uns etwas einschmeicheln, denn er läßt sich schon leicht manipulieren, wenn man auf seine Schwächen eingeht und ihn als genial und hübsch, charmant, erfolgreich und so preist. Andererseits müssen wir vorsichtig sein, daß er uns nicht rammdösig im Kopf macht oder er etwas gegen uns unternimmt.“

Erika überlegte: „Was wäre unser Plan?
Uns verbergen, ihn vorbeiziehen lassen?
Noch hat er uns ja nicht bemerkt, ist zu sehr damit beschäftigt, sich selbst in dem kleinen Spiegel zu bewundern, ui – gerade küßt er sein Spiegelbild leidenschaftlich – was für ein Idiot …“
Sie lachten alle.

Gundula meinte: „Er kommt vom Berg, könnte also als VladPutes Assistent oder Idiot eine Menge wissen, zudem einen Auftrag haben, Unheil in der Stadt dort anzurichten. Wenn es uns gelänge, ihn auszuhorchen, eventuell gar zu täuschen und umzudrehen, hätten wir allerhand Gewinn aus dieser zufälligen Begegnung gezogen … immerhin, wenn ich mich richtig erinnere, prahlt er gerne, kann gewiß schon deshalb Geheimnisse, Vertraulichkeiten schlecht für sich behalten, wenn diese sich dazu eigenen, sich damit zu brüsten, bestimmt mimt er auch gerne den Helden … damit könnten wir ihn reinlegen, den Spieß gewissermaßen umdrehen …“
Illuminata hob warnend ihre Hand, sinnierte, meinte dann allerdings: „Ein durchaus riskanter Plan, meine Liebe.
Auf der anderen Seite ein durchaus guter Einfall, dieser Ansatz könnte uns in der Tat entscheidend voranbringen, wenn wir diese zufällige Begegnung zu nutzen wissen – muß aber auch erst einmal gelingen … nun, frisch gewagt ist halb gewonnen!“
Gundula schlug vor: „Die Keinhörner bleiben erst einmal im Hintergrund, wir beide indessen riskieren es, sprechen ihn an?
Uns wird er nicht einlullen können, wir indessen können seine Eitelkeit, seinen Narzißmus gezielt füttern, in dadurch austricksen …“
Damit waren alle einverstanden und der Plan war beschlossen.

Eckbert, Erika und Erna verbargen sich also hinter Strauch und Felsen. Illuminata warf ein Zauberpulver über sich und Gundula, um ihre eigene Identität gegenüber Trumpelstielzchen unkenntlich zu machen und sich und Gundula resistenter gegenüber Schmeicheleien zu machen, gleichzeitig aber angenehm attraktiv zu erscheinen, um den Kauz für sich einzunehmen. Anschließend schlenderten Illuminata sowie Gundula dem Trumpelstielzchen entgegen.
Illuminata warnte noch kurz: „Wir müssen etwas aufpassen, denn der Kauz grabbelt auch ganz gerne bei Frauen und tut so, als sei dies eine Schmeichelei …“
Gundula zog ihre Nase kraus: „Eckelig, aber wenn er etwas versucht, werde ich massiv zurückschmeicheln, daß ihm nur so schwindelig wird!“
Beide schmunzelten, waren sich sicher, gemeinsam schon mit dem Trottel fertig zu werden, wenn sie auch vorsichtig in ihrer Einschätzung blieben, ob ihr Plan klappen würde, das Trumpelstielzchen ergiebig auszuhorchen oder gar umzudrehen.

Trumpelstielzchen war in der Bewunderung seines Spiegelbildes derart vertieft, daß er auf dem Weg immer wieder leicht stolperte und zudem auch noch das Herankommen von Gundula und Illuminata übersah. Dies lag auch daran, daß sich die beiden aufgrund einer Weggabelung schräg von hinten näherten. Nahe genug heran wirbelte Illuminata ein Pulver kurzfristiger Desillusionierung zum Trumpelstielzchen hinüber, welcher dadurch plötzlich und unerwartet sein wahres Ich im Spiegel sah, aufschreckte und den Spiegel angewidert, irritiert wegsteckte.

Nun erst vermochte er die Tritte der Herannahenden zu hören, drehte sich leicht um, richtete sich pompös in bereits wieder eintretender Selbstillusionierung auf, sprach harsch: „Wer wagt es, mich zu stören?“
Gundula beschwichtigte gleich bescheiden: „Untröstlich sind wir, dich irritiert zu haben, dies lag uns fern, indessen konnten wir uns der Faszination deiner Persönlichkeit nicht entziehen, mußten einfach herbeieilen um deine Erscheinung zu preisen!
Welch Entschlossenheit, Männlichkeit, Herrlichkeit dringt aus jeder Pore, welch mächtige Aura der Geschäftigkeit, in welchem Glanze dürfen wir uns sonnen!“
Illuminata atmete tief durch, rollte kurz ihre Augen und ergänzte bloß: „Genau!“
Trumpelstielzchen fühlte sich wirklich gleich geschmeichelt, lächelte milde: „Dann ist es etwas anderes, euch in meinem Glanz zu wärmen, sei euch kurz gewährt!
Was könnt ihr sonst Gutes für mich tun?“
Gundula deutete eine artige Verbeugung an, erwiderte: „Sehr gnädig, edler Titan. Wenn ihr unsere Neugier verzeihen mögt, so hätten wir doch sooo gerne gewußt, was einen so prächtigen Titanen so einsam in diese Gegend führt, ihn von seinen gewiß wichtigen Geschäften abhält. So hängen wir an deinen Lippen, um uns an deinem aktuellen Vorhaben zu erfreuen, verblüfft horchen wir, was du berichten mag, mit welcher Genialität du deine Mitmenschen segnen magst …“

Trumpelstielzchen schaute beide bloß kurz abwägend an, führte sodann munter aus: „Verdient haben die es nicht, aber mein Weg führt in jene Stadt“, er machte eine Geste zur in der Ferne sichtbaren Stadt, „… beglücken will ich jene Unwürdigen mit meiner Aufmerksamkeit, ich will ihnen Freiheit bringen – durch meine Genialität – denn niemand außer mir weiß besser, was Freiheit und Glück ist – ich werde ihnen offenbaren, daß ihr Glück allein darin liegt, ihr Schicksal mir anzuvertrauen, denn niemand außer mir weiß besser, was zu tun ist, um die Stadt wieder groß zu machen … wahrlich, noch sind sie verblendet, doch werde ich ihnen ein lukratives Geschäft anbieten, ich lasse sie an meiner Genialität teilhaben, ich befreie sie von ihren dummen Anführern, welche bloß gute Geschäfte verhindern mit dummen Gesetzen und Regelungen, die behindern, was mir mehr Reichtum bringen wird!
Ja, durch mich allein wird die Stadt wieder groß werden, niemand außer mir weiß, was dafür zu tun ist!“
Der Schwall seiner Worte schwappte schon mächtig zu ihnen herüber, doch dank der Mittelchen hielten sie gut stand, konnten sich ein Lachen sauber verkneifen.
Illuminata konnte es nicht lassen und fragte kurz nach: „Ach, ist die Stadt denn klein geworden?
Habe ich gar nicht mitbekommen …“
Gundula knuffte sie in die Seite.
Kurz war er irritiert, erwiderte daraufhin allerdings: „Ich werden sie zu ungeahnter Größe führen. Ja, unter meiner Führung werden sie wieder groß sein, durch meine Genialität die tollste Stadt überhaupt sein …“
Mit ernster Miene kommentierte Gundula: „Dies ist sehr edelmütig, großmütig, weise von dir, jene Städter von deinem Abglanz derart selbstlos profitieren zu lassen …“

Er schaute sie geschmeichelt an: „Wohl gesprochen, schöne junge Dame, wie klug auch du bist, dies sogleich einzusehen, mit dieser Einsicht wäre da vielleicht sogar ein Platz an meiner Seite …“
Gundula lächelte freundlich, verdeckte damit den Schrecken über dieses Angebot: „Ähm, weil du ja so genial bist, so klug und wissend, wir indessen dumm und gar nicht informiert, aber doch sehr neugierig, du zudem grob aus der Richtung gekommen bist: Weißt du zufällig, was dort mit dem Berg passiert ist?
Hmmm – und diese arge Wolke, welche nun über das Land zieht, das eigenartige Leuchten – oder ist dies einer deiner Geniestreiche, den Menschen in der Stadt Erleuchtung zu bringen?“
Trumpelstielzchen nickte anerkennend, erläuterte gerne: „Schon ganz gut erraten. Du mußt vorab wissen, wie sehr diese Leute dort derzeit noch getäuscht werden. Ihre Gedanken werden umnebelt durch das Ungeziefer der dortigen Stadtregierung – auch in jener Stadt dort …“, er machte eine Geste in Richtung einer anderen Stadt, kaum erkennbar in weiterer Entfernung, doch dorthin schien noch ein größerer Teil der Wolke zu ziehen.
Er fuhr fort: „Dies Ungeziefer muß zernichtet, zerquetscht werden, um die Menschen zu befreien, die sagen denen, was sie sagen und denken dürfen – dabei wissen wir, also ich und mein Kumpel Vladi doch allein und besser als jeder sonst, was die Menschen denken und sagen sollten, deshalb ist alles andere Zersetzung und Freiheitsberaubung – wer anders denkt, als wir es wollen, beraubt die Menschen um unsere Weisheit, Wahrheit, die Segnungen unserer Genialität – das muß endlich ein Ende haben!“

Nun hakte Illuminata kurz nach: „Dein Kumpel Vladi?
Ist gar nicht mitgekommen?
Hat er anderweitig zu tun?
Klar bist du genial genug, um das gerade mal allein zu regeln, aber so unter Kumpels macht doch mehr Spaß?“
Trumpelstielzchen neigte seinen Kopf: „Spaß?
Es ist uns sehr ernst, sie alle zu erretten, sie unter unserem mächtigen Schutz zu bergen.
Und nein, ähm, Vladi, also für andere als für mich bekannt als der große Magier VladPute, muß das noch kontrollieren mit der Wolke und so, komplizierte Magie, gewaltige Macht, prächtige Sache und so, schon beeindruckend, da braucht es – ähm – unsere Genialität, um derlei unter Kontrolle zu behalten, damit sich das auch richtig ausbreitet, damit die Leute erleuchtet werden, vorbereitet werden auf unsere Ankunft, also erst einmal auf meine, damit wir die Kontrolle übernehmen können und so …“
Illuminata nickte nachdenklich: „Jaaa, VladPute, das ist so einer – hmmmm, und der schickt dich vor, du, der Tollste, Schlaueste überhaupt, folgst seiner Weisung?“
Trumpelstielzchen räusperte sich: „Sooooo habe ich das noch gar nicht gesehen, ähm … Weisung, naja …“
Gundula spekulierte: „Er könnte dich mit Schleimerei, Schmeichelei in einem schwachen Moment überrumpelt haben, nun bist du plötzlich sein Vasall, Erfüllungsgehilfe?
Oder hat er gar Magie gegen dich eingesetzt, um deine Genialität ihm gegenüber zu vernebeln, damit du seine Absichten nicht durchschaust?
Hast du erst in der Stadt die Vorarbeit geleistet, ändert er die Mischung in der Wolke und bringt damit alles unter seine Kontrolle, schaltet dich eiskalt nachdem du ihm den Weg gebahnt hast?
Ist er vielleicht gar nicht dein Kumpel, nutzt dich bloß aus?
Ich habe gehört, er soll ein eiskalter Trickser sein, der gerne Geschäfte auf eigene Rechnung macht, auch nicht davor zurückschreckt, Kumpels übers Ohr zu hauen, sich nicht an Vereinbarungen hält, auf eigene Rechnung macht und dafür gerne andere einspannt, was einzig durch den Einsatz von Magie gelingen kann, wenn jemand so genial, scharfsinnig wie du ist …“
Trumpelstielzchen sah sie erschrocken an, fuhr sich durch seine Haare: „Du meine Güte, welch finsterer Gedanke ist mir da gekommen?
Jetzt, wo ich nicht mehr unter seinem unmittelbaren Einfluß stehe?
Wird erst jetzt mein Verstand wieder richtig wach?
Fällt mir nun alles wie Schuppen aus den Haaren, wie er mich einglullt hat mit fieser Magie?
Wäre Vladi dies wirklich zuzutrauen?“
Gundula: „Du genialster unter allen Genies – wer außer dir könnte seine durchtriebenen Pläne durchschauen?
Insbesondere jetzt, wo sein betäubender Einfluß durch die Entfernung nachläßt, du wieder zur vollen Wirkmächtigkeit deines Verstandes Zugriff bekommst?
Denn selbst du bist nicht gefeit gegen seine Hinterlist, seine Raffinesse, denn mit seiner Magie kann er dir die Gedanken verdrehen – doch nun, seinem direkten Einfluß entzogen, werden deine Überlegungen wieder freier, dein Genie erwacht wieder und durch beginnst, seine Pläne zu durchschauen!“
Trumpelstielzchen grumpelte, grübelte, raufte sich seine wirren Haare wie Gedanken, wobei erstere wirklich dabei zerzaust als Perücke verschoben wurden, bei letzteren konnte die Zerzausung ja bloß impliziert werden.

Sein Gesicht färbte sich von dem sonstigen ungesunden Orange zu einem Rotorange.
Schwer wälzte er die Gedanken im trägen, bescheidenen Gehirn, dann brach es aus ihm heraus: „Dieses Aas, dieser Schurke!
Vladiiiii!
Mich mit Magie derart zu behumpsen!“
Trumpelstielzchen trumpelte heftig herum, hatte einen richtigen Topsuchtsanfall und tanzte diesen aus, raufte sich den Haarersatz, daß dieser sich immer wieder von der Kopfhaut löste, hernach wieder in den dortigen Kleber gedrückt wurde, was so schief noch unglaublich dämlicher aussah, als ohnehin schon im Normalzustand. Er rastete komplett aus, Gundula und Illuminata blieben auf Abstand, kosteten dieses Schauspiel aus, wobei Illuminata noch zusätzlich sowie unauffällig ein Pülverchen hinüberwehen ließ, um die Raserei noch etwas anzuheizen, um Trumpelstielzchen noch heftiger gegen VladPute aufzubringen. Damit sah es schon relativ gut um ihren Plan aus.

Wie ein Zinnzahn trumpelte der Kauz herum, daß es lange dauerte, bis er überhaupt wieder ansprechbar war.
Lakonisch merkte Gundula an: „Klingt nach Rachegelüsten …“
Trumelstielzchen raunzte laut, stieß hervor: „Darauf kannst du einen lassen!“
Gundula fügte hinzu: „Mit deiner Genialität, Überlegenheit an der Seite wären wir dabei, dem auf den Grund zu gehen, dem VladPute eines auszuwischen, sein Ding da oben abzuschalten, Rache!
Wir fühlen deinen Schmerz!
In unserer kleinen Truppe hätten wir sogar noch drei weitere Helfer dabei, die sich bislang zurückgehalten haben, denn sie sind sehr bescheiden, schüchtern, können aber auch ihren Beitrag leisten, die Last vielfältiger Aufgaben mittragen!“
Trumpelstielzchen brummelte weiter, nickte: „Gut, Mitstreiter, mitkommen!
Rache!
Ich liebe Anhänger, je mehr desto besser, ihr habt es durchaus verdient, mich bewundern zu dürfen – und ihr könnt staunen, preisen, zu welch Leistungen mich meine Rachegelüste bringen werden, oh, ich spüre schon meine Genialität überall kitzeln und kribbeln, es muß raus, es muß getan werden – Vladiiii!“
Illuminata hakte noch kurz nach: „Wenn du noch kurz die Güte hättest zu erklären, was da überhaupt vorgeht – als einfach erklärt für unseren simplen Verstand?
Wie kam es zur Spaltung der Bergkuppe, warum jenes Leuchten?
Die Wolke – na gut – da steckt Magie drin für die beabsichtigte Kontrolle der Städte, des Landes, aber der Rest?
Machtdemonstration, Einschüchterung aller rundherum?“
Trumpelstielzchen rumpelte herum, kratzte sich überlegend am Kinn: „Details überlasse ich immer gerne anderen. Als genialer Denker setze ich mehr die Richtung, die Idee.
Vladi, der Schurke, der Magier hat sich um die Details gekümmert – hmmmm – etwas geflucht hat er, als der Berg gerissen ist, dem gelingt längst nicht alles perfekt – aber es funktioniert!
Hauptsache – aber daß er seine Tricks auch gegen mich anwendet – na warte!
Frechheit!
Respektlosigkeit sonder Gleichen!“
Illuminata hakte vorsichtig weiter nach: „Einen ganzen Berg zerreißen, dies andauernde unheimliche Leuchten, da ist doch nicht nur Magie im Spiel?
Was genau hat VladPute mit dem Licht gemacht?
Es sieht so … mächtig aus.“
Trumpelstielzchen grumpelte verlegen, denn selbstverständlich konnte er nicht zugeben, daß die Vorgänge dort weit jenseits seines geistigen Horizonts spielten, endlich erklärte er dazu noch: „Vladi hat da allerhand geschwafelt.
Natürlich sind wir unglaublich, unfaßbar mächtig!
Daß er mich hintergangen hat!
Daß er sich einbildet, ich würde das nicht merken!“

Derweil hatte Gundula die Keinhörner herangewunken, Trumpelstielzchen bloß mit einer Geste vorgestellt, dieser hatte den Zuwachs bloß gnädig abgenickt, ohne seine Toberei, seine Beschimpfungen, sein Gestammel von Rache auch nur zu unterbrechen, denn er war nun einmal voll in Fahrt, sudelte im eigenen Haß, badete in Phantasien der Rachlust.

Illuminata hakte nochmals nach: „Jaja, was für ein falscher Fuffziger, seinen Kumpel derart über den Tisch zu ziehen, dies jedenfalls zu versuchen, aber nun hast du ihn endlich mit gewachsener Distanz mit deiner Genialität entlarven können, den Schurken, den miesen Verräter – ähm – wie war das noch gleich, was hat er geschwafelt, wie er das mit dem Berg angestellt hat‽ …“
Trumpelstielzchen informierte: „Geplant war das ganz so an sich nicht, doch klar, einschüchternd sollte es schon sein, mehr so im Hinterkopf für Widersacher, als Warnung auch für eventuell verbündete Städte weiter weg, bloß keinen Fehler zu machen und sich hier einzumischen – bevor sie selbst dran sind. Wir mögen es nicht, wenn sich andere in unsere Angelegenheiten einmischen, wenn die noch gar nicht dran sind, um sie in ein für uns sehr vorteilhaftes Geschäft zu drängen.
Man muß die Leute oftmals einfach zu ihrem Glück zwingen, ist so!
Also, es ist ihm gelungen, den Kern des Berges oder den Atomkern oder so zu spalten als Quelle mächtiger Energie, um alles anzutreiben. Er hat das Material mit der Energie drin aus dem Berg heraus mit Magie gezogen, konzentriert, den Berg quasi ausgesaugt oder ausgepreßt, hähä, ja alles rausgepreßt, was, nützlich sein kann für unsere Pläne.
Im Grunde ist das Licht bloß ein Nebenprodukt des Prozesses der Spaltung oder so. Er hat da einiges wirres Zeug erzählt. Jedenfalls treibt der gespaltene Kern mit seiner Energie neben dem Licht als Nebenprodukt die Magie in die Staubwolke, welche sich ausdehnt, mit dem Wind, der günstig steht, aber da mag auch Magie im Spiel sein, hat er nicht so genau erklärt. Er macht allerhand, Details eben, lästiger Kleinkram, um den ich mich nicht so kümmere.“
Gundula schmeichelte: „Klar, du bist der Kopf, das Gehirn, du bist der Kern, VladPute macht bloß so in Details herum, hat er dich glauben machen. Nun ist klar geworden, daß er hinter deinem Rücken gegen dich gnadenlos intrigiert, das kann bloß schiefgehen …“
Trumpelstielzchen stieß hervor: „Rache!
Dieser Verräter!“
Gundula schmeichelte weiter: „Du wirst der Held sein, welcher VladPute aufhält und die Menschen werden dich dafür lieben, diesem Intriganten sein übles Spielzeug genommen zu haben, die Menschen von diesem Drangsal befreit zu haben.
Sie werden dich verehren dafür, dir Denkmäler setzen, dein Ansehen wird unsterblich sein!“
Trumpelstielzchen fühlte sich sehr verstanden: „Sowieso!
Niemand außer mir kann diese Heldentat vollbringen.
Niemand versteht wie ich, was dafür zu tun ist!
Nun dürfen wir uns nicht weiter verschwätzen, Aufbruch!“
Gundula und Illuminata bestärkten ihn: „Jawollja!“
Die Keinhörner mieden in Trumpelstielzchen Gegenwart Sprache, um diesen nicht intellektuell zu überfordern.
Jedenfalls machte Trumpelstielzchen kehrt und die anderen spielten sein Gefolge, was sich für diesen wiederum sehr gut anfühlte, denn wir ahnen es: Niemand außer ihm weiß lobpreisendes Gefolge mehr zu schätzen!

In der Abfolge wurden Erna und Eckbert hinter Trumpelstielzchen der Vortritt gelassen. So ergabt sich die Gelegenheit zum leisen Austausch zwischen Erika, Gundula und Illuminata.
Erika spekulierte: „Kern des Berges, Spaltung des Atomkerns – der brabbelt doch irres Zeug und hat den Schuß nicht gehört, blickt gar nichts?“
Gundula spekulierte: „Nichtsdestotrotz könnte er wichtige Stichwörter aufgeschnappt haben …“
Illuminata nickte noch weiter überlegend: „Ja, jene Stichwörter hat er sich ungefähr wohl gemerkt, trotz wirren, schwachen Geistes. Darauf kann ich mir durchaus grob einen Reim machen …“
Erika ermunterte: „Lasse ihn hören, lasse uns teilhaben!“
Illuminata schmunzelte kurz, runzelte dann jedoch gleich wieder ernst ihre Stirn: „Den Reim lasse ich mal beiseite. Aber gut, Kern des Berges ist wohl eine Metapher, obgleich VladPutes Bunker oder Schutzraum offenkundig durchaus im Berg liegen dürfte. Eventuell ist er beim Wühlen seiner Schurkenhöhle oder bei der Erkundung eines Höhlensystems ja wirklich auf etwas gestoßen, eine Ader mit hoher Konzentration geeigneter Mineralien – keineswegs geradezu auf das Herz oder den Kern des Berges wird er gestoßen sein, aber es gibt solche besonderen Mineralien, hmmm, einige anfällig für Magie, andere unterliegen ganz anderen Mächten, sind da schwach und zerfallen, umso heftiger, je mehr man von diesen sogenannten Atomen jener bestimmten Sorten auf engem Raum konzentriert – der Zerfall, ja das ist die Spaltung des Kerns der Atome, dabei schnellen die Ergebnisse der Spaltung auseinander, dies erzeugt Hitze, teils entsteht allerdings auch Licht mit großer Energie. Derlei kann durchaus genutzt werden – Menschen könnten damit Maschinen antreiben, ähnlich Dampfmaschinen, bei denen eben die Hitze der zerspaltenen Atome verwendet wird, um das Wasser zu Dampf zu erhitzen, welches dann Turbinen antreiben kann, die Arbeit verrichten könnten. Noch sind indessen Dampfmaschinen selten – und schon gar nicht mit einem solchen Antrieb.
VladPute als Magier wiederum könnte die Energie wirklich magisch nutzen, für seine Zwecke. Gelingt es ihm, Energie und Magie nach oben zu kanalisieren, aus dem Kern des Berges heraus, sprengt es die Kuppe auf und ein Strahl aus Energie und Magie befördert sein arges, manipulatives Pulver als Wolke empor in die Atmosphäre, in welcher sich dies üble Zeug verteilt. Gelingt es ihm ferner, einen weiteren Teil der Energie zu nutzen, um grob den Wind magisch ungefähr auszurichten, kann er die Konzentration über den gewünschten Städten massiv erhöhen – und Hoppla!
rieselt sein Propaganda-Pulver gleich Mikrotrollen in die Stadt, sickert ins Sein der Bürger wie schleichendes Gift und immer mehr geraten auf Abwege, unter seinem Einfluß, neigen zur Quergläubigkeit, zur Verstörungstheologie, glauben seinen alsdann verbreiteten wirren Propagandageschichten der Zersetzung, der Aufhetzung gegeneinander. Denn wenn die Leute in der jeweiligen Stadt nicht mehr zusammenstehen, wird es leicht, weiter zu spalten, Opportunisten für VladPutes eigene Sache zu gewinnen.
Ein perfider Plan, welcher funktionieren kann, wenn wir diese Schurkerei nicht stoppen!“
Erika knurrte: „Bekommen wir hin, wobei der Depp da vorne gleichzeitig Risikofaktor ist als auch nützlicher Idiot sein muß, um uns den richtigen Weg zu zeigen …“
Illuminata nickte: „Genau!“

Bald darauf brummelte Illuminata: „Apropos Idiot, da will ich vorsichtshalber mal Einfluß nehmen …“
Damit zog sie auch schon los, an Eckbert und Erna vorbei nach vorne zum Führer, Gundula und Erika folgten eilig.
Als sie aufgeschlossen hatte, sprach sie zum Führer gewendet: „Du hast doch beim Weg daran gedacht, daß VladPute dich in der Stadt wähnt?
Wenn er uns heranwandern sähe, wäre er vorbereitet, könnte etwas Magisches in unsere Richtung schleudern, um deinen nun wieder extrem scharfen Verstand wieder zu vernebeln …“
Trumpelstielzchen verzog nachdenklich den Mund: „Hatte ich in meiner Rage gar nicht bedacht, aber wir haben Glück, hier ist die Sicht von seiner Bergbastion aus ohnehin verdeckt, gleich können wir abbiegen auf einen Pfad, auf dem das auch so bleibt. Immerhin habe ich die Schlüssel zu mehreren Zugängen.
Wir nehmen einfach diesen dort, das geht dann zwar durch eine längere, unschöne Dämmerzone, aber dort bleibt die Überraschung auf unserer Seite!“
Gundula schmeichelte: „Du genialer Titan!
Wir lobpreisen dich, daß du an diesen Kniff gedacht hat bei deinem genialen Plan der Rache, der Heldentat, den Unhold seiner Strafe zuzuführen, die Propagandawolke zu stoppen!“
Trumpelstielzchen betonte schwer von sich überzeugt: „Niemandem außer mir wäre dies eingefallen, denn ich kenne mich aus, bedenke alles.
Keiner weiß so genau wie ich, wie Vladi unbemerkt beizukommen ist!“

Bald schlugen sie sich also in die Büsche, erst durch einen Hain, alsdann durch eine Art Schlucht im Dämmerlicht – teils mit Felsüberhang, aber immerhin war der Weg breit und hoch genug, daß auch die Keinhörner kein Problem damit hatten.
Wieder hinten flüsterte Erika Gundula zu: „Dieser Vollpfosten!
Ohne Illuminatas Nachfrage hätte er uns glatt ins Verderben gestürzt. Wir müssen mißtrauisch bleiben – vertrauenswürdig ist er sowieso nicht, aber bei seiner Dummheit führt er uns noch versehentlich ins Elend!“
Gundula nickte: „Wir sind vorsichtig, aufmerksam, keine Frage, mit dem Führer ist stets das Risiko, die Gefahr unser Begleiter … doch immerhin bringt er uns schnell voran, hat Schlüssel, kennt Wege …“
Schweigend ging die Mission weiter.

Nach einer Weile hielt Trumpelstielzchen inne, nestelte aus seiner Hosentasche einen Schlüsselbund und ging die Schlüssel überlegend durch, merkte kurz an: „Wird gleich noch dunkler als in Vladis Hintern, drum besser hier den richtigen Schlüssel parat haben, drinnen gilt nur noch fühlen …“
Die anderen malten sich so ungefähr aus, woher Trumpelstielzchen die Information über VladPutes Hintern haben mochte, warteten indes einfach kommentarlos ab, bis ihr Führer den hoffentlich richtigen Schlüssel hochhielt. Nun ging er weiter, hinter einem Felsen ein Stück zurück, wo sich wirklich gleich eine Höhle öffnete, die man vorher nicht hätte erahnen können. Gundula schaute sich genauer um, tastete die Höhlenwand mit relativ scharfen Kanten ab, mutmaßte, daß die Höhle in den Felsen geschlagen worden war, also nicht durch Wasser oder dergleichen gebildet, es war auch relativ trocken, dafür drinnen aber ziemlich dämmrig, daß sie Mühe hatten, dem tastenden Trumpelstielzchen zu folgen.
Dieser hielt sich an der Wand, ließ endlich von sich hören: „Aha!“
Danach kratzte es aus seiner Richtung am Gestein, er grummelte und hüstelte. Die anderen waren vorsichtshalber etwas zurückgeblieben, Eckbert war gar erst einmal am Höhleneingang geblieben, um den Rückzug zu sichern.

Kurz darauf kratzte etwas vernehmlich, bald darauf wiederum hatte Trumpelstielzchen eine spärliche Fackel entzündet, kommentierte: „Hier lang!“
Nun folgten ihm alle, ihr Führer kommandierter: „Letzter macht die Tür zu!
Fällt ins Schloß!“
Gundula blieb an der steinernen Tür, schloß diese alsdann hinter den anderen, tatsächlich hörte sie das Schloß klickern.
Erika knuffte sie kurz darauf auf dem weiteren Weg, flüsterte leise: „Wir müssen auf das Schlüsselbund achtgeben, falls dies unser Rückweg sein sollte, ich habe mir den Schlüssel hoffentlich gemerkt.“
Gundula schmunzelte: „Sehr aufmerksam von dir, ich habe allerdings in dem Moment im Dämmerlicht vor der Tür gleichfalls einen möglichst guten Blick drauf geworfen, war ein kleines, beschriftetes Schild dran, erkenne ich im Bedarfsfalle schnell wieder!“
Weiter ging die Mission durch das Dämmerlicht der Unterwelt des Berges. Immerhin war der Weg gut ausgebaut.

Als der Berg abermals durch ein leichtes Rumpeln, Beben auf sich aufmerksam machte, schauten alle besorgt auf die Felsen rundherum.
Trumpelstielzchen winkte jedoch ab: „Alles solide, stabil!“
Zwar bröckelte tatsächlich nichts, aber offenkundig bei den früheren stärkeren Beben herausgebrochene Brocken von Kopfgröße deuteten an, daß gewisse Risiken offenkundig doch mit diesem Weg durch die Unterwelt des Berges verbunden waren. Zum Glück der Truppe hatte sich der Berg schnell wieder beruhigt. Es rieselte bloß leicht.

Gundula fragte mehr so allgemein in die Runde: „Was ist eigentlich der Plan, wenn wir – wo auch immer genau – angekommen sind?“
Trumpelstielzchen stieß hervor, was er offenkundig für eine hinreichende Antwort hielt: „Ich mache den Drecksack sowas von fertig!“
Dies war nun nicht gerade ein sehr ausgeklügelter Plan, doch für Feinheiten wie Strategie, konsequentes, geplantes Vorgehen hatte ihr Führer irgendwie keinen Sinn und wohl auch gar kein Vermögen unter der Perücke.

Illuminata wendete sich leiser an Gundula: „Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als selbst an Ort und Stelle unsere eigenen Schlüsse zu ziehen, zudem auf die Überraschung zu setzen und bei der Konfrontation flexibel zu reagieren …“
Gundula schnaufte.
An Trumpelstielzchen gewendete sprach Illuminata: „Um VladPute richtig eins auszuwischen, könnte es sinnvoll sein, erst einmal das Teil abzuschalten, was für Beben, Leuchten, magisches Pulver in der Wolke verantwortlich ist. So durchkreuzen wir seine Pläne, indem wir seine Mittel zernichten, ihn überraschen, indem wir ihm die wirksamste Waffe abschalten, welche ja immer noch die Gefahr birgt, dich abermals im Verstande zu vernebeln durch üble Magie.
Dies wird ihn maximal ärgern sowie direkt zu uns führen, daß du darauf vorbereitet direkt Rache für seinen Verrat nehmen kannst!“
Trumpelstielzchen kratzte sich einmal mehr schwer überlegend an der zauseligen Perücke, erwiderte dazu: „Tatsächlich, ein ausgefuchster Plan, der mir da gerade eingefallen ist.
Ich bin der Meinung, wir sollten erst die Apparatur abschalten, um Vladi einen harten Schlag zu versetzen – darauf wärt ihr doch nie gekommen, wie gut, daß ihr mich habt!
In der Tat gibt es einen Bereich zur Steuerung der Energiequelle, abgeschirmt von dieser in direkter Nähe. Vladi wird sich indessen eher weiter oben aufhalten, wo dem Strahl das magische Pulver beigemischt wird.
Wenn wir ihm unten die Quelle abschalten, wird er ganz schön doof aus der Wäsche gucken!“
Er lachte albern und gab mit Entschlossenheit vor: „Dafür also diesen Gang entlang!“
So ging es weiter und hoch im Berg. Allen schien, als würde es merklich wärmer werden, mutmaßlich die sonst nicht genutzte Abwärme der Energiequelle. Somit näherten sich die wild gemischte Gruppe offenkundig dieser.

So wurde es noch wärmer und endlich sprach Trumpelstielzchen in einem bereits besser ausgebauten Bereich des Höhlensystems: „Dort ist der Kontrollraum, dort wiederum der Zugang zum Bereich der Energiequelle!
Öhm, wie ich schon sagte, um Details und so habe ich mich noch nie gekümmert, das war irgendwie Vladis Aufgabe, ich habe mich eher um das große Ganze gekümmert, den philosophischen, praktischen, geschäftlichen Überbau, die Ausmalung der Zerschlagung der hinderlichen Gesetze der Gemeinschaften, um diese für uns zu befreien.
Es geht letztlich immer ums Geschäft, darum, etwas auszuhandeln, was für einen selbst vorteilhaft ist, einen selbst gut dastehen läßt, wer auch immer sich dann um die Details kümmert, wie etwas umgesetzt wird!
Letztlich fragt später niemand mehr nach dem Fußvolk, welches die Pyramiden aufgestapelt hat, berühmt und verehrt, unsterblich im Ruf bleiben einzig jene Pharaonen-Kapauken, welche die Leute dazu gebracht haben, dies zu ihrem Ruhme zu tun, die großen Denker stehen in den Geschichtsbücher, die schlaue Geschäfte gemacht haben, damit andere für sie arbeiten, die Drecksarbeit erledigen.“
Gundula seufzte, Illuminata warnte: „Öhm, beim Raum mit der Energiequelle sind wir erst einmal vorsichtig, ich habe zwar einen Zauber dabei, dieser wirkt aber nicht so lange schützend, braucht dann wieder eine Pause, um sich zu regenerieren.
Wenn du, Trumpelstielzchen mal vorsichtig in den Kontrollraum sehen würdest, ob VladPute wirklich nicht anwesend ist – wenn doch, hast du erst einmal eine Ausrede, etwa, daß du deine Gesichtspflegecreme vergessen hättest?“
Trumpelstielzchen schaute sie irritiert an: „Gesichtspflegecreme‽“, er machte eine Geste zu seinem Gesicht: „Das ist alles authentischer Teint!“
Gundula beschwichtigte: „Selbstverständlich!
Also etwas anderes, dein Spiegel vielleicht …“
Trumpelstielzchen versicherte sogleich: „Würde ich niemals vergessen!“
Gundula warf ein: „Dahingehend kann sich doch indessen Vladi nicht so sicher sein, wenngleich er unmittelbar einsehen muß, daß dies ein Grund ist, um stehenden Fußes umzudrehen und deinen Spiegel hier zu suchen!“
Trumpelstielzchen neigte abwägend den Kopf: „Kluges Mädchen, du weißt gut einzuschätzen, wie Vladi auszutricksen ist, gefällt mir, wenngleich niemand außer mir besser weiß, wie er auszutricksen ist. Ich glaube, wenn ich behaupten würde, daß ich meinen Lieblingsspiegel in der Eile vergessen habe, würde er mir dies durchaus abnehmen.
Wahrscheinlich allerdings ist er sowieso oben!“
Und so eilte er zur Tür des Kontrollraums, öffnete diese, schaute hinein, drehte sich alsdann um: „Die Luft ist rein!
Nix von Vladi zu sehen!“

Also kam die gesamte Truppe heran und alle traten ein.
Illuminata prüfte gleich mit ihrem pflanzlichen Detektor die Gefährlichkeit, stellte fest: „Gut abgeschirmt, hier passiert nichts.“
Trumpelstielzchen wies auf eine Blechplatte hin: „Dahinter ist ein dickes Fenster, kann man runter auf die Anlage schauen.
Vladi meinte, zwar sei das Glas dick und schirme ab, aber besser nicht zu lange das Blech zur Seite lassen!
Aber wirklich toll ist die Aussicht sowieso nicht, gut, das Blech ist allerdings auch nicht schicker!“
Illuminata nickte: „Guter Hinweis mit

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Tag der Veröffentlichung: 01.03.2017

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