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Leseprobe

Metainformationen zum Buch

Aschenuschi ist eine arme Waise, die als junge Erwachsene ihren Weg sucht, aber durchgehend abgelehnt wird. Traumprinzen entwickeln sich im realen Kontakt zu Enttäuschungen, aber Aschenuschi schüttelt das immer wieder ab und gibt nicht auf, bis sich das Blatt überraschend zu ihren Gunsten wendet.
Was erwartet eine Gesellschaft, welche Rolle man in ihr spielen soll und was glaubt man, welche Rolle von einem erwartet wird?
Läßt man sich drauf ein oder lehnt man sich auf?
Wie findet man den eigenen Weg und dabei passende Partner?
Im Märchen verdichtet muß sich Aschenuschi diesen Fragen aus einer denkbar schlechten Ausgangssituation heraus stellen, die uns allen aus dem täglichen Rätsel des Lebens vertraut sind.

Aschenuschi

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelei
    1. Titelseite
    2. Metainformationen
    3. Epigraph
    4. Vorwort
      1. Zum Inhalt
      2. Technisches
  2. Märchen: Aschenuschi
    1. Perspektiven?
    2. Prinzen
    3. Räuber
    4. Prinzessin
  3. Titelblatt (Vektorgraphik)

Epigraph

Nicht wer wenig hat, sondern wer viel wünscht, ist arm.

Lucius Annaeus Seneca

Balance der Partnerschaft: vom anderen nicht mehr verlangen als von sich selbst.

Henriette Wilhelmine Hanke

Ausdauer wird früher oder später belohnt. Meist später.

Wilhelm Busch

Überlege wohl, bevor du dich der Einsamkeit ergibst, ob du auch für dich selbst ein heilsamer Umgang bist.

Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

Sei artig und du wirst einsam sein.

Mark Twain

Man erlebt immer wieder Enttäuschungen, aber man lernt auch immer besser, damit umzugehen.

Donatien Alphonse François Marquis de Sade

Ich habe immer gefunden, die sogenannten schlechten Leute gewinnen, wenn man sie genauer kennenlernt, und die guten verlieren.

Georg Christoph Lichtenberg

Vorwort

Zum Inhalt

Das Märchen variiert unter anderem Themen diverser bekannter Märchen, interpretiert diese auf eigene Weise. Unterschwellige, stark verschlüsselte Bedeutungen historischer Märchen werfen oft ein bemerkenswertes Licht in ansonsten düstere, psychologische Abgründe menschlichen Seins. Diese Adaption legt einige dieser Themen offen und geht lockerer damit um. Durch diese andere Herangehensweise und den Verzicht auf Magie ergibt sich so ein etwas anderer Ansatz zum Genre Märchen.

Wie oft im Märchen dreht sich im Grunde der Alltag der Hauptprotagonistin um fundamentale, existenzielle Fragen über die eigene Zukunft.
Kann diese selbst gestaltet werden, ist diese Spielball fremder Kräfte oder Personen?
Aschenuschi wird erwachsen, muß zunehmend selbst ihren Weg finden, zumal ihr Leben bislang nicht so toll gelaufen ist, welches bislang vorrangig durch andere bestimmt wird. Träumereien vom besseren Leben werden konfrontiert mit ernüchternden Erlebnissen in einer harten Gesellschaft, in welcher Aschenuschi lebt. Diese muß schnell erkennen, daß es ihr selber zukommt, sich darum zu kümmern, wie ihr weiteres Leben verlaufen wird.

Technisches

Die skalierbaren Vektor-Graphiken im Buch haben eher dekorativen Charakter. Es handelt sich zumeist um abstrahierte Portraits von Personen der Geschichte, von daher handelt es sich um keine Darstellungen von realen Personen.

Technisch wurden bei diesem EPUB einige Hilfen integriert, um dem Leser besseren Zugang zum Inhalt zu ermöglichen. Es gibt etwa verschiedene Stilvorlagen, zwischen denen gewählt werden kann. Bei einem Darstellungsprogramm, welches EPUB komplett interpretieren kann, wird es eine solche Auswahlmöglichkeit geben. Von daher kann folglich leicht zwischen heller Schrift auf dunklem Grund und einer dunklen Schrift auf hellem Grund gewechselt werden. Für eigene Einstellungen eignet sich der ebenfalls alternativ verfügbare einfache Stil, welcher lediglich einige Strukturen hervorhebt oder anordnet.

Wem der voreingestellte Stil nicht so zusagt, kann ja einfach zu einem anderen Stil mit einer üblicheren, schlichteren visuellen Hervorhebung von Absätzen durch einen vergrößerten Abstand zum Absatz davor oder danach wechseln oder die Interpretation von Autoren-Stilvorlagen komplett deaktivieren oder eine eigene Stilvorlage verwenden.

Einige Darstellungsprogramme sind allerdings fehlerhaft, bieten keine Wahlmöglichkeit an. Falls der voreingestellte Stil in diesem Sinne nicht zusagt, ist zu empfehlen, einfach ein leistungsfähigeres Programm zu verwenden, welches EPUB korrekt interpretiert.

Einige alternative Stile variieren spielerisch klassische Methoden der Textdekoration.
So ist der Stil Rubri entstanden, eine Rückbesinnung auf Initiale und Rubrikationen.
Rubrikationen sind eine alte Technik, um besondere Textstellen in Werken hervorzuheben. Bereits deutlich vor Gutenberg wird in Druckwerken rubriziert, sogar schon von den alten Ägyptern ist Rubrizierung bekannt.
Initiale, Versalien oder Majuskeln als besondere Kennzeichnung von Abschnitten von Werken sind nicht ganz so alt, vermutlich aber ebenfalls bereits mindestens eintausendfünfhundert Jahre im Gebrauch, ursprünglich etwa verwendet, um Anfänge von Gedichtzeilen oder Strophen besonders hervorzuheben. Dies wurde aus der Poesie überdies ebenfalls in die Prosa übernommen. Die Initiale sorgt durch ihre Größe, Innenabstände und Positionierung für den Effekt der besonderen Kennzeichnung des Anfangs einer selbständigen Substruktur im Werk, bei dieser Stilvorlage eben am Beginn von Absätzen.
Rubri-D ist eine Variante mit heller Schrift auf dunklem Grund zu Rubri.

Zwei weitere Variationen zum Thema Kennzeichnungen von Absätzen sind mit den Stilvorlagen Alinea und D-Alinea verfügbar. Neben Rubrizierung einiger Strukturen und der Einrückung von Absätzen verwenden diese beiden Stile das Absatzzeichen Alinea sowie die gespiegelte Variante davon, um Ende und Anfang eines Absatzes zu kennzeichnen. D-Alinea ist die Variante mit heller Schrift auf dunklem Grund, bei Alinea ist es dunkle Schrift auf hellem Grund.

Mit den Stilvorlagen Ecke, D-Ecke werden ferner Einrückungen von Absätzen sowie Überschriften stark betont, insbesondere weil Absätze und Überschriften in farblich leicht anders hinterlegte Boxen mit abgerundeten Ecken gefaßt sind, welche passend zur Einrückung links oben die stärkste Abrundung aufweisen, welche eine Einrückung des Textes plausibel oder gar notwendig macht.

Stil Element beschäftigt sich besonders mit der semantischen Textauszeichnung, macht diese für einige Elemente als Marginalien sichtbar. Daneben werden einige wichtige Attributwerte ebenfalls sichtbar gemacht.

Stile Kante und Rand heben semantische Textstrukturen mit Kanten oder Rändern hervor. Bei Struktur und Gauß werden hingegen Hintergrundfarben dafür verwendet, wobei der Übergang an den Rändern bei Gauß diffus ausgeführt ist.

Verfügbare alternative Stilvorlagen:

  • hell auf dunkel: Hellgraue Schrift auf dunkelgrauem Hintergrund
  • dunkel auf hell: Dunkelgraue Schrift auf hellgrauem Hintergrund
  • finster: Helle Schrift auf dunklem Hintergrund, farbige Variante, Voreinstellung
  • vergilbt: Dunkle Schrift auf hellem Hintergrund, farbige Variante
  • Pogo: Stil im blau-violetten Bereich mit Farbverlauf als Hintergrund – wie der Name schon andeutet hinsichtlich des Lesevergnügens etwas aggressiver und fordernder
  • blau: Blauer Stil. dunkle Schrift auf hellem Grund
  • grün: Grüner Stil, dunkle Schrift auf hellem Grund
  • Rubri: Stilvorlage mit Rubrizierung und Initiale
  • Rubri-D: Stilvorlage mit Rubrizierung und Initiale, dunkler Stil
  • Alinea: Stilvorlage mit Rubrizierung und Alinea, heller Stil
  • D-Alinea: Stilvorlage mit Rubrizierung und Alinea, dunkler Stil
  • Ecke: Stilvorlage mit stark betonter Einrückung, heller Stil
  • D-Ecke: Stilvorlage mit stark betonter Einrückung, dunkler Stil
  • Tag: Ein einfacher, heller Stil
  • Nacht: Ein einfacher, dunkler Stil
  • Schatten: Einfacher Stil mit Schatteneffekten
  • Element: Am linken Rand werden einige Elemente als Randnotiz benannt, wichtige Attributwerte werden zudem explizit angegeben; eine Hilfe zur Textanalyse aufgrund der semantischen Textauszeichnung
  • Kante: Semantische Strukturen sind mit Kanten hervorgehoben
  • Rand: Semantische Strukturen sind mit Rändern hervorgehoben
  • Gauß: Semantische Strukturen sind durch Hintergrundfarben mit diffusen Rändern hervorgehoben
  • Struktur: Semantische Strukturen sind durch Hintergrundfarben hervorgehoben
  • einfach: Einfacher Stil ohne Farbangaben, besonders geeignet zur Kombination mit eigenen Vorgaben

Autorin sowie Mitarbeiter dieses Buches haben keinerlei Einfluß auf Mängel, Fehler, Lücken in der Interpretation von EPUB durch das jeweils verwendete Darstellungsprogramm. Bei Darstellungsproblemen sollten diese zunächst analysiert, lokalisiert werden. Dazu kann es unter anderem als erster Schritt helfen, mit verschiedenen Programmen auf Reproduzierbarkeit zu prüfen oder auch mit speziellen Prüfprogrammen zu verifizieren, daß insbesondere im Buch selbst wirklich kein Fehler vorliegt.
Entsprechend wird es anschließend möglich sein, eine zielführende Fehlermeldung korrekt zu adressieren. Die Autorin sowie Mitarbeiter können je nach Fehler durchaus die korrekten Ansprechpartner sein. Bei der Qualität aktueller Darstellungsprogramme können dies jedoch gleichfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entwickler dieser Darstellungsprogramme sein. Entsprechend sind möglichst präzise Angaben zum Problem bei einer Fehlermeldung immer hilfreich.
Generell ist die Fehlerrate bei Darstellungsprogrammen vom Typ Brauser gängiger Anbieter deutlich geringer als bei speziellen Programmen oder Erweiterungen für Brauser zur Interpretation von EPUB. Insofern kann es bei größeren Problemen mit der Darstellung ebenfalls ein Ausweg sein, das EPUB-Archiv zu entpacken (es handelt sich bei EPUB immer um ein Archiv vom Typ ZIP, das Buch alsdann direkt im Brauser zu lesen, wozu zunächst die Datei Inhaltsverzeichnis.xhtml im Verzeichnis Inhalt aufzurufen ist, um einen Einstieg in die Lesereihenfolge sowie einen Überblick über den Inhalt zu bekommen. Über die Verweisfunktion des Verzeichnisses kann anschließend jeweils der gewünschte Inhalt aufgerufen werden.
Dieses Vorgehen kann gleichfalls nützlich sein, um Probleme oder Fehler zu lokalisieren. Bei Einzeldokumenten sind überdies andere Prüfprogramme verwendbar.

Bei automatischen Konversionen dieses Buches im Format EPUB in andere Formate können diverse Mängel auftreten, welche sowohl an Fehlern und Problemen der zu naiv oder einfach konzipierten Konversionsprogramme als auch an dem Format liegen können, in welches konvertiert wird. Autorin und Mitarbeiter dieses Buches haben keine Kontrolle über spätere Manipulationen oder Formatkonversionen, haben also keinen Einfluß auf die komplette Verfügbarkeit von Inhalten und Hilfen solch manipulierter Versionen. Sie empfehlen daher dringend, das unveränderte Original zu verwenden, sich zudem dieses von einem leistungsfähigen Darstellungsprogramm präsentieren zu lassen.

Manuell ist es recht problemlos möglich, einige Techniken und Merkmale des Buches so weit zu vereinfachen, Inhalte anders aufzubereiten, um diese gleichfalls in verminderter Qualität in anderen Formaten verfügbar zu machen. Insbesondere bei wohl noch immer recht beliebten proprietären Amazon-Formaten (Mobipocket oder KF8) ist es recht einfach, ein passend vereinfachtes EPUB zu erstellen, aus welchem sich ein lesbares Buch in diesen minderwertigeren Formaten erzeugen läßt, sofern man sich mit EPUB und den Möglichkeiten dieser Formate etwas auskennt.

Perspektiven?

Es war einmal ein armes Mädchen weit weit weg und in einer ganz anderen Zeit. Das Mädchen war zudem dermaßen arm, daß es sich nicht einmal das eigene Spiegelbild im Wasser leisten konnte. Daher wußte es gar nicht, wie hübsch es eigentlich war, überdies schienen dies andere ebenfalls nicht zu erkennen. Es lebte in einem Waisenhaus, dort hatte es seit langem die Aufgaben, Öfen und Kamine von Asche zu reinigen sowie Holz und Kohle für die Öfen bereitzulegen. In ihren zerschlissenen, grauen Kleidern sah sie daher oft etwas schmuddelig, verstaubt und zerzaust aus, daß man sie bald nur noch Aschenuschi nannte, obwohl sie eigentlich sehr reinlich, sensibel, ferner zudem gar gescheit war, fleißig in der Schule lernte. Mit dem Spitznamenvergabe waren andere Leute also oft sehr oberflächlich, wie es ja oftmals bei Spitznamen zugeht.
Zu ihrem Glück gab es in ihrer Stadt bereits Schulpflicht. Obwohl die Schule für Arme schlecht ausgestattet war, konnten da doch motivierte Schüler allerhand lernen, sich vielfältiges Wissen aneignen. Gerade Unterricht war allerdings für Aschenuschi eine schöne Abwechslung zum grauen, schmuddeligen Alltag im Heim. Von Lehrern erfuhr sie viel über Rechnen, Schreiben, Natur, Menschen, Geschichte, ihre ganze Welt. Im Unterricht war alles weit, frei, bunt, aufregend – im starken Kontrast zu ihrem sonstigen Alltag bei Asche, Kohle und Staub.

Irgendwie war ihr Status im Waisenhaus von Anfang an der einer Außenseiterin, was gleichfalls damit zusammenhängen mochte, daß schon allein wegen des Berufes ihrer Mutter nicht festzustellen war, wer eigentlich ihr Vater gewesen sein könnte, da wären wohl viele Männer in Frage gekommen. Vermutlich ebenfalls aufgrund der beruflichen Tätigkeit war ihre Mutter böse erkrankt, nach tragischem Krankheitsverlauf sogar gestorben, hatte zuvor jedoch noch ihr kleines Mädchen aus der für Kinder ziemlich ungeeigneten Umgebung wenigstens ins Waisenhaus bringen können, wo man immer mit dem Finger auf das erst noch ahnungslose Kind zeigte, sowie oft böse Worte über Mutter und Tochter sprach oder obendrein reimte. Keineswegs bloß Schusterjungen beschimpften das kleine Mädchen regelmäßig als Hurenkind, zahlreiche Kinder fanden viele unterschiedliche Worte, um möglichst tief zu verletzen, wie manche Kinder eben so sind, wenn ihnen gerade keine unterhaltsameren, kurzweiligen Spielchen einfallen. Sicherlich tut Kindermund nicht nur Wahrheit kund, oft wird auch einfach unverstanden nachgeplappert, was Erwachsene lästernd oder tratschend verbreiten.

Aschenuschi mußte solche Lästereien, Schmähungen, Verunglimpfungen wohl dulden, somit ihre Rolle als Außenseiterin akzeptieren. Aus unerfindlichen Gründen lud man bei ihr immer ab, was eben so ging. Diese Demütigungen liefen über Jahre, wodurch Aschenuschi ein schweres Leben im Waisenhaus hatte. In einem solchen Heim wurde unter den Kindern natürlich auf harte Art eine strenge Hackordnung ausgefochten. Aschenuschi war nie unter den stärksten Kindern, konnte sich nichtsdestotrotz schon wehren, erhob allerdings dabei keinen Anspruch darauf, dazuzugehören, in der Hackordnung aufzusteigen oder gar eine Führungsposition zu übernehmen. Ist die Existenzangst groß, treten ungeahnte Kräfte hervor, in Not wird die Rücksicht klein. Auf diese Weise gelang es ihr ganz gut, daß ihr im Abseits weitgehend Ruhe gewährt wurde. Wer angriff, dem mißlang es in den meisten Fällen, denn unter den Umständen war Aschenuschi schon entschlossen, ohne Gnade und Rücksicht ihren bescheidenen Platz zu verteidigen sowie dem Angreifer klarzumachen, daß es bei ihr allenfalls Schmerz, darüberhinaus sonst nichts zu holen gab, es brachte niemandem Vorteile, sich mit ihr anzulegen. Solchermaßen hielt sie auf diese Weise die Kinder erfolgreich auf Abstand, die stattdessen lieber untereinander ihre Machtkämpfe austrugen, während man sich darauf beschränkte, jene Wehrhafte nur mit Worten anzugehen und herunterzumachen, womit Aschenuschi gut umgehen konnte, was von ihr gut geduldet werden konnte, dergestalt etablierte sich ihr eigenes, persönliches Gleichgewicht zwischen dulden und wehren, was derartig weitgehend auch akzeptiert wurde. Wie bei Asche, Kohle, Staub, Unrat, Dreck, Siff oder Sudelei blieb zwar oberflächlich etwas hängen, gleichwohl das meiste rieselte doch einfach an ihr ab, ohne bleibende Spuren zu hinterlassen.
Aschenuschi gab sich nicht derart empfindlich, indes etwas setzte es ihr schon zu, deswegen doch alleine zu bleiben. Glücklich konnte ihr Leben mitnichten genannt werden, es hatte jedoch immerhin seine Regeln, seinen täglichen, zuverlässigen Gang.

Sie hatte gar nichts dagegen einzuwenden, desgleichen einmal schwere Arbeit zu tun, demgegenüber leuchtete es ihr trotzdem nicht ein, warum sie es immer war, die für die anderen den Dreck wegräumte, überdies die Kohle anschleppte. Das schien ihr ungerecht zu sein, weil sie doch schon so viel mehr gelernt hatte und konnte. So gerne hätte sie auch einmal etwas gemacht, was ihr viel mehr Spaß gemacht hätte als diese Drecksarbeit, die sie ebenso gerne einmal anderen überlassen hätte. Warum sollte sie nicht gleichfalls einmal ein glückliches Leben haben dürfen, statt immer nur im Schmutz, Unrat, Abfall wühlen zu müssen, um sein zu dürfen?
Wo blieb ihr Stück vom Glück?
Wie dem auch sei, wann immer eine Kränkung ihr galt, ihr wieder eine Ungerechtigkeit oder Schändlichkeit zugefügt, angetan wurde, so war dieses zunächst enttäuschend, dennoch schüttelte sich das arme Kind anschließend einmal kräftig, sprach trotzig: „Was ist mir das?“
Sie war niemandem lange böse und lebte entschlossen weiter, trotz all dieser Demütigungen.

Aschenuschi war nun schon nahezu ins heiratsfähige Alter gekommen. Das bedeutet, ihr weiterer Aufenthalt im Waisenhaus würde nicht mehr allzulange andauern können. In diesem Sinne galt allmähliches Umzusehen als Pflichtübung, ob irgendwo eine Stelle annehmbar oder vielleicht einen Mann findbar wäre, mit dem sie daraufhin zusammen versuchen könnte, irgendwie durchzukommen.
Jungs hatten es da deutlich besser. Bei denen wurde viel eher akzeptiert, daß sie frei entschieden wollen, auch mal frei umherzogen, dabei etwas riskierten.
Bei jungen Frauen wurde das nur im Berufszweig ihrer Mutter als üblich angesehen. Den aber wollte sie möglichst meiden, wollte obendrein ebenfalls um keinen Preis oder aus purer Not in diesen hineingedrängt werden. Ergo mußte einfach bald etwas Besseres gefunden werden.
Das allerdings ist leichter gedacht als ausgeführt.

Frauen wie ihre Mutter galten einerseits nicht viel im Land, andererseits indes zogen Dirnen, Hetären, Gunstgewerblerinnen, kokette Kokotten, kokotte Koketten, Metzen, Kurtisanen, Mätressen viel Aufmerksamkeit der Männer auf sich, zogen ferner daraus ihren Nutzen, verdienten damit ihren Lebensunterhalt, wenige gar sehr gut, bei der großen Mehrheit davon funktionierte dieser Broterwerb indes eher schlecht als recht. Qualifikationen für den Beruf können vielfältig sein, der Spielarten der Lüste sind viele, wie dabei auf vielfältigen Wegen gelingen kann, mit Erregung, Interesse, Kurzweil, Unterhaltung, Ergötzung, Belustigung, Anregung Faszination auszulösen. Anders als viele andere Leute mochte Aschenuschi diese Frauen mitnichten verurteilen, eher schon jene Männer, desgleichen eine Gesellschaft, welche Frauen in diesen Beruf drängte, weil diesen Frauen kaum eine andere Perspektive geboten wurde oder überdies ebenfalls, weil solche Frauen einst dazu genötigt wurden, woraufhin es im Anschluß offenbar keinen Weg zurück mehr gab, wenn eine Frau einmal bei diesem Beruf im Laufgeschäft, Dirnenwesen gelandet war. Auch deshalb wollte Aschenuschi den Beruf selbst unbedingt meiden.

Also somit als Alternative eher einen einzigen Mann finden, mit dem auszukommen wäre, bei welchem ein Wohlfühlen in Geborgenheit, Sicherheit, gegenseitigem Verständnis, Frieden Realität werden könnte?
Nun wäre das mit den Männern gleichwohl so eine Sache. Jungs waren eben irgendwie anders, seltsam sowie oft grob, unaufmerksam, rücksichtslos, egoistisch.
Gut, Aschenuschi war ja ebenfalls anders, dahingegen eben in ihrer eigenen Weise. Entsprechend blieb diese sehr unsicher, wie das alles gehen konnte, zudem wie sich ein Paar über längere Zeit einig sein konnte sowie sich vertragen, um miteinander auszukommen. Kandidaten, welche sich solcherweise quasi von selbst anboten, im Rahmen des Erreichbaren schienen, waren nun gleichfalls etwas seltsam bis auffällig.

Zum einen gab es das aufschneiderische Schneiderlein. Dieser Kerl prahlte jedoch immer nur, was für ein toller Hecht er sei, wie flink und geschickt er mit seiner Nadel doch sei, wie fleißig beim Stopfen sowie Einfädeln. Er behauptete, schon so manch feinen Stich angebracht zu haben bei all jenen Frauen, welche sich bereits in seinem Garn verstrickt hätten, da hätte sich noch keine beklagen können, daß ihre Löcher ungestopft geblieben seien. So hatte er gar einen Gürtel mit in güldenen Lettern eingestickter Behauptung: ‚Sieben Nummern in einer Nacht!‘
Aschenuschi ahnte nur so ungefähr, was es damit auf sich haben könnte, vermutete ferner, da jedenfalls nachts kaum zum Schlafen kommen zu können, das schien viel zu anstrengend zu sein, zudem rubbelte und rieb man sich dabei vermutlich gegenseitig wund, wozu also der mehrmalige Aufwand?
Aber vermutlich strickte jener stichelnde Kerl sowieso nur Seemannsgarn, spann nur wilde Geschichten über Nummern, welche ihm nur im feuchten Traum gekommen waren.
Verwechselte er Woll-Lust mit Wollust oder war solches ihm eins?
Ein solcher Sachverhalt allerdings wäre auf Dauer sicher gleichfalls nicht angenehm zu ertragen gewesen. Wenn er derartige Angeberei letztlich nicht umsetzen könnte, würde er nur verbittert, böse, gewalttätig. Oh, da wurden verdrängte Erinnerungen an ihre Kindheit geweckt, im Umfeld ihrer Mutter, jene Maulhelden, Dummschwätzer, Angeber, welche wütend wurden, wenn ihr Gerät nicht hielt, was jene Prahler, Sprücheklopfer, Wichtigtuer, Aufschneider lauthals verkündet hatten. Derartige Szenen, Dramen, Turbulenzen konnte man auch gut ersparen, käme dabei überdies deutlich besser weg, als wenn man dem flickenden Schneiderlein dabei seine Stopfnadel hielte.
Andererseits war es natürlich ebenfalls möglich, daß jene vorlaute Schnarchnase einfach zum Einschlafen Schafe zählte, gleich nach dem siebten regelmäßig wegnickte. Als Interpretation der Inschrift wäre sowas schon einmal deutlich harmloser, unterdessen auf Dauer doch ebenfalls etwas langweilig. Aschenuschi konnte wahrlich keinerlei Entschluß fassen, dem Spruch wirklich auf den Grund zu gehen, gab es doch bereits eine stringente Ahnung, auf allzu Tiefsinniges würde sie dabei nicht stoßen.

Ferner gab es da den glücklichen Hans, dieser war jedoch ein richtig dummer Gänserich, denn er hatte einen Klumpen Gold getauscht sowie das Getauschte immer weiter fort umgetauscht, wobei ihn einige Leute gnadenlos über den Tisch zogen, bis er nichts mehr außer seinem Glück hatte, hinwiederum eben auch nichts mehr zu beißen, zudem keine Stellung mehr, für deren Entlohnung er den Klumpen Gold bekommen hatte. Wenn schon, dann wollte Aschenuschi auch einen Hans samt Glück mit ihm für sich haben, wollte mitnichten gegen ein Schwein, eine Gans oder anderen Tand getauscht werden, konnte darauf verzichten, mit ihm über den Tisch gezogen zu werden, vielleicht gar am Ende noch mit breiten Beinen. Ein solches Szenarium schien viel zu anstrengend zu sein, zudem viel zu nah an der Beschäftigung ihrer Mutter zu liegen, als daß sie sich darauf hätte einlassen wollen. Mit solch einem tumben Buben, Hans-Guck-in-die-Luft oder Hans-Leb-in-den-Tag konnte ihre Zukunft folglich also gleichfalls nicht gutgehen, weil nichts ihr Eigen war, erst recht kein Glück. Hätte sie selbst einige Reserven gehabt, wäre jener einfältige Hans ja vielleicht nicht einmal von den schlechtesten Burschen gewesen, aber so konnten beide einfach nicht zusammenkommen, das war für Aschenuschi völlig ausgeschlossen.

Ein weiterer Hänsel war zusammen mit seiner Schwester Gretel stadtbekannt geworden, weil beide gerne Schauergeschichten über ihre Eltern erzählten und auch liebend gerne alte, alleinstehende, nette Frauen zu verkohlten. Verkohlen mitnichten nur der Kohle, Asche wegen konnte Aschenuschi überhaupt nicht vertragen, so sollte Hänsel gern weiter seine Schwester sowie seine Eltern hänseln, ihre Sache, Angelegenheit, Pläsier war das keineswegs. Verkohlen lassen wollte sie sich schon einmal gar nicht, hänseln lassen ebenfalls nicht. Fürderhin hatte sie rein gar keine Lust, täglich seinen Finger oder sonst etwas zu befummeln, was Hänsel wohl gerne einmal vorzeigte, damit eine jede Interessierte schon einmal fühlen konnte, wie groß und prächtig Seins schon sei. Sie ahnte schon so ungefähr, daß es dabei doch nur um Hänsels Spaß ging, dabei mochte zwar durchaus etwas herauskommen, was allerdings wohl in ihrem Sinne eher keinen Nutzen hätte. Dieser freche Hänsel schien ihr auf keinen Fall eine richtige Wahl zu sein. Eine diesbezügliche Variante schien ihr viel zu anstrengend zu sein, immer wieder Auseinandersetzungen mit seinen Hänseleien sowie fiesem Schabernack wären doch unsinnig, nervenaufreibend, ähnlich demütigend wie die Kinder im Waisenhaus, da mußte schon jemand Besseres mit freundlicheren Ansichten, Aussichten, Perspektiven, Leidenschaften gefunden werden.

Im Übrigen war da obendrein noch Peter, mit welchem Aschenuschi gar eine lose Art von Freundschaft pflegte. Eigentlich galt Peters Interesse von Anfang an nur Spielen mit Jungs, was im Kindesalter nicht weiter auffällig war, in der Pubertät alsdann indessen irgendwann seinen Spielkameraden wahrlich zunehmend bemerkenswert erschien, so daß Peter schnell zum Außenseiter wurde, gemieden wurde, mit dem andere Jungs nichts zu tun haben wollten. Gar im Waschraum mieden ihn andere Jungs, munkelten Warnungen, unter der Voraussetzung in Peters Nähe solle besser vermieden werden, Seife oder derlei Kram fallenzulassen, sowie ein Bücken nach derartigem Ungeschick unbedingt auf später aufzuschieben, die Wand sorgsam im Rücken behaltend. Es war vielen einschließlich Aschenuschi nicht ganz klar, was daran so bedenklich oder gefährlich beim netten Peter sein könnte, welcher sich schon gut gewaschen hatte, keineswegs nur eine Hand die andere.
Aus diesem Grunde stieg Peter jedenfalls in Ansehen und Rangordnung bei den Jungs im Folgenden zügig ab, wurde ebenfalls jemand im Waisenhaus, dem irgendwie immer die Drecksarbeit zugeschanzt wurde, welcher gemieden wurde. Und eine derartige Diskriminierung passierte, obwohl Peter ein sehr stattlicher, freundlicher, hilfsbereiter, kontaktfreudiger Bursche war, mit dem man durchaus auskommen konnte.
Weil beide irgendwie Außenseiter waren, war Peter immerhin jemand, den Aschenuschi mal um Hilfe bitten konnte und welcher hierauf stets zuverlässig half statt stänkerte.
Peter streunerte in letzter Zeit gerne herum, was ihn bei der Heimleitung nicht gerade beliebt machte, dafür jedoch ungleich selbständiger, auch unabhängiger vom Waisenhaus. Peter war allerdings genauso arm und perspektivlos wie sie – zusammen mit seinem intimen Interesse für Jungs erübrigten sich da also weitere Überlegungen oder gar Bemühungen hinsichtlich einer Heirat. Das konnte einfach nicht passen, schade aber wahr.

Nein, auch sonst war ihr kein Bursche recht und jeder hatte seine Fehler. Und man muß es auch sagen – nur die wenigsten hatten Interesse an ihr, derartig verkohlt, arm, zerschlissen und zerzaust, wie Aschenuschi immer daherkam. Dieser oder jener hätte vielleicht schon einmal ein wildes, anstößiges, schmutziges Spielchen mit ihr gewagt, doch derlei war Aschenuschi nicht genug, war ihr doch schon durch das Schicksal ihrer Mutter eine Warnung zuteil geworden, daß für persönliche Freundschaft oder Beziehung abgelehnt wurde, wer sich derart verdingte. Ein paar hatten schon versucht, etwas durch drängen oder gar überrumpeln herauszuholen sowie hineinzustecken, um ihren Spaß auf ihre Kosten zu haben, doch Aschenuschi war zu deren Überraschung mit allen Wassern gewaschen, blieb verschlossen. Nannten jene Burschen sie auch ein dreckiges Miststück, wußte diese doch stets einen Weg, sich aus ihrer eindringlichen Lage zu winden und sich solch garstigen Verehrern zu entziehen, fast wie ein nasses Stück Seife aus der Hand glitschen konnte, um das Weite zu suchen sowie sauber zu bleiben.
Aus den Sprüchen über Peter war ihr sowieso bekannt, daß fast alle Jungs es mit Seife nicht so hatten, solche konnte sie erst recht nicht gut riechen und verduftete lieber in weiser Voraussicht, wenn jene Strolche, Rabauken, Schlingel, Spitzbuben nahten, statt irgendwann doch vielleicht noch das Nachsehen bei den Verbohrten zu haben.
Sie hatte schnell erkannt, daß solche Schlitzohren sie auch nur verkohlen wie löchern wollten, deswegen galt es, diese folglich möglichst zu meiden. Gelang eine Strategie dieser Art jedoch einmal wirklich nicht gleich, mithin wehrte sie sich mit ausgebuffter Entschlossenheit nebstdem Geschick gegen ihre eindringlichen Zudringlichkeiten, Vertraulichkeiten, Belästigungen.
Wieviele Frösche hätten bei solchen Treffen, Konfrontationen wohl geküßt, geschleckt, weggesteckt werden müssen, wieviele an Wände geworfen?
Vor allem: Dabei wäre letztlich sicherlich doch kein edler Prinz herausgekommen.
Nein, dies Vorgehen wäre wenig erfolgversprechend und gleichfalls viel zu anstrengend. Sie war ebenso ziemlich sicher, daß einigen dieser Typen überdies lediglich daran gelegen sei auszuziehen, um das Fürchten zu lehren.

Was also blieb sonst noch an Möglichkeiten zur Sicherung eines Auskommens?
Was tun, um niemals derart auf einen Mann oder gar auf Männer angewiesen zu sein?
Also kamen Ideen auf, es mit einem Beruf zu probieren.
Aber niemand wollte würdigen, was Aschenuschi in der Schule alles gelernt hatte, weswegen bei jeder Stelle weiterhin Kohlen holen, kehren, putzen und waschen auf dem Aufgabenzettel gestanden hätte. Solche Aufgaben allein ein ganzes Leben lang waren ihr allerdings nicht genug. Sie hatte bereits oft genug anderen hinterhergeräumt, geputzt sowie Kohle herangeschleppt, ferner jegliche Art von Drecksarbeit gemacht. Für all diese Verpflichtungen wäre lernen in der Schule gar nicht notwendig gewesen. Mit dem Gelernten etwas anwenden, wäre hingegen ihre Angelegenheit, ihr Metier.
Nur was?
Dazulernen wäre obendrein eine reizvolle Option, nur wo, bei wem?

Aschenuschi hatte sich bereits umgehört, kundig gemacht, desgleichen bereits vorgesprochen, wo es interessant erschien, jenes Handwerk zu lernen, was dort betrieben wurde. Arbeit im Handwerk hätte sie nicht gescheut, doch die Meister wollten Burschen statt Mädchen als Lehrlinge. Das kam ihr sehr ungerecht vor. Gleiche Rechte und Pflichten schien es für Frauen immer nur da zu geben, wo das eindeutig zu ihren Lasten ging. Ergab sich jedennoch einmal eine interessante Perspektive, wurden jedenfalls für junge Frauen wie sie gleich wieder die Türen geschlossen. Doch hätte es Aschenuschi bestimmt mit jedem Burschen aufnehmen können. Sie war geschickt, schnell, fleißig, neugierig, unerschrocken, war bereit, sich voll einzusetzen. Aber all das zählte wohl nur wenig, wenn eine junge Frau dastand und zur Bewerbung vorsprach. Irgendwie hatten fast alle Leute ein ziemlich eingefahrenes und eindeutiges Bild vor Augen, was Mädchen sowie Frauen einerseits, Jungs sowie Männer andererseits jeweils tun sollten, welche Rollen diese Gruppen in der Gesellschaft spielen sollten, welches Verhalten jeweils angemessen wäre. Des Weiteren hatten praktisch alle Leute ein klares Bild davon, daß Kindern aus dem Heim nicht zu trauen sei und ihnen auch nichts Nützliches zuzutrauen wäre.
Aschenuschi allerdings wollte keineswegs in eine bestimmte stereotype Rolle gedrängt werden, wollte gerne selbst über den eigenen Weg, ein eigenes Rollenverständnis bestimmen.
War dies Ansinnen so verkehrt?
Warum traute man ihr nicht zu, selbst entscheiden zu können?
Was war falsch am Wunsch nach Selbständigkeit, jedenfalls nach Ausübung anspruchsvoller Arbeit, Beschäftigung, sowie Respekt für sie, wie sie nun einmal war?

Ein Goldschmied etwa hatte gar Angst, vom armen Heimkind bestohlen, beraubt zu werden. Zudem bezweifelte er, daß ein Mädchen jemals so viel Geduld sowie Geschick aufbringen könnte, um bei den Kleinoden volle Schönheit herauszuarbeiten, besonders solch ein Schmuddelkind sei da total ungeeignet, bei dessen Anblick ja selbst edelste Geschmeide vor Schreck verblaßten und vergingen. Diamanten könnten bei einer Berührung durch solch ein Schmuddelkind gar selbst zu Kohle zerfallen, fürchtete er ernsthaft. Und dabei hätte gerade dieser Goldschmied am besten wissen müssen, daß längst nicht alles wirklich Gold ist, was wie solches in seinem Laden glänzt, daß manch Funkelstein nur als Diamant oder Smaragd bezeichnet wird, um einen guten Preis zu erzielen.
Aschenuschi hätte schon gute Ideen gehabt, wie man einmal etwas Neues ausprobieren könnte, wie Kunden mit neuen Formen, Kombinationen verblüffen, mit neuer Zierart erfreuen, wie mit einzigartigen Stücken ganz neue Kundschaft gewinnen, doch jener Goldschmied wollte keineswegs anhören, was für Vorschläge er von ihr bekommen hätte, welche Ideen in ihr schlummerten.

Ein Schneider für feine Leute sah lediglich ihr zerschlissenes, abgetragenes, schäbiges, staubiges Kleid, lachte, stupste nur mit spitzem Finger weg, damit das Schmuddelkind seine feinen Kunden mitnichten verschrecke, überdies seine teure, exquisite Ware unbeschmutzt bliebe. Dabei hatte Aschenuschi schon mitbekommen, daß bei diesem nicht alles korrekt zuging, wenn nur in Betracht gezogen wurde, mit welch eigenartigen und unpraktischen Kleidern dieser den Kunden ihr Geld aus ihren Taschen zog. Haute Couture, Prêt-à-porter, Tand, Plunder, Tinnef gingen wie eins über seine Theke – teuer.
Dieser Schneider hatte ebenfalls keine ganz reine Weste, da mußte er nicht mit spitzem Finger auf andere zeigen, welche nichts für ihre Armut können.
Aschenuschi hätte schon gute Ideen gehabt, wie man einmal etwas Neues ausprobieren könnte, wie Kunden mit eleganten, praktischen neuen Formen, Kombinationen, Schnitten, Stoffen verblüffen, zudem erfreuen, wie mit einzigartigen Stücken ganz neue Kundschaft gewinnen, doch jener Schneider wollte keineswegs anhören, was für Vorschläge er von ihr bekommen hätte, welche Ideen in ihr schlummerten.

Ein Krämer hätte wohl jemanden zur Buchhaltung sowie gleichfalls im Geschäft brauchen können, doch dachte dieser bei ihrem Anblick, das Schmuddelkind würde doch nur die Zahlen zu ihren Gunsten auslegen, mitnichten zu seinen oder schlimmer noch, daß diese sich zu Gunsten der Kunden vielleicht noch verrechne, es sei ja nur ein Mädchen, welches nichts von Zahlen und Maßen verstehe. Er hielt es nicht für ehrlich, derartig arm, ferner aus dem Waisenhaus, da wollte er nichts riskieren.
Aschenuschi leuchtete ein solcher Gedankengang nicht wirklich ein, denn hatte er für seine Waage nicht zweierlei Gewichte?
Hatte dieser Krämer nicht einige Geheimniskrämerei und wollte deshalb das aufmerksame, aufgeweckte Mädchen als Lehrling meiden?
Obendrein war ihr wohl ebenfalls nicht entgangen, daß er mit dem Maßband schon sehr geschickt umgehen konnte, wenn niemand so genau darauf zu achten schien.
Aschenuschi hätte schon gute Ideen gehabt, wie man einmal etwas Neues ausprobieren könnte, wie Kunden mit anderen, neuen Produkten erfreuen, mit anderer Präsentation verblüffen, anlocken, wie mit einzigartigen Stücken ganz neue Kundschaft gewinnen, doch jener Krämer wollte keineswegs anhören, was für Vorschläge er von ihr bekommen hätte, welche Ideen in ihr schlummerten.

Ein Barbier, Coiffeur sowie Friseur, Figaro schaute nur ihre wuscheligen, wilden, einfachst geschnittenen Haare an, dazu ihr zerschlissenes, abgetragenes, schäbiges, kohlenbestaubtes Gewand, schüttelte nur den Kopf, einen überaus haarigen Affront befürchtend. Bei solch einem wilden Mädchen würden ihm ja alle Kunden rebellisch werden. Er zweifelte doch erheblich daran, daß er das Schmuddelkind jemals so sehr aufbrezeln könnte, daß dieses ein Aushängeschild für sein Geschäft sein könnte, wo Damen sagen würden: „Ja, so, genau so möchte ich ebenfalls ausgestattet sowie hergerichtet sein!“
Eine derartige Vorstellung schien diesem Haarspalter einfach undenkbar, also dachte er in ihrem Fall gar nicht weiter darüber nach und wies ihr gnadenlos die Tür, ohne noch überhaupt geprüft zu haben, ob das Mädchen für sein Gewerbe nicht vielleicht ein gewisses Geschick hätte.
Dabei konnte man doch wohl genauso bei ihm ein Haar in der Suppe finden, denn er frisierte wohl ebenfalls nicht nur Haare von Kunden, gleichfalls seine Bücher.
Aschenuschi hätte schon gute Ideen gehabt, wie man einmal etwas Neues ausprobieren könnte, wie Kunden mit neuen Frisuren, frischen Farben, frechen Schnitten verblüffen sowie erfreuen, doch jener Friseur wollte keineswegs anhören, was für Vorschläge er von ihr bekommen hätte, welche Ideen in ihr schlummerten.

Ein Schuster wollte lieber bei seinen Leisten bleiben, mit denen er seinen Lehrling gerne bearbeitete, wenn dieser einmal wieder etwas angestellt hatte, da war ihm nichts an einem Mädchen gelegen. Ergo war gleicherweise dem Schuster nicht an einer Arbeitsprobe gelegen. Vielmehr legte er stattdessen lieber noch einmal bei seinem aktuellen Lehrling Hand an.
Diesen Schuh wollte er sich nicht anziehen, wollte sich nicht aus den Puschen kippen lassen, wobei man schon munkelte, daß jene wohl besser sein Geschäft meiden sollten, welche zu dumm waren, sich selbst ihre Schuhe zuzubinden, allerdings waren gerade diese seine besten Kunden, welche mit deutlich erleichterten Schritten wieder gingen, nachdem diese vom Schuster beraten sowie bedient worden waren. Dieser Schuster verstand es gleichfalls, sich selbst viel zuzuschustern, hatte daher kein Aushängeschild für Seriosität vor der Türe hängen.
Aschenuschi hätte schon gute Ideen gehabt, wie man einmal etwas Neues ausprobieren könnte, wie Kunden mit anderen Formen, Moden verblüffen sowie erfreuen, daß der Schuster vielleicht gar noch bei Hofe Staat machen könnte, doch jener Schuster wollte keineswegs anhören, was für Vorschläge er von ihr bekommen hätte, welche Ideen in ihr schlummerten.

Ein Bauer wollte keine zierliche, ausgehungerte Magd aus dem Waisenhaus durchfüttern, denn eine solche habe gar keine Ahnung von der Arbeit auf dem Lande, kein Holz vor der Hütte. Ihr freundliches Wesen sofort erfassend, fügte er noch hinzu, ein Heimkind aus der Stadt habe zudem keine Ahnung, wie man jemanden zur Sau mache, selbige durchs Dorf treibe oder jemandem das Fell über die Ohren ziehe – und er könne ihr schließlich keinesfalls auch noch alle grundlegenden Sachen beibringen. In der Schule in der Stadt, im Waisenhaus, da lerne man doch nur unnützes Zeug, was nie auf seinem Mist gewachsen wäre. Von jener ihm eigenen, wirklich lebensnotwendigen Bauernschläue gäbe es da gar keine Spur, diese läge im Blut, daran sei nichts zu ändern. Er war gleich solchermaßen skeptisch gegenüber Leuten aus der Stadt, daß er nur abwinkte. Selbst wenn diese junge Frau vor ihm sehr drall, keck sowie willig wäre, hätte er dennoch Zweifel, ob ihr darüberhinaus sonstige Arbeit auf dem Hof von der Hand ginge, selbst wenn höchstpersönliche Dienstfertigkeiten befriedigend wären. Ob er nun dickste Kartoffeln zu finden pflegte oder prächtigste Eier bei ihm zu bewundern seien – egal, Aschenuschi wollte er nicht als Magd teilhaben lassen.
Die junge Frau war im Bilde, wie der Hase lief, wo sich dieser mit dem Fuchse Gutenacht sagte.
Immerhin, zum Trost gab er Aschenuschi noch ein Wurstbrot mit auf den Weg, damit das Mädchen nicht ganz vergeblich zu ihm gekommen wäre, es nicht noch ihm zugeschoben würde, wenn es unterwegs vom Fleische falle. Immerhin hatte er doch durch dies Stadtkind wieder Gelegenheit gehabt, seine Bauernschläue unter Beweis zu stellen.

Ein Apotheker stippte nur mit dem Finger an den schüttelnden Kopf, wobei er beinahe sein Auge getroffen hätte, ihr schon deswegen ungehalten einen alten Mörser nachwarf, daß ihr nichts als die behende Flucht blieb. Dabei war schon bekannt, daß dieser Apotheker gleichfalls so manches Wässerchen trüben konnte sowie einem bei Bedarf nicht nur das Wasser, sondern ebenso das schärfste Kraut reichen, besonders jenes, bei welchem einem sehr wunderlich werden konnte, weswegen das nicht offiziell im Angebot allgemein sichtbarer Auslagen feilgeboten wurde, lediglich unterm Tresen für reichlich Geld gehandelt wurde. In solche Geheimnisse aber wollte er Aschenuschi nicht einweihen.
Entsprechend hatte Aschenuschi gar nicht erst Gelegenheit, darüber zu berichten, wie ihr Kenntnisstand über Pflanzen, Pilze, Tinkturen, Salben, Balsame, heikle Substanzen, Gifte, Heilkräuter war, wo man was finden konnte, wie zubereiten, denn man schickte dies Mädchen gerne aus, um in Wald und Flur zu sammeln, was auch die knappe Kasse des Waisenhauses entlastete.
Jener Apotheker indessen achtete nicht des Laien Fleißes, verließ sich dafür lieber auf sein Vorurteil über arme Kinder aus dem Waisenhaus, welche zu nichts nutze seien.

Deshalb sah es immer nur schlecht aus, wenn Aschenuschi mehr wollte als jene schmutzige Arbeit, welche ihr bislang auferlegt wurde. Inzwischen mangelte es schon an Ideen, an wen sie sich noch wenden sollte. Mit der Suche nach einem anständigen Beruf war ihre Mission in eigener Sache irgendwie in eine Sackgasse geraten.

Ein- oder zweimal im Jahr fanden in der Stadt auch dubiose Veranstaltungen statt, wo Jugendliche ihre Begabungen, Anlagen vorführen, Vorzüge vorzeigen konnten. Deren zwielichtige Veranstalter sprachen immer davon, junge Leute würden da performen, ihre Talente präsentieren, würden gefördert, Interesse für eine Anstellung erhalten. Dabei hopsten jene jungen Leute im Verlauf derartiger Veranstaltungen auf Bühnen herum, trällerten, tirilierten, grölten, quinkelierten, quirilierten, tremolieren teils dubioses Liedgut, ferner mußten jene allerhand Schabernack, Killefiz, Jokus treiben, Kapriolen drehen, wurden daraufhin von eigenartigen Typen beurteilt, beleidigt, beschimpft, angepöbelt, damit es für’s Publikum etwas zu lachen gab.
Aschenuschi hatte da gleich den Eindruck, daß es dabei nicht wirklich darum ging, junge Leute seriös in eine anständige Arbeit gemäß ihren Fähigkeiten zu vermitteln. Es ging den Veranstaltern immer nur darum, ihren Spaß dabei zu haben, sich über junge Leute in teils verzweifelter Lage auch noch lustig zu machen.
Jene Veranstalter verdienten ganz offensichtlich hauptsächlich ihr Geld damit, weil das Publikum dafür zahlte, um zu sehen, wie man sich über alle Kandidaten und Kandidatinnen lustig machte, diese entwürdigte, erniedrigte. Da kam wahrer städtischer, menschlicher Abschaum zusammen, vorrangig um zu sehen, wie Menschen aus ihrer Mitte fertiggemacht wurden sowie noch tiefer in den Dreck getreten wurden als dies Volk selbst bereits drinsteckte.
Wer da auftrat, wurde entweder gedemütigt, ferner zur Witzfigur gemacht oder aber drangsaliert, mit den Typen Dinge zu tun, für welche ihre Mutter immerhin etwas Geld bekommen hatte.
Nein, auf diese Bauernfänger, auf diese Narrenschar, dreisten Dummschwätzer würde sie sicher nicht hereinfallen. Solche Veranstaltungen, sogenannte Wettbewerbe waren mitnichten ihr Ding, daran teilzunehmen, wäre nur töricht, naiv, böte keine Perspektive.

Aschenuschi zog durch schmuddelige Straßen ihrer Stadt, schaute sich weiter nach Möglichkeiten um, doch was blieb ihr, was geschah?
Schnell zeigten nur die Kinder auf sie, feixten, sangen hinter ihr her: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder.
Und deshalb eilte sie zügig wieder weg von solchen Orten, zurück ins Waisenhaus, zurück zu Asche, Kohle, dem ihr schon vertrauten Spott der anderen Waisen, der ihr schon beinahe traute Heimat war.

Gab es rein gar keinen Ausweg?
Aschenuschi wollte jedoch nicht verzweifeln, doch zweifelte sie längst.
Sie fragte sich selbstkritisch, ob sie vielleicht einfach zu anspruchsvoll sei?
Vielleicht sollte sie bei den Burschen mitnichten so kleinlich sein, stattdessen Kompromisse machen?
Vielleicht sollte sie einfach akzeptieren, daß ihr niemand eine Lehre anbot, welche wirklich ihren Interessen und Möglichkeiten entsprach sowie sich mit den elenden Beschäftigungen begnügen, die ihr zugänglich waren?
Sollte sie vielleicht doch in die Fußstapfen ihrer Mutter treten, den eigenen Leib als Dirne, Metze, Hetäre, Gunstgewerblerin, kokette Kokotte, kokotte Kokette oder Kurtisane feilbieten?
Sie schauderte.
Da hätte sie sich wohl lieber allein tief in den Wald zurückgezogen, dort selbst eine Hütte gebaut, nur noch den eigenen Angelegenheiten Aufmerksamkeit geschenkt, gelebt von dem, was ein Wald herzugeben bereit wäre.
Wäre das ein Weg?
Sie war sich keineswegs sicher.
Wirklich ganz ohne andere Menschen, selbst wenn diese nervig waren, wollte sie auch mitnichten sein. Nur für sich selbst zu sein, schien ihr gleichfalls keinesfalls sehr den Bedürfnissen eines Menschen zu entsprechen. Aber sie wollte sich auch auf keinen Fall total allem unterordnen, was man so zu tun pflegte in dieser Gesellschaft, jedenfalls wenn eine derartige Strategie dazu führte, daß für sie immer nur die schwere Drecksarbeit, trotzdem Armut, Elend, Häme, Hohn, Spott übrigblieben.
All dies schien ihr keineswegs ein richtiger Weg in eine bessere Zukunft zu sein.
Fügten sich andere auch offenbar in dies armselige Schicksal, ihr Ding war das mitnichten.

Prinzen

Aschenuschi träumte lieber erst einmal in ihrer knappen Freizeit davon, daß sie einen schönen, stattlichen sowie reichen Prinzen bekommen sollte, welcher sie auf Händen tragen würde, welcher ordentlich etwas hermachen würde – wenn schon ein Traumprinz, dann wenigstens in die Vollen träumen, war ihr Gedankengang dabei, da jedenfalls braucht es keine Kompromisse. Ja, so einer sollte es sein, das wäre die Lösung all ihrer Probleme – dazu noch ein kurzweiliger Zeitvertreib, denn Zeit und Vertreib würde sicherlich reichlich aufkommen, wenn sie erst einmal in solch einer komfortablen Situation wäre. Sie malte sich das in Gedanken aus, wie solch ein Traumprinz sein müßte, ein starker, stattlicher, imposanter, kolossaler, repräsentabler, patenter, strahlender Bursche, dazu freundlich, liebevoll, rücksichtsvoll, umsichtig, hübsch, sich um sie kümmernd, ein toller Kamerad im Spiel sowie im Leben, einer, welcher ihr überdies mehr bieten kann, statt lediglich ein Wasser reichen. Reichtum an sich schien ihr zwar eher unwichtig zu sein, doch wer den Ton angibt, Vermögen hat, ist auch wer, muß sich nicht beschimpfen lassen, dafür noch alle Drecksarbeit machen.
Ja, ein Traumprinz, das wäre es!
Aschenuschi würde feine, saubere, strahlende, komfortable, nagelneue Kleider tragen, nur von den schönsten, leckersten, tollsten, deliziösesten, delikatesten Speisen serviert bekommen, es würde für ihre Person musiziert, getanzt, Theater aufgeführt werden, Poeten würden schönste Gedichte vortragen, Künstler würden darum betteln, ihr Konterfei malen zu dürfen, um daraufhin dennoch zugeben zu müssen, daß ihre Bilder vor dem Liebreiz ihres Antlitzes doch verblassen müssen. Sie würde allgemein von allen Seiten verwöhnt werden, dazuhin als Ausgleich für all jene Ungerechtigkeiten, welche ihr bisher angetan wurden – ferner ebenso all jene Schlechtigkeiten, welche ihr und ihrer Mutter nachgesagt wurden. Alles mußte sich gerade ins Gegenteil verkehren.
Denn es gab doch dieses Ideal, welches ausgleichende Gerechtigkeit geheißen wurde?
Das mußte sich doch irgendwie die Waage halten oder konnte die Welt wirklich so schlecht sein?
Wer, wenn nicht ihre Wenigkeit, hätte endlich ein besseres Leben verdient?
Oder gab es doch nur schreiende Ungerechtigkeit, durch welche alles nur immer extremer aufgeschaukelt werden würde?
Aschenuschi konnte, wollte das keinesfalls glauben.
Auch ihrer Person mußte das Schicksal doch einmal hold, wohlgesonnen sein.
Wo blieb ihr Stück vom Glück?

Nun lebte sie in einem Königreich. Dessen Königsfamilie hatte gar drei Prinzen sowie als jüngstes eine Prinzessin. Aschenuschi hoffte so sehr, einen jener Königssöhne abzubekommen, es mußte ja keineswegs gleich der Kronprinz sein, welcher sie aus ihrem Elend erretten mußte. Wie es sich für Prinzen gehört, waren natürlich alle drei ganz prachtvolle Burschen, gut in Form, allseits beliebt. Von den Damen des Reiches wurden die Prachtkerle zudem nur so angehimmelt. Trotzdem hatte es bislang keine vermocht, von einem der drei geehelicht zu werden. Von daher waren also alle drei plausible Kandidaten, welche das Herz schon höher schlagen ließen. Ja, alle drei sollten wohl wunderbare Augenweiden sein, so sprach man, denn selbst oder gar persönlich zu Gesicht hatte Aschenuschi noch keinen davon bekommen, allerdings gelegentlich mal Bilder gesehen – diese ließen vermuten, daß alle Damen des Reiches sich wohl schon ganz zurecht nach ihnen verzehrten sowie sich nach ihrer Gesellschaft sehnten.
Das Königshaus war reich sowie mächtig, alle Menschen darin kühn, schön und prächtig.
Neben den Bürgern der Stadt gab das Königshaus wohl ebenfalls einen Teil zu den Kosten des Waisenhauses dazu, so ganz schlecht konnten sie doch mitnichten sein!
Obwohl, so mußte man einräumen, das Waisenhaus ja letztlich doch sehr ärmlich ausgestattet war.

Doch welche Chance könnte Aschenuschi da haben, daß einer von diesen Prinzen je auf sie aufmerksam wurde, wo sie immer fleißig lernte, arbeitete, somit gar keine Gelegenheit hatte, mit ihrem zerschlissenen, grauen, abgetragenen Kleid, ihrem aschigen, staubigen Aussehen jemals auf einen jener prächtigen Bälle aufzutreten, um jemals auch nur in die Nähe solch prächtiger Prinzen zu gelangen, so seufzte sie nur traurig und träumte weiter. Wie gerne würde sie auch in einem traumhaften Kleid auf Bällen mit Traumtänzern schwofen, in rhythmischer Musik schwelgen, wissend, daß es im Gemurmel aller Leute nur darum ginge, ihrer Schönheit, graziösen Eleganz, eindrucksvollen Apartheit zu huldigen, diese zu bewundern, zu preisen, wenn sie mit einem stattlichen, geschickten, gewandten Tanzpartner über das Parkett schwebte. Da könnte gerne einmal eine gute Fee vorbeikommen, um das Mädchen wenigstens für eine rauschende Ballnacht in eine alles überstrahlende Prinzessin zu verwandeln, die dann ihre Schuhe durchtanzte, glücklich herumwirbelte, die Prinzen richtig ins Schwitzen, Träumen, Sehnen brachte, daß diese ihr alle in Leidenschaft und Sehnsucht zu Füßen lägen, das Haupt vor ihr neigten, sich von ihr verzaubert nach ihrer Gesellschaft verzehrten?
Alsdann müßte sie nur auswählen, wer der Schmuckste unter ihnen wäre, welcher dann ihr Augenstern werden sollte.
Aus ihrem Blickwinkel gesehen erschien das jedenfalls als eine tolle Idee, welche einfach mal so umgesetzt werden könnte. Allein, keine gute Fee kannte wohl jene Adresse, unter welcher Aschenuschi anzutreffen sowie mit einer derartigen Wohltat zu beglücken wäre, fand mitnichten zu ihr ins Waisenhaus, daher blieb derartiger Zauber aus, das Leben trist, grau, fade, öd, perspektivlos, trostlos, hoffnungslos, einsam. Wünsche waren doch nur wie Seifenblasen zerplatzende Träume, Schäume, Illusionen, Hirngespinste, Spinnereien.
Aschenuschi mußte sich wohl damit abfinden: Es gibt keine Feen, welche ein Mädchen zur Prinzessin wandelten, diese aus ihrem Elend erlösten, nicht einmal für eine einzige rauschende Ballnacht mit durchtanzten Schuhen.
Kein gezaubertes bezauberndes Kleid, kein Ball, nichts!
Dankeschön für gar nichts!

Aber wie sollte Aschenuschi jemals ohne eine solche Fee solch einen wunderbaren Ball besuchen, zumal sie ja am Hof übliche Tänze, Rituale, Zeremonien keineswegs kannte, nichts davon gelernt hatte?
Wie sollte ihre Wenigkeit jemals die Chance bekommen, sich so glänzend zu präsentieren, daß man angemessene Notiz von ihr nahm, ihre Person ferner anerkannte statt verspottete?
Oft kam sie sich vor, als würde sie im falschen Körper, im falschen Sein stecken, als wäre alles nur ein Alptraum, aus dem sie irgendwann als gefeierte, verehrte, strahlende, begehrte Prinzessin erwachen mußte. Es kam ihr vor, als stolpere sie nur in einem Labyrinth von einer Sackgasse in die nächste, ohne jemals dem Schatzwort zum Rätsel ihres Lebens auch nur nahezukommen.
Ja, alles war nur Traum: Von den Prinzen, dem phantastischen Ball, dem glänzenden, alles überstrahlenden Auftritt, welcher alles wenden mußte. Gleichwohl, jedes Mal, wenn sie erwachte, waren da nur ihre zerschlissenen, aufgetragenen Kleider, jene ewig schmuddeligen Öfen, Kamine, Abfalleimer, Asche, Kohle sowie schwere Arbeit. All diese Ödnis wiederholte sich Tag auf Tag, Woche auf Woche.
Dankeschön für gar nichts!

Eines Tages, als sie einmal wieder dabei war, Asche zu entsorgen, als ihre Kleidung, ihre Haare, ihr Gesicht einmal wieder über und über mit Asche bedeckt sowie ganz schmuddelig war, daß Aschenuschi sich gleich schleunigst ordentlich waschen wollte, hörte sie aber draußen einen großen Tumult. Neugierig eilte sie hinaus, wie sie war, um mitzubekommen, was da vorging, denn ihr hatte einmal mehr wieder niemand erzählt, was an diesem Tage los war. Wie sich nun zeigte, gab es einen prächtigen Umzug vom Schloß her durch die Stadt aufgrund irgendeines festlichen Anlasses, wie sie schließlich von vorbeieilendem Volk erfuhr, dem Geburtstag des Kronprinzen. Das traf sie hart, denn hätte ihr das irgendwer rechtzeitig erzählt, hätte sie doch wenigstens sich, überdies ihr Kleid sorgfältig gewaschen, die Haare gepflegt, gebändigt sowie akkurat geflochten.
Doch wie sah nun ihre äußere Erscheinung aus?
Wie ein alter, schmuddeliger Wischmopp hing ihr Leib da nun herum, denn ihre Schultern ließ sie nun vor Überdruß, Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit zusätzlich noch frustriert hängen. Natürlich, so mochte ihre Anwesenheit wohl auffallen, aber sicher mitnichten in gewünschter Weise.
Dankeschön für gar nichts!

Die meisten Leute standen schon wartend bereit, allerdings weiter weg an der breiten Straße, während Aschenuschi noch weiter oben nahe dem Waisenhaus im Armenviertel auf einer kleinen Anhöhe stand, von diesem Standort gerade noch so sehen konnte, wie der prächtige Zug mit stattlichen Burschen in bunten Paradeuniformen mit viel Tsching­de­ras­sa­bum, Türülü, Hoppsassa, Heißahoo herangezogen kam. Oh, was war das eine Fröhlichkeit, Vergnügtheit, Heiterkeit beim Umzug, wie imposant klang beim gerade aufgespielten Marsch jener Rhythmus, wo man mit muß.
Was für eine Farbenpracht, was für ein Blitzen, Blinken, Glitzern im herrlichen Sonnenschein!
Sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß ihr Aussehen bei dieser Entfernung wenigstens den Prinzen vollständig entgehen würde, keinesfalls würde ihre Anwesenheit mit aller Schäbigkeit irgendwem auffallen, auf den es ankommen könnte. Sie hatte die Sache im Grunde schon abgehakt, lauschte trotzdem noch jener kraftvollen Musik, welche sich bis zu ihr mit dem Raunen und Murmeln der Menschenmenge vermischte, beobachtete das muntere Treiben weiter aus der Fern.
Marschmusik war ja eigentlich so gar nicht ihr Fall, aber mit all den knackigen Burschen in lustigen Uniformen mit Puscheln am Hut, welche so stolz ritten oder marschierten – das machte besonders bei solchen Veranstaltungen schon etwas her, was beeindrucken konnte.

Und sodann passierte es – wohl durch irgendwas Außerplanmäßges im Publikum aufgeschreckt, ging das prächtige Roß des Kronprinzen, welcher Giselbert mit Vornamen hieß, durch, es sprengte mit ihm durch jene Menschenmenge am Straßenrand hindurch sowie die enge Straße hinauf, bis zur Anhöhe, wo indes ganz in Aschenuschis Nähe ein räudiger Hund durch das laute Klackern der Perdehufe auf dem Kopfsteinpflaster der Straße aus seinem Dösen aufgeschreckt, deshalb erzürnt wurde, worauf er wütend bellte, ferner das Roß bedrohlich anging, daß dieses ängstlich stieg sowie den Kronprinzen abwarf, ziemlich in Richtung Aschenuschi, fürderhin ebenfalls gefährlich unter jene wirbelnden Hufe des panischen Rosses, daß dem Prinzen drohte, zertreten zu werden.

Aschenuschi hinwieder reagierte schnell sowie mutig ohne jedwedes Zögern, als ihr Prinz Giselbert quasi zu Füßen geworfen wurde. Als Beherztheit, Bravour sowie Entschlossenheit in Person eilte und griff diese zu, zog den gefallenen, dahingesunkenen Prinzen beherzt über das Pflaster weg von den Hufen des Rosses, welches drehte, wirbelte, panisch stampfte, Aschenuschi streifte, daß diese wohl gleichermaßen ein paar blaue Flecke bekam. Sie indessen verspürte keinen Schmerz vor lauter Aufregung, sich diesen schmucken Burschen so einfach eingefangen zu haben!
Ihr Herz raste, als dieser Traumprinz so unverhofft in ihren Armen lag, woraufhin sie ihn gleich traulich an den vor Aufregung bebenden, zarten Busen drückte.
Konnte das wirklich sein oder war das wieder nur ein alberner Traum?

Der räudige Hund aber hetzte das Roß weiter sowie hinterher. Ihre Hoheit von Kronprinz kam erst jetzt langsam, zunächst noch benommen, desorientiert, verdutzt wieder zu vollen Sinnen, während das Volk samt den besorgten Dienern des Königshauses schon von unten jene Straße hinaufeilten, an deren Ende Aschenuschi weiterhin den prächtigen Prinzen in prunkvoll pompöser Uniform am Busen barg.
Der glanzvoll herrliche, sowie jetzt doch etwas durch den Schmutz der Straße, durch das schmuddelige Mädchen angeschmierte Prinz Giselbert unterdessen schaute entsetzt, überdies voller Abscheu auf seine Retterin, stieß diese weit von sich, richtete sich auf, seinen geprellten Steiß reibend, seinen geschundenen Leib vor Abscheu schüttelnd, sein Gesicht gräßlich verziehend. Dieser edle Prinz rief: „Fort von mir, du Ausgeburt der Hölle!
Fort von mir, du nichtsnutziges, schmutziges, elendes Ungeheuer!
Fort von mir, du dreckige Schlampe, Vettel, Schlunze!“

Das war nicht schön gesagt und auch nicht nett gemeint.
Undankbar war zudem der Stoß.
Aschenuschi indes taumelte wie benommen zurück, knallte dabei gegen eine Häuserwand. Schon beinahe herbei war ein Tumult an Leuten, daß Aschenuschi fürchtete, noch für alles sämtliche Schuld zu bekommen, denn Roß und Hund waren längst verschwunden. Zum Schutz vor weiteren Beschimpfungen eilte Aschenuschi schnell durch eine Seitengasse fort. Bitter enttäuscht kullerten Tränen über ihre Backen, spülten etwas Schmutz von ihren Wangen, hinterließen Spuren auf den Bäckchen, tropften auf das schmuddelige Kleid. Einige Schluchzer entfleuchten ihrer Kehle, die Tränen kullerten weiter nur so ihre Wangen herunter, in diesem Tränenstrom löste sich Asche sowie Staub, alles tropfte schlammig, zäh herab.
Letztlich freilich schüttelte sich ihr Leib einmal kräftig, ihr Mund sprach: „Was ist mir das?“

So war eine Chance vertan. Jener pompös auftretende Kronprinz hatte nicht erkannt, welch gutes, mutiges und tapferes Mädchen da unter all dem Schmutz steckte. Bei jemandem aus der Gosse in zerschlissenen Kleidern, mit Asche besudelt sah Königssohn Giselbert keinen Glanz der Persönlichkeit, er blieb an der Oberfläche, konnte jene Lieblichkeit darunter niemals erreichen sowie diese mitnichten ihn.
Aschenuschi grollte traurig, erholte sich jedoch wieder, ferner ging ihr eintöniges, schmuddeliges, armes Leben einfach weiter. Sie aber träumte immer noch von einem wahrlich prächtigen, freundlichen Prinzen, welcher unter die Oberfläche zu schauen vermöchte, sie irgendwann aus ihren Schicksal erlösen würde. Immerhin gab es ja noch zwei weitere prinzliche Hoheiten in diesem Reich.

Wirklich hatte Aschenuschi schon bald darauf die ersehnte Begegnung mit dem zweitältesten Prinzen des Reiches, Adalbert mit Vornamen. An dem sonnigen Tag hatte man ihr die Aufgabe des Wäschewaschen am Flusse übertragen, deren Erfüllung bereits ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hatte. Eine derartige Aufgabenzuteilung war jetzt nicht so überraschend, wie dies zunächst bei einem Kohlenmädchen klingt, denn den Leitern des Waisenhauses war durchaus bekannt, daß Aschenuschi eigentlich sonst immer von sehr sauberer Art war, jene Leiter mußten also nur abwarten, bis diese sich ganz reingewaschen hatte, um ihr auch eine solch schwere, reinigende Arbeit gut übertragen zu können. Zudem mußten Bewohner ihres Alters natürlich für das Waisenhaus besonders nützliche Aufgaben übernehmen, hatten solche doch noch keinen anderen, eigenen Platz im Reiche gefunden. Im Waisenhaus wußte man schon, daß Aschenuschi zuverlässig war, daß auf diese Verlaß ist, daß eine aufgetragene Arbeit auch akkurat erledigt wurde. So harmonierte das Verhältnis von Kosten zu Nutzen noch ganz gut, solange sie nicht durch jüngere Heimbewohner mit ähnlicher Leistung problemlos ersetzt werden konnte.

Schon hatte Aschenuschi alles auf einer wunderbar duftenden Blumenwiese locker luftig auf hohem Gras ausgelegt. Vielerlei Düfte von Blumen und Gräsern der Wiese mochten gleichfalls alle Kinder des Waisenhauses erfreuen, aufmuntern, anregen, wenn diese später diese frisch gewaschene Wäsche nutzen würden, was für Aschenuschi durchaus ein Anreiz war. Eine kleine, duftende Wiesenblume steckte in ihrem Haar, das Trocknen der Wäsche, das Aufpassen darauf verschaffte ihr ein wenig Ruhe am Fluß, bis schon von Weitem Geschwätz, Gejohle und dumpfes Perdegetrappel an ihr Gehör, in ihre Aufmerksamkeit, in ihr Bewußtsein drängte. Schon von Ferne erkannte Aschenuschi den zweitältesten Prinzen in seinem prächtigen Prinzengewande, welcher mit zwei Kameraden dahergeritten kam, ein beeindruckender Anblick mit den munteren Pferden, den bunt ausstaffierten Burschen darauf. Die Kameraden riefen ihn Prinz, Hoheit, ferner Adalbert, von daher war das Erkennen so ohne große Schwierigkeit möglich, zudem sah dieser Prachtbursche den Bildern sehr ähnlich, welche Aschenuschi hatte betrachten dürfen. Sichtlich guter Laune wies jener Prinz lachend auf die auf der Wiese ausgebreitete Wäsche, trieb daraufhin sein Pferd mächtig an, lachte schallend, sprengte anschließend einfach mit seinem Roß durch die Wäsche, wobei er dem schockiert, fassungslos dreinschauenden Mädchen vergnügt, übermütig, kindisch-albern eine Nase drehte, ihr den Spaßvogel, Pfiffikus, Schelm, Narren machte. Immerhin, seine treuen Kameraden ritten dicht am Rande um die Wäsche herum, vermieden, den Schaden noch zu vergrößern, drehten ihr allerdings ebenfalls grinsend, johlend, gröhlend lachend eine Nase.
Gleich darauf waren diese argen Burschen auch schon wieder weg.
Das war ein kurzes, für Aschenuschi samt ihrer Wäsche jedoch sehr prägendes Erlebnis.
Das Erlebnis saß tief.

Irgendwie hatte es ihr nun gar nichts genutzt, daß das Aussehen heute ganz sauber, reinlich, anmutig war, im Gegenteil, gerade die saubere Wäsche hatte den albernen Adalbert wohl gereizt, ihr diesen infantilen, bösen Streich zu spielen.
Wie Aschenuschi es auch drehte, sie war immer die Dumme.
Er hatte nicht widerstehen können, hatte ihre harte Arbeit mit Schmutz besudelt, in den Unrat gezogen. Er hatte es nur darauf angelegt, ihre Reinheit zu beschmutzen, ja all ihre Mühe wieder in den Dreck zu treten, nur um sich über ihre Person, ihren niedrigen Stand lustig zu machen. So aber machte er sich doch nur selbst zum Narren, weil er die einfachen, armen Leute verachtete, respektlos behandelte, offensichtlich nicht über die Folgen seines Handelns für andere reflektierte, nur sich selbst gelten ließ, für wichtig hielt, weil ihm ein kleiner, geschmackloser Spaß für sich sowie seine Kumpanen wichtiger erschien als das Ergebnis schwerer Arbeit, ein wenig saubere, unbeschädigte Wäsche, woran es im Waisenhaus sowieso immer mangelte.

Aschenuschi war sehr enttäuscht. Zudem konnte sie jetzt einen guten Teil der Wäsche noch einmal waschen, anschließend einiges davon überdies noch flicken. So hatte sie sich ein Zusammentreffen mit ihrem Prinzen nicht vorgestellt.
Sie seufzte.
Das war wohl nichts.
Letztlich freilich schüttelte sich ihr Leib einmal kräftig, ihr Mund sprach: „Was ist mir das?“

Später im Waisenhaus wurde sie gescholten, weil die Wäsche geflickt werden mußte, was ihr natürlich zusätzlich zukam. Selbstverständlich war wieder einmal Aschenuschi die Dumme, zwecklos wäre ihr Protest oder eine Erwähnung des dämlichen Prinzen Adalbert mit dessen blöder Aktion, welcher für dieses Schlamassel verantwortlich war. Solche Erklärungen konnte sie gleich vergessen, damit war im Waisenhaus sowieso kein Durchkommen.

Dennoch hing sie ihrer Träumerei weiter nach, einen weiteren Prinzen gab es ja immerhin noch.
Wo noch ein Prinz ist, ist gleichfalls noch Hoffnung. Dieser Königssohn wäre bei Hofe ihre letzte Chance.
Das war der jüngste und zarteste, vielleicht nur ein Jahr älter als sie – warum also nicht?
Doch wie an diesen herankommen, wie sein Herz gewinnen?

Ein paar Wochen später bereits ergab sich ganz überraschend ihre dritte Chance.
Aschenuschi war auf dem Weg in den Wald, um Pilze zu sammeln, immerhin eine deutlich angenehmere Aufgabe als ihre sonstigen. Da sie aber sehr aufmerksam und sorgfältig war, traute man ihr das zu.
Gesammelte, nicht gezüchtete Pilze können bei falscher Auswahl als Speise gefährlich sein, daher werden genaue Kenntnisse gebraucht, damit auch garantiert nur eßbare, bekömmliche Pilze gesammelt und verzehrt werden, Aschenuschi indes kannte sich gut aus. Daß sie sich so gut auskannte, hing mit einer alten, schrulligen Lehrerin zusammen. Diese bot entsprechende freiwillige Kurse an – derartiger Zusatzunterricht erschien Aschenuschi zunächst primär eine gute Gelegenheit zu sein, dem schmuddeligen Grau des Waisenhauses, dortiger Schmutzarbeit für einige Stunden zu entkommen.
Die meisten anderen Kinder hatten eher andere Interessen, daher hatte Aschenuschi überdies in dieser Hinsicht Ruhe vor den Nervensägen, welche sie immer zur Außenseiterin machten.
Bei jener alten Schrulle lernte sie jedenfalls sehr viel Nützliches über Pflanzen, Pilze, Tiere, Wirkstoffe, wo man etwas findet, wie man gut beobachtet und so weiter.
Aschenuschi genoß die Natur dabei sehr, ferner die Gelegenheit zum freien Durchatmen.
Jene Alte wiederum war bald ziemlich begeistert, daß eine so gelehrige, aufmerksame, schlaue Schülerin Interesse an ihren Lehren, ihrem Wissen über die Natur gefunden hatte, denn diese Lehrerin spürte inzwischen ihr Alter schon sehr, umso mehr drückte das Bedürfnis, all ihr Wissen dringend an die nächste Generation weiterzugeben. Aschenuschi schien ihr da die richtige Kandidatin, welche sich gut Informationen merken konnte, ebenso all jene richtigen sowie wichtigen Fragen von selbst stellte, über welche die Alte teils selbst erst nachdenken mußte, teils auch nur noch dazu Tips geben konnte, wie man manchem Rätsel selbst auf die Spur kommen könnte, wenn niemand sonst bislang eine Lösung wußte, eine Dokumentation, ein Artikel daher schon gar nicht irgendwo geschrieben stand.
Für das Waisenhaus unterdessen war Aschenuschis Beschäftigung mit der Natur nützlich, denn oft brachte sie von solchen Erkundungen Nützliches mit, was obendrein zur Entlastung der ewig knappen Kasse beitrug.

Nun war Aschenuschi also wieder unterwegs, allein ohne ihre alte Lehrerin, diesmal direkt, um für das Waisenhaus zu sammeln. Damit wurde für sie sogleich das Angenehme mit dem allgemein Nützlichen ganz harmonisch verbunden. Und so schaute sie genau herum, ließ ihre aufmerksamen Augen schweifen, hob alsbald gar warnend den Zeigefinger, als sie einen schönen Pilz sah, zu welchem mit munterer, heller, schöner Stimme gerichtet ein etwas schräges Liedchen aus ihrem Munde erklang:

So führte ihr Weg vorbei am Pilz, weiter in den Wald. Wenig später gab es eine weitere Entdeckung: Eine interessante Pflanze mit stacheliger Frucht. Erneut ertönte ihre liebliche Stimme:

Gleich, jedoch ohne Eile ging ihr Weg weiter durch den großen Wald. Alsbald ergab sich aus ihrer Aufmerksamkeit ein weiterer Fund: Ein weiterer interessanter Pilz. Wieder klang ihre schöne Stimme durch den stillen Wald:

Weiter führte ihr Weg durch den Wald. Aufmerksam blieb ihr Blick, wach ihr Gemüt. In ihrem Korb waren bislang nur wenige Pilze, denn die besten Stellen waren noch gar nicht erreicht, als es in einem Baum nahe ihrem Weg raschelte, dies gleich an ihr aufmerksames Ohr drang.
Der erste Gedanke war ein Tier, allerdings, etwa ein kleiner Vogel oder ein Eichhörnchen hätte zum Rascheln indessen nicht gepaßt.
Lauerte da ein gefährliches Tier?
Das war hier wohl eher mitnichten anzunehmen, auf einem Baum schon gar nicht.
Ja, es gab wohl mal vor vielen Jahren einen Fall, wo ein Mädchen mit roter Kappe angeblich im Wald von einem Wolf belästigt worden war, welcher sich später allerdings zunächst über ihre Großmutter hergemacht hatte, um das Mädchen sodann als solche verkleidet zu vernaschen. Immerhin konnte ein Jäger dem Treiben ein jähes Ende bereiten, wobei sich schnell herausstellte, daß jener angebliche Wolf doch eher ein arger Sittenstrolch mit diversen bedenklichen Neigungen war, welcher sich nur zufällig Wolf nannte. Gerede, Gerüchte, Geschichten, Mären darüber schossen in manchen Gegenden ins Kraut, so kam da manch wirres Zeug über dies Ereignis in Umlauf.
Überlieferungen im Waisenhaus darüber hingegen blieben näher am Kern des ursprünglichen Geschehens, denn was nützte einer Waise schon eine Furcht vor zumeist harmlosen Wölfen, welche ja doch eher stiften gehen, wenn sie Menschen sahen, zumal wenn diese selbstbewußt, entschlossen auftraten?
Ein Sittenstrolch hingegen, welcher sich an kleine Mädchen heranmachen wollte, mit einer solchen Variante konnten Kinder im Waisenhaus schon eher etwas anfangen, das war deutlich bedrohlicher als ein einzelner Wolf, überdies in dem Zusammenhang schon eher wahrscheinlich, plausibel, realistisch.
Natürlich sollte ein Mädchen allein im Walde aufmerksam, vorsichtig bleiben, vor solchen Typen auf der Hut sein, allerdings war in ihrer Gegend lange kein Fall mehr bekannt geworden, diese Typen hatten in Städten ein besseres Revier, so war Aschenuschi ohne großes Arg, zudem Hilflosigkeit nicht ihr Ding war. Im Fall eines Falles hätte sich ein Angreifer schon gewundert, wie gekonnt, treffsicher ihre Gegenwehr wäre.
Notfalls mit den Wölfen heulen, diese gleichzeitig doch auf Distanz halten, weitgehend ungeschoren ihr Leben leben können, solche Lektionen hatte Aschenuschi im Waisenhaus sehr gut gelernt, diese Mischung aus kluger Vorsicht, das Riechen, Erahnen kritischer Situationen, rechtzeitiges Ausweichen, eine gewisse Sturheit, Durchhaltevermögen inbegriffen. Es muß keinesfalls immer unbedingt auf direktem Wege sein, keineswegs unbedingt mit dem Kopf durch die Wand, denn mit ein wenig Überlegung findet eine aufmerksame Forscherin oft ebenfalls eine Tür, mit etwas Geschick überdies unverschlossen. Man bekommt nicht immer, was man will, doch mit Aufmerksamkeit sowie etwas Mühe bekommt man doch auch mal, was man ganz gut brauchen kann. Was nicht sein muß, kann man so ebensogut vermeiden.

So schaute Aschenuschi neugierig, mit aufmerksamem Gespür für Gefahr genauer, von welchem Baum das Geräusch gekommen sein könnte.
So ging ihr Schleichgang ein wenig weiter und wirklich!
Da saß etwas über Kopfhöhe wie zum Pflücken reif ein Bursche in prächtigem Gewand auf einem Baum, war dabei in ein Buch vertieft. Er war mit dem Rücken entspannt an den Baumstamm gelehnt, seine Beine auf einem breiten, fast horizontalen Ast gelegt. So kam überdies seine attraktive Figur gut zur Geltung, obgleich er es ja ganz offenbar gar nicht darauf angelegt hatte. Aschenuschi mußte schmunzeln, dieser Anblick gefiel ihr gut, wie er da so entspannt saß, dabei ganz in seine Lektüre versenkt war. Dadurch wirkte er gleich eindrucksvoll klug, lernbegierig, friedlich, vertrauenswürdig. Erst jetzt fiel ihr Blick ebenfalls auf sein Pferd, welches ein Stück weiter auf einer Lichtung graste, ebenfalls ein prächtiges Tier mit kostbarem Sattel. Aber dieser Bursche war da schon viel spannender als sein Pferd, also weilte ihr Blick noch ein wenig auf diesem.

Dieser junge Mann hatte offenbar gar nichts gehört. Daher trat Aschenuschi beherzt weiter heran, wobei sie darum bemüht war, deutliches Rascheln zu verursachen, ferner weiteres Geräusch zu erzeugen, um eine Überraschung, ein Erschrecken seinerseits zu vermeiden. Schließlich bemerkte der junge Mann die junge Frau, sah auf sowie zu ihr.
Aschenuschis Atem stockte!
Das war Friedbert, jüngstes Prinz des Reiches, so zart, hübsch, knuffelig, allerliebst, apart, goldig, daß sie gleich ganz hin und weg war!
Das süße Früchtchen hätte sie schon gerne vom Baum gepflückt sowie gleich darauf vernascht.
Immerhin war sie ganz sauber, die Haare frisch gewaschen, gepflegt, hübsch geflochten, gesteckt. Wenn zwar ihr zerschlissenes Gewand nicht besonders viel hermachte, so war ihre Hoffnung dennoch, wenigstens mit einem netten, freundlichen Lächeln etwas Eindruck hervorzurufen.

Der Prinz staunte über den überraschenden Besuch, besann sich wohl einen Augenblick, wo er überhaupt war, wäre dabei beinahe vom Ast gerutscht, hielt sich jedoch mit gutem Reflex, fragte seinen Besuch hierauf: „Hallo Mädchen, was willst du denn hier?“
Aschenuschi zögerte etwas, denn jetzt galt es wohl, sprach daraufhin aber mit klarer, heller, schöner Stimme: „Ich komme vom Waisenhaus, man hat mir das Pilzesuchen aufgetragen!
Was machst du hier so allein?“
Der Prinz sprang beherzt vom Baum, kam ein Stück vor ihren Füßen auf. Friedbert hatte ein prächtiges Buch in den Händen.
Er erwiderte: „Oh, ich wollte nur meine Ruhe haben, habe mich folglich mit meinem Buch etwas zurückgezogen, es ist ein Märchenbuch von den grimmigen Brüdern.
Willst du mal sehen?“

Aschenuschi wollte gerne mal sehen, gleich zugreifen, anfassen, keineswegs lediglich beim Buch. Solch ein Angebot würde ihr vielleicht nie wieder zuteil. Bei ihr durfte Prinz Friedbert schon einmal gern alles herzeigen, was er zeigen wollte.
Von den grimmigen Brüdern hatte sie schon gehört. Solch prächtige Bücher gab es im Waisenhaus aber natürlich nicht, da mußten die Kinder schon mit sehr einfachen Ausgaben zufrieden sein.
Den Korb stellte sie schnell ab, streckte schon die Hände aus, um das Buch vorsichtig anzunehmen, da aber sprach dieser prächtige, junge Prinz: „Moment!
Du wirst es mit deinen dreckigen Fingern noch beschmutzen!
Ich zeige dir so Einband und ein paar Seiten mit Bildern.“
Sie zuckte zurück, ihre Hände waren gar nicht schmutzig. Sie wagte jedoch nicht zu widersprechen, nahm einfach verlegen wieder ihren Korb, schloß ihre beiden Hände fest um dessen Henkel. Nichts vom entzückenden Prinzen wollte sie beschmutzen. Ohne seine Zustimmung hätte sie auch bestimmt nicht gewagt, irgendwie an ihm oder am Buch herumzufingern, was sie schon gelockt hätte, indes, das gehörte sich doch einfach nicht, wäre sehr schlechtes Benehmen gewesen, was ihr fremd war. Es wäre ungehörig, unerlaubt, an Prinzen herumzufummeln. Vor edlen Bücher hatte sie ohnedies Respekt. Denen muß immer eine gute Behandlung zuteil werden, denn sie beherbergen viel Wissen. Also riß sie sich am Riemen und lächelte nur aufmerksam zurück.

Friedbert jedoch nickte zufrieden über sämtliche um den Henkel des Korbes gedrückte Finger, zeigte den prächtigen Einband vor. Aschenuschi staunte, daß es so prächtige Bücher gab. Im Anschluß zeigte Friedbert ferner wirklich ein paar Seiten mit Bildern, welche sehr schön waren, erklärte dazu kurz den Zusammenhang samt Bedeutung. Sie staunte noch mehr, stand mit offenem Mund. Gerne hätte der hübsche Prinz ihr noch viel mehr zeigen dürfen, was allerdings unausgesprochen blieb.
Da lachte er, beinahe so hell wie ein Mädchen, schlug das Buch zu, meinte nur: „Nun hast du aber genug gesehen!“
Gleichzeitig warf er einen Blick in ihren Korb, griff sich schnell einen Pilz heraus, ergänzte: „Viel hast du ja noch nicht gefunden.“
Er schnupperte an dem Pilz, während Aschenuschi angab: „Ich bin erst auf dem Hinweg, die besten Stellen sind weiter drinnen im Wald im Verborgenen!“
Der Prinz schaute auf ihre Erscheinung, schätzte ab: „Du kennst dich also aus?
Da sind wirklich keine giftigen dabei?“
Aschenuschi schüttelte energisch den Kopf: „Nein, ich weiß schon genau, was ich tue!
Ich finde die köstlichsten und schmackhaftesten mit Leichtigkeit!
Auch viele andere Köstlichkeiten, wirksame Substanzen, berauschend duftende Blumen kann ich leicht finden, sammeln, dir anschließend zeigen!“
Da lachte Königssohn Friedbert wieder hell, fröhlich, vergnügt, meinte dazu: „Gut, also will ich dich mal nicht weiter aufhalten. Du kannst auf dem Rückweg ja noch einmal vorbeikommen, um mir deine Ausbeute vorzuzeigen.
Vielleicht sollte ich meiner Schwester überdies einen Strauß Wildblumen mitbringen, kannst mir ja nachher beim Finden sowie Pflücken der schönsten helfen, welche ebenfalls nicht so schnell verwelken.“
Aschenuschi war einverstanden, nickte, lächelte zufrieden über den Verlauf des Zusammentreffens mit diesem Prinzen, welcher so schmuck, lieblich, freundlich war, welcher sich gar ganz passabel benahm, selbst ihr gegenüber.

Prinz Friedbert überlegte: „Mir scheint, du bist alt genug, daß man dich im Waisenhaus bald schon lieber loswerden will, damit mehr für jüngere Kinder bleibt?
Wenn du ruhig, besonnen, gehorsam, folgsam, fleißig, reinlich bist, wenn du dich wirklich mit guter Speise auskennst, vielleicht könnte man dich bei Hofe brauchen, in der Küche oder im Garten.“
Aschenuschi nickte, er hatte natürlich Recht, ihre Tage im Waisenhaus waren gezählt, etwas anderes war noch immer nicht in Aussicht, sie zeigte ihre sauberen Finger vor, erwiderte: „Gewiß bin ich reinlich, beflissen, gelehrig, brav, still. Solch eine Möglichkeit wäre in meiner Situation schon sehr relevant. Du hast wohl Recht, für das Waisenhaus bin ich bald schon zu alt.
Eine Stelle bei Hofe wäre da sehr schön für mich!“
Sie hoffte natürlich ebenso, bei Hofe würde sie bessere Kleidung haben, bei solch einer Stelle sauber bleiben, die Schönheit ihres Antlitzes würde viel besser zur Geltung kommen. Vor allem wäre sie den Prinzen so auch viel näher. Damit könnte sie jedenfalls dem traurigen Schicksal ihrer Mutter spielend entgehen, kam ihr in den Sinn. Wenn zudem wirklich die Liebe durch den Magen ginge, wie gern gesagt wird, so wäre dies ja vielleicht ein Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen, das sollte ihr dann schon gelingen. Das könnte ihre Chancen auf einen Prinzen deutlich verbessern, wobei dieser hier wohl ihre Wahl wäre, wo sich die beiden anderen schon so unbeliebt mit ihren enttäuschenden Auftritten gemacht hatten.

Damit waren sich beide einig. Aschenuschi eilte daraufhin noch ganz in Gedanken, um der Pilzsuche nachzugehen, überdies um diese später beim Prinzen vorzuzeigen, damit dieser sich überzeugen könnte, wie fleißig und kundig sie war, mithin könnte er doch glaubhaft ein gutes Wort für sie einlegen.
Nun, sie wußte wirklich ganz gut, wo zu gucken war, wo Pilze, Beeren gefunden werden konnten. So fanden sich zügig reichlich schmackhafte Pilze und auch einige leckere süße, gar prickelnd freche Früchtchen. Daher war ihr Korb bald voll. Sie eilte hoffnungsvoll mit guter Laune zurück zu jener Lichtung mit Baum, Pferd und Prinz. Den hoffte Aschenuschi vielleicht gleich mit gar süßer, saftiger Speise frisch vom Busche verwöhnen zu können, wollte ihn gerne mit eigener Hand laben sowie locken, ferner ihm den Tag so versüßen, zugleich verzaubern, daß er ihr Labsal, ihre Person niemals würde vergessen können.

Dort auf der Lichtung angekommen, war aber vom Prinzen weit und breit nichts zu sehen. Aschenuschi war bereits wieder enttäuscht. Ihre Vermutung ging gleich in eine düstere Richtung: Auch dieser Prinz hatte sie nur zum Narren halten wollen.
So sprach sie leise, sich auf ihre Verabredung mit Prinz Friedbert beziehend: „Das war wohl in den Wind gesprochen!“

Räuber

Allerdings schaute Aschenuschi sich noch ein wenig um, fand daraufhin am Baum das Märchenbuch der grimmigen Brüder am Boden liegen. Es war offenbar heruntergefallen und lag offen aufgeschlagen, der Buchrücken nach oben, mit geknickter Seite auf dem nicht gerade sauberen Boden. Das erstaunte, war Prinz Friedbert doch zuvor so sorgsam mit dem kostbaren Buch umgegangen, hatte es sogar vermieden, daß es von ihr angefaßt wurde.
Da paßte doch etwas nicht zusammen?
Nun lag das wertvolle Buch so verwaist am Boden, achtlos in den Dreck geworfen?
Da konnte etwas nicht stimmen.
Obgleich ihre Hände bereits an einem kleinen See gewaschen waren, wurden diese nochmals sorgsam an Kleidungstücken abgestreift, woraufhin das schöne Buch vorsichtig aufgenommen wurde, woraufhin sie ganz sanft bemüht war, das geknickte Blatt wieder glattzustreichen, bevor sie das Buch schloß, sich ferner umsah.

Auf der Lichtung gab es Spuren im Gras, das sah nach einigen Personen mit Pferden aus. Aschenuschi grübelte.
Bekannte des Prinzen?
Wäre Friedbert freiwillig mitgeritten, hätte er das Buch nicht hier zurückgelassen, achtlos auf den Boden geworfen. Ein anderer Verlauf wäre hier wohl wahrscheinlicher.
Peter kannte sich viel besser mit Spuren aus, zudem kam ihr das alles so eigenartig vor. Alleine den Spuren zu folgen, wäre kein sehr kluges oder überlegtes Vorgehen bei vorgefundener aktueller Faktenlage. Deshalb wurde das Buch sorgsam in ihrer großen Schürze geborgen. Anschließend eilte sie mit dem Korb voller Pilze und Beeren zurück zum Waisenhaus.

Nachdem Aschenuschi den Korb abgestellt hatte, suchte sie nach Peter und fand ihn zum Glück ziemlich schnell. Dieser war gegenüber seiner weiblichen Leidensgenossin kein Miesepeter, kam daher auch gleich auf eine Bitte hin mit. Unterwegs erzählte sie über jene Begegnung mit dem jungen Prinzen sowie ihren merkwürdigen Beobachtungen später auf der Lichtung. Peter hatte den jungen Prinzen Friedbert ebenfalls schon einmal aus einiger Entfernung gesehen, hatte dabei gleich Gefallen an ihm gefunden. Bereits deswegen war sein Interesse an dem Fall ebenfalls geweckt.

Als beide auf jener Lichtung ankamen, auf welcher Aschenuschi Friedbert angetroffen hatte, untersuchte Peter alle auffindbaren Spuren genau. Er wies auf niedergewalztes Gras sowie einige geknickte Zweige bei ein paar Büschen hin. Daraufhin fand er überdies noch etwas zerrissenes Tuch, vermutlich von Kleidungsstücken des Königssohns.
Peter kam zu dem Schluß: „Ich vermute, hier wurde gekämpft, naja, vielleicht eine relativ harmlose Balgerei. Aber Friedbert wurde wohl überwältigt sowie verschleppt. Genau kann ich das natürlich aus den mageren Spuren nicht schließen. Aber du sagst ja, er habe friedlich gelesen, dein Buchfund, dazu all diese Spuren deuten jedenfalls an, daß er nicht freiwillig mit den Leuten gegangen sein wird, mit denen es hier eine Auseinandersetzung gegeben hat. Immerhin ist nirgends Blut zu sehen. Wir sollten den Spuren also auf jeden Fall weiter folgen sowie uns überzeugen, wie es ihm geht.“
Die junge Frau nickte, war einverstanden mit der geäußerten Hypothese, Schlußfolgerung, anschließendem Handlungsvorschlag. Peter wies den Weg, welcher von den Pferden wohl nach dem Ende jener vermuteten Auseinandersetzung genommen wurde. Die Spur führte tief in den Wald, bald über verborgene Trampelpfade. Hier konnten Pferde ebenfalls nicht schnell gewesen sein, während Peter und Aschenuschi ganz gut vorankamen. Unterwegs ging die Spur jedoch beinahe verloren, eine Verfolgung ging nur noch auf Verdacht voran.

Alsdann indes bemerkte Peter, welcher stets allgemein aufmerksam blieb, ein Stück weit weg vom Weg etwas, hielt Aschenuschi zurück, schaute vorsichtig sowie angespannt. Recht zügig ließ seine Anspannung merklich nach, hoch aufgerichtet ging er ein Stück in den Wald hinein. Sie folgte zögernd, fragte unterdessen nichts.
Scheinbar zu einem Busch sprach Peter endlich einen Gruß. Aschenuschi erlebte alsogleich eine Überraschung, als sieben Zwerge zögerlich hervortraten, zugleich scheue und fleißige Gesellen, welche eigentlich in der Gegend der sieben Berge Bergbau betrieben. Daneben hatten diese kleinen Kerle sich einen Namen gemacht als Hersteller von Präzisionssanduhren, weil sie in der Lage waren, durch sieben mal sieben ganz feinen Sand herzustellen. Genaues über den Produktionsprozeß drang natürlich nicht heraus aus ihren geheimen Produktionsstätten, doch wußte man immerhin so viel, daß solch feiner Uhrensand wohl aus Bergkristall, also Quarz hergestellt wurde. Gewissermaßen waren Sanduhren also präzise Quarzuhren. Derartige Quarzuhren sind viel genauer als einfache Eieruhren, wer genau wissen will, wie die Stunde geschlagen hat, läßt Quarzuhren Zeit verrieseln und vermessen.
Sie hatte schon von den sieben Zwergen, genauso von der ausgezeichneten Qualität ihrer Produkte, ihrem Fleiß, ihrem ausgeklügelten Vertriebssystem gehört, eigentlich wohnten die Zwerge allerdings weit weg, daß es erstaunlich war, diese hier anzutreffen. Der Vertrieb erfolgte über Zwischenhändler, weswegen man solche Zwerge persönlich selbst in der Hauptstadt des Königsreichs nicht antraf, in den exklusiveren, teureren Läden ihre Produkte schon, neben den Uhren ebenso Schmuck, dergleichen Geschmeide, Kleinode, Juwelen, Edelsteine, Zierrat. Weit weniger subtiles Werkzeug wie hochwertige Messer, Äxte oder Schwerter gehörten indessen ebenfalls in das Sortiment jener robusten kleinen Kerle. Die Zwerge waren gut aufgestellt, auch jetzt sogleich akkurat nebeneinander.

Peter fragte, ob diese Auffälliges, insbesondere Prinz Friedbert in dubioser Begleitung gesehen hätten. Wie sich herausstellte, machten jene sieben knuffigen Kerlchen mit Zipfelmützen heute gerade einen Betriebsausflug ins Grüne. Wie es sich fügte, hatten die putzigen, bärtigen Burschen wirklich Räuber bemerkt sowie sogar gesehen, wie diese den Weg entlang Königssohn Friedbert entführt hatten. Zwerge mischen sich nicht allzu gerne in Angelegenheiten anderer Leute ein, ferner waren sie auf ihrem Ausflug schlecht ausgerüstet, um sich den Räubern angemessen stellen zu können. Sie grübelten noch, was am besten zu tun sei, waren nun überdies wirklich erleichtert, daß offenbar Peter und Aschenuschi dieser mysteriösen Angelegenheit weiter nachgehen wollten. Die Zwerge wiesen den beiden den ungefähren Weg, so waren Peter und Aschenuschi wieder auf verläßlicher Spur, höflich erfolgte der Abschied. Mithin eilten beide weiter, zudem bestärkt in der Befürchtung, daß dem Edelmann Friedbert bei den Räubern großes Leid geschehen könnte.

Irgendwann hörten sie später in der Ferne menschliche Aktivitäten. Nun war Vorsicht geboten. Es wurde seitlich vom Weg abgewichen, sich herangeschlichen, konzentriert gelauscht, sondiert. Wirklich kamen beide so bald an eine Lichtung nahe an einem kleinen Bach mit drei Baracken darauf. Alles machte den Eindruck einer improvisierten, wilden, unordentlichen Räuberbehausung. Lange konnten jene Räuber sich hier noch nicht niedergelassen haben.
Aschenuschi erkannte zuerst das prächtige Pferd samt Sattel des Entführten wieder, wies Peter darauf hin. Sie schlichen noch etwas weiter um die Lichtung herum, um mehr zu sehen, waren allerdings sehr vorsichtig, sorgsam eine Entdeckung vermeidend.
Anschließend wurden ihnen mehr offenbart, als ein Räuber eine Tür einer Baracke öffnete, heraustrat. Drinnen war Prinz Friedbert geknebelt an einen Träger des Schuppens gefesselt.
Dem herausgetretenen Räuber folgten zwei weitere, diese winkten drei weitere finstere Gesellen herbei. Alle berieten im Anschluß, wovon Peter und Aschenuschi nur Bruchstücke mitbekamen. Aber so viel war klar, die Räuber wußten, daß ihre Geisel ein Königssohn war, offenbar hatten sie ihn durch Zufall entdeckt, berieten nun nach vollendeter Entführung, wie am besten vom König Lösegeld erpreßbar wäre, wie aus ihrer argen Tat am meisten Profit geschlagen werden könnte. Offenbar war es also eine spontane Tat gewesen. Die Gunst der Stunde nutzend hatten die Strauchdiebe zugeschlagen, den Prinzen vom Baum gepflückt, hernach verschleppt. Nun waren jene Banditen entschlossen, daraus sollte möglichst viel Kapital geschlagen werden. Hier mochte es sich lohnen, daher wollten jene Schurken nun zudem auch länger im Land bleiben, weil bei ihnen der Eindruck entstanden war, daß es hier schon etwas mehr zu holen geben könnte.

Eigentlich war das Königreich ein ziemlich friedlicher Landstrich. Vielleicht waren diese Räuber aus einem der Nachbarreiche geflohen, hatten gerade erst begonnen, hier aktiv zu werden.
Was aber hätten Peter und Aschenuschi gegen solche Schurken ausrichten können? – Nichts!
Peter hatte zudem keinen Knüppel aus dem Sack dabei, der alle Ganoven für sie hätte züchtigen sowie vertreiben können. So mußten beide wieder leise zurückkriechen, eilten hernach indessen schnell davon zurück. Unterwegs fiel erst die Entscheidung, daß ihr Weg direkt zum Hofe des Königs führen müsse, damit von dort Hilfe mitkäme, damit Prinz Friedbert schnell aus dem Räuberlager befreit werden könnte. Der Weg zum prächtigen Schloß von der Stadt aus war einfach, zunächst ging es jedoch noch durch den wilden Wald. Beide kannten sich aus, also kein Problem.

Angekommen schenkte ihnen die Wache erst Gehör, als Aschenuschi das kostbare Buch vorzeigte. Allerdings verdächtigte man sie daraufhin zunächst, was allerdings wiederum dem Hauptmann dieser Wachtruppe nach etwas Nachdenken sowie freundlichen logischen Einwendungen doch nicht einleuchtete. Deshalb ging ein diesbezüglicher Bericht dringend an die Königsfamilie. Nach relativ kurzer Zeit wurden beide schon vorgelassen. Peter und Aschenuschi waren sehr eingeschüchtert durch all die Pracht, es war unterdessen keine Zeit, um all das genauer anzusehen.

Die Königsfamilie war entsetzt über die böse Nachricht der Entführung, welche über das friedliche, verschlafene Reich aggressiv hereinbrach wie das kreischende Krähen eines heiseren Gockels in der Morgenstunde über noch selig sich in den Federn des Bettes kuschelnden Schläfern.
Beide verbliebene Prinzen, Giselbert sowie Adalbert, erkannten Aschenuschi nicht einmal, schenkten ihr keine große Beachtung, während Peter schon große Augen machte bei den prächtigen, knackigen Kerlen in adretten Uniformen mit engen Hosen und muskulösen Schenkeln und Armen. Oh, waren das prachtvolle Kerle in pompöser Staffage, daß Peter ganz schwummerig wurde.
Aschenuschi indessen war von diesen schon enttäuscht worden, weswegen diese weit weniger beeindruckt war. Für Konversation, Bewunderung, Herumgeschwurbel blieb unterdessen sowieso wenig Zeit.

Unterdessen hatte die junge Prinzessin Elfleda das kostbare Buch an sich genommen, musterte Aschenuschi darüberhinaus aufmerksam. Indessen schwieg Elfleda zu den Ereignissen, hielt sich bescheiden zurück.
Hauptmann, Prinzen, König sowie Königin berieten sich nur kurz, in der Folge kam dieser Rat zu dem Schluß, daß man eilig mit einer kleinen Truppe mitsamt beider verbliebener Prinzen aufbrechen wolle, um jene arglistigen Räuber zu stellen. Peter und Aschenuschi sollten den gesamten Verband zum Versteck jener üblen Räuberbrut führen.

So wurde es gemacht, bald war der Verband unterwegs, wobei Peter und Aschenuschi sogar ein Pferd für den Zweck bekommen hatten. Zum Glück mußte sich Peter manchmal um Pferde kümmern, daher konnte dieser mit Pferden umgehen sowie überdies reiten. Aschenuschi saß hinter ihm, solcherweise ging es eilig durchs Land, beide voran, gefolgt von den Prinzen samt jener kleinen Truppe.

Peter und Aschenuschi mahnten zur Vorsicht, die Königssöhne indes waren auf Abenteuer, Rache, Heldentum aus, deshalb drängten diese zur Eile. Unterwegs blieb somit nicht viel Zeit zur Überlegung oder Vorbereitung. Ihre Gruppe ritt derartig rasant, daß schnell etwas übersehen werden konnte. Leichtsinnig wird das genannt, doch Prinzen sowie Hauptmann nahmen die Banditen nicht so richtig ernst, deren geschätzte Anzahl samt grober Bewaffnung von Peters und Aschenuschis Bericht bekannt war. Über Kampferfahrung, Entschlossenheit, Skrupellosigkeit gab es natürlich keine Information.

Noch in einiger Entfernung vom Räuberlager meinten darüberhinaus Peter und Aschenuschi, einen der Ganoven von Ferne zu erkennen, welcher vermutlich den Auftrag hatte, eine Lösegeldforderung an das Schloß zu übermitteln. Erschrocken sah dieser umgedreht ihre Reiterschar kommen, schaltete schnell, riß sein Pferd herum, preschte durch den Wald zurück, um seinen Kumpanen eine Warnung vor der herannahenden Schar zuzurufen. Da gab es für die Prinzen Giselbert und Adalbert kein Halten mehr. Als sogar der Hauptmann noch zur Besonnenheit mahnen wollte, rasten diese schon dem Schurken hinterher, so daß der Hauptmann widerwillig seine Truppe überstürzt folgen lassen mußte.
Wäre ihre Lage nicht so ernst gewesen, hätte sich Aschenuschi schon köstlich amüsiert über den Anblick dieser Truppe im Galopp, denn die Königssöhne waren gar putzig ausgestattet mit üppigen Puscheln an den Mützen, nicht ganz so auffällig herausgeputzt machte des Hauptmanns Schar dennoch gleichfalls einen stattlichen Eindruck durch deren feine Uniformen, rasselnden Säbel, wirbelnden Monturen. Da wackelte und schnackelte bei dem schnellen Ritt alles, daß zusehen eine pure Lust und Freude war.
Auch Peter beeindruckte der Anblick auf jeden Fall, mit offenem Munde verfolgte er, wie die knackigen Hintern beider Prinzen bei rasender Hatz auf den Sätteln bumsten, auf und nieder, immer wieder, die Muskeln der Schenkel spielten, als diese sich eng an die Leiber der Pferde preßten.
Hach, das hatte schon etwas, animalische Männer in Rage!
Männer im furiosen Ritt auf rassigen Rossen rasant rasend. Puschel an den Mützen wackelten munter und lustig im Wind des Galopps. Dazu ruckelten, zuckelten prachtvolle lange, scharfe Schwerter an den Schenkeln in ihren Scheiden, wippten im Rhythmus des rasenden Rittes, welch verlockender Anblick gerade für ihn.
Peter und Aschenuschi ritten mit ihrem langsamen sowie doppelt belasteten Pferd hinterher, konnten nur mühsam wenigstens annähernd das Tempo halten. Der Abstand wurde immer größer, gleichwohl war der Weg ihnen ja ohnehin bereits bekannt.

Sie hatten schon keinen Sichtkontakt mehr, trotzdem hörten beide kurz darauf schon von weitem Geräusche einer heftigen Auseinandersetzung. Bei ihrer Ankunft, war die Schlacht im Räubernest bereits geschlagen. Schlacht heißt nicht einfach so Schlacht, hier war es ein blutiges Schlachtfest im wörtlichen Sinne. Die Truppe des Hauptmanns hatte gesiegt, doch Kronprinz Giselbert war während des Kampfes wohl abermals vom Pferd gefallen, wies schwere Verletzungen auf. Zudem war sein noch vor kurzem so attraktives Gesicht nun von einer bösen Wunde verunstaltet, daß er sehr abschreckend wirkte. Sein ebenfalls übermütiger Bruder Adalbert hatte wohl mächtig etwas an den Kopf bekommen, lag ohnmächtig danieder. Das prinzliche Drama sowie andere Verwundete wurden schon von einigen Leute betreut, versorgt, während offenbar bereits alle anwesenden Räuber erschlagen worden waren. Im Wort erschlagen steckt ebenfalls viel Anschauung, von daher war dieser Anblick des Schlachtfeldes mit den Leichen etwas, was sich Aschenuschi und Peter tief ins Gedächtnis bohrte, beide überdies noch später in den Erinnerungen weiter belastete, dort tiefe Spuren eingrub.

Aschenuschi und Peter kamen gerade rechtzeitig, um den Hauptmann mit zweien seiner Leute zur Baracke zu führen, in welcher man hiernach zum Glück den jüngsten Prinzen Friedbert zwar nach wie vor geknebelt sowie gefesselt, aber doch unversehrt vorfand. Der junge Prinz berichtete nachfolgend nur kurz über seine Entführung, was man ohnehin bereits vermutet hatte, hinterher eilten alle aus dem Gebäude hinaus. Hernach zeigte sich der junge Prinz zutiefst schockiert über das Schicksal seiner Brüder sowie ebenso über das Elend aller anderen Verletzten, ferner über den Tod jener grauenhaft dahingemetzelten Banditen.
Prinz Friedbert war völlig fertig mit dem Nerven, zum Teil noch wegen seiner Entführung, mehr indes wegen des grauenhaften Schlachtfeldes vor seinen Augen, was ja erst aus Anlaß dieser Rettungsaktion entstanden war, nur weil er so unvorsichtig, ohne Begleitung und Schutz alleine einen Ausritt machen mußte.
Sanft schenkte Peter ihm gleich Trost sowie Beistand. Dem jungen Prinzen konvenierte das offensichtlich sehr gut. Beide verstanden sich somit von der ersten Minute an ausgezeichnet. Prinz Friedbert hielt sich fortan dicht bei Peter, ließ sich trösten, während Aschenuschi den Männern mit den Verwundeten half. Peter gab nun einen guten Tröster ab, er war stattlich gebaut sowie ebenso durch die schwere Arbeit hervorragend in Form, also durchaus jemand mit starken Muskeln, einer breiten Schulter, an welche man sich in der Not wohl gern anlehnen mochte. Friedbert nutzte diese Gelegenheit sehr gerne.

Aschenuschi hatte schnell geschaltet sowie bereits verstanden, daß dieser junge Prinz weniger einen Kandidaten für sich als für Peter darstellte. Zwar gönnte sie Peter den süßen, edlen Friedbert, wenn es denn etwas werden sollte, dennoch war sie zutiefst enttäuscht, denn so war ihr wohl ebenfalls der dritte Prinz durch die Lappen gegangen, welcher gar keinen Blick mehr für sie hatte, seit er Peter gesehen hatte, welcher ja in seiner Art gleichfalls ein Schmuckstück war, was Aschenuschi schon einräumen mußte. Beide Burschen zusammen gaben irgendwie schon ein schnuckeliges Paar ab, das mußte sie zugeben. Ihr schien, da hatten sich zwei fürs Leben gefunden.
Bei ihr blieb zwar Enttäuschung, letztlich freilich schüttelte sich ihr Leib einmal kräftig, ihr Mund sprach: „Was ist mir das?“

Man sandte um Kutschen sowie weitere Hilfe zum Hofe. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie endlich alle wieder zum Hof des Königs transportiert worden waren. Die Räuber waren besiegt, vernichtet und beseitigt, alle Gefahren durch diese Schurken gebannt, man hatte eine Bedrohung für Reich und Bevölkerung frühzeitig abgewendet, wenn man darüberhinaus sicher streiten konnte, ob das Massaker, die Metzelei beim Räuberquartier samt aller Opfer eine angemessene Reaktion auf das Problem darstellte.

Auf dem Rückweg grübelte folglich gleichfalls Aschenuschi darüber nach, wie das Gemetzel zu bewerten sei. Hätte sie doch zum Beispiel mit Peter bis zur Nacht warten sollen, hierauf im Schutze der Dunkelheit den lieben Friedbert ohne weitere Hilfe befreien?
Damit hätte gewiß eine Eskalation vermeiden werden können, doch wäre ihnen dieses Heldenstück wirklich gelungen?
Ungewiß!
Wenn nicht, wäre es noch deutlich schlimmer gekommen.
Dieser Ausbruch von Gewalt war in dem Moment, jedoch ebenso in den Erinnerungen einfach nur furchtbar.
Was demgegenüber hätten die Räuber hier noch angestellt, wenn diese niemand gestoppt hätte?
Selbst große persönliche Not oder Armut kann keineswegs als Rechtfertigung jeglicher Missetat herhalten.
Die Königssöhne Giselbert und Adalbert jedenfalls konnten sich nicht zügeln. Gewiß war es so gewesen, daß die Lage einfach eskaliert war, als diese, dicht gefolgt von der Truppe des Hauptmannes, in das Lager der Schurken einfielen, planlos, unüberlegt sowie aggressiv. Das konnte nur zur Entwicklung einer Katastrophe führen, hatte sich demzufolge als ziemlich dumm erwiesen. Gewalt ist der Bruder der Dummheit – so nahm das Schicksal seinen blutigen Lauf.
Empfand sie Schuld?
Was hatte sie zu verantworten, weil sie die Truppe mit den Prinzen zu den Banditen geführt hatte, mithin erst das Massaker ermöglicht hatte?
Aschenuschi hatte ja nun selbst niemanden entleibt, zernichtet, erschlagen, doch war ihr nicht klar gewesen, wie hemmungslos, unbedacht, grobschlächtig, oberflächlich beide Prinzen vorgehen würden?
Sie hatte diese doch vorher erlebt, was hätte sie erwarten können?
Dennoch hatte sie ja mit Peter irgendwie Hilfe holen müssen. Was geschehen war, war nicht mehr zu ändern, doch es lastete schwer auf ihrem Gewissen. Was im Leben passiert ist, hat Konsequenzen. Mit denen muß jeder später leben. Es gibt keine wirksamen Ausreden oder Ausflüchte. Jeder aus der beteiligten Truppe hatte von ihm erschlagene Menschen auf dem Kerbholz. Letztlich egal, ob Notwehr, Krieg, Kampf, ein Toter war immer einer zuviel, das unterlag immer eigener Verantwortung, auf andere abwälzen zwecklos. Keine Entschuldigungen, keine Ausreden, keine Ausflüchte. Von all dem Blut des Gemetzels blieb immer etwas in ihrer Erinnerung als eigener Anteil haften. Manchmal kann man nicht richtig handeln, manchmal kommt man aus einer Situation nicht sauber heraus, egal wie man dabei entscheidet, etwas bleibt immer hängen, mit dem man im Anschluß klarkommen muß. Jede andere Behauptung impliziert entweder Lüge, Täuschung gegen einen selbst oder man wäre zu einem kalten Monster ohne jedwede Rücksicht mutiert.
Asche, Schmutz, Dreck kann abgewaschen werden, Schuld nicht. Schuld kann verdrängt, geleugnet, vergessen werden, nicht jedoch ausgelöscht.

In der Truppe herrschte gleichfalls ernste Stimmung, richtige Feierstimmung über den Sieg wollte also ebensowenig unter den Wachen aufkommen. Es gab dafür zuviele Verletzte. So oder so war alles überschattet von dem kritischen Zustand beider verletzter Prinzen. Das drückte die Stimmung bei Hofe mehr als dahingemetzelte Räuber, Strauchdiebe, Schurken im Walde. Das war desgleichen ein hoher Preis des Königreichs für den Sieg über jene rabiaten, rücksichtslosen Ganoven.

Die Banditen hatte man schon bald darauf vor Ort begraben. Später erzählte man sich, eine eigenartige Truppe von Tieren habe in einer ihrer Behausungen Zuflucht gefunden, das seien wohl alte Haustiere gewesen, Hahn, Katze, Hund, Esel, welche ausgebüxt seien, um einer Schlachtung als unnütz gewordene Nutztiere zuvorzukommen, Weiterleben sicherzustellen. Ob jene harmlosen Tiere dabei wirklich, wie oftmals behauptet, Räuber aus einer Baracke vertrieben haben, mag bezweifelt werden, denn diese lagen ja schon alle tot in ihren Gräbern, wer indessen kann das schon wissen, vielleicht haben sie einfach obendrein nur Geister von dahingemetzelten, vergrabenen Mordbuben vertrieben, welche keine Ruhe hatten finden können, wobei das gleichfalls Aberglauben ist, denn bekanntlich gibt es ja gar keine Geister, das sind alles nur Schauergeschichten aus Büchern oder auch überlieferte Räuberpistolen, die ja bekanntlich geduldig sind, insbesondere wenn der Tag lang ist.

Prinzessin

Bald schon fand bei Hofe die Kunde Verbreitung, daß Kronprinz Giselberts Beine gelähmt bleiben würden. Zudem wäre wohl auch sonst ‚untenrum‘ mit Giselbert nicht mehr viel anzufangen. Diese Nachricht entfaltete nicht nur bei Giselbert schockierte Betrübnis, mehrere Damen am Hofe erblaßten zaghaft seufzend darob solch dramatischer Botschaft im Kern getroffen. Zudem sah er mit seiner Verletzung im Gesicht zum Fürchten aus, nichts von dem konnten Betrachter erkennen, was ihn zuvor so stattlich sowie oberflächlich attraktiv gemacht hatte. So manches adrette Fräulein bei Hofe seufzte da wohl noch enttäuscht ein Weilchen weiter, bis das liebende Auge doch auf einen anderen prachtvollen Burschen fallen konnte.
Giselbert verlor als Kandidat fast schlagartig an Bedeutung, erledigt, aus und vorbei!
Danke für nichts!

Prinz Adalbert wiederum war durch den Schlag an den Kopf offenbar gänzlich dumm geworden, taugte wohl nicht einmal mehr zum Hofnarren oder Harlekin. Ergo gab dieser Königssohn gleichfalls keine passable Partie für die höfische Damenwelt mehr ab. Es mußte eigentlich immer jemand auf ihn aufpassen, damit kein weiteres Unheil geschah. Gesellschatlich passé, erledigt, aus und vorbei!
Danke für nichts!

So hatten beide Prinzen arg bezahlt für ihren Übermut, jenes Schlachtfest, Gemetzel im Ganovenquartier.
Alles Blendwerk, alle Prächtigkeit, aller Prunk abgefallen, blieb lediglich ein trauriger Anblick zurück, demaskiert die Scharade, beendet ihr furioser Ritt des Übermuts, Dünkels, vorbei die Lebenslust, Poussiererei, Schäkerei, Neckerei mit Hofdamen, futsch, verweht, vorbei, vorüber!

Immerhin war Friedbert wohlauf. Ergo galt Aschenuschi und Peter am Hofe natürlich große Dankbarkeit, daher blieben diese am Hof.

Während Prinz Friedbert und Peter nun ein Paar wurden, nahm sich Prinzessin Elfleda Aschenuschis an, weshalb diese ebenso am Hofe bleiben durfte, darüberhinaus wurde ihr wie Peter gleich Zugang zur Königsfamilie gewährt. Prinzessin Elfleda hatte Gefallen an ihr gefunden, ließ die junge Frau waschen, ausstaffieren, fein herrichten, frisieren, maniküren, pediküren, zarteste Seife, feinstes Puder und betörendstes Parfüm, beinahe wie ein Spielzeug, eine prächtige Prinzessinnen-Puppe. Aschenuschi wagte unter diesen Umständen jedoch keine Gegenwehr, keinen Protest ob solcher Behandlung. Obendrein stand weiche, exquisite, elegante Garderobe bereit, woran die junge Frau gleich überaus Gefallen fand. ebenso an all jener auf sie verwandten Aufmerksamkeit dabei, verbunden mit sorgfältigem Umgang, ausgeprägter Höflichkeit, liebsten Worten zur damit erzielten Erscheinung. Die Prinzessin führte sie vor einen großen Spiegel mit gülden verziertem, üppigem Rahmen. Elfleda fragte den Spiegel:

Aschenuschi indes war zutiefst beeindruckt, einerseits bereits von dem Spiegel, andererseits auch von ihrer eigenen Erscheinung darin. Sie brauchte erst einen Moment und ein paar Bewegungen, um zu erkennen, daß sie selbst die wunderschöne Gestalt neben Prinzessin Elfleda darstellte, denn Spiegelbilder waren ihrem Leben ja bislang weitgehend fremd geblieben. Da Aschenuschi doch so arm war, daß nicht einmal ein eigenes Spiegelbild im Wasser ihr eigen gewesen war, diese nun das eigene Konterfei zum ersten Male, überdies gleich so fein herausgeputzt sah, erkannte sie sich beinahe gar nicht. Zwar blieb jener angesprochene, Prachtspiegel auf Elfledas Frage hin stumm, allerdings hatte er in dieser Hinsicht wirklich etwas Magisches, zeigte mehr als nur Lichtreflexion, er ließ sehr tief blicken. Aschenuschi erkannte daher schnell, daß ihr Spiegelbild in Pracht und Erscheinung jenem von Prinzessin Elfleda wohl gleichkam, konnte einen solchen Sachverhalt kaum glauben. Aber sie wußte, nun mußte es gelten, riß sich zusammen. Sie erkannte allerdings ebenso, daß die ganze Pracht der äußeren Erscheinung, welche jemanden die Anmutung einer wundervollen, zauberhaften Prinzessin beschert, letztlich doch nur Kleidung, Frisur, Duft, Bemalung von Gesicht und Händen, Haltung sowie Selbstvertrauen sind. So kann jeder eine prächtige Erscheinung einer Prinzessin oder eines Prinzen erhalten, wenn dafür nur genug Mittel zur Verfügung stehen. Dazu braucht es keine Magie, keine Herkunft, keine königliche Dynastie, keine Titel, keinen Hofstaat. Alles lediglich Staffage, Pomp, Putz, Oberfläche, Anmutung. Beherzt antwortete Aschenuschi darob statt des doch stumm bleibenden Spiegels:

Eine derartige Antwort wiederum gefiel Prinzessin Elfleda sehr, weswegen diese Aschenuschi sogleich herzte, der Verblüfften einen lieben Kuß auf die Wange gab, anschließend noch einen auf den Mund. Hierauf ging es so weiter, bald mit Zunge und inniger Umarmung. Aschenuschi wunderte sich zunächst, dachte jedennoch:

So wurde Aschenuschi das liebste Spiel von Prinzessin Elfleda. Aschenuschi durfte von nun an in prächtigen Büchern lesen – nicht nur in dem der grimmigen Brüder, durfte Prinzessin Elfleda daraus vorlesen, mit dieser den ganzen Tag spielen, tanzen, lachen, zärteln, schmusen, Amusement vollziehen. Sie bekam nur feinste Kleidung, beste Speise, wurde behandelt ganz wie Königstochter Elfleda selbst. Das konvenierte indessen im Grunde ganz gut.
Hatte sie nicht bislang an jedem Burschen, einmal abgesehen vielleicht von Peter, etwas auszusetzen gehabt?
Prinzessin Elfleda war obendrein nett im persönlichen Umgang, zudem war diese knuffelig, kuschelig, weich, sanft, zärtlich, lieb, anschmiegsam, verschmust, was wollte sie eigentlich mehr?
Für diese konnte sie sehr gern Begeisterung aufbringen, wie sie nun erstaunt feststellte. Daher war es schon Recht, wie sich ihre Angelegenheiten ohne eigenes Bestreben nun entwickelt hatten. Im Grunde war das Ziel ihrer Wünsche erreicht, anders als erträumt, dennoch oder gerade deswegen jenseits aller Vorstellungen schön.

Kronprinz Giselbert hinwiederum verzweifelte an seinem Schicksal. Giselbert gab sich zunehmend Trunksucht sowie Völlerei hin, ließ seinen Zorn hemmungslos und zügellos an seiner Umgebung aus, neigte überdies dazu, Besucher und Bedienstete mit kleinen Gegenständen wie Obst, Gemüse, gleichfalls ebenso Bechern, Teller, Eßbesteck zu bewerfen. Er ließ sich völlig gehen, schaffte es nicht, sein Schicksal anzunehmen, sich in seinem neuen Leben zurechtzufinden.

Sein dummkopfig gewordener Bruder Adalbert indessen trieb es bunter denn je und stellte nur noch übermütigen, riskanten Unfug an, lachte dabei irre, bescheuert, narrisch, jedoch ebenso vergnügt. Zweifellos hatte er seinen Spaß in seinem geistigen Dämmerzustand, nur leider sonst niemand, denn sein Verhalten ging ebenfalls auf Kosten aller anderen, welche darunter leiden mußten.

Schock und Trauer aber waren groß, als man den Kronprinzen eines Morgens, keine zwei Monate nach dem Vorfall mit den Räubern, ins eigene Schwert gestürzt tot in seinen Gemächern vorfand. Daran war nun nichts mehr zu machen.
Giselbert hatte in einem weiteren Blutbad per Entleibung die eigene Affäre erledigt, aus dem Spiel gebracht, aus und vorbei, Danke für nichts!

So sehr waren alle am Hofe durch diesen dramatischen Vorfall abgelenkt, daß man es wohl versäumte, auf den dummkopfigen Prinzen Adalbert gut aufzupassen, denn dieser blödsinnige Narr stürzte nur Tage später bei einem albernen, übermütigen Schelmenstreich in den Hauptbrunnen des Hofes, konnte daraufhin nur mühsam und tot wieder daraus geborgen werden.
Angeblich hatte er eine seiner kleinen goldenen Kugeln in den Brunnen fallenlassen, mit welchen er bereits wiederholt einige Damen zutiefst belästigt hatte, indem er jene Kugeln nach einer ablenkenden Jonglage als Zaubertrick unter deren Röcken im Schoße verstecken wollte, zur Belustigung später wieder hervorzaubern wollte. Selbst wenn er je so weit gekommen wäre, als Zaubertrick hätte das niemals getaugt, wäre das doch wohl gleich jeder Dame erheblich aufgefallem beim ersten innigen Kontakt.
Quakend wie ein Frosch suchte Adalbert Bedienstete herbeizurufen, sein Spielzeug wieder heraufzuholen. In der Krise über seinen Bruder rauschte dies allerdings an den Gerufenen weitgehend vorbei. Ergo balancierte Adalbert auf der Brunnenbrüstung, suchend nach den eingelassenen Stiegen zum Abstieg, wird dabei wohl ausgerutscht sein, denn niemand konnte sich ernsthaft vorstellen, daß vielleicht jemand Genervtes mit einem Schubser absichtlich nachgeholfen haben könnte. Aber selbst das kann durchaus passieren, das kann passieren, passieren, wenn alles so wirr sowie durcheinander, verworren ist, wie schnell kommt es da zu einer überhasteten Ungeschicklichkeit, einer übereilten Bewegung, einem fatalen Versehen. Statt einen irrsinnigen Narren vom Brunnen zu holen, wird daraus schnell ein Drama.

Tiefe Trauer lag über dem ganzen Hof. Aber mit der Zeit vergehen Gram, Kümmernis; Betrübnis, Seelenschmerz allmählich. Peter tröstete den jüngsten, nun einzigen Prinzen sehr gut, beide gaben ein schönes Paar ab, denn Peter wurde nun gleichfalls prächtig gekleidet wie ein Prinz, war zudem längst Prinzens Friedberts liebstes Spiel.

Aschenuschi kam genauso die ehrenvolle Rolle zu, Prinzessin Elfleda zu trösten, die so viel Gefallen an ihr gefunden hatte. Aschenuschi küßte ihr die Tränen fort, wie diese umgedreht die ohnehin nur noch eingebildete Asche aus dem Sein küßte. So fanden sie sich beide geborgen und sicher in den Armen der anderen und alles war gut.
Prinzessin Elfledas Charakter erwies sich als weit weniger oberflächlich und abgehoben als erwartet. Im Gegenteil, sie achtete Aschenuschi sehr, respektierte diese, daß beide trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer großen Unterschiede gut harmonierten.
Aschenuschi sonnte und wärmte sich in Elfledas Glanz, Wärme und Reinheit, nahm obendrein viel davon an. Umgedreht nahm ebenso Elfleda von Aschenuschi allerhand an, von ihrer inneren Stärke, Ausdauer und Beharrlichkeit. Aschenuschi kannte so manchen Dreh und Trick, Elfleda hatte gleichfalls so ihre Art, was sich im Weiteren gut ergänzte. Und wo die Spiele der Prinzessin eher rein, süß und zart waren, was beide genossen, konnte Aschenuschi mit praktischen, handfesteren, manchmal ebenfalls etwas schmutzigeren Vergnüglichkeiten ihren Beitrag zu gleichen Teilen leisten, so daß beide vertraut wurden mit der Sicht der Welt der anderen, woraufhin beide zusammen daraus ihre gemeinsame Sicht machten. Daher fand Bestätigung, was Aschenuschi ausgesprochen hatte, gemeinsam war es noch tausendmal schöner als allein.

Und daher kam es durch diesen Verlauf aller Ereignisse also dazu, daß Aschenuschi zwar keinen jener drei Prinzen abbekommen hatte, aber immerhin eine hübsche, liebliche, wundervolle, zauberhafte Prinzessin. Aschenuschi ergab sich also ganz willig in ihr Schicksal, was im Weiteren ja wirklich fortan gut war. Nun, so dachte diese dabei, man kann offenbar nicht alles haben, da fügte es sich ganz gut, daß Prinzessin Elfleda so vernarrt in sie war und überdies ihre lustigen Spiele zu zweit so sehr genoß, welche Aschenuschi immer wieder und gleichfalls nicht ungern mit ihr spielte, denn sie hatte schnell herausgefunden, wie gut es sich so leben ließ und wie einfach es im Grunde war, selbst von einer nach ihr ganz narrischen Prinzessin aufs Köstlichste verwöhnt zu werden als wäre sie selbst eine Prinzessin. Viel besser hätte es das Waisenkind nicht treffen können. Und Prinzessin Elfleda war genauso für sie sehr liebenswert und köstlich, daß sie schnell gar nicht mehr von ihrer Liebsten hätte lassen wollen. Darob summte Aschenuschi manches mal fröhlich vor sich hin: Nein, du kannst nicht immer bekommen, was du willst!
Doch wenn du es immer wieder versuchst, findest du vielleicht, was du brauchst!

Ihr altes, zerschlissenes Kleid aber bewahrte Aschenuschi gut und sorgsam auf, denn sie wollte bei all der Pracht, all dem Reichtum, all der Lust hier am Hofe niemals vergessen, was ihre Herkunft gewesen war, daß man auch ohne all diesen Luxus, Überfluß, diese Dekadenz leben kann, zwar nicht so angenehm, aber doch nicht weniger bedeutend, denn so oder so war sie sie selbst, denn letztlich nickte sie lächelnd zu all dem einst so Gewünschten, Erträumten, Ersehnten, dachte sich dazu: „Was ist mir das?“
Plötzlich wußte sie darauf eine Antwort, wenigstens ihre Prinzessin war ihr alles und sie freute sich genauso, daß es Peter mit dem jungen Prinzen ebenfalls gut getroffen hatte.

Indessen war das Königspaar wohl immer noch in Gram verfallen – zwei ihrer Kinder tot, nebstdem Prinz sowie Prinzessin jeweils in einer leidenschaftlichen, innigen Liebe verfallen, welche gleichwohl wenig königlichen Nachwuchs versprach. Aber das Königspaar mußte sich wohl fügen, arrangierte sich schließlich. Es gibt ja immer Möglichkeiten – solche würden ferner früher oder später schon angesprochen werden können, obendrein umgesetzt werden können. Das Königspaar vermutete wohl ganz zurecht, eigentlich waren Aschenuschi und Peter ganz praktische, umgängliche Leute, anders als ihre verstockten Kinder bestimmt flexibel, darüberhinaus Überlegungen, die ihnen nicht schaden würden, bestimmt nicht abgeneigt, so würde es schon Mittel und Wege geben, um mit ihrer Hilfe das Notwendige für den Erhalt der Dynastie zu arrangieren, wenn diese selbst Königssohn und Köngistochter überzeugten, daß Kinder an sich ja doch eigentlich eine tolle Sache seien, selbst wenn der Weg dahin eventuell nicht unbedingt ihren eigenen Bedürfnissen besonders nahekäme. Beide Paare verstanden sich überdies ja gleichfalls sehr gut untereinander, schon von daher wäre man da für praktische Lösungen ziemlich aufgeschlossen.
Da hatte sich das Königspaar wohl ebenfalls nicht in Aschenuschi und Peter getäuscht, die zu gegebener Zeit wirklich Wege zu plausiblen Kompromissen fanden, mit denen alle leben konnten, denn niemand wollte ja wirklich riskieren, die Machtverhältnisse und das frisch gewonnene komfortable Leben ernsthaft aufgrund von Nachwuchsmangel in Frage gestellt zu sehen.

So lebten und liebten sie weiter – und wenn sie nicht gestorben sind, wer weiß, dann herzen sie sich noch immer und tun sich gütlich mit allerhand Vergnüglichkeiten.

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Tag der Veröffentlichung: 01.10.2016

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