Cover

Leseprobe

Metainformationen zum Buch

Eine verschachtelte Erzählung aus der Marie-Serie mit integriertem Märchen sowie Fabeln.

Lena läßt im Park ihren Spielzeugdrachen steigen, übersieht dabei jedoch einen aufziehenden Sturm. Marie hilft ihr, ihren Drachen wieder sicher einzufangen und bringt sie heim. Weil Lena ihre Schlüssel vergessen hat, ziehen sich beide auf den Dachboden des Mietshauses zurück und Marie erzählt mit Lenas Hilfe das Märchen vom Drachen-Mädchen Remia, Tochter vom finsteren und mächtigen Drachen Atrev. Remia findet in der Katze Mütze eine Freundin, mit welcher sie sich immer wieder gegen Atrev behaupten muß, um sich sowie Mütze leben zu lassen, bis der Konflikt eskaliert.

Dies ist eine vereinfachte Textausgabe ohne eigene Stilvorlagen. Dekorative Elemente wie Graphiken sind hierbei lediglich als zusätzlicher Inhalt explizit getrennt von der Erzählung enthalten. Damit ist diese Ausgabe besonders geeignet für Präsentationsprogramme, Geräte sowie Konversionsskripte, welche EPUB nur sehr rudimentär interpretieren können.
Dazu eignet sich diese Ausgabe überdies für Publikum mit einem Hang zur Anmutung von Elementen klassischer gedruckter Bücher.

Einige Charakteristika dieses Buches:

  • Zeichenanzahl: 367612
  • Wortanzahl (Token, Wörter): 56651
  • Wortumfang (Worttypen, verschiedene Wörter): 7673
  • Variabilität (Type-Token-Verhältnis): 0.135
  • Guiraud-Index: 32.2
  • Informationsgehalt (Wortebene): 9.81 Shannon
  • Satzanzahl: 3166
  • Graphiken: 8
  • Alternative Stilvorlagen: 0

Marie: Drachen

Einstiegspunkte

  1. Titel, Titelblatt, Titelbild (Vektorgraphik)
  2. Metainformationen (Impressum, sonstige bibliographische Informationen zum Buch)
  3. Vorwort
  4. Textbeginn

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelei
    1. Antiporta (Schutztitel; eingebettete Vektorgraphik)
    2. Buchspiegel vorne (Dublüre; Vektorgraphik)
    3. Frontispiz (in Vektorgraphik eingebettetes Pixelbild)
    4. Titelblatt (Vektorgraphik)
    5. Metainformationen (Impressum, sonstige bibliographische Informationen zum Buch)
    6. Epigraph (Inschrift, Zitate zur Einstimmung auf die Erzählung)
    7. Vorwort
      1. Zum Inhalt
      2. Technisches
  2. Erzählung (Textbeginn)
    1. Ein kleiner Drachen im Sturm
    2. Auf dem Dachboden
    3. Das Märchen vom Drachen-Mädchen Remia
      1. Über Drachen allgemein
      2. Remia, das Drachen-Mädchen
      3. Ausflug mit Atrev
      4. Fabelhafte Belehrung
        1. Fabel von Schlange und Krähe
        2. Fabel von Krähe und Schlange
        3. Fabel von Drachen, Krähe und Schlange
      5. Das Kätzchen
      6. Konsequenzen
      7. Am Zaun
      8. Drachenkrautlichtung
      9. Jungs
      10. Der Kampf
      11. Erwachen
      12. Suche
      13. Das Erbe
      14. Danach
    4. Nach dem Sturm
    5. Lenas Mutter
    6. Abschied
  3. in extremo libro (Ieletit; Abschluß des Buches sowie bibliographische Spezialitäten, Supplemente)
    1. Epilog
    2. Vakatseite (absichtlich leere Seite)
    3. Buchspiegel hinten (Dublüre; Vektorgraphik)
    4. Buchrücken (Vektorgraphik)
    5. tergum (Rückseite; eingebettete Vektorgraphik)

Epigraph

… Bekanntlich gibt es keine Drachen. Einem simplen Verstand mag diese primitive Feststellung vielleicht genügen, nicht aber der Wissenschaft, denn die Neantische Hochschule befaßt sich überhaupt nicht mit dem, was existiert; die Banalität der Existenz ist bereits zu lange erwiesen, als daß man auch nur ein Wort darüber verlieren sollte. So entdeckte der geniale Kerebron, der mit exakten Methoden dem Problem zu Leibe ging, drei Arten von Drachen: Nulldrachen, imaginäre und negative Drachen. Es existieren, wie gesagt, alle nicht, aber jede Gattung auf eine besondere und grundverschiedene Weise. …

Aus Die dritte Reise oder Von den Drachen der Wahrscheinlichkeit von Stanisław Lem

Eines Tages sagte Unmon zu seinen Schülern:
‚Dieser mein Stab hat sich in einen Drachen verwandelt und hat das Universum verschlungen. Oh, wo sind die Flüsse und die Berge und die große Erde?‘

Zen-Kōan

Oft sehn wir eine Wolke, drachenhaft, oft Dunstgestalten gleich dem Leu, dem Bär, der hochgetürmten Burg, dem Felsenhang, gezackter Klipp’ und blauem Vorgebirg, mit Bäumen drauf, die nicken auf die Welt, mit Luft die Augen täuschend.

William Shakespeare

Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät, Erfreuliches zu ernten.

Friedrich Schiller

Aus: Monster von Judith Holofernes (Wir Sind Helden)

Drachen - das Abgründige, Bedrohliche, Unheimliche, Wilde, Ungezähmte tief in uns allen!

Bertine-Isolde Freifrau von Brockelstedt

Drachen - die Phantasie, das Grauen, die Alpträume tief in uns fliegen lassen.

Balthasar Maria Bernhard Freiherr von Brockelstedt

Vorwort

Zum Inhalt

Diese Erzählung knüpft an ein Erlebnis der Autorin Marie an, gleichwohl ist die Angelegenheit nicht so simpel, daß man den Inhalt einfach biographisch verstehen könnte. Marie besteht auf Distanz zwischen ihren eventuellen Erlebnissen und ihrem Hier und Jetzt. Es steht ein Konjunktiv im Raum, das Erlebnis kann nahezu so stattgefunden haben, es kann auch künstlerisch verdichtet sein.

Marie bewahrt die Distanz ebenso, indem sie auf eine Ich-Erzählung verzichtet, der Erzähler bleibt abstrakter und hat Einblick in verschiedene Gedankenwelten, wie sie Marie als Autorin leicht haben mag, Marie als Protagonistin müßte hingegen sehr scharfsinnig sein, um immer zu ahnen, was genau in den Köpfen der Menschen vorgeht, mit denen sie es zu tun hat - oft ist das zum Zeitpunkt des Erlebens auch von untergeordneter Bedeutung. Marie würde sich da schriftlich nie so genau festlegen.

Die Namen anderer Beteiligter wurden zum Schutz ihrer Privatsphäre natürlich verändert.

Das Buch gehört zur Serie ‚Marie‘. Die Bücher dieser Serie können unabhängig voneinander gelesen werden. Zeitlich liegen die Ereignisse von ‚Marie: der Atelierbesuch‘ einen unbestimmten Zeitraum hinter jenen von ‚Marie: Drachen‘, wobei letztere Erzählung etwas später geschrieben wurde. Chronologisch folgt wiederum mit einem unbestimmten Zeitabstand nach diesem Atelierbesuch ‚Marie: Die Gruft‘, kurz darauf folgt ‚Marie: Der Überfall‘. Ein paar Details in diesem Buch stehen in Zusammenhang mit Vorkommnissen in den anderen, insofern können sich aus den anderen Büchern eventuell ein paar mehr Aspekte erschließen, sofern diese Interesse erwecken sollten.

Technisches

Bei diesem Buch handelt es sich um eine vereinfachte Textausgabe. Anders als die Originalausgabe enthält diese Sonderausgabe auf besonderen Wunsch von BookRix keinerlei bucheigene Stilvorlagen. Graphiken sind zudem klar von der eigentlichen Erzählung getrennt am Beginn sowie am Ende als zusätzliches Material verfügbar, wobei diese Bestandteile derart angeordnet sind, daß diese typischen, ritualisierten Sonderinhalten klassischer gedruckter Bücher entsprechen, siehe auch das Inhaltsverzeichnis.
Diese Zusätze wurden primär ergänzt anläßlich weiterer, eigentlich grundsätzlich unsinniger oder willkürlicher Vorgaben von Händlern, wobei diese Vorgaben von BookRix ohne Nennung des konkreten Ursprungs lediglich durchgereicht wurden. Hinzu kommen einige weitere Pessimierungen in dieser Textausgabe, jedoch mit der Titelei sowie dem Buchende gleichfalls jene Ergänzungen, welche die Anmutung eines gedruckten Buches mehr in den Vordergrund stellen.
Weil die Vorgaben oder Forderungen dieser Händler eigentlich immer unverständlich oder sinnfrei formuliert sind, ist es nicht einmal möglich, die Technik des Buches gezielt daran anzupassen. Meist sind die Änderungen also Spekulationen, wobei nach Versuch und Irrtum solange geändert wird, bis die Händler-Sonderausgabe des Buches im Handel erscheint.
Weil die Ergebnisse dieser ‚Forschungen‘ zudem nicht reproduzierbar sind, Händler ihre Anforderungen nicht transparent publizieren, ist somit von Zufallserfolgen auszugehen. Dabei entsteht der Eindruck, daß diese Anforderungen jedenfalls teilweise bloß ausgewürfelt werden, um digitale Bücher von selbständigen Autoren zurückzuweisen, diese Autoren damit zu frustrieren, um weitere Veröffentlichungen möglichst abzuwenden.
Mit den Ergänzungen wird nun der Hypothese nachgegangen, ob dieses Verhalten etwas mit der Affinität zu gedruckten Büchern zu tun haben könnte, folglich sind Strukturen ergänzt, welche die Anmutung eines gedruckten Buches erwecken könnten, weil insbesondere diese Inhalte besonders in gedruckten Büchern tradiert sind – in digitalen Büchern haben sie selbstverständlich keinerlei Funktion, sind allenfalls dekorativ, können folglich vom Publikum auch komplett ignoriert werden.
Die Ursache der Affinität zu gedruckten Büchern von Verlagen bei Händlern ist schlecht prüfbar. Immerhin ist es für Händler einerseits egal, wessen Bücher sie verkaufen. Andererseits kann das Publikum pro Zeiteinheit immer nur dieselbe Menge Text lesen. Nun sind gedruckte Bücher bereits aufgrund der Materialkosten tendenziell teurer, ebenso Verlagsbücher gegenüber denen von selbständigen Autoren. Weil nun die Margen der Händler anteilsmäßig proportional zum Verkaufspreis sind, erscheint es immerhin plausibel, daß von Händlern gedruckte Verlagsbücher gegenüber digitalen Büchern von selbständigen Autoren tendenziell bevorzugt werden.
Die Folge der Vorgaben ist jedenfalls, daß digitale Bücher im Handel immer ziemlich einfach sind, die technischen Möglichkeiten digitaler Bücher nie ausnutzen, mehr oder weniger als Mängelexemplare gegenüber gedruckten Verlagsbüchern erscheinen. Folglich sind vom Publikum kaufbare digitale Bücher eigentlich immer minimalistisch ausgestattet, bieten lediglich wenige Vorteile dieses Mediums.
Dadurch kann beim Publikum leicht der gewollte (?) Eindruck entstehen, daß die Technik digitaler Bücher noch nicht ausgereift ist, diese kaum Vorteile gegenüber gedruckten Büchern hätten. Dieser Eindruck liegt indes bloß an den Vorgaben der Händler, keineswegs am Format der digitalen Bücher.

Diese Ausgabe ist besonders geeignet für Präsentationsprogramme, Geräte und Konversionsskripte, welche EPUB lediglich sehr rudimentär interpretieren können. Für Programme, welche das Format EPUB korrekt interpretieren, ist hingegen die Originalausgabe mit Graphiken sowie Stilvorlagen zu empfehlen.

Autorin sowie Mitarbeiter dieses Buches haben keinerlei Einfluß auf Mängel, Fehler, Lücken in der Interpretation von EPUB durch das jeweils verwendete Darstellungsprogramm. Bei Darstellungsproblemen sollten diese zunächst analysiert, lokalisiert werden. Dazu kann es unter anderem als erster Schritt helfen, mit verschiedenen Programmen auf Reproduzierbarkeit zu prüfen oder auch mit speziellen Prüfprogrammen zu verifizieren, daß insbesondere im Buch selbst wirklich kein Fehler vorliegt.
Entsprechend wird es anschließend möglich sein, eine zielführende Fehlermeldung korrekt zu adressieren. Die Autorin sowie Mitarbeiter können je nach Fehler durchaus die korrekten Ansprechpartner sein. Bei der Qualität aktueller Darstellungsprogramme können dies jedoch gleichfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entwickler dieser Darstellungsprogramme sein. Entsprechend sind möglichst präzise Angaben zum Problem bei einer Fehlermeldung immer hilfreich.
Generell ist die Fehlerrate bei Darstellungsprogrammen vom Typ Brauser gängiger Anbieter deutlich geringer als bei speziellen Programmen oder Erweiterungen für Brauser zur Interpretation von EPUB. Insofern kann es bei größeren Problemen mit der Darstellung ebenfalls ein Ausweg sein, das EPUB-Archiv zu entpacken (es handelt sich bei EPUB immer um ein Archiv vom Typ ZIP, das Buch alsdann direkt im Brauser zu lesen, wozu zunächst die Datei Inhaltsverzeichnis.xhtml im Verzeichnis Inhalt aufzurufen ist, um einen Einstieg in die Lesereihenfolge sowie einen Überblick über den Inhalt zu bekommen. Über die Verweisfunktion des Verzeichnisses kann anschließend jeweils der gewünschte Inhalt aufgerufen werden. Die Inhaltsseiten haben zudem unten jeweils eine kleines Menü als Hilfe, um zurück zum vorherigen Kapitel zu gelangen, zum Inhaltsverzeichnis oder vor zum nächsten Kapitel, um diese Nutzung als entpacktes Archiv weiter zu vereinfachen.
Diese Nutzung mit entpacktem Archiv kann gleichfalls nützlich sein, um Probleme oder Fehler zu lokalisieren. Bei Einzeldokumenten sind überdies andere Prüfprogramme verwendbar.

Bei automatischen Konversionen dieses Buches im Format EPUB in andere Formate können diverse Mängel auftreten, welche sowohl an Fehlern und Problemen der zu naiv und einfach konzipierten Konversionsprogramme als auch an dem Format liegen können, in welches konvertiert wird. Autorinnen und Mitarbeiter dieses Buches haben keine Kontrolle über spätere Manipulationen oder Formatkonversionen, haben also keinen Einfluß auf die komplette Verfügbarkeit von Inhalten und Hilfen solch manipulierter Versionen. Sie empfehlen daher dringend, das unveränderte Original zu verwenden und sich dieses von einem leistungsfähigen Darstellungsprogramm präsentieren zu lassen.

Manuell ist es recht problemlos möglich, einige Techniken und Merkmale des Buches so weit zu vereinfachen, Inhalte anders aufzubereiten, um diese auch in verminderter Qualität in anderen Formaten verfügbar zu machen. Insbesondere bei wohl noch immer recht beliebten proprietären Amazon-Formaten (Mobipocket oder KF8) ist es recht einfach, ein passend vereinfachtes EPUB zu erstellen, aus welchem sich ein lesbares Buch in diesen minderwertigeren Formaten erzeugen läßt, sofern man sich mit EPUB sowie den Möglichkeiten dieser Formate etwas auskennt.

Ein kleiner Drachen im Sturm

Lena war aufgeregt und zog ihren Flugdrachen gegen den Wind hoch, ließ ihn steigen, hinauf in die Luft und zog recht geschickt, ließ mehr Leine, um ihn allmählich höhersteigen zu lassen. Das machte Spaß und sie konzentrierte sich ganz auf ihr schönes, selbstgebautes Spielzeug, welches seine Bahn lustig am Himmel zog, dazu prächtig sowie figürlich, fabelhaft bunt bemalt war. Lena war glücklich, giggelte fröhlich bei dem heiteren Spiel im Park. Ihr Drachen zuckelte beinahe wie lebendig am Himmel. Dessen Bemalung war auf einer transparenten Folie aufgebracht, so daß man von weitem praktisch nur das Bild des wilden Fabeltiers darauf sah, welches sich schlängelte, wand und hoch am Himmel tummelte. Dieser Eindruck wurde auch noch dadurch verstärkt, daß sein Schwanz an einer Schnur aus weiteren kleinen Flugkörpern bestand, welche im Wind in kleinem Umfange ein zappelndes Eigenleben führten.

Auf einer Bank saß im Park eine dunkel gekleidete Frau ganz bewegungslos. Sie saß sehr gerade, mit akkurat gesetzten Beinen, ihre Füße präzise nebeneinander, ihre Unterschenkel ganz gerade nach unten, wie auch ihr Rücken ganz gerade ausgerichtet war und sie sich nicht anlehnte. Ihre Hände hatte sie auf ihren Oberschenkeln plaziert.
Beobachtete diese Frau Lena bei ihrem Spiel?
Oder sah diese Frau nur bewegungslos in die Leere?
Wenn sie etwas beobachtete, wäre es dann nicht das prächtig sowie mächtig am Himmel flatternde und zuckelnde Fabeltier?
Aber ihr Kopf bewegte sich mitnichten, still und starr saß sie, ließ dabei all dies an sich vorbeifließen wie ein mächtiger Granitblock in einem kleinen Bach, den scheinbar nichts anging, was sonst im reißenden Wasser so vor sich ging, welches seinerseits unbeeindruckt am Steinblock vorbeiströmte, dabei lediglich unbedeutenderes Zeug mitreißen konnte.
Natürlich zauselte trotzdem der Wind in ihrem langen, dunklen Haar und zeigte so bereits, daß sie doch irgendwie in diese Welt gehörte, aber jene Frau beeindruckte dies Gezausel nicht, sie trotzte einfach entspannt diesem alltäglichen Sein, hatte sich in sich zurückgezogen, ohne aber auch nur im Geringsten aus dem Blick zu verlieren, was um sie herum passierte, sie ließ es lediglich von sich abperlen wie die Tropfen eines milden Sommerregens auf dem Blatt einer Lotosblume.

Lena hatte jene fremde, düster wirkende Frau erst gar nicht bemerkt, weil sie so sehr mit der Steuerung ihres Prachtstückes am Himmel beschäftigt war, denn oben war der Wind stärker, deshalb zog ihr kurzweiliges Spielzeug bald heftig sowie kräftig an der Schnur, daß Lena die Haspel bald schon mit ihren beiden kleinen Händen halten mußte.
Aber dieses Spiel der Naturkräfte machte gerade noch mehr Spaß, wenn ihr wundervolles Spielzeug so lebendig an der Leine zerrte sowie riß und sie mehr und mehr mit seiner Wildheit forderte – so muß ein Drachen sein, so ist seine Natur. Daher spürte sie die Macht sowie die Kraft auch des Windes; sie erfreute sich jauchzend an dem wilden Spiel aller Kräfte. Dermaßen könnte es den ganzen Tag gehen, dachte sie, hoffte sie, ja so war es gut, sie war ganz wach und lebendig. Das war etwas anderes als daheim vor dem Fernseher oder dem Rechner zu sitzen und nur zu schauen oder herumzudaddeln. Hier passierte wirklich etwas, was man nicht einfach mit einem Knopfdruck abschalten konnte, was nie ganz unter Kontrolle war, sich gerade darum als besonders spannend sowie interessant anfühlte. Hier blies ihr der Wind um die Nase, zerrte heftig am Flugdrachen, dieser wiederum unnachgiebig an der Leine in ihrer Hand. Insgesamt war alles ein prickelndes, aufregendes Spiel, welches Lena gänzlich fesselte sowie in seinen Bann zog.

Zufällig nur bemerkte Lena dann doch in ihrem Spiel die dunkel gekleidete Frau. Ja, die Frau war keineswegs bloß dunkel gekleidet, sie war einfach dunkel sowie finster, als ob selbst das Licht sie zum größten Teil meiden würde. Diese eigenartige Aura machte schon Eindruck und wirkte etwas beunruhigend.
Beobachtete diese eigenartige Frau sie?
Lena war sich nicht sicher, der Blick folgte ihr keineswegs direkt, wenn sie einige Meter zur Seite ging, aber dieser Blick war doch irgendwie grob in ihre Richtung gerichtet, daß sie verunsichert war. Diese Verunsicherung, das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen, lenkte sie etwas ab. Ablenkung konnte sie indes eigentlich gar nicht gebrauchen, denn der Wind wurde stärker und ihr prächtiger Begleiter am Himmel zog mächtig an ihr, zudem noch ungefähr in Richtung auf diese etwas unheimliche Frau zu. Deshalb blieb ihr allerdings auch nicht viel Zeit, sich Gedanken zu machen, der stärkere, böige Wind verstärkte auch das Eigenleben des ruckend fordernden Fabeltiers dort oben, daß sie reichlich zu tun hatte, um es richtig zu halten. Ihr Schmuckstück dort oben schien beinahe lebendig zu werden, zerrte kräftig an der Leine, welche ihn noch mit Lena verband und von seiner Freiheit trennte. Beharrlich ruckte und riß dieser immer wieder frech an seiner Fessel. Lena hatte schon etwas Erfahrung, aber dieses wilde Spiel war nun doch eine Herausforderung. Sie wollte ihren prächtigen Schatz heile wiederhaben, dieser ließ sich jedoch bei den Kräften gar nicht mehr so einfach einholen. Langsam begriff Lena, es konnte heikel werden, aber ihr Prachtstück würde sie niemals hergeben wollen, sie würde kämpfen, um ihn zu halten. Etwas mulmig war ihr schon geworden, aber so leicht gab sie nicht auf, ja, eigentlich nahm sie es wie ein herbes, wildes Abenteuer und stürzte sich mutig hinein. Sie zagte und zauderte keineswegs so leicht, jedenfalls nicht, wenn es um ihren so innig geliebten Himmelsbegleiter ging, wenn es um etwas ging, an dem sie so sehr hing, was jetzt sogar wortwörtlich zu nehmen war.

Lena hatte den wild zuckelnden Flugdrachen längst nicht mehr voll im Griff, dieser zog sie gar zu mächtig über die Wiese, stolpernd mußte sie nun folgen. Beinahe sah es aus, als würde er mit ihr an der Leine durch die Gegend ziehen und nicht umgekehrt. Eine kräftige Böe zog sehr heftig an ihm, ließ Lena einen großen Satz machen. Die Leine zerriß mitnichten, aber kurz hielt Lena ihre Haspel nur noch in der linken Hand und war gerade mitten ins Blickfeld jener fremden Frau geraten, daß sie ganz erschrocken war, weil diese etwas unheimlich wirkte und bis in ihr Innerstes zu schauen schien.
Schüchtern winkte sie kurz mit der nun freien Hand, welche allerdings gleich wieder eilig zur Haspel griff, der Wind sollte ihr ihren Schatz keinesfalls entreißen. Das war jetzt wichtiger als alles andere. Sie hatte sich so viel Mühe mit ihm gegeben, er war so gut geworden, sah prachtvoll aus und funktionierte phantastisch, sie mußte ihn um jeden Preis halten.

Ohne weitere Bewegung hob jene Frau lediglich kurz die eine Hand von ihrem Oberschenkel und winkte gerade so eben zurück. Lena hatte kaum Zeit, darauf zu achten, denn wieder zog der Wind mächtig am zappelnden Fluggerät mitten darin und sie mußte hinterher, stolperte, machte gar einen größeren Satz, als er sie glatt vom Boden weg in die Luft zu zerren drohte. So schlitterte sie über den Rasen, fand keinen Halt, schlitterte an der Frau vorbei, welche immer noch jenseits von Rasen und Weg auf ihrer Bank saß. Die Frau regte sich kein bißchen, selbst bei dem Drama, welches so gerade vor ihr vorbeizog. Die Frau war eine Insel der Ruhe sowie Stille in diesem aufkommenden Sturm.

Allmählich wurde es Lena doch unheimlich, wie kräftig der Wind geworden war, wie stürmisch dieser an ihrem Schatz zerrte, um ihn ihr skrupellos zu entreißen. Einerseits war sie stolz auf ihr mächtiges, so lebendiges Fluggerät, andererseits wurde ihr auch schon bang und bänger, daß die Angelegenheit ihr nun über den Kopf wuchs, sich ihr Prachtstück einfach losriß – oder ähnlich arg, sie gar mit sich fort in die düsteren Wolken riß. Lena hatte komplett die Kontrolle verloren, schlitterte über den rutschigen Rasen des Parks, weiter und weiter; der immer heftiger werdende Wind zerrte sie weg, ferner immer wieder beinahe hinauf, daß sie immer verzweifelter sowie ratloser wurde, nur noch große Sätze machte, schon leise sowie ratlos quiekte, doch ihren schönen Schatz wollte sie niemals lassen, konnte ihn allerdings auch nicht einziehen.
Tränen schossen ihr in die Augen – oder waren das doch bereits Regentropfen des aufkommenden Sturms?
Sie stolperte über ein Wühlmausloch oder dergleichen, konnte sich nicht mehr halten, die Haspel löste sich schon von ihren Händen.
Es schien alles verloren.
Ein grauenhafter Moment.
Es durchzuckte Lena beinahe wie ein körperlicher Schmerz.

Lena war entsetzt, ihr Herz setzte aus, der Moment schien zu gefrieren und gleichzeitig schien doch die Zeit zu rasen. Ihr Blick fokussierte sich auf ihre Hand und die engleitende Haspel. Doch im selben Moment war kurz ein sirrendes Geräusch der Schnur über Haut zu hören, dann hatte eine Hand die Haspel ergriffen, hielt diese, während eine andere Lena am Mantelkragen gepackt hatte, damit sie nicht fiel.
Lena schaute, es war jene fremde, unheimliche Frau, welche immer noch ernst sowie abwesend zu sein schien, während sie sich der Kraft des am Fluggerät reißenden Sturms entgegenstemmte, gleichzeitig Lena gerade hinstellte und sie zum Weg hin drängte, wohl gleichfalls, um selbst besseren Halt auf dem Weg zu bekommen.
Dem entschiedenen Vorgehen der Frau war nichts entgegenzusetzen, aber was hätte Lena tun können, sie war erstarrt im Schrecken sowie im Erstaunen über das, was vorging, erst der furchtbare Moment des Verlustes, im Anschluß das überraschende Eingreifen der fremden Frau, in deren Hand nun das Schicksal ihres wilden Schatzes lag. Lenas Herz versuchte, den vorherigen Aussetzer auszugleichen, indem es nun raste, Lena atmete mit offenem Mund, schaute mit aufgerissenen Augen verblüfft sowie eingeschüchtert, was jene Frau tat und noch tun würde. Alles hing in windiger Schwebe.

Lena war noch immer erschrocken und schaute nur noch, derzeit unfähig zu weiteren Reaktionen. Die Hand der Frau, welche so kühn gerade im letzten Moment in die Leine gegriffen hatte, war etwas blutig, hielt allerdings die Haspel sicher sowie fest. Die Frau war offenbar gar nicht so vertraut mit Spielzeugdrachen, daß sie in dieser Weise in die Leine gegriffen hatte, lernte jedoch offenkundig schnell, denn schnell spannte und entspannte sie die stark zerrende Leine, folgte dabei den Weg entlang, wie das Fluggerät ungefähr auch zog und zerrte, um die Leine weiter zu entspannen und begann langsam, die Leine auf der Haspel wieder aufzuwickeln, um den wild zerrenden Flugdrachen allmählich vom Himmel zu holen. Dieser wehrte sich ganz offenbar mit allen Kräften, fand dabei im stürmischen Wind einen eifrigen Verbündeten, welcher es der Frau ebenfalls schwer machte, das reißende und zuckelnde Fabeltier komplett unter ihre Kontrolle zu bekommen. Widerwillig und langsam nur mußte der Spielzeugdrachen doch immer wieder etwas nachgeben, sich unterordnen, wehrte sich jedoch dabei nichtsdestotrotz weiter mit allen Kräften, Böen trieben ihn ruckartig über den Himmel, ihm zu helfen, einen Weg zu finden, ihn aus der verletzten Hand der Frau zu zuckeln. Diese beeindruckte dies indes wenig. Sie hielt einfach stur entschlossen an ihrem Plan fest, holte langsam sowie geduldig den Flugdrachen Haspelumdrehung für Haspelumdrehung näher zu sich heran. Ja, vielleicht genoß sie gar dieses Spiel mit dem widerspenstigen Gegner und ließ doch keinen Zweifel daran, daß sie ihm keine Wahl lassen würde, entweder er mußte herunter oder die Schnur müßte reißen. Doch jedes Mal, wenn der Flugdrachen mächtig ruckte, die Schnur entweder zerreißen wollte oder die Haspel aus der Hand zerren wollte, gab die Frau wieder etwas nach, folgte entsprechend schneller, entspannte so die Schnur wieder etwas, deshalb blieb ihm kein Ausweg, als weiter herunterzukommen, wenn sie kurz darauf beim Nachlassen der Böe zügig wieder ein paar Haspelumdrehungen aufwickelte.

Der Himmel war recht dunkel geworden, ein Unwetter, ein Sturm drohte, längst hörte man in der Ferne Donnergrollen; in der Ferne blitzte es wohl auch schon dumpf in den Wolken. Regnen tat es hier noch nicht. Lena folgte der Frau den Weg entlang, welcher es gelang, immer mehr von der Leine wieder einzuholen. Besonders wild und lebendig wirkte das prächtige Fabeltier vor der mächtigen Wolkenkulisse, wie er heftig zuckte und zerrte, sich damit einreihte in das Zucken sowie das grollende Wetterleuchten in den Wolken, die offenkundig neugierig oder auch nur gierig auf ihren wilden Schatz zu heranrückten, als wollten sie ihn mit einem Haps verschlingen. Und da wirkte er schon so klein, stellte sich allerdings tapfer den Naturgewalten, trotzte frech dieser unheimlichen Kulisse.

Immerhin, der Park war lang, der Weg recht gerade und so ging es eine ganze Weile weiter, der Sturm zog zügig auf, Lena folgte weiter eilig, erschrocken sowie wortlos der Frau, welcher es weiterhin gelang, trotz aller Widrigkeiten das Fluggerät in recht gleichmäßigem Tempo herunterzuwickeln. Ob sie es geplant hatte oder ob es Zufall war, kurz bevor am Ende des Parks Bäume den weiteren Weg verhindert hätten, war der dramatische Kampf ebenfalls zu Ende und der Flugdrachen mußte sich geschlagen geben, sie zog ihn in einem Bogen und dieser fuhr zornig herab, schlug letztlich beinahe auf den Rasen. Verblüffend geschickt agierte nun die Frau mit der Schnur. Lena hatte längst den Atem angehalten, fürchtete sie doch, ihren so mühevoll selbstgebastelten Schatz nun unrettbar am Boden zerschellen zu sehen. Noch einmal schaffte ihr wendiges Prachtstück eine enge Kurve, zog einige Meter nach oben, weil eine weitere Windböe ihn erfaßt hatte, dann war es unten, ging im eleganten Bogen endgültig auf dem Rasen nieder, landete fast schon sanft, zitterte bloß noch im Wind. Lena seufzte erleichtert, ihn nicht zerstört zu sehen.
Das war gerade noch einmal gutgegangen!

Zum näherkommenden Donnern und den bedrohlich in den Wolken zuckenden Blitzen, welche sich noch nicht so recht hervortrauten, kamen nun die ersten Tropfen vom Himmel. Lena eilte mit der fremden Frau zum auf dem Rasen zuckenden Spielgerät, der bei dem Wind gern wieder aufsteigen wollte, doch die Frau wickelte geduldig die Leine immer kürzer, daß Lenas prächtiges Spielzeug keine Chance auf eine Flucht mehr hatte. Sie erreichten es letztendlich, woraufhin die Frau Lena half, die Konstruktion eilig zu zerlegen sowie in den flexiblen Schutzköcher zu stecken, welchen Lena noch immer auf ihrem Rücken getragen hatte und erst jetzt zu diesem Zwecke abgenommen hatte.
Lena atmete erst einmal erleichtert durch und auf, als ihr farbenfroher Schatz wieder heile und sicher verstaut war. Sie drückte sich den Köcher an den Leib, glücklich darüber, ihn wieder sicher bei sich zu haben. Dies Drama jedenfalls war erst einmal überstanden; Lena war der unheimlichen Frau dankbar für ihre Hilfe, traute sich allerdings gleichzeitig kaum, diese anzuschauen.

Bislang hatten sie kein Wort gewechselt.
Nun aber sprach die fremde Frau: „Es ist ein wenig stürmisch, um solch Fluggeräte steigenzulassen, besonders für kleine, zierliche Mädchen, welche ohne kräftige Hilfe unterwegs sind.
Hast du nicht zuvor in den Wetterbericht geguckt?“
Lena schüttelte schüchtern den Kopf, hatte sie unterlassen, sie war zwar recht aufgeweckt für ihr Alter, wie ihre Mutter immer meinte, aber das hatte sie nicht getan, hätte sie sollen?
Besser wäre es wohl gewesen, aber daran hatte sie gar nicht gedacht, sie hatte lediglich bemerkt, daß der Wind günstig war und war losgezogen, zumal ihre Mutter gerade zum Einkaufen gefahren war. An Sturm hatte sie mitnichten gedacht.
Die fremde Frau nickte erst nur, legte den Kopf leicht schräg zur Seite, fragte aber kurz darauf weiter: „Wie heißt du denn?
Mein Name ist Marie!“
Lena schaute sie scheu an, entgegnete mit eher leiser, schüchterner Stimme: „Lena ist mein Name …“
Marie nickte ihr respektvoll zu: „Sehr erfreut, dich kennenzulernen, Lena!“
Lena fiel irgendwie auf, Marie benahm sich ihr gegenüber gar nicht wie die anderen Erwachsenen, sie nahm sie irgendwie ernst oder für voll, obwohl sie sie als kleines, zierliches Mädchen bezeichnet hatte, was sie allerdings wohl nur auf ihre körperlichen Möglichkeiten bezog. Sie tat jedenfalls nicht so albern kindisch, um sich einzuschmeicheln oder sonstwie zu verhalten, um zu zeigen, daß Lena lediglich ein Kind war, was keine Ahnung hatte. Diese Einstellung ihr gegenüber gefiel Lena ganz gut an Marie, obwohl sie noch immer ein wenig unheimlich wirkte. Auch der Tonfall bei der Frage nach dem Wetterbericht hatte nicht einmal belehrend geklungen, auch falls die Frage so gemeint gewesen sein sollte.

Sie waren mit dem Einpacken fertig, Marie half Lena, das im Köcher verpackte Fluggerät auf den Rücken zu schnallen, beide gingen zurück den Weg entlang durch den Park, eilig, denn den einzelnen Regentropfen hatten sich inzwischen einige angeschlossen, das Gewitter zog nunmehr schnell heran.
Lenas Herz klopfte schneller, während sie schon eine heftige Windböe den Weg beinahe wieder zurücktrieb, heftig an ihr zerrte, daß sie stolperte und beinahe erneut gefallen wäre. Wieder hielt sie die Frau, diesmal am Arm. Auf die Wunde ihrer anderen Hand hatte diese ein Taschentuch gedrückt. Sie eilten weiter, keine Zeit für weitere Stolperer.

Marie stellte fest: „Das Gewitter ist bald hier, der Wind pustet dich beinahe um, ich begleite dich heim, wir müssen uns beeilen!“
Lena nickte, dieser Vorschlag war ihr recht, bei dem drohenden Gewitter war ihr schon ziemlich unheimlich, sie wollte nun wirklich heim und war nun ganz froh, daß Marie, die Retterin ihres mächtigen Schatzes, sie begleiten wollte.
Auch weil das Wetter sie nun doch ziemlich erschreckte, der Wind ihr beinahe den Atem nahm, war ihr die Begleitung sehr recht. Sie drehte den Kopf, hob schützend ihre Hand vor das Gesicht – das war alles plötzlich sehr heftig geworden, aber trotzdem bedachte sie doch jene Aktion mit der Rettung ihres Flugdrachens, welche sich nun schon beinahe zu einer Aktion entwickelte, wo sie vor dem Sturm gerettet wurde.
Lena hatte nun deutlich mehr Mut gefaßt fragte, brüllte beinahe gegen den Wind, welcher ihr den Atem nahm, die Worte von den Lippen riß: „Ist es schlimm mit der Hand?
Es tut mir leid …“
Marie antwortete, dem Wind recht gelassen trotzend: „Muß es nicht, ist nicht so schlimm, ist in ein oder zwei Wochen wieder so gut wie neu!“

Lena schaute erschrocken nach den arg flackernden Wolken, welche dumpf grummelten und drohten, Blitze schienen sich in diesen dunklen Wolken zu entladen, jedenfalls sah man von hier aus nur ihr Flackern und hörte das Grollen. Beinahe schien es, als sei der Sturm nun richtig sauer geworden, weil der Flugdrachen doch noch seinen Klauen entrissen worden war.
Sie stieß hervor: „Das sieht so unheimlich aus, ich habe Angst vor Gewitter!“
Marie meinte lediglich: „Ein unheimlicher, märchenhafter Gedanke für dich: Wenn es so in den düsteren Wolken flackert sowie grummelt, sind Drachen aufeinander wütend und kämpfen miteinander.
Sie sind wild, unbändig sowie hinterlistig, es war schon ganz wichtig, daß wir deinen nicht haben entkommen lassen, sonst hätten sie ihn nur in ihren Streit sowie ihre Finsternis mit hineingezogen!
Sie hätten den kleinen gnadenlos zernichtet, ferner dich am Ende der Leine gleich mit!
Derlei Unheil, Schabernack, Leid anderer macht ihnen Spaß; andere in ihre Finsternis zu ziehen und darin zu zermalmen, zu zerschmettern, zu zernichten, sie im Blitz zu rösten sowie sie mit einem Donnerschlag zerplatzen zu lassen, ist ihr schönstes Pläsier!“

Lena erschauerte bei dem Gedanken. Sie malte sich aus, wie da in der finsteren Wolke zwei oder mehr gewaltige Drachen herumrumpelten, sich gegenseitig belauerten, überdies nur darauf warteten, daß sie einander eins auswischen konnten, alles versuchten, hier und da Blitze auslösten, um den anderen zu treffen sowie vom Himmel zu holen. Grauenhaft gewaltige sowie mächtige Wesen mußten es sein, welche da in den Wolken stritten. Ja, dabei hätte ihr kleiner Spielzeugdrachen natürlich gar keine Chance gehabt. Diese furchtbaren und rücksichtslosen Monster im Sturm hätten ihn zerfetzt, wie eine Schneeflocke vom Himmel geschmolzen, sie an der Leine zu sich heraufgezerrt, um sie am Stück zu verschlingen. Deshalb war sie ganz froh, daß Marie ihr beistand, diese zeigte gar keine Furcht oder Beunruhigung, drängte allerdings dennoch energisch zur Eile. Marie schien vertraut zu sein mit dem Verhalten der scheußlichen Schreckenswesen in den Gewitterwolken.

Beide eilten weiter, wer jetzt noch unterwegs war, lief eiligst seinen Weg, niemand wollte schließlich noch unter freiem Himmel sein, wenn die Blitze zucken würden. Lena zeigte, welchen Parkausgang sie wählen mußten, danach über die Straßen, weiter durch die Wohngegend. Inzwischen prasselte der Regen schon merklich auf Kopf sowie Kleidung, das Gewitter drohte heftig, der Abstand zwischen Donner und Blitz wurde schon kurz. Beinahe schien es, also wollten die Drachen dort oben in den Wolken sie doch nicht so einfach entkommen lassen, diese schienen sie zu verfolgen sowie mit kaltem Regen zu plagen. Offenkundig jedoch vermochten sie nicht so schnell die Wolken bewegen zu können oder gut mit den Blitzen zielen zu können, denn noch schlugen sie keineswegs direkt bei ihnen ein, etwas Zeit hatten sie wohl noch, sich und ihren prächtigen kleinen Schatz in Sicherheit zu bringen.

Ohne weitere Unterhaltung und schon durchnäßt erreichten sie schließlich eines der Wohnhäuser, zu dessen Haustür Lena eilig abbog. Sie suchte in ihren Taschen herum, während sie sich mit Marie unter die knappe Überdachung vor der Tür drängte.
Erschrocken stellte Lena letztlich fest: „Ich habe meine Schlüssel vergessen!“
Sie zitterte, nicht nur wegen des kalten Regens, Marie schaute sie indes ob dieser Nachricht ernst an.
Lena hatte nun Angst und wollte nicht länger draußen sein, aber wie dumm war sie gewesen, im Spieleifer einfach ihren Schlüssel zu vergessen?
Lena wußte nicht weiter; das Gewitter ließ es inzwischen heftig krachen; das Wasser goß nur so herunter, Lena zuckte bei jedem Donner, jedem Blitz ängstlich zusammen. Die Lage wurde schnell recht brenzlig, wenn sie auch noch die Blitze selbst nicht riechen konnte. Vielleicht lernten jene Drachen dort oben dazu, übten noch, spielten mit ihnen oder waren nähergekommen, jedenfalls kamen die Treffer schon deutlich näher.
Marie war ganz ruhig und gelassen, ließ alles an sich abperlen, wie den Regen an Haaren sowie Jacke.
Sie schlug vor, was naheliegend war: „Klingeln?“
Lena versuchte es, doch offenbar war ihre Mutter vom Einkaufen noch nicht wieder daheim, sie gab diese Vermutung schüchtern kund. Diese nun ersehnte Anwesenheit der Mutter war auch nicht zu erwarten; wenn ihre Mutter erst einmal von einem Einkaufszentrum verschlungen war, ließ sie sich nicht so schnell wieder ausspucken.

Marie, welche ohnehin vor der Eingangstür stand, drückte versuchsweise dagegen – und wirklich! Sie hatten Glück!
Es klickte und die Tür ging auf, diese war unverschlossen, jemand hatte offenkundig den kleinen Mechanismus im Schloß umgestellt, daß man die Tür derzeit einfach aufdrücken konnte. Eilig traten sie ein in den Schutz des Hauses. Lena zitterte, von beiden tropfte reichlich Wasser herab.
Marie fragte nach: „Und nun?
Warten?“
Lena war unsicher, hatte wegen des Gewitters große Angst, zuckte noch immer bei jedem Blitz und Donner, obwohl beide hier im Treppenhaus geschützt waren.
Sie fragte bittend: „Kannst du noch etwas bleiben?
Bis Mutter wieder da ist oder dieses furchtbare Gewitter vorbei?“
Marie nickte zustimmend, bei dem Wetter hatte sie ohnehin keinen Bedarf nach einem sofortigen Spaziergang, Lena wiederum konnte ihren Beistand gerade wohl brauchen. Angst konnte Marie schlecht nachvollziehen. Sie hatte früh schmerzlich gelernt, daß Angst keinen Sinn ergibt, wenn man nichts gegen das tun kann, wovor man Angst haben könnte. Obgleich es ja nicht so angenehm war, bei Regen herumzulaufen oder gar ein Gewitter zu durchqueren, blieb sie sichtlich gelassen, was auf Lena Eindruck machte. An Marie schien jedwede Bedrohung abzuperlen. Auch ihr Haar, ihre Kleidung waren zwar naß, aber bei Marie hatte dies keinerlei Bedeutung, da konnte nichts weiter beeindrucken.

Auf dem Dachboden

Lena war etwas zur Besinnung gekommen, Marie würde noch ein wenig bleiben. Inzwischen fühlte sie sich bei Marie recht sicher. Diese zuckte nicht einmal, wenn es donnerte, es war gerade so, als ob es Marie gar nichts anginge, daß draußen gerade die Welt unterzugehen schien, jedenfalls das Stadtviertel in einem Sturzbach aus den Wolken fortgespült sowie vom Sturm weggeweht zu werden drohte. Ihre ruhige Art schaffte irgendwie eine Atmosphäre von Sicherheit und Geborgenheit, obwohl sich Lena noch nicht traute, sich an diese dunkle Gestalt anzuschmiegen, in ihrer Nähe gänzlich Schutz zu suchen.
Nichtsdestotrotz hatte Lena kurz darauf eine Idee: „Meist ist der Dachboden nicht abgeschlossen, ich bin ab und zu mal oben, wir könnten uns da setzen.“
Marie nickte und so gingen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 05.08.2016
ISBN: 978-3-7396-9647-8

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