Die Bahn hatte mal wieder Verspätung- Wie jeden Tag. Nervös starrte Mila auf ihre Armbanduhr und tapste von einem Fuß auf den anderen. ZU SPÄT! Warum hatte sie nicht einfach eine Bahn früher genommen? Dann müsste sie jetzt nicht um ihre Chancen bangen.
Eine Lautsprecheransage informierte die Fahrgäste über das Einfahren der Bahn. Die Massen drängten sich zusammen und engten Mila in ihrer Mitte ein, um sich dann in einem Strom durch die sich öffnenden Bahntüren zu drängen. Viel zu viel Körperkontakt, dachte sie sich und rückte in eine schmale Kuhle der Bahn.
In Gedanken ging sie das Gespräch durch, dass sie erwarten würde. Als erstes würde man sie fragen warum sie zu spät erschienen war - Bahnverspätung. Neben Mila drängte sich eine Frau durch um die Bahn verlassen zu können, wobei sie Mila heftig zur Seite schubste. Im nächsten Augenblick tropfte der Kaffee, des netten Herren zu ihrer linken, von Milas Bluse. Super. Als zweites würde man sie fragen warum sie den Kaffee auf ihrer Kleidung trägt, anstatt ihn zu trinken- Karma.
"Passen sie doch auf! Wer kauft mir jetzt einen neuen Kaffee?"!, kam es von ihrer Linken.
Überrascht drehte Mila ihr Gesicht in Richtung des Mannes. Von wegen nett.
"Ich kann nichts dafür, ich wurde geschubst! Holen sie sich ihre 1,50 € von der Frau dort draußen!"
Sie zeigte mit auf die Frau, draußen vor der Bahn Tür. In diesem Augenblick setzte sich die Bahn in Bewegung. Was für ein Arsch, dachte sie sich.
Die nächste Haltestelle kündigte sich an und es war wie Musik in ihren Ohren. Sie setze einen Fuß vor den anderen um die Bahn zu verlassen und bog anschießend in eine angrenzende Straße ab. Zum Glück hatte sie sich den Weg gemerkt, sonst würde sich ihre Verspätung nur noch mehr in die Länge ziehen.
Völlig außer Atem stand Mila wenige Minuten später am Empfang der großen Firma, welche sie schon von außen völlig einschüchterte.
"Guten Tag, Mila Schmidt mein Name. Ich habe ein Bewerbungsgespräch bei Herrn Johnson".
Die Frau hinter dem großen Pult beäugte abwertend ihre Bluse.
"Möchten sie sich vorher noch umziehen?".
Genervt schüttelte Mila den Kopf, worauf sie gebeten wurde sich auf einen gepolsterten Sitz am Rand zu setzten.
Der Eingangsbereich der Firma Johnson & Johnson wahr riesig. Der Boden bestand aus schwarzem Marmor , die Wände waren grau/weiß mit vielen großen Fenstern und Gemälden. Mit den Möbeln um sie herum, aus dunklem Nussholz, ergab alles eine gemütliche Atmosphäre und wirkte einladend.
Aus ihrer Tasche fischte Mila ein Feuchttuch und gab ihr bestes um den Kaffeefleck aus ihrer roséfarbenden Bluse herauszubekommen. Jedoch hinterließ dies nur einen nassen Fleck auf ihrem Bauch, den sie nun bereute.
Seufzend stopfte sie das benutze Tuch in ihre Tasche und ließ den Blick durch den Eingangsbereich schweifen, bis ihr Blick jemanden am Empfang fixierte.
"Das darf doch nicht wahr sein!", stöhnte Mila lauter als beabsichtigt und zog somit die komplette Aufmerksamkeit auf sich.
Die Augen der Anwesenden fixierten sie argwöhnisch, besonders die der Empfangsdame die zuletzt vertieft in einem Gespräch mit dem Mann aus der Bahn, funkelnden. Nun blickte auch er zu Mila und verzog das Gesicht. Mila wollte im Erdboden versinken!
Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck kam der Bahn-Mann auf Mila zu und blieb schließlich vor ihr stehen, um ihr seine Hand zu reichen.
"Frau Schmidt? Mein Name ist Johnson, darf ich sie bitten mich in den Bewerbungsraum zu begleiten?"
Dies hatte ihr die Sprache verschlagen. Anstatt irgendeine Regung zu zeigen, befand sich Mila in Schockstarre - Karma.
Herr Johnson führte Mila zu einem Aufzug und betätigte den Rufknopf. Währenddessen nahm sie sich die Zeit Herrn Johnson genauer zu betrachten. Kastanienbraunes Haar, welches ihm teilweise in die Stirn fiel. Ein kantiges Gesicht mit gerader Nase, vollen Lippen und mandelförmigen, blauen Augen. Er war groß und überragte sie um mindestens einen Kopf und unter dem weißen Hemd zeichnete sich ein trainierter Körper ab. Alles in allem ein gutaussehender Mann.
"Ping", Mila wurde aus ihren Gedanken gerissen und Folgte Herrn Johnson in den Aufzug wo dieser den Knopf für die fünfte Etage drückte. Sie stellte sich soweit weg wie es auf diesem engen Raum nur möglich war. Auf gar keinen Fall wollte sie ihn noch mehr gegen sie aufbringen.
Als sie die fünfte Etage erreichten lief er einen langen Gang hinunter und blieb an der letzten Tür stehen, die er sofort öffnete. Mit einer Handbewegung bedeutete er Mila einzutreten und sich auf einen der Stühle vor dem großen Schreibtisch, mitten im Raum, zu setzten. Er selber setzte sich ihr gegenüber und schaute sie eindringlich an.
Mila wurde unter seinen Blicken zunehmend nervöser und zupfte sich ihren grauen Bleistiftrock zurecht.
"Nun", unterbrauch Herr Johnson das Schweigen, "Ich habe mir ihre Bewerbung lange angesehen".
Mlia nickte wie in Trance.
"Ihre Noten sind natürlich mehr als geeignet für diesen Job, allerdings haben wir immer bedenken bei Studenten ohne praktische Erfahrung, die direkt von der Uni kommen".
Mila hielt die Luft an. War dies das Ende ihres Traumes? Schon seit ihrem Abi wünschte sie sich bei Johnson & Johnson zu arbeiten. Eine der größten und erfolgreichsten Verlagsfirmen in Deutschland. Wenn man hier arbeitete, dann hatte man es geschafft.
"Ich mache ihnen daher ein Angebot", setzte Herr Johnson fort, "Sie begleiten mich vier Wochen innerhalb eines Praktikums und stellen mir ihre Fähigkeiten unter Beweis. Zudem gebe ich ihnen eine Aufgabe zum Einstieg. Meistern sie diese, dann werde ich sie vorerst in alle Abteilungen mit einbringen, damit sie ein Gefühl dafür bekommen, wie ein Buch entsteht. Außerdem erhalten sie einen Festvertrag in der Abteilung, in der es ihnen am Besten gefallen hat".
Herr Johnson stand auf und streckte Mila, mit den Worten "Vorausgesetzt sie fangen sofort an" die Hand entgegen, die Mila sofort überglücklich ergriff und schüttelte wie eine Spraydose.
"Vielen Dank für diese Aufgabe, Herr Johnson. Ich verspreche, dass ich sie nicht enttäuschen werde".
"Das hoffe ich. Stellen sie mir ihre erste Fähigkeit unter Beweis", antwortete er.
Mlia sah ihn fragend an. Auf seinem Gesicht deutete sich ein Hauch von einem Grinsen.
"Holen sie mir einen neuen Kaffee, Frau Schmidt". - KARMA!
Chris
Immer noch angesäuert tippte Chris eine E-mail an seinen Bruder, in der er ihm mitteilte was er mit Frau Schmidt besprochen hatte.
Er weiß nicht warum er ihr eine Chance nach diesem Bahnvorfall gab. Sie wirkte so eingeschüchtert, das sie im leidtat. GENAU! Das war es. Sie tat ihm Leid. Wie sie so da saß mit ihrer Kaffeebefleckten Bluse. Sie war ganz in sich zusammengesunken. Dabei hatte er sie komplett anders eingeschätzt.
Er erinnerte sich an die Bahn zurück. Er betrachtete sie unauffällig. Ihre Blonden Haare endeten oberhalb ihres Rückens. Sie war schlank- sportlich schlank und hatte perfekte Rundungen. In dem Moment in dem er ihr schlankes Gesicht mit den perfektesten Wangenknochen sah, sah er den Stolz und pures Selbstbewusstsein in ihren eisblauen Augen.
Also warum wirkte sie jetzt wie ein kleines Reh?
Eines wusste er. Er würde sie hinausfordern…
Mila
Mila fiel todmüde ins Bett. Herr Johnson hatte sie heute echt gefodert. Nachdem sie ihm einen Kaffee besorgt hatte, sollte sie sich in der Personalabteilung, bei einer gewissen Sarah melden, die ihr eine neue Bluse gab. Anschließend gab er ihr einen Musterbuch mit dreihundert Seiten, welches sie Korrekturlesen sollte. Sie benötigte nur zwei Stunden und war dankbar dafür, dass sie dies hunderte Male im Studium gemacht hatten, denn somit wusste sie ganz genau was sie verbessern musste. Nach dem Mittagessen fuhr sie mit ihrem Chef zu einer Autorin, dessen Buch über Johnson & Johnson veröffentlicht werden sollte. Sie verstand sich blendend mit ihr und tauschte wenig später schon ihre Nummer mit ihr, damit sie eines ihrer anderen Bücher Korrekturlesen konnte. Gegen Feierabend solte Mila wichtige Papiere kopieren, das Büro ihres Chefes aufräumen, ihr eigenes Büro beziehen und Rundschreiben an die Angestellten verteilen.
Zusammengefasst: Ihr Chef rächte sich. Er rächte sich für etwas, was sie nicht verschuldet hatte. Das glaubte sie jedenfalls.
Sie kuschelte sich in ihre Decke und ließ den Tag revue passieren. Sie fande, dass sie sich sehr gut angestellt hatte, aber was sie dachte zählte nicht. Es zählte einzig und allein die Meinung von Herrn Johnson. Und sie würde seine Meinung über sie schon schnellgenug ändern. Mit diesem gedanklichen Vorhaben drehte sie sich zur Seite und fiel in einen tiefen Schlaf.
Das nervige piepen des Weckers weckte Mila blitzartig und ließ sie aufschrecken. Verschlafen sah sie auf die Uhrzeit: 08:30Uhr. VERSCHLAFEN!
"Verdammt, das kann doch nicht wahr sein! Am zweiten Tag zu spät!", fluchte sie auf dem Weg ins Badezimmer.
Nach einer Katzenwäsche legte sie sich etwas Make up auf, tuschte ihre Wimpern und band ihre Haare zu einem lockeren Dutt. Nachdem sie sich ein ozeanblaues Sommerkleid übergezogen hatte, schlüpfte sie in weiße Sandalen, schnappte sich ihre Jacke und verließ die Wohnung um zur Bahn zur rennen.
Die Anzeigetafel der Bahn besagte, dass die Bahn in fünfzehn Minuten einfahren würde und deswegen beschloss Mila, sich auf der anderen Straßenseite einen Kaffee zu kaufen. Sie betrat eätte in kleines Café hinter dessen Verkaufstheke eine kleine alte Dame stand.
"Guten Tag, was kann ich für sie tun?", richtete sie das Wort an Mila.
"Guten Tag, ich hätte gerne einen kleinen Kaffee mit viel Milch und wenig Zucker, bitte".
Während die alte Dame ihren Kaffee zubereitete blickte Mila durch das Kaffee. Es war sehr altmodisch eingerichtet und dies schien vorallem den älteren Menschen zu gefallen. Logisch.
Sie nahm ihren Kaffee entgegen, bezahlte und wendete sich zum gehen, blieb allerdings ruckartig stehen, da die Person hinter ihr im Weg stand. Sie konnte ihren Kaffee gerade so in ihrer Hand balancieren und war erleichtert, dass sie heute nicht wieder mit einem Kaffeefleck auf der Arbeit rumaufen musste.
"Frau Schmidt..", die Barriere konnte reden und es Gefühl ihr gar nicht, dass diese Barriere ihr Chef war, "müssten sie nicht schon längst in ihrem Büro sitzen?".
"Es tut mir leid, ich hab verschlafen! Das wird nicht wieder vorkommen, Herr Johnson".
"Sie verschlafen und haben das Gefühl sich trotzdem noch in aller Ruhe einen Kaffee zu holen, anstatt sich auf den Weg ins Büro zu machen?, fragte er sie im ernsten Tonfall.
"Ich… die Bahn…", weiter kam sie nicht, denn Herr Johnson wendete sich ab und gab seine Bestellung auf. Mila entschied sich dies zu ignorieren, verließ das Café und beeilte sich zu ihrer Bahn.
In ihrem Büro angekommen fand Mila ein Praktikumsvertrag auf ihrem Schreibtisch. Offenbar hatte ihr Chef an diesem Morgen schon ganze Arbeit geleistet, denn neben dem Vertrag lag eine maschinellgeschriebene Liste mit ihren Aufgaben. Unter der letzten Aufgabe laß sie den Satz: "Ich erwarte, dass sie diese Aufgaben bis um dreizehn Uhr erledigt haben". Ein Blick auf die Uhr an der Wand verriet ihr, dass es bereits halb Zehn war- Na dann, Beeilung!
Ein lautes Klopfen ließ Mila aus dem Buch vor ihr aufschrecken und just in diesem Moment trat ihr Chef ein.
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Lektorat: kein Lektorat
Übersetzung: Deutsch
Tag der Veröffentlichung: 17.02.2017
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Widmung:
Für Hny