Cover

ä Der Sturm heulte und tobte mit einer wahren Urgewalt. Riesige Wolken jagten über den Himmel. Er hatte seine Schleusen geöffnet und einen Regen auf die ausgetrocknete Erde geschickt, der schon bald einer Sintflut glich. Als nie abreißende Vorhänge fielen die Wassermassen aus den tief liegenden Wolken. Sie überspülten Felder, Dörfer, Städte. In tiefer liegenden Niederungen an den Flüssen wurde Hochwasseralarm gegeben, und die ersten Keller liefen voll, da die Kanäle die Wassermassen nicht mehr fassen konnten.
Es war ein böses Unwetter. Die Hölle schien ihren Rachen geöffnet zu haben, um den Menschen zu zeigen, wessen sie fähig war.
Peitschend hallte der Donner über das Land und verrollte irgendwo in der Ferne als wummerndes Echo.
Blitz auf Blitz folgte. Ein gelb-weißes Wirrspiel aus gezackten Linien, zu Netzen verflochten, für Bruchteile von Sekunden als abstraktes Mosaik in den dunklen Wolken stehend, um genau so schnell wieder zu verschwinden.
Das Land erlebte an diesem Tag ein schaurg-schönes Naturschauspiel, ein Herbstgewitter, wie es nur selten vorkam, und von einer Größe und Dauer, an die sich selbst ältere Leute kaum noch erinnern konnten.
Auch die Natur stöhnte unter der Last dieses Gewitters. Bäume bogen sich im Sturm, Zweige wurden geschüttelt, abgebrochen und vom Wind verweht.
Wieder einmal stand der Mensch den Kräften der Natur hilflos gegenüber. Beinah überall standen Polizei und Feuerwehr im Großeinsatz. Das Unwetter schien seine Wut an der Menschheit aus zu lassen und sie für ihr Tun zu bestrafen. Wer eben konnte, verkroch sich in den Häusern und Wohnungen. Sie flehten und hofften, andere fluchten über das Wetter, doch beeinflussen konnte es weder der noch der.

War das Unwetter für die Menschheit eine Geißel, so wurde es von der Schattenwelt nur begrüßt. Dämonen und Untiere interessierten sich sehr für diese Witterungsverhältnisse. Ihnen war Sturm, Nacht und Dunkelheit lieber als der helle Tag.
Je schauriger und unwirtlicher die äußeren Bedingungen waren, umso wohler fühlten sie sich. Sie suchten sich die Orte aus, die von Menschen gemieden wurden. Alte Burgen und Schlösser, verfallene Gebäude, Abteien und natürlich Friedhöfe. Dort fanden sie immer Unterschlupf, um nicht entdeckt zu werden.
Auch eine alte Burgruine war den Kräften des Sturmes ausgeliefert. Der Wind pfiff durch jede Ritze des alten Gebäudes, und es knarrte im Gehölz des Turmaufbaues, der wie ein Monument in den finsteren Himmel ragte. Der Regen prasselte wie wild gegen diesen Turm.
Eigentlich ließ sich dort niemand blicken, aber der Mann, der vor dem Gewitter Zuflucht gesucht hatte, war vom Umland. Es war Cornelius Masters, der Wildhüter. Er war auf der Pirsch und ist vom Unwetter überrascht worden. Auf dem freien Feld wollte er nicht bleiben, da er nicht von einem Blitz erschlagen werden wollte. Zu seinem Glück fiel ihm die alte Ruine ein, die ihm aber nur etwas Schutz bot, weil es auch dort überall durch die Ritzen herein regnete.
Mit seinem Hund Lupo sucht er Schutz in dem alten, von Spinnweben durchzogenen Gemäuer. Er konnte nur den Kopf schütteln, denn so etwas hatte er schon lange nicht mehr erlebt. Auch Lupo war sehr unruhig. Nervös lief er auf und ab, zuckte bei jedem Blitz. Cornelius Masters musste seinen Hund jedesmal beruhigen.
"Bleib ruhig, Lupo!"
murmelte er und vergrub seine Finger im dichten Fell seines treuen Freundes.
"Uns passiert schon nichts."
Lupo jaulte, als hätte er die Worte verstanden.
Wie lange musste er noch warten? Längst hätte er zu Hause sein können. Sicherlich machte sich seine Frau schon Sorgen, aber hier konnte er nicht telefonieren, und irgendwann sollte sich doch das Unwetter verziehen. Es war wie verhext. Die Gewitterfront schien sich direkt über der Ruine zusammen zu ballen. Sie zog einfach nicht vorbei.

Plötzlich spielte der Hund vom Wildhüter verrückt. Bis jetzt hatte er, von einigen Ausnahmen abgesehen, ruhig in der Ecke gesessen. Plötzlich sprang er auf, bellte laut und rannte zum Eingang, wo er starr stehenblieb.
"Lupo, was hast du?"
rief der Wildhüter, näherte sich dem Hund und wollte ihn am Halsband zurück ziehen. Lupo knurrte, machte sich schwer, und lies sich nicht mehr in die sichere Ecke ziehen. Es gab nur wenige Situationen, wo sein Hund so reagiert hatte, und wenn, dann war immer etwas im Busch, so wie jetzt. An das Gewitter hat er sich längst gewöhnt, also muss es was anderes sein - irgendetwas da draußen.
Nur woher kam das?
Cornelius Masters kniete neben seim Hund und streichelte sein Fell.
"Ist ja gut, Lupo. Hör auf, da ist nichts. Wirklich!" der Wildhüter hatte seinen Blick erhoben und schaute nach draußen. Was er sah nahm ihm die Luft, es war faszinierend, und es kam ihm nur ein Gedanke...

Kugelblitz!

Verdammt das ist ein Kugelblitz! Ein gelb-grüner Nebelstreif senkte sich auf einen Hügel gegenüber. Wie eine Spirale senkte er sich gen Boden, und es schien, als ob nicht einmal der Sturm ihn bewegen könnte. Durch den Regenvorhang konnte man dieses Etwas nur verschwommen sehen. Lupo wurde immer wilder. Er zerrte, kratzte mit den Läufen und wollte raus. Irgend etwas musste von dieser Erscheinung ausgehen, dass ihn völlig verrückt machte. Unheimlich war es schon. Es lief ihm kalt über seinen Rücken. Den Gedanken an ein Kugelblitz ließ er ganz schnell wieder fallen. Es gibt keine Bild- oder Filmdokumente über solche Erscheinungen, sondern nur verbale Überlieferungen. Aber es muss irgend etwas anderes sein.
Ein drohendes Knurren riss ihn aus seinen Gedanken. Lupo hatte es ausgestoßen, und Cornelius Masters kannte dieses Zeichen. Wenn er ihn jetzt noch hielt, würde der Hund ihn unter Umständen anfallen. Er lockerte den Griff. Darauf hatte der Hund gewartet. Mit einem heftigen Ruck riss er sich los. Er schleuderte den Kopf zurück und raste bellend mit weiten Sätzen hinaus in den strömenden Regen. Lupo wollte die Erscheinung sehen, der Wildhüter auch, aber sein Sichtbereich wurde schlechter, weil der gelb-grüne Nebel war völlig verschwunden. Der Platz schien ihm leer zu sein.
Wirklich leer?
Nein, da war was.
Da bewegte sich doch etwas!
Eine Gestalt!
Ein Mensch?
Ein Bär?
Zu klein für einen Menschen, zu dünn für einen Bär. Zumal der Wildhüter mit Sicherheit behaupten konnte, seit Jahren von keinen Bären in dieser Umgebung gehört zu haben.
Cornelius Masters bekam Angst, heillose Angst. Er, der als 1.95m Hüne, breitschultrig, eigentlich vor nichts und niemand Angst hatte, erinnerte sich an Geschichten aus seiner Jugendzeit, wo ihm vor Monstern in Tiergestalt und anderen Ungeheuern erzählt wurde.
"Was es nicht gibt, gibt es auch nicht." versuchte er sich zu beruhigen. Als er das Bellen seines Hundes hörte, atmete er hörbar auf, da er nun wusste, dass er keinen Traum erlebte.
Lupo war wie von Sinnen. Masters verfolgte ihn mit seinen Blicken und sah dann, wie der Hund das Ziel erreicht hatte und kläffend an ihm hoch sprang.
Jetzt würde er zupacken - jetzt...
Und dann geschah das grauenhafte!
Ein klagender, schreiender Ton, zu vergleichen mit dem eines kleinen Kindes, übertönte selbst den lauten Donner, und Masters ahnte, dass sein Hund diesen Ton ausgestoßen hatte. Der Magen des Mannes zog sich zusammen. Heiß stieg es in seine Kehle hoch. Tränen stiegen in seine Augen, denn er hatte an seinen Hund gehangen. Er wollte sehen was da geschehen war und rannte hinaus in die fahle Dunkelheit, um vielleicht noch etwas zu retten. Der Boden war glatt. Masters kam nicht so schnell voran, wie er es sich vorgestellt hatte. Der Sturm heulte und Pfiff um ihn herum. Ein paar mal rutschte er aus und konnte sich nur mühsam auf den Beinen halten.
"Lupo, zurück!"
Er schrie den Namen seines Hundes, war jedoch nicht sicher, ob ihn das Tier noch hatte hören können. Plötzlich vernahm er ein triumphierendes Geheul. So laut, so schrecklich, dass es sogar das Getöse des Unwetters übertönte.
Er musste stehen bleiben, riss seine Augen noch mehr auf und schaute in den dichten Vorhang aus Wasser.
Schattenhaft sah er die Szene.
Eine gewaltige Gestalt stand auf dem kleinen Hügel. In Höhe des Kopfes begann es gelblich zu schimmern, so das der Wildhüter glaubte als würden dort Haare wachsen.
Dann wieder das Heulen!
Schaurig und unheimlich klang es durch den zunehmend düster werdenden Tag. Gänsehaut lies ihn erzittern. Instinktiv ahnte er, dass er unter Umständen sein Leben verlieren könnte, wenn er sich dem unheimlichen "Etwas" näherte.
Cornelius Masters schüttelte sich. Er sah durch den Regen eine huschende Bewegung, dann war "Es" auch schon verschwunden, so, als wäre hier nichts passiert.
Aber es ist doch passiert.
Der Wildhüter bekam den Beweis Sekunden später geliefert. Durch nasses Gras und geknickte Äste kämpfte er sich den Hügel hinauf, und da war er:
Lupo, zerrissen von einem Monster....

+ + + + + + +

Die Besatzung des Reviers von Willingsbourgh
war sauer. Kein Wunder, denn man hatte sie bei diesem Unwetter aus ihren Unterkünften geholt.
Noch dazu war die Mordkommission aus der Stadt eingetroffen und hatte zwei Leichen aus einem alten Haus geholt. Jeder der Beamten kannten die Toten. Es war ein Hausmeister-Ehepaar, das dem Count dieser Grafschaft den Haushalt geführt hatte. Der Count befand sich irgendwo auf der Welt, und warf sein Geld unter die Leute. Er hatte nicht wissen können, was sich in seinem Landhaus alles abspielte.
Zwei Ermordete! Und vom Tatort nicht weit entfernt ein geheimnisvoller Vorgang, um den der Mantel des Schweigens gehüllt worden war. Zwei Ereignisse, die irgendwie zusammen hingen. Die Beamten tappten allerdings im dunklen. Vier Leute zählte die Besatzung. Zwei von ihnen fuhren im normal Fall Streife, an diesem späten Nachmittag jedoch nicht. Sie waren alle vier nass bis auf die Knochen und mussten erst ein mal ihre Kleidung wechseln, während der Regen immer noch das Land unter Wasser setzte. Als erster war der Revierleiter Jim Courtney fertig. Als er den Revierraum betrat, roch es immer noch muffig. Das Fenster konnte man nicht öffnen, da der Regen sonst den Raum überschwemmt hätte. Er setzte sich, um sich ein bisschen aus zu ruhen, da hörte er die Eingangstüre ins Schloss fallen.
"Nicht schon wieder, lasst mich doch in Ruhe!" dachte er noch. So wie diese Person ging, Courtney hörte es am Klang der Schritte, kannte er sie. Es war also kein Fremder.
Eine massige Gestalt stand auf der Schwelle. Die Kleidung war tropfnass, die Nässe machte den Ankömmling zu einer traurigen Gestalt. Trotzdem konnte Courtney die Angst auf dem Gesicht des Mannes lesen.
Noch nie hatte er bei Cornelius Masters, dem Wildhüter, so einen Ausdruck gesehen, und sie kannten sich seit über 20 Jahren. Courtney stieß eine Rauchwolke aus seine Zigarre aus, die durfte er nur im Büro rauchen, und nicht zu Hause. Er ging ein paar Schritte nach vor und stützte sich am Tisch ab.
"Cornelius, was ist passiert?" fragte der Beamte. "Ich...ich...ich bin mit meinen Nerven völlig am Ende!" keuchte der Wildhüter. "Ich habe was gesehen, das ist..." Er schüttelte den Kopf, hob dann denselben, und Courtney glaubte sogar, Tränen in seinen Augen zu sehen.
"Sie hat ihn zerrissen."
"Wer?"
"Die Bestie!"
"Welche Bestie?"
"Es...es war ein riesiges Etwas, ein Bär, ein Wolf, ein...ich weis es nicht!"
Courtney setzte sich. Er hat inzwischen gemerkt, dass sein Freund ein einschneidendes Erlebnis hinter sich hatte. Der Revierleiter hatte eine Notration, alter irischer Whisky, der in solchen Situationen half. Einen kräftigen Schluck bekam Masters eingeflößt, beugte sich nach vorne, wobei er sein Gesicht verzog ob der Schärfe des Alkoholes.
"Geht´s wieder?" fragte der Beamte. Das Nicken des Wildhüters fiel schwach aus.
"Dann berichte mal",sagte der Polizist und zog seinem Freund einen Stuhl heran. Der nahm noch einen kräftigen Schluck, um reden zu können. Courtney hörte so gespannt zu, dass er nicht merkte, wie die anderen drei Polizisten das Revier betraten. Er konzentrierte sich voll und ganz auf die Erzählungen. Es klang so unglaublich und horrorhaft das es Courtney kalt über den Rücken lief. Noch dazu gab es in letzter Zeit ziemlich seltsame Mordfälle in der Umgebung.
"Und?" fragte Masters, "was sagst du dazu?".
"Nun, was soll man dazu schon sagen, ist ziemlich unwahrscheinlich, das alles."
"Sehe ich auch so." Cornelius Masters lachte hysterisch auf.
"Aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Wirklich, ich schwöre es dir. Du musst mir glauben."
"Das tue ich auch, verdammt das tue ich, und ich ziehe Konsequenzen aus diesem Vorfall." Er griff zum Telefon und wählte eine Nummer.
Sie gehörte Scotland Yard!


0 0 0 0 0 0 0 0


Jetzt endlich rollte der letzte Bus der Verkehrs-Betriebe von Dublins Stadtteil Castleknock in die Remise ein. Es war bereits weit nach Mitternacht, als der letzte Busfahrer sein Arbeitsgerät ablieferte. Eddy Carey, der Fahrdienstleiter, konnte endlich die Garage schließen. Er war rechtschaffen müde und sehnte sich nach seinem Bett. Vor dem Depot begegnete er seinem Kollegen Burt Brown.
"Fertig?" fragte Brown.
"Fix und Fertig", gab Carey zurück.
"Und wie kommst du jetzt nach Hause? Dein Auto ist doch immer noch in Reparatur, oder?"
"Leider ja. Aber Williams hat mir angeboten mich mit zu nehmen."
"Den kannst du doch nicht ausstehen."
"Was tut man nicht alles um früher in´s Bett zu kommen."
"Wenn du möchtest, kannst du mit mir fahren", sagte Brown.
"Ja, aber nur bis zur Chesterfield Avenue, von da weg sind es nur noch ein paar Schritte", sagte der Fahrdienstleiter, und er nahm das Angebot von Burt Brown dankend an.
Eddy Carey war ein mittelgroßer Mann mit schütterem Haar, noch weniger Barthaar und leichten Glotzaugen. Ein geselliger Typ, der viele Freunde hatte. Sie setzten sich in den Wagen, ein alter Vauxhall, und fuhren los. Während der Fahrt sprachen sie über das, was sich am Tage ereignet hat. Brown lenkte sein Auto zu einem Parkplatz am Beginn der Chesterfield Avenue.
Wo während der warmen Jahreszeit Besucher im weitläufigen Wegenetz des Phoenix Parks flanierten, lastete jetzt im Spätherbst eine fast unheimliche Stille. Eddy Carey öffnete die Autotür. Er reichte seinem Kollegen die Hand.
"Danke für´s mitnehmen."
"Keine Ursache."
"Vielleicht kann ich mich ein mal revanchieren."
"Ist schon gut."
Carey stieg aus. Er warf die Tür zu, winkte noch seinem Kollegen zu, und trat eilends seinen Heimweg an. Die Bäume, die die Straße säumten waren größtenteils entlaubt. Der Fahrdienstleiter fand, dass es nichts trostloseres gab als Bäume ohne ihr Blattwerk.

Er konnte im nachhinein nicht mehr genau feststellen, wann er zum ersten Mal dieses seltsame Gefühl gehabt hatte. Er wurde sich der Gänsehaut erst nach einer Weile bewusst.
Wodurch wurde sie hervor gerufen?
Eddy Carey warf einen Blick über die Schulter. Er war allein in der langen einsamen Allee. Jedenfalls konnte er niemanden sehen. Erfahrungsgemäß war um diese Jahreszeit und zu dieser späten Stunde kaum noch wer unterwegs. Er ging nicht zum ersten Mal diesen Weg, und fragte sich unwillkürlich, ob er nicht den anderen Weg, den weiteren durch die Siedlungen hätte einschlagen sollen.
"Wer soll mir schon was tun." murmelte er.
Doch die Angst blieb.
Sie nistete sich in Careys Unterbewusstsein ein. Unbewusst ging er noch schneller.
Sein Atem ging schneller.
Sein Herz klopfte rascher.
Ärgerlich schalt er sich deswegen einen Idioten. Aber er vermochte nichts an der Tatsache zu ändern, dass ihm nicht mehr ganz geheuer war.
Immer häufiger schaute er zurück.
Hin und wieder glaubte er, eine dunkle Gestalt von einem dicken Baumstamm zum anderen huschen zu sehen. Wenn er aber kurz stehen blieb, um genauer hin zu sehen, geschah nichts.
Einbildung?
Kleine Schweißtröpfchen bildeten sich auf seiner Stirn. Eine unsichtbare Hand legte sich um seine Kehle und drückte zu.
Sein Atem rasselte.
Jetzt verfluchte er seine Arbeit, weil er immer so spät nach Hause kam. Zwar ist es eine sichere Anstellung - aber mit all seinen Nachteilen.
Ein knirschendes Geräusch ließ Eddy Carey erschrocken herum fahren. Verdammt, da war tatsächlich jemand hinter ihm her. Plötzlich kamen ihm die Zeitungsberichte in den Sinn. In den vergangenen Tagen waren in der Umgebung des Phoenix Park zwei Morde passiert. Die Polizei tappte noch im dunkeln. Man vermutete, dass es sich bei dem Verbrechen um einen wahnsinnigen Triebtäter handeln müsse. Bisher keine Zeugen und keine Spuren.

Dem Fahrdienstleiter überlief es mit einem mal eiskalt. Bloß das nicht, dachte er. Eine Begegnung mit einem Wahnsinnigen wäre das letzte, was er sich in dieser Nacht wünschte.
Es dauerte nicht lange, da wechselte Carey von der Chesterfield Avenue in die Ordnance Road, da waren wenigstens Häuser. Zwar brannte nirgendwo mehr Licht, aber das Gefühl der Einsamkeit war hier nicht mehr so schlimm wie auf der menschenleeren Allee. Der Fahrdienstleiter wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung den Schweiß von der Stirn. So sehr wie in dieser Nacht hatte er sich noch nie nach Hause beeilt. Er konnte es nicht mehr erwarten das schwere Haustor ins Schloss fallen zu hören. Darüber, dass er verfolgt wurde gab es keinen Zweifel mehr.

Der Verfolger gab sich nicht mehr die Mühe, leise zu sein. Anhand der Geräusche stellte Eddy Carey fest, dass ihm das Etwas immer näher kam.
Plötzlich lähmte ihn ein aggressives Knurren.
Wie von der Tarantel gestochen wirbelte Carey herum. Seine Augen weiteten sich.
Ihm blieb die Luft weg.
Mit angstverzerrtem Gesicht blickte er den kräftigen Mann an, der hinter einem dicken Stamm eines Kastanienbaumes hervortrat.
Eine eigenartige Kälte ging von dem Fremden aus. Der Mann hatte einen abgrundtief bösen Blick, und er schien Carey mit jeder Faser seines Körpers zu hassen. Ein seltsames Feuer loderte in den Augen des Unheimlichen.
Für Eddy Carey stand sofort fest, dass er jenem Wahnsinnigen gegenüber stand, der schon zwei mal gemordet hatte. Sein Mund war trocken, und glühender Schmerz breitete sich in seiner Kehle aus. Er wollte etwas sagen, doch er vermochte nur seine Lippen zu bewegen, aus seinem Mund kam kein Ton. Mit geschmeidigen Bewegungen kam der Unheimliche näher. Ein boshaftes, gemein gefährliches Grinsen umspielte seine harten Lippen. Er wollte vor dem Fremden zurück weichen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Wie angewurzelt stand er da, der Unbekannte hatte ihn in seinen Bann gezogen.
Carey riss verdattert die Augen auf, als er bemerkte, dass sich die Physiognomie des Fremden plötzlich zu verändern begann. Der Kopf des Unheimlichen nahm eine andere Form an. Struppiges Haar spross aus Stirn und Wangen.Die Ohren wurden schlank und spitz.
Eine geifernde Schnauze schob sich nach vorne zu einem Hundemaul. Aus dieser hob sich eine blutrote Zunge ab.
Bleich schimmerte das Untier dem verstörten Fahrdienstleiter entgegen. Er zweifelte an seinem Verstand.
"Unmöglich...das...das kann doch nicht sein!"
Die Hände von diesem Ding waren zu Tatzen mit tödlichen Krallen geworden, mit schwarz-schimmernden Fell bedeckt. Carey begriff, dass er einen aufrecht stehenden Wolf vor sich hatte. Einem Menschen, der der Metamorphose fähig war, der sich in einen schrecklichen Werwolf verwandeln konnte!
Das Monster sprang ihn fauchend an. Mit großer Kraft hieb die Bestie nach ihrem Opfer.
Nachdem Carey nur mit Glück ausweichen konnte, gehorchtem ihm wieder seine Beine. Er nützte die große Chance, wandte sich in aller Eile um und rannte keuchend um sein Leben. Er wollte um Hilfe schreien, doch dazu fehlte ihm die Kraft. Wie von Furien gehetzt jagte er durch die Allee. Der blutgierige Killer war ihm dicht auf den Fersen.
Das Monster holte auf.
Hechelnd setzte das Ding zum Sprung an, flog kraftvoll durch die Luft.
Der Körper prallte heftig gegen den Rücken von Carey.
Der fliehende stolperte.
Er wurde nach vorne gestoßen, und prallte mit dem Gesicht auf den kalten Asphalt. Er war benommen und handelte nur noch instinktiv.
Atemlos warf er sich herum, und sah die feurigen Lichter des Ungeheuers. Starrte in den blutigen Rachen des Scheusals.
Aus!
Dachte er.
Aus!
Jetzt ist es aus mit dir!
Du bist verloren!
Da schob sich das gleißende Licht zweier Scheinwerfer durch die Allee.
Der Werwolf stieß ein wütendes Knurren aus. Der Anblick der hell strahlenden Scheinwerfer wurde ihm dermaßen unerträglich, dass er zornig von seinem Opfer abließ und das Feld räumte...

- - - - - - - - - - -


Der Typ hatte schütteres, blondes Haar, die faltige Stirn konnte es nicht verbergen. Was unter der Unterlippe wuchs, sollte eigentlich einen Bart darstellen. Über einen zarten Flaum, der noch dazu weiß schimmerte, kam er jedoch nicht hinweg. Der Mann hörte auf den Namen Nick Raymond aus dem irischen Westport.
Beruf: Killer!
Raymond wurde da eingesetzt, wo man normal besonders brutal einen Fall lösen musste. Es gab nur wenige Menschen auf dieser bösen Welt, die sich illegale Spezialeinheiten auf Eis legte und für spezielle Einsätze aufbewahrte.
Nick Raymond gehörte dazu.
Toni Golino, der große Mafiaboss aus Dublin, der jetzt in der Zwickmühle saß, hatte Raymond angefordert. Er bekam ihn sofort, denn die anderen Paten im Ausland wussten, dass Toni Golino zu einer wahren Größe angewachsen ist.
Während es in den größeren Städten in Südeuropa und in den USA zu Machtkämpfen der einzelnen Familien kam, herrschte Toni Golino mit eisener Faust allein über Dublin. Er teilte mit keinem.
Jeder Versuch sich seiner Kontrolle zu unterziehen, beantwortete er meist mit dem Tod.
Denn Golino war der rechte Arm des Chefs in London. Hier saß auch der Todfeind der beiden:

Mark McIntire!

Nun aber verlief der Fall umgekehrt. Palintero, Toni Golinos großer Mafiaboss in London, steckte zwar nicht gerade in großen Schwierigkeiten, aber in Dublin konnte Toni Golino doch besser agieren. Golino musste dafür sorgen, dass Cosima verschwand. Sie sollte umgebracht werden, und dafür hatte er sich den Killer Nick Raymond geholt.
Raymond würde das übernehmen. 80.000 Pfund waren ihm dafür sicher, und er bekam noch eine besondere Waffe. Eine russische Maschinen-Pistole, sehr handlich und sehr klein, aber brandgefährlich, zumal das Magazin mit geweihten Silberkugeln bestückt war.
Golino hoffte, dass es half. Er selbst hatte die Silberpatronen besorgt und sie auch in das Weihwasserbecken einer Kirche getaucht.
Toni Golino war zudem nachdenklich geworden. Palinteri in Schwierigkeiten, das passte ihm überhaupt nicht, denn bisher hatte der Chef mit all seinen Verbindungen zum Dämonenreich seine Hand schützend über ihn gelegt. Nun schien er doch einiges an Ärger am Hals zu haben. Echte Probleme. Palinteri befahl, und ferig. Golino wagte auch nicht ihn um Rat zu fragen. Palinteri konnte da sehr hart und auch tödlich reagieren.
Deshalb nahm Golino alles hin, wie es war.
Deshalb hatte er Nick Raymond zu sich kommen lassen. Irgendwie mochte er den Killer nicht, wie er da stand in seinem fürchterlichen Outfit. Sämtliche Kleidung an seinem Körper sah verwaschen aus, wenn man genauer hin sah auch seine Socken. Raymond sog noch einmal an seiner Zigarette.
"Ich habe doch richtig gehört? Ich soll eine Wölfin erledigen oder einen Wolf?"
"Genau."
"Und das für Achzigtausend?"
"Ist dir das zu wenig?" fragte Golino kalt, wobei sich seine dunklen Augen zusammen zogen.
"Nein, aber mir scheint der Betrag zu hoch zu sein." "Du kannst ja verweigern." grinste Golino unbewusst.
Da lachte Raymond blechern.
"Hättest du wohl gerne? Nein, die Abmachung gilt, du bekommst dein Wölfchen auf einem silbernen Tablett serviert."
"Nimm den Maul nicht zu voll. Cosima ist schlau uns gefährlich. Da ist auch noch ein weiterer Wolf."
"Blase ich alle weg!"
"Wir werden sehen."
"Wann soll es losgehen?" fragte Raymond.
"Heute noch. Und zwar wirst du in Richtung Willingsbourgh fahren. Da hat sich einiges getan."
Das stimmte tatsächlich. Palinteri, der seine Leute auch unter den Polizisten hatte, war informiert worden, er brauchte die Fakten nur noch zu addieren, um zu dem von ihm positiven Ergebnis zu kommen.
"Ich kenne Willingsbourgh nicht."
"Du bekommst eine Karte"
"Ist das alles?"
"Eigentlich ja, doch das Wichtigste kommt noch. Du wirst nicht alleine arbeiten."
"Was?" Nick Raymond riss die Augen auf. Sein Gesicht verzerrte sich und zeigte scharfe Falten. "Das darf nicht wahr sein, ich habe bisher immer alleine gearbeitet."
"Aber dieses mal nicht."
"Dann schmeiss ich den Job"
"Wäre es dir ernst, würdest du jetzt nicht mehr leben", erwiderte Golino gelassen.
"Ich weis, das es nur Show ist, die du hier abziehst. Und das Geld brauchst du auch nicht zu teilen."
"Ich habe nur einmal mit einem Partner ein Geschäft gemacht, jetzt ist er tot."
"Dieses mal wird es nicht passieren, du arbeitest mit dem besten Partner zusammen, den ich mir überhaupt vorstellen kann, er ist dir sogar noch überlegen."
"Auf den Wundermann bin ich gespannt."
"Mann?"
Golino lachte bevor er auf einen Knopf unter seiner Schreibtischplatte drückte. Eine Tür öffnete sich dadurch.
"Komm rein, Dakari!"
Nick Raymond hatte sich langsam umgedreht. Seine Augen wurden immer größer und sogar sein bleiches Gesicht wechselte die Farbe, als ihm das Blut in den Kopf schoss. Was er da sah, konnte er einfach nicht fassen. Das war wirklich ein Rasseweib. Gekleidet in schwarzes, weiches Leder. Die Haare ebenfalls schwarz und ein unnatürliches, bleiches Gesicht. Die Blutroten Lippen zu einem Lächeln verzogen, die überheblich und stolz wirkten.
Dakari - die Vampirfrau - schaute den Profikiller eiskalt an. Raymond versuchte zu grinsen, doch ohne Chance. Der Ärger überwog, denn für einen heißen Mördertripp war war sie denkbar ungeeigned.
"Ist er das?" fragte Dakari.
Golino nickte.
Die beiden musterten sich. Im Gesicht der Vampirin regte sich nichts. Es war ungeheuer, was man von ihm verlangte. Nein, das durfte es nicht geben. Da spielte er nicht mit. Seine innerliche Erregung unter Kontrolle haltend, wandte er sich langsam um, und blickte Golino an.
"Was ist das, soll das ein Witz sein?"
"Nein, kein Witz. Ihr werdet zusammen arbeiten." Nick Raymond schüttelte den Kopf.
"Ohne mich. Das ist mir zu viel, da spiele ich nicht mit. Steige da gleich wieder aus."
"Du wirst nicht mehr aussteigen können", erwiderte der Mafioso gelassen.
"Glaub mir, Dakari ist eine Partnerin, wie du keine bessere bekommst."
"Sie soll sich zum Teufel scheren!"
"Da komm ich gerade her", erwiderte die Blutsaugerin gelassen und öffnete ihren Mund. Nick hatte sich umgedreht, und meinte im falschen Film zu sein. Was er da zu sehen bekam, kannte er nur aus Horrorfilmen. Vor ihm stand tatsächlich ein weiblicher Vampir. Zuerst sagte er einmal nichts, stand nur da mit weit aufgerissenem Mund, und eben solchen Augen. Seine Hände verkrampften sich, und seine Gesichtshaut nahm eine noch rotere Farbe an. Dann verwandelte sich seine Anspannung in schallendes Gelächter.
"Mit der soll ich zusammen arbeiten, mit der blöden Kuh?"
"Hüte deine Zunge!" zischte Golino scharf.
"Haben wir hier eine Masken-Schau? Ich dachte, es ginge hier um ein Geschäft. Die Süße soll ihr komisches Gebiss herausnehmen, bevor ich es mache!"
"Es ist echt!"
"Das kannst du erzählen wem du willst. Es ist nicht echt, ihr wollt mich doch auf den Mond schicken. Mich kann keiner verarschen!"
"Irrtum!" Messerscharf hatte sie erkannt, dass es mit einem Mann wie Nick Raymond nicht zu einer gemeinsamen Aktion kommen konnte. Er würde sich immer gegen sie stellen, und sie erledigte die Sache auf ihre spezielle und vampirtypische Art und Weise.
Zudem brauchte sie Blut!
Dann sprang sie.
Es war ein kräftiger, raubtierhafter Sprung, mit dem sie blitzschnell die Entfernung überbrückte. Bevor Raymond noch eine Abwehrbewegung machen konnte, hatte Dakari den stahlharten Killer gepackt, und vergrub ihre Finger in seinem Hemd. Ruckartig zog sie daran, ließ nicht los, warf ihn gegen die nahe Wand und bog den Kopf weit nach hinten.
Jetzt spannte sich die Haut an seinem Hals.
Deutlich hob sich eine bläulich schimmernde Ader darunter ab.
Blut für Dakari!
Hart schlug sie ihre beiden, aus dem Oberkiefer wachsenden Hauer dort hinein. Mit allem hätte Raymond gerechnet, nur damit nicht. Der Killer wurde völlig überrascht.
Toni Golino saß wie ein Denkmal hinter seinem Schreibtisch und schaute nur zu. Er hütete sich, aktiv ein zu greifen, denn es wäre für ihn tödlich gewesen. Vielleicht war es auch gut, wie Dakari reagierte. Sie ließ ihr Opfer nicht los, Raymond saß gegen die Wand gelehnt. Er versuchte sich noch zu wehren, doch seine Bewegungen wurden immer matt und matter. Nach und nach gaben seine Arme und Beine nach, wurde jedoch von Dakari weiter gehalten.
Sie hatte ihr Opfer.
Endlich...
Toni Golino wäre am liebsten hinaus gelaufen. So gnadenlos er auch seinen Feinden gegen über war,dies hier konnte er nicht sehen. Dazu hatte er keinen Bezug, und Furcht kroch in ihm hoch, denn wenn er Paliteri nicht gehorche, wie dieser es verlangte, dann würde es ihm genau so ergehen wie Nick Raymond.
Was sie machte, machte sie perfekt. Dakari saugte auch noch den letzten Tropfen aus seinen Adern. Damit war er aber auch nur ein weiteres Opfer in ihrer Galerie.
Nick Raymond, einer der Star-Killer der Mafia, wurde zum Vampir!
Dakari löste den stahlharten Griff von ihrem Opfer und ließ ihn fallen. Schwer schlug er zu Boden. Doch er spürte nichts mehr. Er würde nichts mehr spüren, auch nicht, wenn er wieder zu seinem unheilvollen Leben erwachte.
Dakari schaute den Mafiaboss an. Blut war um ihre Lippen, die Augen erinnerten an zwei schwarze Eisstücke.
"So ist es besser."
Sie erntete ein nicken. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Dieser Fall hatte eine gewisse Pikanterie, denn ein Vampir, der eine Maschinenpisole mit Silberkugeln bei sich trägt, den gab es sicher nur einmal...

...to be contunied...


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.01.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /