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Prolog

Die Glocken ertönten. Ich musste gehen.

"Du weißt ich komme wieder," flüsterte ich mit einem Lächeln und legte die letzte Blume in das Grab hinein, bevor ich es dann ungern verließ. 

Bis zum Palast war es noch ein Stückchen... zumindest für mich. Verglichen mit meinem vorherigen zu Hause.

Mir machte das nichts aus. Im Gegenteil, ich wünschte der Weg wäre noch länger gewesen, dann hätte ich mehr Dinge zu bewundern gehabt. Der Gesang der Vögel war wie eine wunderschöne Melodie in meinen Ohren.

Ich ging in langsamen Schritten die Allee aus blau-pinken Bäumen entlang. Dabei zog ich mir den süßen Duft der Silberrosen, der Perlenorchideen und den, der restlichen Umgebung hinein.

Der Himmel war so blau und die Luft so schön frisch, dass man stets den Drang hatte ein- und auszuatmen. So viel unberührte Natur habe ich bis zu dem Tag als ich hierhin kam, mal abgesehen von der Schönheit, noch nie gesehen.

Ich hörte ein zischen, drehte mich in die Richtung woher das Geräusch kam und erblickte ein kleines braunes Kaninchen. Ich näherte mich ihm an, doch es hoppelte blitzschnell davon.

Ich lächelte dem Tierchen hinterher, als zwei Schmetterlinge vor meinen Augen um mich herum flogen. Ich verfolgte die zwei blauen Freunde mit den lila leuchtenden Akzenten an den Flügeln, mit den Augen, bis sie so weit weg sausten, dass ich sie nicht mehr sah.

Eine leichte Brise wehte durch meine Haare und zog die Kirschblütenblätter mit sich.

Wenn ein Künstler jetzt, genau hier, stehen bleiben und ein Bild von der Aussicht für mich malen würde, würde ich das Gemälde mit dem ganzen Dorf teilen . "So sieht es im Garten des Palastes aus!" wären dann meine Worte.

Und dann?

Ja. Dann würde man mich auslachen. "So einen Ort gibt es wohl nur in deinen süßesten Träumen" würde man spotten.

Ich schüttelte kurz den Kopf, als ob ich so in der Lage wäre meine Gedanken  rauszuschmeißen. Ich musste zurück zum Palast und ich sollte mich beeilen. Das war mir bewusst, doch tat ich es trotzdem nicht.

Nach einer Weile strahlte das Weiß des Palastes durch die fliederfarbenen Blätter hindurch, sodass sich meine Schritte automatisch verlangsamten. 

Plötzlich änderte sich die ganze Aussicht, als ich den riesigen Vorgarten betrat.

Ein großer Springbrunnen, bestückt mit dunkelblauen Diamanten war in der Mitte des kreisförmigen Gartens. Drumherum waren  graue Fliesen angelegt, die so arg glänzten, dass ich angst hatte jeden Moment auszurutschen. Bis jetzt ist das aber noch nie passiert.

Dann schaute ich hinauf und sah ihn: den Palast. Sein Anblick ließ jedermanns Atem Stocken. Die Architektur war perfekt. Das Weiß in Kombination mit den hervorragenden Ornamenten, die überdimensionalen Fenster, seine Größe und die kleinen Diamanten die durchblinkten... unglaublich. 

Die Hölle. Die Hölle für mich.

Eins

 "Beeilung! Beieilung Mädchen!" hörte ich Anna rufen. Als sie mich sah, starrte sie mich mit aufgeklapptem Mund an und legte ihre Rechte Hand an den Rücken. Diese Geste mussten alle Leute tun, die einen niedrigeren Rang hatten als wir.

"Prinzessin. Das Bad ist vorbereitet. Ihre Kleider sind ausgewählt und zwei ihrer Diener warten schon im Ankleideraum um ihre Haare zu machen." Ich nickte. "Der Abend kann beginnen," sagte ich mit einer deutlichen Ironie. "Aber Miss. Sie müssen sich beeilen. Gäste aus all Utopia sind in wenigen Minuten angetro-" "Sag mir nicht was ich zu tun habe," unterbrach ich sie und machte ihr mit einer Handbewegung deutlich, dass sie gehen sollte. Sie entschuldigte sich sofort, streckte ihre Hand die hinter ihrem Rücken war aus, verbeugte sich und zog sich zurück.

"Wo ist Jane?" fragte ich mit einem strengen Ton einer Bediensteten, die ich auf dem Weg zu meinem Raum traf. Sie legte ihren Arm an den Rücken und senkte leicht den Kopf. "Im Goldsaal, Prinzessin." Ohne mich zu bedanken ging ich zum Goldsaal.

Dabei überquerte ich die breiten und langen Gänge des Palastes. Die prächtigen Verzierungen waren unglaublich. In den Gängen in Richtung des Goldsaales lag roter Teppich auf dem Boden, der stets wie neu aussah. So wie auch alles andere im Palast.

Als ich schließlich den Goldsaal betrat sah ich Jane, die - wie immer - wunderschön aussah in ihrem mindestens genauso hübschen grünen Kleid, der umschlungen von den strahlenden Diamanten meinen Atem stocken ließ.

Sie stand am Fenster und schaute hinunter. Ihre blonden mittellangen Haare, die zu einer Hochsteckfrisur gebunden waren verdeckten ihr Gesicht.

"Sie sind da," sagte sie ohne mich auch nur anzusehen. Warum auch? Ehrlich gesagt war ich sogar froh darüber, ihren blassblauen Augen, die mit Hass gefüllt waren, zu entgehen. Den Grund dafür, weshalb sie mich nicht mag, kenne ich bis heute nicht.

Ich mein... sie ist die Tochter des Königs. Sie kriegt alles, was sie will, hat Macht und dazu ist sie auch unglaublich hübsch. Ich hingegen... Niemand würde mit mir tauschen wollen. Und Jane erst Recht nicht. Ich werde meistens ignoriert, mal abgesehen von den Bediensteten, die mich ständig mit Mitleid gefüllten Augen ansahen. Manchmal würde ich sie anschreien und sagen "Bitte... Mein Gott, bitte ignoriert mich doch einfach auch." Irgendwann vielleicht...

Ich ging zu ihr zum Fenster und sah die Erwinen den Weg zum Palast überqueren. Eine Kutsche nach der anderen hielt an, wobei sie von nichts gezogen wurde, was auch nicht notwendig war.

Dann stieg auch schon jeder nacheinander aus, um sich dann in ihren prächtigen Kleidungen präsentieren zu können. Es war wie ein Wettkampf, wer am besten und teuersten beschmückt war. 

Die Krieger-Es (E für Erwine) unterschieden sich dabei deutlich von denen, deren Kleidung einfach viel zu auffällig war. Ein Hut mit baby-blau leuchtenden Elementen und dazu noch ein unnötiger Schirm, besetzt aus silbernen Diamanten.... Einfach unnötig.

Es gab zwei Hauptgruppen bei den Erwinen. Einmal die, die geboren wurden um sich einfach nur zu amüsieren, alles zu haben und die anderen Menschen, die nichts besaßen, zu diskriminieren, und die Krieger, deren Sieg allein sie hochstufte. Natürlich waren viele von ihnen auch Verwandte von den "Amüsierenden" Erwinen.

"Alles nur deinetwegen, du kannst stolz sein," sagte Jane mit einem leicht eifersüchtigem Grinsen. Ich schaute sie mit hochgezogener Braue an. Sie aber, sah mich immernoch nicht an, sondern musterte jeden Einzelnen Erwinen ab . "Ich habe gesehen, welches Kleid du heute Abend anziehen wirst," sagte sie während ihre Augen weiterhin bei den Gästen waren "es fiel mir nicht schwer ein besseres rauszusuchen. Das war langweilig, Eve. Beim nächsten Mal möchte ich, dass du es mir schwieriger machst."

In dem Moment hätte ich was sagen können oder sollen... aber mir fiel wirklich nichts ein, außer vielleicht ein "Okey" , doch das ersparte ich mir. In ihrem Ton erkannte man immer, wie sie auf mich hinabblickte. 

Wir beobachteten stumm wie sie, die Hochangesehenen, nacheinander den Palast betraten. Die mächtigsten Menschen nach dem König und Jane. 

Eine Frau mit einem voluminösen blutrotem Kleid, der mit Silberrosen beschmückt war, stieg von der Kutsche aus. Ich konnte ihr Gesicht, wegen ihrem schwarzen Hut nicht sehen, doch noch auffälliger war ihr Kind. 

Das Kind, welches die Mutter nichteinmal ansah, ging neben ihr den grauen Granitboden entlang. 

Von der überaus pompösen Kleidung will ich gar nicht erst anfangen, denn was ich noch augenfälliger fand, war seine Haltung.

Seine fast viel zu aufrechte Haltung und die Blicke zeigten schon, von wem dieses Kind abstammte. Es ignorierte die Bediensteten neben sich, als wären sie Mäuse oder gar unsichtbar. 

Ich schüttelte leicht den Kopf, sodass man es von außen kaum sah. Was fühlte ich diesem Kind gegenüber? Oder den anderen Kindern gegenüber, die eine kurze Weile später von einer anderen Kutsche ausstiegen? Es war keine Eifersucht. Nein. Auch keine Verachtung. Es war eher... Mitleid ! Ja Mitleid. Das arme Kind. Doch warum? Meine Gedanken wurden Unterbrochen, als ich Jane kurz laut einatmen hörte.

Ich sah sie kurz an und folgte ihrem Blick, der zu zwei jungen Männern führte, die nur wenige Schritte hinter den Kindern waren. Zwei Krieger-Es, die mir gar nicht aufgefallen waren.

Der eine hatte etwas längere blonde Haare zu einem Zopf gebunden und war eher groß.

Der junge Mann daneben war derjenige, der zum ersten Mal hinauf zum Fenster blickte und uns sah. Er sah mich. Er schaute mir direkt in die Augen. Und dann auch wieder weg.

Mir war das egal. Damals.

Woher hätte ich wissen sollen, das er es war. Der Mann, für den ich alles tun würde.

Doch hier, war er einer von vielen. Noch unbedeutsam für mich. Außer sein gutes, nein sehr sehr gutes Aussehen, was niemanden gleichgültig sein konnte. Schwarze Haare. Sehr gut Gebaut. Wunderschönes Gesicht. Nein perfektes Gesicht. Er war perfekt.

Ich hörte Jane leicht lachen. "Was für ein Blick. Was für ein gutaussehender Mann." Ich schwieg und war desinteressiert.

Woher nur hätte ich wissen sollen, dass er es sein wird, der ganz Utopia zerstören wird, nur um mich zu retten? 

In dem Moment aber, waren meine Gedanken und Gefühle ganz anders: Ich sah mein Spiegelbild auf der Fensterscheibe und lachte kurz innerlich.

Ich war noch bemitleidenswerter als das Kind von eben.

 

Zwei

"Sie sehen wunderschön aus Miss." sagte eine der Bediensteten. 

Ich sah mich eine Weile im Spiegel an, während jemand mir den Schmuck anlegte. 

Anfangs war ich genervt, wie ein Baby oder wie jemand ohne Arme und Beine behandelt zu werden. Ich meine... selbst die Ohrringe durfte ich mir nicht selber anlegen. Ich erinnere mich nur zu gut, als ich in den ersten Wochen jeden angeschrien und vom Zimmer rausgeworfen habe, weil mir das zu viel des guten war. Doch "Wo wurde es gesehen, dass eine Prinzessin sich selber anzieht?" hatte Anna immer und immer wieder gesagt.

Mittlerweile beschwere ich mich gar nicht mehr, doch nicht weil ich es einfach hingenommen und akzeptiert habe, sondern eher - und es war schwer es mir selbst zu gestehen - weil ich es so wollte.

Ich sah mich jedes mal beim Ankleiden oder während mir die Haare gemacht wurden im Spiegel an und fragte mich, ob sich etwas verändert hatte. Oder nein, es war eher so, als hätte ich das Gefühl, dass sich etwas verändert hatte, nur was?

Auch wenn die goldbraunen Haare immernoch dieselbe Farbe hatten und auch nicht gewachsen sind. Oder meine grünen Augen, mein schmaler Mund und die kleine Stupsnase gleich geblieben sind... was war es nur?

Es klopfte an der Tür und es dauert eine Weile bis ich von meinen Gedanken wieder in die Realität zurück kam.

"Ja?"  Die Tür ging auf und jemand trat ein.

"Prinzessin, es ist Zeit. Die Begrüßungsfeier wird beginnen." Ich machte den anderen vier Dienern ein Zeichen, dass sie gehen sollten.

Als nur noch wir beide in meinem Zimmer waren - für mich war das kein Zimmer, sondern eher eine eigene Wohnung im Palast- seufzte ich. "Muss ich dahin Rose?" 

Sie lachte kurz "leider ja." 

Rose. Meine beste Freundin aus meinem früheren Leben. Als ich noch genauso unwichtig war, wie alle anderen Bediensteten hier. Sie hatte schulterlanges, glattes Ebenholzfarbenes Haar. Außerdem war sie eher mittelgroß und ihre Hautfarbe hatte einen etwas dunkleren Ton als meine. 

"Es wird voll sein. Du solltest wissen, das der König gerne feiert und seine Gäste niemals enttäuschen will, deshalb ist der Goldsaal mit den teuersten Dingen beschmückt," erklärte sie mir. Ich schüttelte den Kopf. "Das ganze Land weiß, wie gern der König und die Erwinen feiern. Während manche nichteinmal genug Brot zu Hause haben, essen sie mehr als das zehnfache wie wir." Sie nickte und hob leicht den Kopf. "Weißt du Eve..." fing sie an und schaute in die andere Ecke gegenüber des Zimmers." Ich glaube daran, dass sich irgendwann alles ändern wird." Das war meine Rose. Immer liebenswert mit voller Hoffnung. Ich schüttelte erneut den Kopf. "Rose..." Sie hob ihre Hand und nickte "Ich weiß Eve, das du daran nicht glaubst, aber Zeiten ändern sich. Der König hat keinen männlichen Sohn, also wird Prinzessin Jane sein Amt übernehmen und -" "Janes Blicke reichen aus um das ganze Königreich auszulöschen," sagte ich überzeugt. "Aber sie ist eine Frau. Es wird das erste Mal sein, dass eine Frau das Land regieren wird." Ich zuckte mit den Schultern. "Vielleicht hast du Recht," gab ich nach. Es hatte sowieso keinen Sinn, mit Rose zu diskutieren. Sie sah immer das gute im Menschen. Selbst in Jane. Ich lachte innerlich.

Ich seufzte erneut. "Ich werde mich in irgendeine Ecke verkriechen und hoffen das ein Erdbeben die Feier unterbricht."

Rose musterte mich mit ihren Rehaugen von oben bis unten ab. "Atemberaubend hübsch bist du." 

Ich wendete mich von ihr ab und sah mich im Spiegel an. Meine goldbraunen Haare zu einer komplizierten Frisur zusammengesteckt, meine grünen Augen die durch die perfekte Schminke noch mehr herausstachen als sonst, mein makelloses Gesicht, den Schmuck und das königsblaue Kleid. "Ja" stimmte ich ihr leise zu.

"Doch was bringt Schönheit, wenn man so einem Schicksal bestimmt ist?" flüsterte ich, sodass sie es nicht hören konnte.

 

Der Goldsaal war voll. Die Tische waren vollbedeckt mit Essen und Trinken aller Art. Meiner Meinung nach viel zu viel.

Ich stand neben dem Podest neben ihm. Dem König. Ich verachtete ihn mehr als jeden anderen Menschen auf dieser Welt. Er stand da in seiner stolzen Position, die Hände nach hinten gelegt, den Kopf nach oben geneigt und nahm mich nichteinmal war. Und seine Kleidung. Wenn man sie verkaufen würde, könnte man eine ganze Stadt eine Woche lang ernähren. 

Die Erwinen, die, deren Rang unter dem König war, stellten sich in einer Reihe links und rechts neben uns auf, sodass jeder nacheinander den König und mich Begrüßen konnte. Außerdem stellte sich jeder mir vor. Warum auch immer das notwendig war.

Jeder kam nacheinander und begrüßte uns. Die Geschenke an den König durften natürlich nicht fehlen. 

"Eure Hoheit," sagte ein älterer Mann "ich bin der Leiter der ersten Division, Sir Peter Dwayne."

Der höchste Rang unter den Erwinen. Ein Krieger und dazu ein Leiter der ersten und damit der stärkste Kampftruppe. Er hatte weiß-graue Haare und hellblaue Augen.

"Jared Bloom, eure Hoheit," stellte sich ein gutaussehnder Mann vor. Er sah mir tief in die Augen. Ich konnte seine Interesse an mir förmlich spühren. Ich gefiel ihm. Er hatte blonde Haare und dünkelgrüne Augen. Natürlich war er gut gebaut, da er auch ein Krieger und sogar einer der ersten Division war.

Ich stellte mich ebenfalls vor.

Der nächste kam. Und er war es. "Ethan Johnson. Erste Division" stellte er sich vior. Er sah mich nur kurz mit seinen dunkelblauen Augen an. Hatte er mich erkannt? Das ich diesselbe bin wie eben am Fenster? Nein. Seine Blicke waren nicht so wie die von Jared eben. Sondern desinteressiert. So wie meine auch. Damals.

 

Als die Begrüßung vorbei war ging die Feier weiter. Unnötiges Gerede zwischen den Erwinen. Einige standen um den König herum, und versuchten seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Jane redete mit fast allen Männern im Saal und amüsierte sich, während ich gelangweilt am Fenster stand. 

Ich schaute in die Ferne und auch wenn ich aufgrund der Dunkelheit kaum etwas erkannte, war es mir lieber als die Erwinen im Saal zu beobachten. Die leuchtenden Punkte der Blumen und der Tiere reichte mir als Ablenkung aus. Zu gern wäre ich jetzt dort draußen gewesen, um mir den Garten bei Dunkelheit anzuschauen. Meine Blicke hafteten auf einem blau-violett leuchtenden Punkt, der in allen Richtungen umherflog, bis ich dann erkannte, dass es ein Schmetterling war.

Er flog so wild herum, als ob das Wort "Freiheit" ihm auf den Flügeln stand, dass ich beinahe Eifersucht empfand. Ich lachte innerlich über mich selbst bei dem Gedanken und fand mich schon nahe zu lächerlich.   

"Sie wirken nicht amüsiert." ich wendete mich zu der Stimme. Es war Jared. Er lächelte mich mit seinen Blicken, die sich fast schon wieder in mich hineinbohrten an, und weckten abrupt ein unangenehmes Gefühl in mir, dass ich Jared automatisch nicht leiden konnte. Selber Schuld.

"Ist das denn so auffällig?" fragte ich. Er grinste. "Naja. Aber Miss. Sie sollten bedenken, dass diese ganzen Leute nur ihretwegen hier sind," er nahm einen kurzen Schluck Wein aus dem Glas was er in der Hand hielt und sprach weiter "anscheinend mögen sie Partys nicht." 

Ich lächelte auffällig genervt und hoffte das Gespräch schnell zu beenden "Nicht so ganz." Ihm war dies bewusst, doch er gab nicht nach. "Miss Jane anscheined schon," sagte er und deutete mit dem Glas kurz auf sie. Dabei beobachtete Jane uns längst. Jared nickte sie kurz an und hob sein Glas erneut, als Jane dann die selbe Geste nachahmte. 

Er wendete sich wieder von ihr ab und ich hatte wieder seine komplette Aufmerksamkeit. Ich rollte meine Augen und sah ihn zum ersten Mal in diesem Gespräch direkt ins Gesicht und mit einem genauso durchbohrenden Blick, wie der seine. "Miss Jane, Herr Bloom, ist auch nicht dazu verurteilt verbrannt zu werden, nur weil einige meinen, dass man so dem Land Glück, Sieg und Macht bringt."

Er schaute mich erstaunt an. Erstaunt darüber, weil er diese Worte nicht erwartet hatte. Überhaupt nicht erwartet.

"Miss-"  "Ich weiß Sir, dass ich nicht darüber sprechen darf, aber wissen sie was? Es ist mir egal," sagte ich in einem harten Ton und ging.

Während ich den Saal verließ, sah ich im Spiegel gegenüber, dass er sich zu mir umdrehte. Immernoch erstaunt. Aber sein Staunen wurde schnell zu einem Grinsen. Es gefiel ihm. Ich gefiel ihm. Na toll.

Drei

"Prinzessin!" hörte ich Rose nach mir rufen, doch ich blieb nicht stehen und überquerte in schnellen Schritten ein Gang nach dem anderen. 

Was hatte ich mir nur dabei gedacht ? In mir loderte die Wut und ich war verzweifelt. Es war, als ob sich meine Beine von alleine bewegten. Es war, als ob ich so in der Lage war diese Negativen Gefühle von mir abzuwerfen, wie die abgestorbene Haut einer Schlange und von ihnen davonzurennen.

Auch wenn in diesem Moment mein Gesicht rot überlaufen war aus Wut, wusste ich gleichzeitig, dass ich es bereuen werde, was ich eben zu Jared gesagt habe. Jedoch war ich nun mal so.

"Eve" sagte Rose dann deutlich leiser "das Abendessen!" Doch ich ignorierte sie und ging weiter. Sie fing an zu laufen und als sie mich dann erreichte, hielt sie mich am Arm fest und ich blieb stehen. 

"Ich geh da nicht hin" sagte ich. Sie schüttelte den Kopf. "Ich habe dich mit Jared Bloom gesehen. Und ich weiß nicht was dort eben passiert ist, aber du musst sofort zum Abendessen." 

Ich wendete mich von ihr ab. "Sei vernünftig Eve. Wenn du nicht hingehst dann -" "Dann was ? Letztendlich werde ich sowieso -" Ich verstummte. Rose Schwieg.

Eine Weile standen wir still da, bis ich sie ansah und seufzte. Rose sah mich nicht an und schaute vom Fenster hinaus in die Dunkelheit. Und da passierte es auch schon. Ich hatte mich beruhigt und die Reue kam. Ich hätte auch einfach ganz normal mit ihm reden können und dann auf eine andere Art das Gespräch beenden sollen. Hätte, wäre, könnte.

Mir wurde klar, das Jared Bloom mir einige Probleme bereiten wird und deshalb muss ich ihm von nun an aus dem Weg gehen und ignorieren.

Was denkt er sich nur? Auch wenn es für ihn nur ein Spiel der Lust und des Verlangens ist, bedeutet das sein Tod, wenn der König das mitbekommt. Entweder ist er ziemlich ziemlich mutig, oder einfach nur der dümmste Mensch ganz Utopias. Naja. Was geschehen ist ist geschehen.

Die Stille gefiel mir nicht, also unterbrach ich sie. "Na los, lass uns gehen. Ich verpasse sonst noch das Festmahl," sagte ich und zwang mir ein Lächeln. Es fiel mir nicht schwer... ich konnte gut lügen... wenn es denn sein musste.

Rose schwieg immernoch, also packte ich sie am Arm und zog sie mit mir mit. "Wenn ich zu spät komme ," sagte ich und ging so schnell wie ich den Goldsaal verlassen hatte, wieder zurück in Richtung des Esssaals "sage ich, dass wäre deine Schuld." Sie lachte kurz. Ich sah sie an und musste automatisch lächeln .

Doch wir wussten beide wie es uns eigentlich ging. Lachen, was wir früher tagtäglich taten, bis uns die Tränen die Wangen hinunterliefen, war seitdem ich hierher kam - vor drei Monaten - zu einer Seltenheit geworden.

 

Der Esssaal war mindestens genauso prächtig und schön wie die anderen Räume im Palast. Abgesehen von seinen großen weißen Wänden mit den ganzen Ornamenten und den roten Vorhängen, sowie dem diamantenklar glänzendem Boden, war ein kleiner Fluss im Raum, der um uns herum verlief und direkt zum Wasserfallgarten führte. Mit den kleinen silbernen Überbrückungen war es kein Problem den schmalen Fluss zu "überqueren".

Trotz dieser Schönheit, war dieser Palast, dieser Ort für mich der schrecklichste von allen.

Hinzu kam das sinnlose Gerede der Erwinen, mit dem Kaiser. Ja, man nannte ihn nicht nur König, sondern auch Kaiser, oder Präsident.

Der Tisch war lang, sehr lang. An der Spitze saß natürlich der König, wobei der Sitz ganz am Ende, gegenüber von ihm immer leer bleiben musste, damit auch er nur an der Spitze saß.

Links neben ihm war mein Platz und mir gegenüber saß Peter Dwayne. Zu meinem bedauern saß Jared direkt neben ihm und neben ihm wiederum Ethan Johnson. Jane saß neben mir.

Und so ging es weiter, je nach Division beziehungsweise Rang. Insgesamt nur die 40 wichtigsten Männer in ganz Utopia. Die anderen Gäste waren wieder in deren Räumen im Trakt C.

"Das Turnier dieses Jahr wird anders, ihr habt richtig gehört," sagte der Kaiser zu Sirn Dwayne und trank von seinem Glas. " Wollen sie es uns immernoch nicht verraten Präsident?" fragte Sir Peter.

"Spannung muss sein, Sir Dwayne. Und Veränderungen auch." Während der hintere Teil vom Tisch in seinen eigenen Gesprächen vertieft war, hörte ich dem König zu. "Bis jetzt war es immer so, dass Kämpfer verschiedener Divisionen gegeneinander kämpften." Sir Dwayne nickte.

Auch Ethan und Jared hörten zu, während letzterer mich immer wieder anschaute. Ich versuchte dies zu ignorieren, was mir ehrlich gesagt nicht leicht fiel. "Dieses Jahr wird es aber so sein, mein lieber Herr Dwayne...," er grinste kurz und sprach weiter "das auch Männer in derselben Division gegeneinander kämpfen werden." Sein grinsen wurde breiter. Ich sah wie Jared und Ethan sich sofort ansahen und grinsten. Sie waren erfreut. "Na das kann ja was werden," sagte Sir Dwayne deutlich zufrieden und schaute auf die beiden Männer neben ihm.

Jared klopfte Ethan auf die Schulter. Man merkte das beide es kaum abwarten konnten, gegeneinander zu kämpfen. Auch war es unmöglich nicht zu erkennen, dass beide sehr gute Freunde waren.

Das Turnier fand jedes Jahr statt und es waren Kämpfe zur Vergnügung der Menschen. Ich mochte soetwas nicht.

"Ich höre immer nur gute Sachen über sie beide ," sagte der Kaiser und deutete mit seiner Gabel auf Jared und Ethan. "Wir geben unser bestes "antwortete Jared.

Ethan sprach nicht viel, auch bemerkte er mich kaum, was mir aber lieber war, als die Blicke von Jared, die alle zwei Sekunden auf mich gerichtet waren.

"So? Erzählen sie uns doch von ihren Abenteuern, die Herren," merkwürdigerweise sprach Jane zum ersten Mal, denn die Jane die ich kannte war ein Plappermaul, wenn es um Männer ging.

Sie sahen sich beide kurz an und lachten kurz. Wie erwartet war Jared der erste der redete "man kann es wirklich als Abenteuer bezeichnen, Prinzessin. Was wollen sie hören?" Jane kaute kurz zu Ende bevor sie antwortete "Von ihrer letzten Reise zum Beispiel." Mir war aufgefallen, dass Jared sie ansah wie mich und umgekehrt lag such Interesse. Wie schön, dann könnte er mich ja von nun an ignorieren. Der Kaiser und Sir Dwayne hörten uns nicht zu und waren in ihren eigenen Gesprächen vertieft.

"Wir reisten weit nach Osten." Jane brach abrupt ihren Schluck ab den sie von ihrem Glas nahm. "Ah. Ich vermute mal in die kleine Region, wo es beinahe zu einer neuen Staatsbildung kam." Jared schaute sie fragend an, woraufhin Jane kurz kicherte "Es herrschte hier Furore im Palast, jeder wusste davon Bescheid, Sir." Er nickte leicht.

Ich wusste nicht von was sie sprachen und wurde um ehrlich zu sein Neugierig, doch fragte ich nicht nach.

"Wir sind sehr selten im Palast, wie sie wissen." Jane nickte heftig. "Ich hoffe das es ihnen hier gefällt," sagte sie und deutete auf die beiden Männer. "Aber natürlich," erneut war Jared derjenige der sprach "doch unser Platz ist das Schlachtfeld, Prinzessin. Für das Land zu leben und es mächtiger zu machen ist unsere Aufgabe."

"Ich wünsche mir, dass einer von ihnen die offizielle Einführungsrede heute hält" unterbrach der Kaiser. "Sir Bloom? Wie wäre es mit ihnen?" Jared senkte dankbar den Kopf. "Eure Hoheit, es wäre mir eine Ehre, doch würde ich diese ehrenvolle Aufgabe meinem besten Kameraden und gleichzeitig meinem besten Freund Ethan übergeben." Ethans Miene veränderte sich nicht.

"Wieso nicht" antwortete der Kaiser.

Ethan nickte und der König machte ihm eine Geste, dass er anfangen könne.

Ich hörte nur zu und wünschte mir, das dieser Abend endlich endete. Ich wollte hier weg.

Dann stand Ethan auf und nahm sein Glas. Der Kaiser machte dem Orchester eine Handbewegung und die Musik verstummte.

Alle wurden still und sahen Ethan an.

"Ich begrüße sie alle. Meine Hoheit," er sah den Kaiser an "Gentlemen," dann deutete er mit einer Handbewegung auf die Menge. Mich hingegen sah er nichteinmal an. Als wäre ich unsichtbar.

"Ich heiße sie Willkommen," seine Stimme erhob sich. Er hatte auch meine Aufmerksamkeit. "Ich heiße sie Willkommen zu der 53. Opferung Utopias." Ich sah ihn an und fing an zu zittern. "Amüsieren sie sich und Möge die Opferung dem Land Sieg, Hoffnung, Macht und Ruhm bringen," rief er mit so einer Überzeugung und Selbstsicherheit, dass alle jubelten, klatschen und Gläser stießen.

Die Hitze schlug mir ins Gesicht. Meine Hände fingen an zu schwitzen und das Gejubel tat meinen Ohren weh. Alles drehte sich, während ich ihn mit schockierter Miene ansah. Er saß sich zufrieden hin und schaute mich immernoch nicht ein einziges Mal an. Jared jubelte ebenfalls.

Nur ich tauchte inmitten des Jubels in ein tiefes schwarzes Loch.

 

Vier

Meine Augen waren geöffnet und doch geschlossen.

Ich sah den Spiegel, welcher an der Wand gegenüber meines Bettes hing, doch gleichzeitig auch nicht.

Ich roch den frischen Orchideen Duft in meinem Zimmer und gleichzeitig... auch nicht.

Ich wusste nicht wie lange ich schon in meinem Bett saß.

Vielleicht Stunden? Mir kam es jedenfalls vor wie Tage. Oder eine Ewigkeit?

Ich hatte meine Beine an mich gezogen und wippte langsam im gleichen Rhythmus hin und her.

Hin. Und her.

Meine Augen starrten mein Spiegelbild gegenüber an.

Es klopfte an der Tür. Dann nochmal und wieder. "Nein!" rief ich. Ich wollte keinen sehen, keinen sprechen oder hören.

Die Worte vom letzten Abend wiederholten sich die ganze Nacht in meinem Kopf. Möge die Opferung dem Land Sieg, Hoffnung, Macht und Ruhm bringen . Die Überzeugung und Selbstverständlichkeit in Ethans Ton dröhnte mir immer wieder durch den Kopf, zusammen mit dem Gejubel und der Freude der Erwinen.

Dann klopfte es wieder an der Tür und genau als ich wieder losbrüllen wollte öffnete sie sich.

"Man sagt die kleine Prinzessin hätte heute etwas schlechte Laune." Ich rappelte mich binnen einer Sekunde wieder auf, bevor Jane meinen Zustand auch nur mitbekam. Sie grinste mich an und ich sah sofort diesen Hass den sie mir gegenüber empfand, dessen Grund mir leider noch nicht bekannt war. Ich räusperte "Man darf doch mal wohl seine Ruhr wollen?" sagte ich mit einem ebenso herablassenden Ton wie ihrer. Ihr grinsen wurde breiter, während sie auf mich zu kam und als sie direkt neben mir am Bett stand beugte sie sich näher zu mir runter. Ihr Gesicht war um Haaresbreite von meinem entfernt.

Eine ihrer langen blonden Strähnen berührte mein Gesicht und ihre hellblauen Augen sahen direkt in meine. "Du wirkst blass. Geht es dir nicht gut?" fragte sie in einem belustigenden Ton. In dem Moment, als ich was sagen wollte unterbrach sie mich. "Liegt es an gestern Abend?"

"Nein!" Widersprach ich sofort, während ich die Decke wegzog und aufstand.

Sie lachte kurz, während sie mich beobachtete bis ich im Ankleideraum verschwand. "Warum rufst du keine Bediensteten ? "

"Was hat dich hierher verschlagen, Jane?" wollte ich wissen und ignorierte damit ihre Frage während ich mich Umzog. "Du besuchst mich doch sonst nicht so oft." "Ich hab mir sorgen um dich gemacht, Eve." Ich lachte auffällig laut auf. Jane lachte mit.

"Du kennst die Regeln, die du einhalten musst oder Eve? Du weißt, das du bis zu dem Tag dem Kaiser gehörst, oder Eve?" Ich hörte ihre Schritte näher kommen und schüttelte genervt den Kopf, während ich versuchte das rote Kleid mit den Spitzenärmeln und dem weiten Ausschnitt vergebens anzuziehen. "Komm zum Punkt liebe Jane."

Sie betrat den Ankleideraum und sah das ich das Kleid hinten aufgrund der Corsage nicht zu bekam. Sie kam näher und nahm die Schnüre, um es zu zubinden. "Denkst du ich hätte es nicht mitbekommen? Die Blicke von Jared Bloom waren selbst für den dümmsten unübersehbar." Sie band die Corsage langsam zu und zog viel zu feste, sodass mir die Brust wehtat. "Dinge die mich nicht interessieren," sagte ich in einem gleichgültigen Ton und nahm meine Haare hoch. "Aber Jane... warum interessiert dich das denn, wenn ich fragen darf?" Sie seufzte und zog die Bänder noch fester. "Halt dich fern von Jared, Eve." Sie nannte ihn nicht mit vollständigem Namen, somit mussten sie sich schon kennen.

"Wenn du uns schon beobachtet hast, müsste dir auch aufgefallen sein, dass mich Jared Bloom in keinster Weise interessiert. Du kannst ihn haben." Sie band das Ende der Schnüre zu einer Schleife zusammen. "Ich habe ihn sowieso, Eve" sagte sie in einem strengen Ton. Ich schaute sie nicht an und ging wieder zurück zum Zimmer ohne mich zu bedanken. Sie kam mir hinterher und ging Richtung Ausgang. "Ich wollte dich nur warnen, Eve" sagte sie und lächelte, als hätte sie mir einen Gefallen getan "halt dich von ihm fern."

Ich sah ihr zu, wie sie die Tür öffnete und genau als sie rausging, drehte sie sich ein letztes Mal zu mir um.

"Und nur damit du es weißt. Genau dasselbe gilt auch für Ethan Johnson." Dann verließ sie den Raum und schloss die Tür.

Ich verstand sie nicht. Was hatte ihr dieses Gespräch jetzt gebracht ? Was bringt ihr das, wenn sie von mir will, das ich mich von Jared Bloom - und auch von Ethan Johnson - fernhalte, solange die beiden Männer mir gleichgültig waren? Und dann auch noch beide. Einer reichte ihr wohl nicht aus.

Ethan Johnson. Mit einem Schlag erinnerte ich mich wieder an gestern Abend, weshalb ich einfach nur den Drang hatte mich wieder in das Bett zu legen. Wieso hatte ich mich überhaupt angezogen?

Ich saß mich aufs Bett und starrte eine lange Weile die weiße Porzellanvase gegenüber an. Als ich neu ins Schloss kam tat ich dies die ersten Wochen lang durchgehend und hatte dabei nur einen Gedanken. Einen Gedanken, der mich nicht mehr losließ, den ich jetzt wieder bekam, doch diesmal war ich mutiger. Dank Ethan. Irgendwie hatte ich in dem Moment das Gefühl das es nicht fehlender Mut war, sondern etwas anderes, doch war ich kaum in der Lage an irgendetwas zu denken, beziehungsweise wollte ich es nicht. Ich wollte nur das es vorbei war.

Abrupt stand ich auf, nahm die Vase und schmiss sie auf den Boden. Sie brach nicht, also hob ich sie auf und versuchte es erneut mit voller Wucht. Diesmal mit Erfolg und diesmal tat ich es auch. Ich nahm mir ein gebrochenes Stück und ohne auch nur zu überlegen, tat ich es.

Es brannte und ich sah, wie mein Blut das wunderschöne Kleid befleckte, doch ich spürte den Schmerz nicht.

Plötzlich wurde mir schwindelig und alles drehte sich, als ich Stimmen die ich nicht mehr zuordnen konnte aufschreien hörte. Ich konnte mich nicht mehr aufrecht halten und plötzlich wurde alles schwarz.

 

Ich blinzelte ein paar Mal bis ich dann schließlich meine Augen öffnete.

Als erstes sah ich Rose besorgtes Gesicht und fragte mich, was passiert war, doch als ich die Krankenschwester neben mir sah wurde meine Frage auch schon beantwortet.

Abrupt richtete ich mich auf, bis beide mich hinderten. "Alles ist gut, Prinzessin," beruhigte mich Rose mit ihrer liebevollen Stimme. "Prinzessin, bitte legen sie sich wieder hin. Sie sind in Sicherheit." Ich fasste mir kurz an den Kopf und sah dann auch schon den Verband um meinen linken Arm. "Wasser," keuchte ich und die Krankenschwester eilte davon.

"Was hast du dir dabei gedacht !" flüstert Rose in einem harten Ton. "Bist du verrückt Eve, wenn der Kaiser davon erfährt, dann-" doch dann war die Krankenschwester auch schon wieder mit dem Glas Wasser da.

Ich war müde und wollte weiterschlafen. Weiterschlafen am liebsten für immer. Ich trank in schnellen Zügen das Wasser aus und bat um ein neues Glas, dabei versuchte ich Rose blicken zu entgehen. Ihr fiel das natürlich sofort auf "Ach Eve..." Ich hatte den Kopf gesenkt und blickte auf die weiße Decke. Der ganze Raum war weiß, was dazu führte das ich mich aus irgendeinem Grund wie eine psychisch Gestörte fühlte. Es war ein großer Raum mit mehreren Betten nebeneinander gestellt, mit ein zwei geschlossenen Schränken an der rechten Wand neben mir und der Tür ganz rechts im Zimmer.

"Weiß er Bescheid ?" fragte ich, den Blick immer noch gesenkt. Rose atmete laut aus "ich hoffe und bete nicht, Eve. Ich bete nicht," wiederholte sie sich "er war den ganzen Tag nicht im Palast und ich habe alle Bediensteten bedroht auch nur ein Wort auszusprechen... keine Angst, der König wird nichts mitbekommen."

Die Krankenschwester kam zurück und reichte mir das Glas, als ich ihr ein kurzes Zeichen machte verschwand sie auch schon.

"Du bist nicht die erste die das getan hat," erzählte Rose, während ich das Glas in wenigen Schlücken leerte "ich habe gehört, dass der Kaiser es nur selten mitbekam." Rose kam näher und umschloss mit ihrer linken Hand meine Rechte, unverletzte. "Eve, Jane war vor dir im Zimmer, hat sie etwas gesagt? Lag es an ihr?" Ich schüttelte langsam den Kopf und wollte ablenken. "Sie wollte, dass ich mich von Jared Bloom und Ethan Johnson fernhalte... dabei war Jared derjenige der mich die ganze Zeit mit seinen ekligen Blicken angestarrt hat." Sie saß sich aufs Bett und rollte ihre Augen. "Er ist immer so, erzählt man hier, also mach dir nichts draus. Aber ich muss gestehen, dass es ziemlich mutig von ihm ist." Ich nickte "Wenn der Kaiser das auch nur mitbekommt..."

Es klopfte an der Tür und ich rollte meine Augen, als Jane hineintrat. "Sie wird auch nichts verraten... hat sie bis jetzt noch nie" flüsterte Rose, stand vom Bett auf und legte ihre Hand auf den Rücken, während sie sich verbeugte.

"Du kannst gehen" befahl Jane. Rose sah mich kurz an und ich nickte ihr zu.

Wir beobachteten wie sie das Zimmer verließ und als sie die Tür hinter sich schloss wendete sich Jane zu mir.

Sie sah mich mit einer Miene an, als ob sie die ganze Situation nicht verwundern würde. Ihr Königsblaues Kleid mit den Pailletten erstrahlte im Kontrast mit dem weißen Zimmer.

"Hab mich schon gefragt, wann du es tun würdest meine Liebe."

Konnte sie nicht einfach gehen ? Ich hatte in dem Moment wirklich keinen Nerv für sie und außerdem ... hatte sie nichts besseres zu tun?

"Ich bin müde Jane." Sie lachte laut auf "ach du bist müde ?" Sie stellte sich direkt gegenüber mir und sah mich fragend an. "Im ernst jetzt? " dann nickte sie, als hätte sie sich ihre Frage selber in ihren Gedanken beantwortet. "Ah okay. Keine Sorge, Eve... gleich wirst du wach sein, denn mein Vater ist unterwegs." Ich schaute sie schockiert an und sah ihr breites Grinsen. "Er wird in wenigen Sekunden eintreffen... naja, selber Schuld, du hättest dir ein anderen Tag auswählen sollen. Nicht ausgerechnet heute."

Ich wusste nicht, was sie damit meinte, denn mir stockte der Atem . Angst sammelte sich in mir. Angst vor ihm. "Sie mich an, Eve." Ich hörte ihre Worte, doch es war, als wäre ich ganz woanders gewesen. "SIE MICH AN!" brüllte sie plötzlich. Ich zuckte zusammen und starrte ihr erneut direkt ins Gesicht. Ihr wütender Blick verwandelte sich binnen einer Sekunde wieder in dasselbe Grinsen von eben. "Eve," ich sah Freude in ihren blauen Augen, sie konnte es kaum abwarten, bis er kam. "Das wird ein Spaß." Und genau in dem Moment ging die Tür auf, während ich langsam ein- und ausatmete. Was geschehen ist, ist geschehen und mir blieb nichts anderes übrig, als es hinzunehmen. Töten konnte er mich ja nicht. Noch nicht.

Ich hörte nur, dass er in langsamen Schritten auf mich zu kam, denn ich traute mich nicht ihn anzusehen.

"Lasst uns allein," befahl er und stellte sich auf die rechte Seite des Bettes. Jane und die Bediensteten, die mit ihm den Raum betraten, verließen das Zimmer.

Eine kurze Weile stand er so still da.

"Mutig," war sein erstes Wort. "Und dumm."

Seine gelassene Stimme machte mich nervös. "Hast du denn gar nicht an deine Familie gedacht, Eve? Möchtest du, dass sie das gleiche Schicksal erleiden, wie deine hübsche Mutter?" Meine Augen weiteten sich, doch er konnte es nicht sehen, da mein Kopf die ganze Zeit geneigt war. Mein Vater und mein Bruder ! Ich hätte mich erschießen können. Warum hatte ich das getan? War ich denn so blind ? Haben mich Ethan Johnsons Worte so runtergezogen , dass ich nicht einmal an meine geliebte Familie dachte?

"Bitte tu ihnen nichts. Bitte," flüsterte ich heiser, doch er antwortete nicht, was mich ungewollt dazu brachte ihn anzusehen. "Bitte," wiederholte ich erneut mit derselben Lautstärke. Er sah mich mit einer nichtssagenden Miene an. Er hatte hellblaue Schlangenaugen, eine etwas zu große Nase und einen schmalen Mund. Alles umrahmt in einer etwas faltigen weißen Haut. Außerdem hatte er nach hinten gekämmte grau-weiße Haare und war eher groß und stabil gebaut.

Er stand, wie immer in seiner aufrechten und erhabenen Position da, während seine Hände am Rücken waren. Der König trug ein Hose und einen langen Sakko. Alles in schwarz.

"Diesmal nicht Eve. Aber nur weil du dir den heutigen Tag ausgewählt hast, meine Liebe." Er war immernoch gelassen und ruhig. Ich lächelte erleichtert und mir war ein Stein vom Herzen gefallen. Ich war unglaublich erleichtert doch plötzlich auch skeptisch, denn... das war unmöglich, dass er mich einfach so unbestraft davon kommen ließ. Und was meinen alle? Was ist denn heute für ein Tag?

"Doch du, Eve, wirst deine Bestrafung gleich bekommen, also keine Sorge," sagte er und kam auf die andere Seite meines Bettes. Ich beobachtete seine Schritte und als er links neben mir stehen blieb, beugte er sich zu mir vor und packte grob meinen verletzten Arm. Ich zischte und seine gesamte Miene veränderte sich abrupt. "Wenn das nocheinmal vorkommt, reiße ich die Arme und Beine deiner übrig gebliebenen Familie heraus, hörst du," ich sah ihn fassungslos an. Ich hatte den Kaiser noch nie so erlebt. Er ließ meinen Arm los, während ich laut schluckte.

Ohne sich auch nur umzudrehen verließ er das Zimmer, während zwei seiner männlichen Soldaten auf mich zu kamen. "Sie müssen mit uns kommen, Prinzessin," sagte einer von ihnen. Beide waren schwarzgekleidet in ihrem Kampfanzug und mit einer Hand hielten sie immer - wirklich immer - ihr Schwert bereit.

"Wieso? Wohin denn?" fragte ich beinahe hysterisch. "Das werden sie gleich sehen. Wenn sie nicht freiwillig kommen, sind wir gewollt sie zu zwingen." Ich sah die beiden verwirrt an. "Dann werde ich mich eben umziehen. Lasst mich solange allein," befahl ich. "Das wird nicht nötig sein, Prinzessin," sprach diesmal der andere. Mir wurde warm und ich fing leicht an zu zittern. Meine Bestrafung.

Mich zu wehren würde nichts bringen, also stand ich vom Bett auf und folgte den Soldaten, während sie mich beide an den Armen festhielten, wie eine Gefangene. War ich ja eigentlich auch.

Wir betraten Gänge, die ich noch nie gesehen hatte. Dann gingen wir Treppen hinunter und das Bild änderte sich sofort. Die Wände waren nicht mehr Weiß, sondern aus ganz normalen Steinen und auch der Boden war nicht mehr mit Teppich bedeckt, sonder aus grauen Steinen. Das leuchten der Steine war sehr schwach, sodass ich kaum etwas erkannte. "Steckt ihr mich in das Verlies?" fragte ich, als ob ich keine Angst hätte, doch es kam keine Antwort. "Antwortet!" befahl ich und diesmal merkte man die Angst in meiner Stimme. Beide antworteten mir nicht und wir blieben vor einer Tür aus Holz stehen.

Es war ungewohnt und merkwürdig diesen Teil des Palastes zu sehen. Der linke Soldat klopfte an der Tür und sie ging sofort auf.

Es war ein kleiner Raum und auch dieser war schwach beleuchtet, sodass ich nur eine Liege, die mittendrin stand, sah.

Mir stockte der Atem und ich versuchte zum ersten Mal meine Arme zu lösen, doch es war hoffnungslos.

Als wir das Zimmer betraten sah ich ein Kamin auf der anderen Seite des Raumes und eine alte Frau, die umschlugen war von einem weißen Umhang, sodass ich nur ihre faltigen Augen sehen konnte. Ich sah sie mit offenen Augen an und das Feuer des Kamins spiegelte sich in ihren pechschwarzen Augen wieder.

Als mein Blick von ihr zur Liege wanderte schnappte ich nach Luft. Das war keine normale Liege, sondern mit Verbunden dran, um jemanden festzubinden.

Ich wurde hibbeliger und versuchte erneut meine Arme zu befreien. Doch die Soödaten packten mich fester und zogen mich zur Liege. "Was habt ihr mit mir vor," krächzte ich und versuchte mit aller Kraft zu entkommen. Es gelang mir nicht und die Soldaten hoben mich und legten mich mit Gewalt mit der Bauchseite auf die Liege. Ich schlug mich in alle Richtungen und schrie, als die Frau immernoch gefühllos neben dem Kamin stand. "Lasst mich los!" brüllte ich, doch vergebens.

Mit Gewalt banden sie mich an die Liege, sodass es unmöglich war zu entkommen. Während ich schrie, nickte die alte Frau die Soldaten an, die daraufhin den Raum verließen.

"Sie sind das 53. Opfer und sie wissen auf welche Art sie geopfert werde, Prinzessin." Sie hatte eine eher Tiefe Stimme für eine Frau und sie sprach mit mir, als ob sie mich etwas lehrte, was wichtig wäre für meine Zukunft. So, als ob sie mir helfen würde. "Was haben sie mit mir vor?" fragte ich erneut und atmete schwer.

"Damit sie sich an das Feuer gewöhnen, steht im Gesetzt ein Ritual, welches sechs Mal bis zur Opferung durchgeführt werden muss," sie ignorierte mein Schreien und wehren vollkommen und sprach ganz normal weiter, während sie zum Kamin ging und ein Stab hinein hielt, welches daneben lag.

"Was tun sie da. So antworten sie doch !" Ich konnte nicht richtig erkennen was sie da genau tat,aber sie hielt es immernoch in die Flammen und nahm es schließlich heraus. Als sie mit dem Stab auf mich zukam schnappte ich nach Luft. Es war ein Aufdruck in dem Stahl, welches sie erhitzt hatte. "Nein. Nein bitte nicht. Bitte. Lassen sie mich gehen!"

Obwohl ich wusste, dass es hoffnungslos war, versuchte ich mit aller Kraft mich zu befreien. Die alte Frau stand nun neben mir und ich drehte nur schwer meinen Kopf zu ihr um, so weit es ging.

"Es sind die einzelnen Buchstaben von Utopia, die sie gebrandmarkt kriegen. Das hier ist das U. Somit werden sie sich am Ende an den Schmerz der Hitze gewöhnt haben und schmerzfrei geopfert werden."

Ich sah, wie sie den Reißverschluss des schlichten weißen Kleides runter zog und mein Rücken nun komplett frei war. Mein Mund klappte nach unten und meine Augen starrten den Stab fassungslos an. Heiße Tränen flossen mir die Wangen hinunter. Ich schrie bis mir der Hals weh tat.

Dann tat sie es. Sie drückte den glühend heißen Stab mit der Aufschrift auf meinen Rücken. Ich gab ein sehr langes schmerzvolles Schreien von mir. Ich hielt den Schmerz nicht mehr aus. Es war, als ob ich gleich sterben würde.

"Als ihre Bestrafung muss ich den Stab etwas länger halten. Befehl des Kaisers."

Fünf

Die erste Person,die ich sah, nachdem ich meine Augen geöffnet hatte war Rose. Sie saß neben mir auf einem Stuhl und die Trauer stand ihr auf der Stirn geschrieben.

Aus irgendeinem Grund war ich überaus glücklich sie zu sehen. Okay, ich war immer glücklich, wenn sie da war aber diesmal noch mehr als sonst. Es beruhigte mich. Etwas. Ich spürte sofort die Nachwirkungen der verbrannten Stelle auf meinem Rücken und kniff die Augen zusammen. Ich lag mit dem Bauch in meinem Bett und war ganz verkrampft, woraufhin ich dann versuchte mich umzudrehen.

Sofort stand Rose vom Stuhl auf und hob die Hände vor sich, als ob man jemanden abbremsen wolle. "Nicht bewegen!" sagte sie und man merkte die Sorge in ihrer Stimme.

Ich hörte auf sie und blieb in meiner Ausgangsposition. "Rose," flüsterte ich und war verwundert, wie trocken mein Mund war "es tut so weh."

Ihre Miene veränderte sich von einem besorgtem Gesicht zu einem traurigen. "Diese Mistkerle. Diese verdammten Idioten." Es kam selten vor, dass Rose fluchte, weswegen sich meine Mundwinkel sich automatisch zu einem leichten Lächeln formten, welches dann auch wieder weg war. Das Stechen tat so unglaublich weh, doch ich hatte keine Kraft mehr zum Schreien, also ballte ich meine Hände zusammen und biss mir auf die Lippen.

"Warum geben die mir kein Schmerzmittel?" keuchte ich und biss noch fester zu. Es stach, wie tausende von Messerstichen. Hört das denn nie auf ? Nie?

Rose ballte ihre Hände zu einer Faust und platzte beinahe vor Wut. "Nein. Sie glauben, dass du dich nur so an den Schmerz gewöhnen kannst. Was für primitive Wesen!"

Ich kniff erneut meine Augen zusammen. "Rose, hör mir zu," mein atmen wurde schwerer "meine Mutter hatte mir oft genug gezeigt wie man ein Schmerzmittel herstellt und im Garten gibt es genug Pflanzen und seltene Kräuter. Kannst du sie mir besorgen, dann erkläre ich dir, wie man es zusammenmischt." "Natürlich" antwortete sie sofort.

 

Glücklicherweise schlief ich ein, solange Rose die Kräuter brachte. Zwar kamen die stechenden Schmerzen zurück als Rose mich aufweckte, damit ich ihr zeigen konnte wie man das Mittel zusammenmischt, da sie sich wieder ihren Aufgaben widmen musste, trotzdem linderte es schon die Schmerzen nach kurzer Zeit bis sie dann endlich ganz verschwanden. "Deine Hände dürfen hiernach eine Stunde lang nicht mit Wasser in Berührung kommen, das wird ätzen Rose. Das ist ganz wichtig, dass du auf mich hörst." Rose nickte mehrmals.

Ich wusste weder wie ich ihr danken sollte, noch wie ich diese Erleichterung beschreiben könnte. Mit einem glücklichen Lächeln nach qualvollen Stunden schlief ich dann auch wieder ein und besuchte eine Welt, in der ich wieder zu Hause war. Mein schönster Traum nach drei langen Monaten.

Niemand durfte von dem Schmerzmittel wissen und niemanden tat es auch. So musste ich einige Tage länger im Bett liegen, als ich es nötig hatte und ich war fassungslos als ich hörte, dass ich beim wöchentlichen Abendmahl ( wo alle Erwinen zusammenkommen, so wie beim letzten mal) dabei sein musste, egal wie mein Zustand bis dahin war. Was wäre, wenn ich nicht von meiner Mutter beigebracht bekam, wie man ein Schmerzmittel herstellt? Ich wollte gar nicht dran denken.

Als ich dann (endlich) am Tag des Mahls wieder auf den Beinen stand und mich in den Garten begab, atmete ich die süße Lust so tief wie möglich ein.

Ich saß mich, wie schon oft, unter denselben Kirschbaum inmitten einer freien Landschaft und genoss die atemberaubende Aussicht.

In dem Moment als ich meine Augen schließen wollte, um den warmen Wind auf meinem Gesicht zu spüren, hörte ich ein leises miauen. Ich schaute hinauf auf den Baum und musste kurz durch die Kirschblütenäste hindurch blicken, bis ich eine weiße Babykatze erblickte. "Nee oder ?" seufzte ich, als ob die Katze mich verstehen würde. Sie sah mich an und miaute um Hilfe. ich versuchte sie zu ignorieren und lehnte mich wieder an den Baum, doch das Geräusch der Katze hörte nicht auf. Ich stand auf und sah sie verärgert an. "Wenn du schon in der Lage bist darauf zu klettern, kannst du auch genauso wieder runterklettern!" Ich schüttelte den Kopf und war froh, dass niemand sah, wie ich mit einer Katze redete. Sie sah mich mit ihren blauen Augen an. "Aber nur, weil du so unglaublich süß bist, okay?" Die Babykatze hörte auf zu miauen, als sie sah, wie ich versuchte den Baum hochzuklettern. "Keine Angst," versicherte ich ihr "Das habe ich schon oft genug gemacht. Nur stört dieses verdammte Kleid!" Ich wollte gar nicht wissen, wie lächerlich ich gerade aussah. Ich musste nicht allzu hochklettern, doch genau als ich mich auf denselben Ast saß, wie die Katze, kam sie auf mich zu und sprang in wenigen Hüpfern den Baum hinunter. Ich sah ihr mit offenem Mund hinterher. "Ihr hinterhältigen Katzen!" rief ich. Ich schüttelte den Kopf und regte mich allen ernstes über eine kleine Katze auf.

Ich klappte den Mund extrem auf, als ich sah, in welcher Höhe ich gerade war. "Okey... und wie geht es jetzt wieder runter?"

Ich versuchte den nächsten Ast mit meinem Fuß zu erreichen und streckte meinen Bein so weit es ging, vielleicht sogar zu weit, doch ich traute mich nicht dort hinzu springen...

Nach etlichen Versuchen gab ich es auf und saß mich beleidigt auf den Ast, wo die Babykatze gerade war. Auch sah ich mich die ganze Zeit um, doch es war keiner zu sehen. Ich rief auch ein paar Mal um Hilfe, doch es war hoffnungslos.

Nach einer Weile wurden meine Augenlider schwer und ich rappelte mich auf, um die lange fliederfarbene Schleife meines Kleides aufzubinden, um mich dann damit wiederum an den Baumstamm anzulehnen und festzubinden. Bis zum Abendessen war es noch lange, also könnte ich mir ein Nickerchen gönnen. Vielleicht träume ich ja wieder von meinem Leben im Dorf .

 

Als ich aufwachte, riss ich meine Augen auf und es dauerte einen Moment bis ich realisierte, dass ich immernoch auf dem Baum war. Durch die Sonne, merkte ich, dass ich etwas länger geschlafen habe als gewünscht. Als ich hinunterblickte, kam große Erleichterung in mir auf, denn ich sah durch die Äste hindurch jemanden, der auf der Wiese saß, sich an den Baum lehnte und ein Buch las. "Entschuldigung?" ich erkannte von der Kleidung und dem Schwert, dass es ein Krieger-E war, doch sein Gesicht sah ich nicht. "Entschuldigung, Sir?" rief ich. Der Krieger-E drehte sein Kopf zu mir um, und brauchte einige Sekunden, bis er mich durch die Kirschblüten erblickte. Seine Augenbrauen glitten in die Höhe, als er mich sah und meine ebenfalls.

Denn es war Sir Ethan Johnson.

Na toll.

Aber nichts desto trotz... Hilfe war da.

"Ehm Sir... könnten sie mir vielleicht runter helfen?" musste ich ihn beschämt bitten. Hoffentlich hatte er mein rot überlaufenes Gesicht nicht gesehen. Ich sah, wie er sein Buch zu schlug und Aufstand. Erneut glitten seine Augenbrauen hoch, doch diesmal viel höher, denn anscheinend hatte er erst jetzt erkannt, dass ich es war. Mit erstauntem Blick sah er mich an und die Tatsache, dass er nicht sprach, verwirrte mich.

"Ich ehm... also es ist eine lange und unwichtige Geschichte, wie ich hierauf kam." Lange Geschichte? Eine Babykatze war auf dem Baum. Ich wollte ihr erst nicht helfen. Dann doch. Dann tat ich es und sie hat mich hintergangen. Punkt.

Ich sah ihn tief in seine Ozeanblauen Augen, als ob ich ihn so dazu bringen könnte endlich zu reden und mir zu helfen. "Wenn sie nun so nett wären?" sagte ich und deutete auf den Boden. Automatisch fing ich mit den Beinen an langsam hin und er zu wackeln, wie ein kleines Kind. Die Situation war mir extrem unangenehm und mein Gesicht kochte vor Scham.

Eine leichte Brise zog die Kirschblüten mit sich und im Moment der Stille sah ich wie ungemein gut Sir Ethan Johnson aussah. Um ehrlich zu sein viel mehr sogar, als Jared Bloom. Doch war dies nur eine Feststellung, mehr nicht. Es gab unendliche viele gutaussehende Männer und ebenso viele wunderschöne Frauen in Utopia... auch wenn er der hübscheste von allen Männern war, die ich bis jetzt gesehen hatte.

Er sprach nicht. Warum sprach er nicht?? Als ich sah wie seine Miene sich zu einem Pokerface verzog , hörte ich auf mit den Beinen zu wippen. "Es ist mir egal, wie sie darauf gekommen sind." Mit aufgeklapptem Mund ( zum dritten Mal heute) sah ich ihn an. "Es gehört sich nicht für eine Prinzessin auf Bäumen herumzuklettern." "Aber-" setzte ich an, doch er unterbrach mich. "Wenn sie schon in der Lage sind darauf zu klettern, können sie auch genauso wieder runter kommen!"

Ich sah ihn fassungslos an. "Wie bitte?"

Das er dieselben Worte wiederholte, die ich eben zu der Katze gesagt hatte musste Zufall sein, schließlich war dort niemand, doch noch schockierte war ich, als er sich umdrehte und ging.

"Mo-Moment ! Sie können mich nicht einfach hier lassen!" rief ich ihm hinterher. "Wie sie sehen tue ich genau das" war seine Antwort. "Nein, kommen sie sofort zurück! Sir!" Doch er antwortete nicht. Un dann war es um mich geschehen, denn jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. "Sie Ignoranter und Arroganter Idiot!" rief ich, doch es kümmerte ihn nicht. Ich rief ihn noch ein paar Mal hinterher, bis er außer Reichweite war und weit hinter einem Hügel verschwand.

"Verdammter Mistkerl. Arroganter und Eingebildeter Mistkerl. Misttkerl! Mistkerl!" fluchte ich vor mich hin.

Und so kam es dazu, dass die Sonne unterging. Das Abendessen musste bereits angefangen haben und ich saß hier immernoch fest.

Dann schloss ich kurz meine Augen, nahm allen Mut zusammen. sprang auf den anderen Ast, rutschte dabei aus und viel runter. Ich landete auf dem Po und es tat ziemlich weh, doch war es nichts ernstes. Mit vollem Tempo rannte ich zum Palast.

Als ich außer Puste beim Esssaal ankam wurden alle Gespräche eingestellt. Erst jetzt fiel mir auf, wie dreckig mein Kleid auch noch war.

Alle bis auf dem König hörten auf zu essen und zu trinken. Ich schluckte laut. Verdammt. Er sah mich nur kurz an und nahm dann wieder ein Schluck Wein von seinem Glas, dabei deutete er auf meinem freien Platz. Ich ging in langsamen Schritten dorthin und eine Bedienstete zog den Stuhl nach hinten, damit ich mich hinsetzten konnte.

"Iss was. Trink." Wieder war seine Stimme beunruhigend nett. "Trink" befahl er diesmal. Ich hörte Janes leises kichern und versuchte niemanden anzusehen. Niemanden.

Der König stand auf und stellte sich hinter mich. Während mein Glas Wasser hochhob und daraus trank, fasste er mich leicht an die Schultern. Ich spürte sein Gesicht an meinem Ohr.

"Du kennst ja deine Bestrafung. Diesmal noch etwas länger," flüsterte er mir in Ohr. Während ich trank riss ich meine Augen auf und mein Blick richtete sich automatisch an Ethan Johnson. Er sah mich kurz an und dann desinteressiert wieder weg, als ob er nichts mit der Sache zu tun hätte.

Ich zitterte wieder und verfluchte ihn innerlich mit allen Flüchen die ich kannte. Schon allein daran zu denken, dass sie den Stab noch länger halten werden, stellte meine Körpertemperatur auf den Kopf.

Der Kaiser setzte sich wieder hin und so ging das Abendmahl wieder weiter, als ob nichts geschehen wäre, während ich die ganze Zeit Sir Ethan ansah, der mich (wie immer) vollkommen ignorierte. 

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Tag der Veröffentlichung: 04.12.2013

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