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Es war Sonntag geworden in Jesolo, der kleinen Küstenstadt an der italienischen Adria. Einer jener sonnigen, warmen Sonntage, die man von den unzähligen Postkarten kennt, die die Auslage des kleinen Kiosks unter der Wohnung von Petro und seiner Mutter schmücken. Einer dieser Sonntage, an denen es alle Kinder nach draußen vor die Stadt treibt, wo sie sich aus alten Brettern Tore gebaut haben und sonntags immer Fußball spielen. Petro war oft dabei, saß auf der kleinen Wiese und schaute den anderen beim Spielen zu. Er selbst konnte das nicht. Seit Jahren litt er an Asthma und als er es das letzte mal versucht hatte, lag er schon nach wenigen Minuten keuchend am Boden. Allerdings störte ihn das kaum, hatte er doch ein viel schöneres Hobby für sich entdeckt.

Sie waren gerade mit dem Frühstück fertig geworden und Petros Mutter begann damit, die Teller und Tassen abzuwaschen. Sie kannte ihren Sohn und wusste genau, warum er so hibbelig auf seinem Stuhl hin und her schwankte. Mit einem Lächeln gab sie ihm seine Kreiden und deutete zur Tür. Er hatte das Päckchen kaum ergriffen, schon sauste er hinaus und die Treppen hinunter.

Sein Ziel war nicht weit entfernt. Etwa 10 Minuten schlenderte er durch die Straßen und Gassen bis er an dem kleinen Hinterhof ankam. Die Häuser rings herum waren unbewohnt, baufällig, aber er liebte es, wie das Sonnenlicht über die Dächer in den Hof schien. Das Schillern in den alten Fensterscheiben hatte etwas magisches, besonders gegen Abend, wenn aus dem grellen Licht ein goldener Schein wurde. Stunden konnte er hier zubringen, am liebsten allein. Einmal hatte er einen Freund mit hier her genommen, aber das war nicht das selbe. Bild um Bild malte er auf den Asphalt: Landschaften, Personen, Bilder aus seinen Träumen, manchmal sogar nur farbige Flächen. Immer wieder verlor er sich in Details und dank des seltenen Vorkommens von Regen konnte er oft mehrere Tage an seinen Bildern arbeiten.

Als er auf die Uhr sah war es bereits 16 Uhr. Eigentlich hätte er gegen 12 zuhause sein sollen, doch die Mutter wusste, das für ihn an solchen Tagen Zeit keine Rolle spielte und sie akzeptierte es. Dann würde es eben das Essen am Abend geben, davon ging die Welt nicht unter. Petro war völlig vertieft in seine Zeichnungen und besonders die eines Mädchens aus seiner Nachbarschaft hatte es ihm angetan. Er hatte gar nicht bemerkt, dass das warme Licht der Sonne von dunklen Wolken verdrängt worden war. Erst als die ersten Tropfen deine Haut berührten schreckte er hoch. Er wusste, er hätte nach Hause gehen sollen, doch dieses eine Bild wollte er noch fertig malen. Selbst wenn es in ein paar Minuten wieder weggewaschen und er völlig durchnässt werden würde, sei es drum, also zeichnete er weiter. Doch der Regen kam schneller, unvorbereiteter. Mit einem plötzlichen Donnerschlag begann es zu regnen, das Plätschern war überall und im Nu bildeten sich kleine Pfützen auf dem Hof. Petro war aufgestanden und hatte sich unter einem kleinen Vordach untergestellt. Vergnügt beobachtete er die kleinen farbigen Spritzer, die jedes mal durch die Luft flogen, wenn ein Regentropfen in eine der schillernden Pfützen fiel. Er konnte einfach nicht widerstehen, er musste geradezu durch die Pfützen springen. Sein Lachen erfüllte den ganzen Hof, doch nach und nach mischte es sich mit einem kratzigen Husten. Durch den Regen und den kühlen Wind war er stark unterkühlt was zu einem Anfall führte. Doch das war kein Problem beruhigte er sich, musste er doch nur sein Spray inhalieren und alles war vergessen. Er blieb stehen und kramte in seinen Taschen, stärker hustend. Er spürte wie sich langsam seine Muskeln verkrampften und seine Atemwege enger wurden. Wo war dieses Spray? Hat es seine Mutter nicht in seine Hose gesteckt? Petro wurde panisch, durchwühlte alle Taschen und schaute um sich, ob er es vielleicht verloren hatte, aber er fand nichts. Das Atmen fiel ihm zunehmend schwer und er musste sich große Mühe geben überhaupt Luft in seine Lungen und wieder heraus zu pressen. Aber es war sinnlos, so sehr er auch suchte, sein Spray war nicht da. Sein Blick vernebelte sich und ihm wurde schwindelig. Mit einem mal wurde Petro ganz ruhig. Das er hart auf den Asphalt aufschlug, als er fiel, bemerkte er kaum. Seine Augen fixierten die Pfütze in der er lag. Das Heben und Senken seines Brustkorbs erzeugte kleine Wellen auf der Oberfläche und durch den Regen spritze ihm farbiges Wasser ins Gesicht. Petro schloss die Augen und langsam, ganz langsam beruhigte sich auch die Wasseroberfläche.

Der Regen war vorüber und hinter den dunklen Wolken lugte sogar die Sonne hervor. In den Straßen von Jesolo setzte wieder Leben ein, doch niemand kam auf den Hof. Darum hatte er ihn so geliebt, es war vollkommen ruhig hier. Keine Menschen außer ihm, keine Geräusche, keine Bewegungen...

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Tag der Veröffentlichung: 12.01.2009

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