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first story

Jetzt bin ich mir sicher, das nicht nur Jaque mich enthaupten wird. Schnellen Schrittes eile ich die zwei Etagen hinunter und erblicke schon die schwere Eingangstür. Doch so schnell wie ich raus will liege ich ausgestreckt auf dem steinernen Boden. Verdammt, meine Handflächen brennen. Noch bevor ich mich erhebe, suche ich nach meiner smaragdgrünen Handtasche, die ich dann auch drei Meter vor mir halb entleert finde. „Welcher Trottel hat die Menschheit heute morgen eigentlich geweckt?“, fluche ich wütend, weil ich beim Aufstehen auch noch feststellen muss, dass die Markenjeans einen Riss am Knie hat. „Sorry, ich hab dich nicht gesehen“, ertönt es hinter mir. Wusste ich doch, dass da jemand war.“ ich bin ja schließlich nicht so dumm und falle über meine eigenen Füße. Ok, zugegebenermaßen wäre es mit diesen Schuhen kein Wunder. „Klar ich bin ja auch so leicht zu übersehen.“, gebe ich schnippig zurück, fische meine Sachen vom Boden auf und verstaue sie in der Tasche. Der darauffolgende Blick nach oben hat es in sich. Ein groß gebauter Typ kommt auf mich zu, während er sein Handy in die Tasche der zerschlissenen, dunklen Jeans steckt. Das Sweatshirt über dem ebenfalls dunklen T-Shirt lässt seinen Look noch heruntergekommener aussehen. Die schweren, schwarzen Boots geben dabei auch ihr Bestes. Ganz automatisch schnellen meinen Augenbrauen abschätzend in die Höhe. Sein eben noch besorgter Ton bekommt nun einen giftigen Nachdruck : „Dann pass das nächste Mal auf, wo du hinläufst. Meine Schuld war es nämlich nicht.“ , er dreht sich um und trottet die Treppenstufen nach oben. „Was hat der denn gesoffen?“ , frage ich eher mich selbst. Nach irritiertem Kopfschütteln wende ich mich wieder der Tür zu. Die noch kühle Frühlingsluft stoßt mir entgegen. Tief atme ich nochmal ein, bevor ich die Straße überquere. Bis zum Bahnhof sind es circa zehn Minuten. Für diese Zeit bin ich eigentlich dankbar, weil ich meine Gedanken unbedingt nochmal ordnen muss auch ohne zu einem wirklichen Entschluss zu kommen. Und es tut gut über meinen Kopf die Kontrolle zu haben. Der Zug kommt zum Stehen. Ich steige aus und die klare, unbenutzte Luft umhüllt mich und füllt meine Lungen, sickert langsam in mein Blut ein. Das Gefühl der Freiheit übermannt mich und löst Glücksgefühle frei, lässt mich grinsen. „Taxi gefälligst?“ die mir allzu bekannte Stimme reißt mich aus meiner Gefühlsduselei. Mein Bruder wartet bereits in seinem BMW Cabrio. Im Gegensatz zu meinen Erwartungen liegt auch bei ihm ein Grinsen auf dem Gesicht. Es überrascht mich wirklich. Eigentlich dachte ich, dass ich ihn kenne. „Gern?“, frage ich verunsichert, mustere ihn verunsichert beim Einsteigen. Irgendwas ist anders an ihm. Noch immer nicht verärgert, wie ich feststelle. Was ist nur los mit ihm? „Wie wars?“ auch in seiner Stimme ist kein mürrischer Unterton raus zuhören. „Ähm, gut.“ noch immer zweifle ich an seiner guten Laune. Er nickt nur und startet den Motor. Die ganze Fahrt über checke ich ihn und vergleiche ihn mit dem mir altbekannten Jaque. Meines Wissens hat er gestern für eine Klausur gelernt. Ist nun wirklich nicht, was einem so gute Laune bereitet. Seine Pupillen sind auch normal. Also hat er weder was gespritzt, geraucht oder inhaliert. Hat Dad ihm etwa erlaubt nächste Woche mit nach Hannover zu fahren?“ Oh nein, hoffentlich nicht. Ihr müsst wissen, dass meine Eltern sich eine Woche Urlaub nehmen. Und das bei knapp sechzig Pferden im Stall ist nicht gerade einfach. Von diesen sechzig stehen fünfzehn momentan auf der Trainingsliste und vier sind davon nächste Woche in Hannover gemeldet. Normal übernimmt Mum immer den Part der Managerin während Dad eineinhalb Augen immer auf den Zustand der Pferde hat. Er ist der Trainer bei uns und lässt sich nicht reinreden. Man muss da ziemlich viel Überzeugungskraft haben um neue Vorschlage durchzubringen. Da braucht man auch auf das andere halbe Auge auch nicht setzen, denn das hat er ständig auf die Konkurrenz gerichtet. Die schläft ja bekanntlich nie. Im Stall haben wir vier Festangestellte und Aushilfen sind auch immer da. In den vergangenen Jahren haben unsere Eltern sich wohl ein Lebenswerk aufgebaut, was auch in Zukunft zu führen gilt. Aber ich hoffe der Zeitpunkt, den Löffel abzugeben, lässt sich noch Jahrzehnte hinauszögern. Mit meinen siebzehn Jahren würde ich wohl nur den Pony-/ und Zuchtabteil vererbt bekommen. Und Jaque würde sich mit dem Rest ein schönes Leben machen. Ja, das würde er. Denn mit seinen 7 Jahren, die auf seinem Perso al 26 dastehen, hat er weder das Bedürfnis, sich selbst etwas aufzubauen, noch hat er die Fähigkeit mit anderen Personen eine normale Unterhaltung zu führen ohne sich im Ton zu vergreifen. Er wird nämlich schnell reizbar und rastet bei jeder Kleinigkeit, die aus dem Ruder läuft, total aus. Dafür hat er aber auch seine guten Seiten. Als großer Bruder ist er nicht nur nützlich im Beschützen, sondern hat immer ein offenes Ohr, wenn ich mal wieder so richtig in der Scheiße sitze. Meist fängt es bei ihm mit einem viertel stündigem Ausraster an, geht dann in ein Verhör über und endet schließlich in einer Kriegssitzung. Also wer sich mit mir anlegt, muss auch mit meinem großen Bruder rechnen. Im ganzen kann man sagen, dass wir eigentlich ein gut eingespieltes Team sind. Ist nicht so, dass auch ich mal wütend werden kann, aber ich finde die Beherrschung im Gegensatz zu meinem Bruder rechtzeitig wieder. Der Hang zum Extremen liegt dennoch unumstritten in unserem Erbgut. „Xavier wird Samstag Chocolate reiten.“ erst jetzt merke ich, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt habe. „Was?“, wieder ist meine Zunge schneller als mein Kopf. „Ich dachte, er würde Sierra reiten.“, entkommt es mir leicht geschockt. Irgendwas steckt dahinter und es muss was mit seiner unnormalen Stimmung zu tun haben. „Mom hat Julia doch noch erreicht.“, grinst er. „Aha. Julia?“, ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe und meine Mundwinkel zucken. Er steht also tatsächlich auf Julia. Eigentlich ist sie so überhaupt nicht sein Typ, weil er eher auf Mädels steht, die von Nichts eine Ahnung haben. Und Julia ist genau das Gegenteil davon. Sie ist ein Superhirn und weiß was sie will. „Ja und Xavier hat auch kein Problem damit nur 1200m zu reiten statt den 2500m.“ meint er noch immer grinsend. Doch es erreicht seine Augen nicht. Da ist gehörig was falsch, meldet sich mein Unterbewusstsein. Was habe ich eigentlich innerhalb von 24h alles verpasst? „Jaque, was ist hier eigentlich los?“ ich klinge besorgt. Gekonnt fahrt er mit ungedrosselter Geschwindigkeit in die Hofeinfahrt und bringt den Wagen dort schließlich zum Stehen. Wortlos dreht er nach ein paar Sekunden den Schlüssel um, bleibt sitzen. Sein Gesichtsausdruck hat jegliche Freude verloren. „Fortuna ist bei der Geburt von den Zwillingen gestorben.“ sein Blick ist auf das Lenkrad vor ihm fixiert. Hart schlucke ich und fühle für ihn mit. Nicht, dass es mich nicht traurig macht, aber die Tatsache, dass es seine Stute war und er sein erstes Rennen mit ihr hatte, ganz abgesehen, wie viele Fohlen sie schon auf die Welt brachte, ist es für ihn ein stärkerer Verlust. Die fuchsfarbene Stute war sein Schatz und die zwei gingen durch Dick und Dünn. „Es tut mir leid“, versuche ich etwas verspätet mein Mitgefühl auszudrücken. „Oh man, Lu. Dich kann man so schön verarschen.“ kommt es lachend von ihm. Ich blicke zu ihm rüber und sehe den schelmischen Ausdruck in seinen Augen. „Was?“, kreischend und tobend springe ich aus dem Auto und renne ihm hinterher. Na warte, der kann was erleben. Er läuft direkt hinters Haus Richtung Stallungen. „Bleib stehen du Arsch. Ich krieg dich doch eh.“ dies entspricht zwar nicht der Wahrheit, kann jedoch durch sein Kichern ein paar Meter aufholen. Die Stallgasse, die er nun erreicht hat, ist schon wieder sauber und somit sind wohl auch keine Angestellten mehr dort. Am anderen Ende der Gasse steht das Tor nur einen Spalt weit offen. Ich ergreife meine Chance und lege einen Endspurt ein. Noch bevor er sich durch den Spalt drängen kann, habe ich ihn am T-Shirt gepackt und halte ihn lachend fest. „Lass mich los.“, kichert er wie ein kleines Kind, will weiter. Jedoch sepringe ich einfach auf seinen Rücken und kralle mich in seine Schultern. Da bleibt ihm gar nichts anderes übrig als stehen zu bleiben. Mit der Wucht meines 52kg schweren Körpergewicht, fällt er rückwärts und landet ungeschickt auf mir. Mit dem Ellbogen in der Magengrube bekomme ich für ein paar Sekunden keine Luft mehr. „Boa, du schweres Ding. Geh von mir runter.“ beschwere ich mich trotz Schmerzen lachend. Zum Glück hat das Heu unter uns den Sturz etwas abgefangen. Auch Jaque kann sich vor Lachen kaum noch halten und rollt sich zur Seite, von mir runter. „Ich... sollte.....dich öfter..... verarschen“ lacht er. „Ich warne dich.“ drohe ich ihm. Plötzlich schweigend sehen wir uns einige Augenblicke nur an. Nur um dann wieder in schallendes Gelächter auszubrechen. „Wie geht’s dir?“ fragt er nachdem wir uns wieder einigermaßen gefangen haben. Etwas überrollt von dieser Frage wende ich meinen Blick ab und begutachte die Hohe Decke. „Ich weis nicht.“, gestehe ich. Er richtet sich auf, bietet mir seine Hand an, die ich dankend annehme. „Sie hätten mich wenigsten Mal fragen können. Ich meine man kann doch mit mir reden oder?“ erwartungsvoll schaue ich in seine sonst so harten Gesichtszüge, die weich geworden sind und auch ein mitfühlendes Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen. „Natürlich. Das kann sogar ich.“, stimmt er mir zu. „Ja.“ auch ich lächle ihn an. „Und du hättest mir auch nie so ne Entscheidung an den Kopf geworfen.“, stelle ich fest. Der Gedanke daran lässt sich ja nicht mal zu Ende führen, weil er an der Tatsache, dass ich mich über ihn hinweggesetzt hätte, schon scheitert. „Die können doch nicht einfach so mein ganzes Leben umkrempeln.... Hallo, ich bin 17 und kein Kleinkind mehr.“ , rede ich mich fast in Rage. Doch Jaques Zeigefinger, der sich auf meinen Mund legt, um mich zum Schweigen zu bringen, hindert mich daran. „reg dich nicht so viel auf. Sonst bekommst du noch graue Haare wie ich.“ , witzelt er. „Du hast gar keine grauen Haare.“ widerspreche ich. „Klar.“, macht er völlig überzeugt. „Du siehst sie nur nie, weil ich sie immer färben lasse.“ meine Nase kraust sich. „Ja, ist klar.“ es macht keinen Sinn mit ihm Haarspalterei zu betreiben. Wir schauen auf dem Weg nach vorne immer wieder prüfend in die Boxen. „In ein paar Mnaten werde ich keine Pferde mehr reiten. Was ein Scheiß.“ murmele ich. Mitfühlend legt Jaque einen Arm um meine Schulter und meint: „Dafür wirst du dafür sorgen, dass da mehr in deinem Kopf ist.“ dabei tätschelt er mein Haar. „Blödmann.“ zische ich, weil er erstens meine Haare ruiniert und zweitens einen Grund gefunden hat um mich zum Schweigen zu bringen.

 

„Und keine Partys hier. Habt ihr mich verstanden?“ meine Mum, die immer noch ganz neben der Spur ist, fuchtelt schon seit einer geschlagenen Stunde wild mit den Händen herum und trichtert uns dabei noch die ganzen Anweisungen, welche sie schon am Vortag akribisch aufgelistet ha, ein. -Oh man Mum- ,denke ich Aber anders kenne ich sie auch nicht. Wenn sie ruhiger wäre oder alles uns überlassen würde, hätte sie sicher schon meinen schiefen Blick wahrgenommen. Pa ist im Gegensatz zu ihr die Ruhe weg. Er hat schon den Wagen vorgefahren und das ganz Gepäck eingeladen. Um ihn werde ich mir auch keine Sorgen machen, wenn der Pilotenstreik der Lufthansa auch ihren Flug erwischen würde. Aber Mum würde Kreislaufprobleme bekommen. Da bin ich mir hundert Prozent sicher. „Du brauchst sie erst gar nicht zurückbringen, wenn sie immer noch so aufgedreht sein sollte. Schau bitte, dass sie ein bisschen Ruhe bekommt.“, ich lehne mich in Pa´s Richtung und verstecke meine Bitte hinter einem Abschiedskuss. „Du kennst sie doch.“, meint er nur und zwickt mir in die Nase, was mir ein Grinsen entlockt. „Christian wir müssen fahren, der Flieger geht in einer Stunde.“, erfasst meine Mutter nach einem Blick auf die Uhr. Na endlich hat sie es geschnallt. Jaque wird mal wieder Opfer ihrer französischen Tradition und bekommt jeweils einen Kuss auf jede Wange. Dabei ist sein Gesichtsausdruck zum Lachen. Aber auch ich bkomme in die unangenehme Lage. „Schönen Urlaub.“, wünschen Jaque und ich aus einem Mund, begleiten sie raus und winken hinterher, als der Wagen die Hofeinfahrt verlässt. „Boa, man meint Mum hätte ne Weltreise vor sich.“ kommt es genervt von meinem Bruder neben mir. „Nein ich hab alles im Griff. Ich muss nur noch ein paar Telefonate führen.“, imitiere ich unsere Mutter mit verstellter Stimme, was Jaque auflachen lässt. „Komm lass uns frühstücken.“ schlägt er vor. Nickend stimme ich zu und folge ihm ins Haus. „Hörst du das?“ fragt er und bleibt abrupt vor mir stehen. „Nein.“ angestrengt sperre ich meine Lauscher nochmal weiter auf, kann aber nichts ungewöhnliches wahrnehmen. „Diese Ruhe.“, meint er nach ein paar Sekunden verträumt. „Man Jaque.“, ich haue ihm leicht auf die Schulter. Um ehrlich zu sein, ist diese Ruhe aber trotzdem sehr angenehm. Normalerweise schwirrt Mum um diese Uhrzeit schon im Haus herum und hat alle mindestens halbe Stunde ihr Handy am Ohr. „Wir müssen nachher noch den Transporter fertig machen, damit wir morgen früh direkt los können.“ meint Jaque. „Ja.“ sage ich nur und plane in Gedanken schon den Tagesablauf. Erst werde ich Nora im Trainig gleich reiten. Das ist auch mit Jaque abgesprochen. Dann wäre es auch ganz gut mich um die Trikots zu kümmern, was natürlich Frauensache ist. Danach kann ich ja dazustoßen wenn Jaque den Transporter belädt. Das Summen meines Smartphones reist mich aus meinen Gedanken. „Hey Maus, wie geht’s dir?“ , ertönt die melodische Stimme von Anna an meinem Ohr. „Ähm..Gut, aber..“ „Sehr gut. Hast du Lust heute mittag ein Eis mit mir essen zu gehen?“ unterbricht sie mich sofort. „Gerne, wie wäre es um zwei?“ , stimme ich trotz Bedenken ein. „Klare Sache. Ich hol dich dann ab.“ und da hat sie auch schon aufgelegt. „Anna?“ Jaque beschmiert sich gerade sein fünftes Brötchen und muss nicht mal hoch schauen. „Ja. Ich gehe um zwei mit ihr ein Eis essen. Da musst du dich wohl selber um den Transporter kümmern.“, meine ich noch immer leicht verwirrt. Es ist so überhaupt micht normal dass Anna schon um halb sieben wach ist. Und schon gar nicht in den Sommerferien. Wahrscheinlich war das der springende Punkt warum ich ihr kurzerhand zusagte. „War ja klar.“, Jaque stopft sich die zweite Hälfte in den Mund und stellt seinen Teller in die Spüle. Na super, jetzt war er wieder eingeschnappt. Aber wer wollte denn von uns beiden unbedingt dieses Wochenende alleine nach Hannover. Ich mit Sicherheit nicht. „Schlag die Tür doch gleich ganz ein.“, sage ich halblaut zu mir selbst, als er das Haus lautstark verlässt. Das Training verläuft ganz gut und Jaque hat mittlerweile auch wieder bessere Laune. Ob es wohl daran liegt dass Julia ihn angerufen hat? Hmmm... auf jeden Fall werde ich um zwei Uhr pünktlich von Anna abgeholt. „Hi.“, begrüßt sie mich und sieht wirklich ausgeschlafen aus. „Sag mal kannst du mir erklären warum du schon so früh wach bist? Und dann noch so gut drauf? Kann ich auch was von deinen Pillen haben?“ überhäufe ich sie direkt mit Fragen. „Mach mal halblang, ja“, sie wendet ihren brandneuen Mini in der Einfahrt und tuckert die Allee entlang. „Ich bitte dich Anna, was ist mit dir los?“ Zaghaft wirft sie mir einen Blick mit ihren großen Rehaugen zu und kann sich einen Seufzer nicht verkneifen. Ihre zierlichen Hände umklammern das Lenkrad so fest, dass die Knöchel schon weis hervortreten. „Ich will dir jemanden vorstellen.“ beginnt sie zögerlich, den Blick starr auf die schmale Landstraße gerichtet. Meine Aufmerksamkeit hat sie aber schon von der ersten Sekunde. „Und wen?“, frage ich leicht gereizt Warum muss ich ihr eigentlich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen? „Meinen Freund.“, meine Kinnlade bekommt eine immense Erdanziehungskraft und meine Augen weiten sich vor Ungläubigkeit. „Was?“ entfährt es mir unwillkürlich. „Ach Lu, du tust ja so als sei ich Beziehungsunfähig.“, meckert sie gleich los. „Naja, stottere ich nach Fassung ringend. Was ein Glück, dass ich im Besitz meiner Stimme bin. Um ehrlich zu sein hab ich sie wirklich so eingeschätzt. Mit ihrem bevormundenden Mundwerk hat es auch kein Kerl länger als zwei Wochen bei ihr ausgehalten. Zwar hatte sie öfter Kontakt mit der Spezie Mann, was aber meistens nach einem One-Night-Stand nie gehalten hat. Kein Name, keine Persönlichkeit, kein Frühstück, keine fremden Macken. Ich dachte immer es würde ihr gut damit gehen. Dass andere auf ihrem Lebensstil herum ritten hatte sie nicht wirklich berührt. „Wie heißt er denn?“ frage ich um irgendwas von mir gegeben zu haben, weil ich ehrlich nicht weiß was ich davon halten soll. Wenn sie schon von ihrem Freund spricht, muss ihr auch etwas an der Person liegen. Und wünschen würde ich es ihr von ganzem Herzen. „Max.“ Punkt. Knapper hätte sie die Beschreibung nicht bringen können. „Und wie lange kennt ihr euch schon?“ „Kennen schon ein halbes Jahr. Zusammen jetzt knapp zwei Wochen.“, erklärt sie. Um diese Tatsache sacken zu lassen drehe ich das Radio auf volle Lautstärke. Nach geraumer Zeit merke ich aber, dass dieses Thema viel zu komplex ist um es zu zerdenken. „Ich werde aus dir nicht schlau.“, bemerke ich nachdem ich die Lautstärke wieder reguliere. „Ich geb dir ja auch keine Nachhilfe.“ meint sie trocken und seufzt. Mit leichten Schwierigkeiten parkt sie in der Fußgängerzone. „Du wirst ihn mögen Lu, er ist echt nett.“, klärt sie mich auf, wirft ihre langen Locken über sie Schulter und stolziert in den High Heels, welche ich im Leben nicht anziehen würde, die Straße entlang. „Warum hast du mir nichts von ihm erzählt?“, frage ich, nachdem ich sie eingeholt habe. „Ich wollte dich nicht noch zusätzlich stressen. Du hattest so viel um die Ohren. Sie schenkt mir ein entschuldigendes Lächeln. Nur weiß ich nicht für was. Dafür, dass sie mir nichts von ihm erzählt hat oder für die billige Ausrede. „Hat dich schon ganz schön erwischt was?“, ich kann das Grinsen nicht vor ihr verstecken. „Du meinst so boom?“ Immer noch grinsend nicke ich eifrig. „Schon.“ sie zieht die Nase kraus und bringt mich damit zum Lachen. „Oh man Anna, ich freu mich für dich.“ gestehe ich ihr. „Danke, das weiß ich wirklich zu schätzen.“, das glückliche Lächeln scheint in ihrem Gesicht eingefroren zu sein. Von weitem entdecke ich das Cafe, in dem wir uns regelmäßig verabreden, wie auch dieses Mal. Es ist gut besucht, was bei diesem Wetter auch nicht verwunderlich ist. „Er ist noch nicht da.“ bemerkt sie nachdem sie die Gegend nach ihm abgesucht hat. „Weis er, dass du mich mitgebracht hast?“, frage ich und bestelle mir einen Eisbecher. „Ja. Aber für ihn ist das kein Problem. Wenn er mit mir zusammen sein will, muss er auch meine beste Freundin kennen. „Natürlich.“ lache ich. Die Sonne knallt unermüdlich auf uns herab, weshalb ich die Befürchtung habe, dass uns schon bald ein ätzender Sonnenbrand quälen wird. „Wie läufts bei euch zu Hause?“, will Anna wissen. „Meine Eltern im Urlaub und Jaque allein zu Haus. Wie hört sich das in deinen Ohren an?“ Nach kurzem Überlegen meint sie: „Nach viel Spaß und viel Chaos.“ „Ja und dann fährt der morgen noch nach Hannover. Zwar nur mit drei Pferden aber ich will nicht wissen wie er das anstellt.“ gebe ich zu. „Immerhin hat er dich dabei.“ lacht sie. Ja Anna weiß mittlerweile wie Jaque ist. Und sie ist eine der Wenigen, die ganz gut mit ihm klar kommt. Als ich von meinem nur noch halb vollen Becher wieder hoch schaue, liegen zwei große Hände auf ihrem Gesicht. Sie gibt einen schrillen Schrei von sich. Ich schaue nach oben um den Besitzer dieser Hände zu betrachten. Dabei verschlucke ich mich übelst an dem Eis. Braune Augen und dunkelblondes Haar. Der Typ von der Party bei Annas Freundin. In meinem Kpópf reihen sich Vermutungen hinter Fakten in Lichtgeschwindigkeit auf. An dem grauenhaften Morgen nach der Party war sie also schon mit ihm zusammen. Ich hatte ihn vorher nie gesehen und erst recht nicht in ihrer Nähe. So tief wie ich in meiner Starre versunken war, habe ich gar nicht mitbekomme, dass ich die beiden bei der intimen Begrüßung geradewegs angestarrt habe. „Also Lu, das ist Max, Max das ist Lu, meine beste Freundin von der ich dir erzählt hatte.“, stellt Anna uns gegenseitig vor. „Erst jetzt landet der Blick von diesem Max auf mir. Er scheint ebenso verwundert zu sein, was mich innerlich jubeln lässt. „Hi.“, macht er auf ganz freundlich und streckt seine Hand in meine Richtung aus. „Hi.“ im Traum denke ich nicht daran seine Hand zu berühren. Meine Nase kraust sich. Ihn nicht weiter beachtend, schiebe ich einen weiteren Löffel Eis in den Mund. Ich höre ihn mir gegenüber leicht verärgert schnaufen, was ich geflissentlich überhöre und sich dann setzt. „Und? Hast du am Wochenende schon was vor?“ fängt Anna ein Gespräch mit dieser Lachnummer an. Ab dieser Frage stelle ich mich stumm und bin blind. Außer für mein Eis natürlich. Was fällt ihr eigentlich ein so einen verwöhnten Arsch zu angeln? Das ist überhaupt nicht ihr Typ. Er ist viel zu aufgeblasen und sein Look strotzt nur so vor Reichtum. Sonst hatte sie nur was für Mittelständige Autohähndlers Söhne übrig. Ihr wisst schon, mit denen kommt man überall hin und so. und davon mal abgesehen ist dieser Snob total unsympathisch. Als ich einen Blick auf die abgestumpfte Kreatur vor mir werfe, trifft mich sein durchdringender Blick. Jetzt erst bemerke ich, dass er ebenfalls einen Eisbecher vor sich stehen hat. Während er sich weiter mit Anna unterhält, schiebt er einen weiteren Löffel der eiskalten Süßspeise bedeutend langsam in den Mund und macht keine Anstalten den Blick von mir abzuwenden. „Ich muss los.“ mit einem gewaltigen Ruck stehe ich auf und schmeiße um ein Haar den Stuhl um. Ich gehe ohne auf das Rufen von Anna zu achten. Ich weiß, als beste Freundin sollte man es ihr wenigstens gönnen. Das tue ich auch, aber ich kann dabei nicht zusehen. Länger halte ich es mit den Turteltauben nicht aus. Soll dieser beschissene Max sich doch toll fühlen, dass er es geschafft hat mich weg zu ekeln. Auf dem Weg zum Busbahnhof rufe ich Jaque an. „Ja?“, er klingt gereizt und am liebsten würde ich wieder auflegen um ihn nicht mit meinen Problemen zu stören. Doch nachdem ich nicht antworte höre ich ihn wieder aus dem Lautsprecher meines Telefons. „Was ist los Lu?“ diesmal hört er sich eher besorgt als gestresst an, was es mir leichter macht mit der Sprache raus zu rücken. „Kannst du mich in 15 minuten an der Haltestelle abholen?“ ich kann seinen fragenden Blick sehen, bei dem sich ein Fältchen zwischen seinen Augen bildet. „Natürlich. Ich bin da.“ , verspricht er und legt einfach auf.

„Was ist passiert?“, will er direkt wissen als ich mich neben ihn auf den Sitz fallen lasse. Er lässt mir keine Zeit zum Nachdenken, was ich auf der Busfahrt auch ausreichend getan habe, sondern löchert mich mit Blicken. „Anna hat nen Freund.“, brumme ich. „Und?“, er sieht kein Problem darin. Warum auch, er hat ihn ja auch nicht getroffen. „Der Typ ist behindert Jaque. Der hat einen Knacks in der Birne. Außerdem fällt er total aus ihrer Reihe. Er ist sozusagen der rosa Elefant in ihrer Liste.“, erkläre ich ihm aufgebracht die Lage. Er schaut in meine Richtung. „Du kannst ihn also nicht leiden?“, stellt er fest. „Nein doch, ich kann ihn super leiden. Er ist nett, bodenständig und total sympathisch.“ meine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus. „Nein verdammt, er ist der letzte den ich leiden könnte. Und ich weiß nicht warum Anna sich so jemanden angeln kann.“, ich schreie ihn fast an und könnte mich im nächsten Moment dafür Ohrfeigen. „Sorry.“ gebe ich danach kleinlaut von mir und schaue in die Landschaft. „Was willst du jetzt machen? Ihr die Freundschaft deswegen kündigen? Nur wegen so einem dahergelaufenen Arsch?“ wie immer bleibt er ruhig und versteht meine Ansicht. „Ich werde ihr sagen, was ich davon halte und wenn sie ein Problem damit hat werde ich es wohl tun.“, erkläre ich. „Schlaues Mädchen.“, grinst er, startet den Motor und drückt das Gaspedal durch, sodass auch auf meinem Gesicht ein verhaltenes Lächeln zu sehen ist. Mit einem Kuss auf die Wange bedanke ich mich bei ihm. Gespielt angeekelt wischt er sich mit dem Handrücken über diese Stelle. Den Rest der Fahrt genieße ich die Ruhe und verschwende keinen Gedanken mehr an Max. Auch den Rest des Tages schaffe ich es nicht mehr daran zu denken und lenke mich mit Arbeit ab. Jaque hat mir auch genug aufgebrummt.

2.

 

Das Wochenende lief ganz gut. Abgesehen davon, dass die Arbeit sich mit der Zeit nicht halbiert. In Hannover haben wir zweimal den dritten Platz belegt und sind einmal sechster geworden. Auch Jaque hat alles aus sich raus geholt und das Ding solide geschaukelt. Dabei ist Julia auch nicht zu kurz gekommen. Nachdem sie den dritten Platz belegt hat, haben sie und mein geliebter Bruder noch eine ganze Zeit lang , angeregt unterhalten. Da sind deutlich die Funken geflogen, wenn ihr mich fragt. Sie haben sich sogar verabredet. Während ich Chocolate für das Rennen fertig mache, erhasche ich immer wieder einen Blick auf die Beiden und kann ein Grinsen nicht zurückhalten. „Was gibt’s zu Grinsen?“, erschrickt mich Xavier. Schweigend schaue ich in Julias Richtung. Als er meinem Blick folgt, pfeift er scharf durch die Zähne. „Na da haben sich zwei gefunden.“ kommentiert er, geht aber nicht weiter auf das Thema ein. Stattdessen spielt er auf meine Zukunftspläne an. „Und du willst schlauer werden hab ich gehört?“ „Mach dich ruhig lustig über meine Dummheit.“ zische ich ihn an, meine es aber gar nicht so. Immerhin kennt Xavier mich gute zehn Jahre, da fällt ihm schnell auf, dass ich gar nicht wirklich sauer bin. „Klar, dann kannst du mir wenigstens nicht immer die ganzen Ritte vor der Nase wegschnappen. Wenn das so weiter gehen würde, könnte ich einpacken.“, er zieht sich schmunzelnd den Helm über und klopft Chocolate den Hals. „Na wenns nach mir ginge hätte ich schon lange die Schule hingeschmissen.“, bemerke ich keuchend während ich den Gurt enger schnalle. „Hätte auch gar nix anderes von dir erwartet.“ Das Stück von der Sattelkammer zum Führring schweigen wir und als ich ihm aufhelfe bemerke ich seinen konzentrierten Blick. Jetzt gibt es nur noch ihn und Chocolate in seinem Kopf. Nach dem Aufgallopp hilft Jaque den Beiden in die Führmaschine. Ich kann nicht anders als Chocolates Schönheit immer wieder zu bewundern. Als ich meinen Bruder während des Rennens kurz auf Julia anspreche, strahlt er über beide Ohren. Auch wenn er es niemals öffentlich zugeben wird, merke ich dennoch, dass er etwas für sie empfindet und bin keineswegs traurig darüber. Im Gegenteil, immerhin bringt sie ihn zum Lachen und nicht zum Ausrasten, was so einige schon geschafft haben.

 

Die darauffolgende Woche ist ebenso anstrengend wie das Wochenende, auch wenn es gröstenteils erfüllend ist. Die paar Tage die ich hier verbringe muss ich auch voll auskosten. So kommt es, dass ich jeden Abend halbtot ins Bett falle. Ich verzichte auf jegliche sozialen Netzwerke, mein Handy ist aus genauso wie mein PC und der TV. Alles dreht sich um die Arbeit im und um den Stall. Mein großer Bruder hat seine Verantwortung prächtig ausgenutzt um mich mit den ganzen Angestellten den Hof wieder aufs gründlichste herzurichten. Man könnte hier ein Meeting geben. „Tu doch mal was für deine Gesundheit.“, seine Worte. Am Samstagabend kommen dann endlich unsere Eltern wieder zurück. Nichts gegen eine Woche sturmfrei, aber um ehrlich zu sein habe ich sie schon ein bisschen. Vor allem ihre Qualitäten als Manager und Aufpasser. Die elterliche Seite haben sie auch wieder mit heim gebracht und meinen direkt wieder wissen zu müssen was das Beste für uns beide ist. Außer ein bisschen gebräunte Haut und ein ausgeglicheneres Gemüt haben sie jedoch nichts mitgebracht. Dabei hab ich gehofft dass sie mir mehr Entscheidungsfreiheit geben würden. Gerade nach einer Woche Urlaub wäre das doch drin gewesen oder? Dahin ist also meine Hoffnung und Zuversicht. So muss ich mich wohl oder übel meinem Schicksal beugen und drei Mal in der Woche an einem mehrstündigem Nachmittagsunterricht teilnehmen, den meine Eltern zusammen aus einer Schulzeitschrift gefischt hatten. Dass ich daran teilnehmen muss, wenn meine Noten weiter die Abwärtsspirale nutzen würden, hatten sie mir mehr als einmal klar gemacht. Die Drohung in die Tat umgesetzt haben sie als ich in Mathe und Französisch auf eine vier gerutscht bin. Die fünf in Informatik hat sie dabei nicht mal wirklich interessiert. Wieso sollte ich auch lernen wen ich etwas wesentlich wichtigeres zu tun hatte? Morgens vor der ersten Stunde beim Training, dann direkt nochmal nach der Schule und abends zum Füttern. Es bereitet mir nun mal mehr Freude als den ganzen scheiß Schulstoff in mein Hirn zu hämmern. Mehr als zwei Stunden kann ich sowieso nicht ruhig auf meinem Stuhl sitzen. Da kann man sich vorstellen wie das bei sechs bis zehn Stunden aussieht. Mir ist einfach unbegreiflich wie meine Eltern das übersehen können. Und die Sache mit Anna ist mir ebenso unbegreiflich. Ich sitze auf meinem Bett und schalte mein Handy wieder ein. Nachdem ich es entsperrt habe, entdecke ich die zehn verpassten Anrufe und die zwei Nachrichten von ihr. Beide Nachrichten hatte sie am Samstag abgeschickt. -Warum bist du denn jetzt schon wieder sauer auf mich? Du hattest doch nie etwas dagegen wenn ich Typen mitbringe und gewarnt hatte ich dich auch. Also ich weis wirklich nicht was du wieder hast.-

Fliege für drei Monate an die Karibik. Wäre nett wenn du dich mal melden würdest.- fassungslos schüttele ich den Kopf. So wichtig ist es ihr also, dass sie mir nichts, dir nichts gerade mal so ein viertel Jahr an die Karibik fährt. Vermutlich war das nicht einmal ihre Idee sondern die ihres komischen Maxes. Der Typ muss ja ordentlich den Geldbeutel locker haben. Bevor ich mich wieder aufrege, beschließe ich ihr eine Antwort zu geben. - Ich wünsche dir und deinem Max einen schönen Urlaub. Von mir aus könnt ihr da unten in der Sonne verbrennen. - Mit Genugtuung schick eich die Nachricht ab und schalte das Ding wieder aus. Auf noch mehr Ärger hab ich keinen Bock. Nachdem ich eine Zeit lang Löcher in die Decke starre, klopft es nicht gerade verhalten an meiner Zimmertür. Bevor ich etwas erwidern kann, steht Jaque auch schon da und schließt die Tür hinter sich. „Sorry dass ich störe.“ sagt er eilig und kommt auf mich zu. Fragend sehe ich ihn an und richte mich auf. „Jetzt seh mich nicht so an.“ er setzt sich neben mich, als sei es das normalste auf der Welt. „Hast du mit Anna geredet?“ rückt er mit der Sprache raus. Verwundert schaue ich ihn an, kann nicht glauben, dass er mit mir über Anna reden will. „Ähm, ….“ „Also nein.“ unterbricht er meinen Satz abrupt. „Sie fährt drei Monate mit Max an die Karibik.“, brumme ich. „Was?“ mit weit aufgerissenen Augen schaut er zu mir. „Sag mal spinnt die jetzt völlig?“ fängt er an. „Was stellt die sich eigentlich vor? Ich mein, die fliegt lieber mit ihrem Lover weg, statt den Streit von euch aus der Welt zu schaffen? Na warte die kann was erleben wenn die zurück kommt.“ redet er sich mal wieder in Rage und würde wohl was auseinander nehmen, wenn er bei deinem Rum fuchteln mit den Armen nicht aus versehen die Hand in mein Gesicht geklatscht hätte. Für einen Moment halten wir die Luft an und schauen uns nur an, die Reaktion des jeweils anderen abwartend. Doch dann können wir uns vor Lachen nicht mehr halten. Vor lauter Lachen fällt Jaque auch noch vom Bett und kugelt sich auf dem Fußboden. „Oh man, du solltest besser mal Yoga machen.“ schlage ich nach Luft ringend vor. „Du musst wirklich mal deine Hände still halten.“ ich habe den Satz noch nicht beendet, da kommt auch schon meine Mutter zur Tür rein. Ist hier eigentlich Tag der offenen Tür oder was? „Mama raus.“, rufe ich ihr zu. Ihr Gesichtsausdruck wechselt von besorgt zu amüsiert, als sie Jaque auf dem Boden liegen sieht. Als ich ihr nachschaue kann ich ein Schmunzeln ihn ihrem Gesicht erkennen. Ein Anblick, den ich bei ihr schon länger nicht mehr gesehen habe. Mein Bruder setzt sich nach dem Verlassen meiner Mutter des Zimmers, wieder aufs Bett und hat immer noch ein Grinsen im Gesicht. „Sag mal, was ist eigentlich mit Julia?“ verwirrt mustert er mich ers, sagt dann aber grinsend: „Ach Schwesterherz, weist du dass du ganz schön neugierig bist?“ , damit lässt er sich der Länge nach aufs Bett fallen. „Ja und stur dazu. Ich werde also keine Ruhe geben, bevor ich genaueres weiß.“ Als er einfach weiter schweigt und die Augen schließt, pike ich ihm in die Seite. „Und?“ , frage ich. „Sie ist perfekt.“ fängt er zögerlich an. „Hast du sie dir mal angesehen?“ fordernd sieht er mich wieder an. Der meint doch nicht im Ernst, dass ich ihm jetzt erzähle was einen geilen Arsch sie doch hat. „Du bist derjenige der sie ansehen sollte. Aber das meine ich gar nicht. Und das weißt du auch.“ gespielt beleidigt ziehe ich eine Schnute und verschränke die Arme vor der Brust. „Ich will dir keine Hoffnungen machen, es kann genauso gut sein, dass sie nicht besser ist als Annika.“, sein Gesicht spiegelt eine Mischung aus Schmerz und Hoffnung. Keine Ahnung wie er beides da rein bekommt. „Ich dachte du hast an Annika gehangen.“ „Man Lu, du bist wirklich noch ganz schön grün hinter den Ohren. Annika war hübsch und konnte ihren Körper hammermäßig einsetzen. Aber was nützt mir das, wenn sie nicht weiß, was sie will?“ Jetzt liegt es an mir ihn verwirrt anzuschauen. Immerhin habe ich zwei Jahre im Glauben gelebt er trauere dieser dummen Gans nach. Um ehrlich zu sein konnte ich sie vom ersten Tag an nicht ausstehen. „Jetzt zieh doch nicht so ein Gesicht.“ , er greift meine Hand und zieht mich hinunter, sodass ich neben ihm liege. „Du musst noch viel lernen Kleines. Wie soll ich dir sagen was ich für Julia empfinde, wenn du nicht mal selbst gemerkt hast, dass Annika von allein die Flucht ergriffen hat.“ „Du bist gemein.“ eigentlich will ich anklagend klingen, dabei hört es sich selbst in meinen Ohren wie ein trotziges Kind an. „Ich weiß“ wieder schweigen wir. Ich versuche den Gedanken, dass mein Bruder Annika nur ausgenutzt hat, zu verdrängen. Auch wen ich sie nie mochte, wäre ich im Leben nicht darauf gekommen, dass er zu so etwas im Stande wäre. „Mach das bloß nicht mit Julia. Ich mag sie nämlich.“ platzt es aus mir heraus. „Seh mich nicht so an. Julia ist anders als Annika. Wenn sie dich schon treffen will nur um mit dir zu reden bedeutet das ziemlich viel. Nichts gegen dich, aber ich will nicht, dass sie wegen dir irgendwann traumatisiert ist. Weiß ja wie du sein kannst.“ Er schaut mich wie ein angefahrenes Pferd an. „Ich geh was essen. Wenn du dich wieder beruhigt hast, kannst du ja nachkommen.“, schlage ich mit einem Blick auf die Uhr vor. Damit begebe ich mich aus meinem Zimmer und laufe die Treppen runter zur Küche und helfe Mom, die dabei ist die Suppe zu pürieren. „Wo ist Jaque?“ fragt sie interessiert. „Der muss sich erst noch erholen.“ gebe ich trocken zur Antwort und verteile währenddessen weiter die Teller und räume Besteck auf den Tisch. Ich weiß, dass sie gerne weiter fragen würde, was sie aber wegen meiner Antwort nicht tut. Dafür klopfe ich mir innerlich selbst auf die Schulter. In das Liebesleben meines Bruders muss ich mich nun wirklich nicht einmischen. Gedankenversunken merke ich gar nicht, dass Paps und besagter Held die Küche betreten. Schweigend setze ich mich schließlich zu ihnen und halte mich aus jeglicher Diskussion raus. Zwar entgehen mir Jaques Blicke nicht, ich ignoriere sie nur ganz bewusst. Momentan habe ich keine Lust auf weitere Konversationen. Auf kurz oder lang würde er auf meine Erfahrungen mit den männlichen Wesen anspielen, die ich nun mal nicht in großem Maß gesammelt habe. Und ehrlich gesagt komme ich mir bei diesem Thema noch immer ziemlich dumm und naiv vor. „Kommst du morgen allein zurecht?“ bei dieser Frage werde ich wieder hellhörig. „HM? Achso ja klar, bleibt mir ja nichts anderes übrig.“ sage ich niedergeschlagen und rühre lustlos in meiner Suppe. „Stimmt was nicht Spatz?“, natürlich ist es Paps, dem meine Gemütslage nicht entgeht, oder besser gesagt, der sich traut mich darauf anzusprechen. Jaque würde das mit Sicherheit auch tun, jedoch nicht vor meinen Eltern. „Alles super, ich sitze morgen nur von halb acht bis sechs in der Schule fest und kann nicht mal abends helfen, weil ich alleine zwei Stunden mit dem Bus fahre. Aber das ist kein Problem.“, grinse ich gespielt breit in die Runde nur um dann aufzustehen und in meinem Zimmer angekommen, die Musikanlage voll auf zu drehen. Wie gerne würde ich jetzt was auseinander nehmen. Doch stattdessen schreie ich nur in mein Kissen, welches auf dem Bett liegt.

Der Wecker hebt an nächsten morgen auch nicht meine Stimmung, als er sich automatisch einschaltet. Quälend stehe ich trotzdem auf und packe mein ganzes Zeug für die Schule zusammen. Bei meiner morgendlichen Routine verfluche ich die Person, die so etwas wie Schulpflicht ins Leben gerufen hat. Wie kann man nur so realitätsfern sein? Vor allem wenn man wie ich immer auf der Suche nach den Büchern ist, was zur Folge trägt, dass ich mich durchgehend zur Haltestelle hetze. Wenn das Fahrrad dann auch noch einen Platten hat, ist es doch nur verständlich wenn einem der ganze Scheiß auf die Nüsse geht. So kommt es, dass ich haarscharf noch den Bus erreiche und mir sogar einen Platz in der hintersten Reihe angeln kann, während ich die Kopfhörer aus der Lederjacke fische. Mit Musik auf den Ohren lehne ich meinen Kopf an die kühlende Scheibe, schließe die Augen und drifte ins Land der Träume ab. Ich werde erst wieder wach, als sich jemand gegen mich fallen lässt. Müde öffne ich die Augen und versuche das Chaos hier drin zu überblicken. Die Ursache meines Erwachens schnauft wie ein Elefant und stinkt nach Schweiß. Oh man. Als ich dann noch nach draußen blicke, bemerke ich erst, dass wir erst an der dritten Station sind. Hoffentlich ersticke ich hier drin nicht neben dem Übergewicht. Wie kann man auch nur so stinken? Während ich den Klängen der Musik lausche, frage ich mich ernsthaft ob ich nicht meine Deodose neben mir aus sprühen soll. Aber der Satz: Tod wegen Gasvergiftung, der dann auf meinem Grab stehen wird, hält mich von dieser dummen Aktion ab. „Kann ich mal raus?“, frage ich dann doch, weil der Satz: Tod wegen Erstinken, nicht gerade besser ist. Es ist aber auch nicht zum Aushalten neben dem Fettklos. Während er sich aus dem Sitz hievt, beschließe ich mich in Zukunft für das Fast-Food Verbot einzusetzen. Sollen unsere Kinder wirklich alle mal so enden? Da der Bus brechend voll ist, bleibt mir nichts anderes übrig als den Weg nach vorne zu beschreiten und mich dort an eine Stange zu klammern, wobei ich höllisch aufpassen muss, dass ich nicht dabei einschlafe. Um mich wach zu halten, versuche ich ein Gespräch zweier Mädchen zu verfolgen, die vor mir stehen und sich über das langweiligste Thema Schule unterhalten. Es ist jedoch so langweilig, dass ich keine Chance habe wach zu belieben. Als es anfängt zu ruckln, öffne ich meine Augen wieder. Wir sind angekommen. Mit den gefühlt tausend anderen Menschen verlasse ich den Bus und bahne mir einen Weg zu dem großen grauen Bauklotz der sich Schule nennt, oder auch persönliche Hölle für zig Leute. Nach zehn Minuten Verspätung erweist sich der erste Lehrer des Tages noch so gutmütig um uns das Klassenzimmer aufzusperren. Trotz der Müdigkeit komme ich im sechsstündigem und ereignislosen Unterricht erstaunlich gut mit. Mit Musik in den Ohren warte ich auf dem Pausenhof unter der quälenden Sonne darauf, dass der Nachmittagsunterricht anfängt. Durch einen Infozettel weiß ich, dass dieser in Raum 200 stattfinden soll. Das ist mir allerdings ziemlich egal. Ich war schon kurz davor mit dem erstbesten Bus nach Hause zu fahren. Alleine damit ich Lenzo oder Freiwind im Training reiten kann. Beide werden nun jeden Montag, Mittwoch und Freitag auf mich verzichten müssen. Außerdem dauert es nicht mehr lange, bis die alte Fortuna fohlt. Mit einem letzten Blick auf die Uhr packe ich meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg zu Raum 200 im zweiten Stock. Etwas erstaunt, dass doch noch so viele Schüler im Gebäude sind , bahne ich mir einen Weg zwischen einer Gruppe Mädchen,die die Treppe belagern. Schon früher habe ich mir geschworen nie so zu erden wie diese. Niveaulos, dumm und den ganzen Rest mit Botox aufgefüllt. Die Blicke, die mir einige am liebsten ins Fleisch rammen würden, übergehe ich geflissentlich. Genauso wie die dummen Sprüche, die hin und wieder voller Sinnlosigkeit aus ihnen herausplatzen. In den sechs Jahren, die ich hier schon zur Schule gehe, hat es sich schon herum gesprochen, dass ich die Tochter des Züchters aus dem Kaff von nebenan bin. Und so jemand trifft meistens nicht auf Begeisterung oder einfaches Abfinden. Schon gar nicht auf diesem städtischen Gymnasium. Am Anfang war ich noch so dumm und naiv zu glauben, dass es auch andere Menschen gibt. Aber die schmerzhaften Erfahrungen hab ich zu Hauf gesammelt und festgestellt, dass es nicht so ist. Im Grunde sind sie alle gleich. Somit habe ich mich mit der Zeit abgekapselt und bin auch kein Außenseiter irgendeiner Clique. Denn sie sind auch nnur die, zu denen andere sie gemacht haben. Langsam trotte ich den Flur entlang und merke erst dass ich zu spät bin, als ich ahnungslos die Tür aufreiße. Ein leicht säuerlicher Herr Kiefer schaut mich abwartend an. „Haben sie keine Manieren gelernt?“ fragt er in erhobenem Ton. Auch die ganzen Schüler schauen jetzt in meine Richtung. „Ich kann auch wieder gehen, will ja nicht ihren Unterricht stören.“, sage ich und bin schon im Begriff mich umzudrehen. „Sie wissen genauso gut wie ich, dass ihre Eltern sie hier angemeldet haben.“ Scheinbar hebt sich auch bei der Lehrerschaft meine Person von der Menge ab, sonst würden sie sich nicht so genau an das Gespräch erinnern. „Ja das weiß ich. Ich dachte aber auch dass sie Lehrer aus Überzeugung sind und gewillt den Schülern den Lernstoff zu vermitteln. Allem Anschein nach waren es aber doch nur Geldprobleme. Da kann ich mir auch jemand anderes suchen der mir weiter hilft.“, der ganze Frust kommt aus mir heraus und ich werfe ihn geschönt dem Mann mitte dreißig, schlaksig mit drei Tage Bart und Brille, an den Kopf. Verwirrt über so viel Gegenwehr meinerseits rückt er seine Brille zurecht. „Setzen sie sich Lucy.“ sagt er nur noch. Aber seine Stimme hat er wieder völlig unter Kontrolle. Zögernd folge ich seiner Aufforderung. Ich schaue mich erst um, als ich mich ganz hinten an einen Einzeltisch setze. Im ersten Moment sieht es aus, als sei der Kurs in zwei Gruppen gespalten. Rechts überwiegend Jungs, die dunkel gekleidet sind. Links ist es bunter. Dort sitzen Mädchen und Jungs wild durcheinander und sehen alle aus, als kämen sie direkt vom Stylisten.Da muss ich, stinknormal wie ich bin ja herausstechen wie Paradiesvogel. Während ich Block und Kugelschreiber auspacke, höre ich Herr Kiefer vorne mit einem Ohr zu, wie er einen bejaten Imperativ mit Pronomen erläutert. Ich will gerade sein erklärtes von der Tafel abschreiben, da fällt mir auf, dass ein Typ vor mir total meine Sicht versperrt. „Hey.“ rufe ich flüsternd. Doch keine Reaktion. „Ssst.“ versuche ich es erneut. Immer noch nichts. Sag mal braucht der ein Hörgerät? Ich reiße ein Blatt Papier vom Block und zerknülle es in meiner Hand zur Kugel. Als ich es ihm an den Kopf werfe dreht er endliche seinen Kopf in meine Richtung. Er schaut mich böse an und ich bemerke auch den Grund seiner Abwesenheit, die in Form eines Iphones auf seinem Tisch hinter dem Mäppchen versteckt liegt. Als ich den Blick wieder auf sein Gesicht richte verfolgt mich augenblicklich das Gefühl, dass ich ihn kenne. „Ich sehe nichts.“ sage ich nervös. Um meine Unsicherheit ihm gegenüber zu verstecken drücke ich den Stift so fest ich kann auf den Tisch und beiße auf die Unterlippe. Verwirrt schaut er mich an, scheint einen Moment zu überlegen und zieht dann erleuchtend die Braue in die Höhe. Als er sich dann wieder umdreht und ein Stück nach rechts rückt damit und die Sicht auf die Tafel somit frei gibt, komme ich nicht umhin seine Rückansicht anzustarren. Woher kenne ich ihn?, diese Frage steht fett und in XXL Format in meinem Gehirn. Ich finde keine Antwort drauf. Er trägt ein graues T-Shirt, schwarz Jeans und grau-schwarze Skaterschuhe. Na wenn das mal nicht eintönig ist. Seine Haare kann ich wegen seiner Cap nicht sehen. Vermutlich auch schwarz. Es würde auf jeden Fall passen. Mit flauem Gefühl im Magen verfolge ich den Unterricht weiter. Es wurmt mich einfach, dass ich diesen Kerl da vorne kenne und nicht weiß woher. Geschlagene zwei Stunden sitze ich in diesem Raum, stopfe mir den französisch-Stoff in meinen Kopf und beobachte nebenbei die Person vor mir. Ab und an quatscht er mit den zwei Typen neben ihm, die genau wie er dunkel gekleidet sind. Den Rest der Zeit bleibt er aber ruhig und tippt ständig auf dem Display herum. Als Herr Kiefer den Raum für eine viertel stündige Pause verlässt, wird es augenblicklich lauter. Ich versuche mein Aufgeschriebenes nochmal durchzulesen, was aber nicht gelingt, da sich die Person vor mir erhebt. Wow ist der groß, ist das erste was mir in den Kopf schießt. Als er sich mit seinem Stuhl direkt vor meinen Tisch setzt, versteife ich direkt. Alles was ich jetzt will ist, dass er geht und mir somit wieder meine Luft zum Atmen gibt, sonst sterbe ich. Angespannt fresse ich das Blatt vor meinen Augen förmlich auf. Wie soll ich mich da verhalten? „Der Spacke da vorne hätte gerne deine Nummer.“ fängt er an. Für einen Moment schiele ich auf diesen Spacken, wie er so schön sagt, verwerfe dann aber den Gedanken mich mit beiden auseinander zu setzen. Das ist wohl wieder so ein dummer Witz, den sie mit meiner Reaktion erst so richtig witzig machen. Also ignoriere ich ihn, was wirklich schwer ist. Ich lese mir die Sätze durch und begreife keinen einen davon. „Hallo ich rede mit dir.“, ertönt es wieder aus seiner Richtung. „Lass sie Nils. Die ist echt prüde.“, höre ich den Spacken (ich beschließe ihn auch so zu nennen, da er wirklich einer ist) sagen. Gespielt gelangweilt schaue ich ihn an. Dabei weis ich nicht was mich mehr aufwühlt. Ob es an dem Namen Nils liegt oder an der Aussage, dass ich prüde sei. „Das würde ich nicht behaupten, immerhin hat sie zu Hause eine Deckstation, die sie bestimmt auch benutzt.“, mischt sich der Dritte im Bunde ein. Ihm werfe ich einen tötenden Blick zu. „Wie tief hast du für diesen Gedanken eigentlich greifen müssen? Oder soll ich lieber sagen, hoch. So Bodenlos wie du bist.“ mein Blick wird eisern, wenn er meint einen dummen Spruch nach dem anderen drücken zu müssen, sollte er sich warm anziehen. Heute bin ich mit dabei. Ich packe meine Sachen zusammen und schultere meine Tasche. „Versammelt ihr euch eigentlich immer um euch bei der Vorstellung einen runter zu holen?“ frage ich an die drei gerichtet, wobei mir der verwirrte Gesichtsausdruck von Nils, der immer noch an meinem Tisch sitzt, nicht entgeht. Einen Moment zu lange schaue ich ihn an. Erst jetzt fällt mir der kleine Ring an seiner Lippe auf. Seine Augen erinnern mich sofort an frühere Zeiten, was ich nicht ertrage. Ich reiße mich von seinem Blick los und verlasse den Raum. Auf dem Flur fange ich an zu rennen und höre so schnell auch nicht damit auf. Bilder von damals vermischen sich mit dem Morgen bei Annas Party, als er mich umrannte. Dazu kommt noch das eben Passierte. Auf dem Schulhof komme ich zum Stehen und weiß weder ein noch aus. Den Bus kann ich nicht nehmen, da er erst wieder in einer Stunde fährt. Zu Anna kann ich auch nicht. Dazu kommt noch das Chaos in mir. „Fuck.“ schreie ich verzweifelt, ganz gleich ob das jemand hört oder sieht. Mit zittrigrn Fingern fische ich mein Smartphone aus der Tasche und wähle Jaques Nummer. „Was ist los?“ meldet er sich direkt. „Kannst du mich abholen?“ frage ich. Dass meine Stimme zittert kann ich nicht verhindern. „Schule?“, fragt er besorgt. „Ja.“, damit habe ich schneller aufgelegt als ich eigentlich wollte. Den Tränen nahe laufe ich auf und ab. Der Sturm in mir will sich einfach nicht legen. Warum muss er auch wieder auf diese Schule kommen? Konnte er nicht da bleiben wo er hingegangen ist? Warum hab ich ihn damals bei Anna nicht gleich erkannt? Naja ich hätte ihn eben ja noch nicht einmal erkannt, wenn Spacken ihn nicht mit seinem Namen angesprochen hätte. Mit höllischer Geschwindigkeit bremst Jaque den Wagen vor dem Schulhof ab und hinterlässt dabei eine ordentliche Bremsspur. Sofort springt er raus und kommt auf mich zu. „Du solltest doch den Kurs absitzen.“ meint er verärgert und gibt mir einen Grund den Mund aufzumachen. „Ich habe aber keinen Bock auf die Scheiße.“, brülle ich ihn an. „Und schon gar nicht wenn ich mit Blödmännern wie Nils in einem Raum sitzen soll, da könnt ihr euren Scheiß alleine machen. Und wenn du mich nicht nach Hause fahren willst, werde ich eben laufen.“, als er sich nicht rührt wende ich mich ab. „Lu, warte.“ vereinzelte Tränen bahnen sich den Weg über meine Wange, weshalb ich einfach weiter gehe. Nach den ersten paar Schritten hat Jaque mich allerdings eingeholt. „Nils?“, fragt er skeptisch. Ich kann nur lahm nicken, was in dazu bringt, mich in seine Arme zu ziehen. Schweigend wiegt er mich fest umklammert hin und her. „Ich will nicht weinen Jaque.“ schluchze ich. „Glaub mir ich werde das Schwein fertig. Wenn er sich nicht von dir fern hält kann er sich seinen Grabstein aussuchen.“ meint mein Bruder wild entschlossen. Ein Gefühl in mir will ihn davon abhalten, will Nils nicht leiden sehen. Doch mein Kopf sagt das Gegenteil. Nachdem was er damals getan hat muss er bluten. Er muss erfahren wie sich so etwas anfühlt. „Bringst du mich Heim?“ frage ich diesmal bittend. „Klar, steig ein.“ Die Fahrt über schweigen wir uns nur an. Ich weiß nicht wieso aber irgendwie kann ich nicht so ernsthaft mit Jaque darüber reden. Er würde mich nicht verstehen und wahrscheinlich tut das niemand. Wenn ich es selbst nicht mal verstehe. „Ist dein Nachhilfekurs schon vorbei?“, fragt meine Mutter sofort als wir zu Hause ankommen. „Mir ist schlecht.“, rede ich mich raus, wobei es noch nicht ein mal gelogen ist. Paps ist noch bei den Pferden. Deshalb hole ich mir einen Joghurt aus der Küche und verschwinde auf mein Zimmer. Lange halte ich es dort aber nicht aus. Deshalb beschließe ich schon bald raus zu gehen. Gerade als ich zu den Stallungen komme, sehe ich wie Chocolate aus der Box geführt wird. „Was ist denn mit ihm?“ frage ich Hans, unseren ältesten und erfahrensten Pferdewirt. „Ihm laufen die Hinterläufe an. Er muss unbedingt in die Führmaschine.“, erklärt er mir. „Warte ich kümmer mich um ihn.“ biete ich schnell an und stelle mich entschlossen vor die Beiden. Nach kurzem Zögern nickt er nur und drückt mir den Strick in die Hand. Hans hat recht. Seine hinteren Fessel sind wirklich angeschwollen, was ihn in der Bewegung aber nicht einschränkt. Nach dem ersten Leckerli knabbert er immer wieder an meiner Tasche. Ich gehe mit ihm an der Führmaschine vorbei und schaue Susanne noch eine Weile dabei zu wie sie die Mutterstuten füttert. Danach laufe ich mit Chocolate, der sich sichtlich über die Abwechslung freut und schon neben mir tänzelt, ein Stück über die Trainingsbahn, um dann einen Weg in den Wald zu nehmen. Das Gefühl der Abwesenheit lenkt meine Gedanken wieder zu Nils. Bis jetzt habe ich noch keine Antworten auf all die Fragen, die mir immer wieder durch den Kopf gehen. Warum ist er wieder zurück gekommen? Warum habe ich davon nichts mitbekommen? Hat er mich auch nicht erkannt? Warum hat er diesen merkwürdigen Style? Und verdammt nochmal was sucht er in meinem Kurs? Er ist fast drei Jahre älter als ich. In diesem Moment vermisse ich Anna. Sie fehlt einfach. Mit ihr könnte ich bestimmt darüber reden. Und sie könnte auch eine Menge übers Internet heraus finden, was seine Vergangenheit angeht. Ja es weckt mein Interesse, aber ich werde ihm nicht den Gefallen tun und selbst nachfragen. Im Moment denke ich wirklich daran ob ich die Schule nicht wechseln sollte. Dafür müsste ich allerdings meine Eltern und die Lehrer anlügen, was mir so überhaupt nicht liegt. Als wir auf einer kleinen Wiese zum Stehen kommen, lasse ich den dunklen Wallach von dem saftigen Gras fressen. Ich schaue ihm zu und versinke gleich wieder in Gedanken. Immer wieder taucht sein Gesicht vor meinem inneren Auge auf. Warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen?

 

 

 

 

 

 

3.

Am nächsten Morgen wäre ich am liebsten gar nicht erst aufgestanden. Aber meine Mutter hat mich so lange genervt, dass ich doch ins Bad geschlurft bin. Jaque habe ich noch nicht gesehen, was mich auch nicht wirklich stört. Ich bin ja so schon mehr als überfordert mit der Situation. Schnell packe ich meine Hausaufgaben in die Tasche und fahre mit dem Rad zu Haltestelle. Zum Glück hat Paps sich um mein Fahrrad gekümmert. So muss ich nicht schon wieder zu Fuß laufen. In der Schule angekommen suche ich den ganzen Pausenhof nach Nils ab. Es ist nicht so, dass es mich interessieren würde, mit welchen Leuten er rumhängt, sondern aus dem einfachen Grund, dass ich ihm aus dem Weg gehen kann. Schließlich entdecke ich ihn bei einer Gruppe, die ähnlich wie er gekleidet ist. An für sich sind sie mir jedoch allesamt fremd. Es befindet sich keiner in der Clique, von dem ich behaupten würde ihn schon mal gesehen zu haben. Ein Mädchen kommt auf ihn zu, wobei ich erwähnen muss, dass wirklich hübsch ist. Natürliche Schönheit würde ich behaupten. Als er sie in den Arm nimmt und nicht mehr los lässt, bildet sich ein Kloß in mir. „Mädchen pass doch mal auf.“ kommt es nach einem Zusammenstoß von einem fremden Typen. „Tut mir leid.“, sage ich schnell und gehe einfach weiter. Bevor ich die Aula betrete, drehe ich mich noch ein mal zu Nils um. Genau in diesem Moment schaut er mir direkt in die Augen.es durchfährt mich wie ein Blitz. Er hält mich gefangen. Selbst bei dieser Entfernung. Jedoch setze ich diesmal meinen Weg fort, bevor ich jemandem den Weg versperre. Auf dem Weg in die dritte Etage tritt immer wieder seine Gestalt vor mein inneres Auge. Planlos lasse ich mich an der Wand neben der Tür auf den Boden sinken. Meine Gefühle drehen am Rad, wobei mir leicht schummrig wird. Nebenbei nehme ich noch wahr, wie unser Klassenzimmer aufgesperrt und mit dem Unterricht begonnen wird. Erst als er meinen Namen erwähnt um die Hausaufgaben zu kontrolliere, fahre ich erschrocken hoch und reiße mich zusammen. Mit der Zeit merke ich, dass Mitarbeit eine gute Ablenkung ist. Und wenn man mal drin ist, ist es gar nicht mal so schwer. Sogar die Gruppenarbeit in der fünften Stunde im Erdkundeunterricht geht reibungslos von der Hand. Nur kann ich mich im Sportunterricht nicht wirklich beweisen. Auch wenn ich reite und regelmäßig joggen gehe um mein Gewicht zu halten, habe ich dennoch Probleme. Ich bin nicht besonders schnell und stark bin ich auch nicht. Ist wohl vererblich. Aber dann dürfte mein Bruder auch nicht so kräftig gebaut sein. Es sei denn meine Mutter hatte meinen Vater betrogen und davon gehen wir jetzt mal nicht aus. Schnell verwerfe ich den Gedanken und beeile mich beim Umziehen, damit ich den Bus nicht verpasse. In der Umkleide zerreißen sich die Mädchen mal wieder lautstark ihre Mäuler über einen neuen Schüler. Ich bin wirklich froh da raus zu sein. Von dem ganzen Gekreische bekommt man doch Kopfschmerzen. Da die Aula schon leer ist, laufe ich so schnell ich kann zu den Bussen. Abgehetzt bekomme ich einen Stehplatz in der Mitte und stöpsel mir die Ohrhörer ein. An meiner Haltestelle springe ich raus, befreie mein Fahrrad vom Schloss und verstaue es in meinem Rucksack. Mein Blick fällt unwillkürlich auf ein Paar schwarz-graue Schuhe. Ein weiteres Paar links daneben. Wenn ich jetzt noch an Hallos leide bin ich echt reif für die Klapse. Um dies ausschließen zu können hebe ich in Zeitlupe meinen Kopf um die Personen in den Sneakern zu identifizieren, so als könne ich mit jeder zu schnellen Bewegung explodieren. Und im nächsten Augenblick würde ich das dann doch am Liebsten. Ganze sechs Augenpaare starren mich an. Ok, starren ist übertrieben aber wie fühlt man sich wenn drei Kerle vor einem stehen und besonders dieser grüne Blick einen durcheinander bringt? Genau! Beschissen! „Was wollt ihr?“ frage ich stockend wobei meine Stimme auch noch anfängt zu zittern. Um Nils nicht ansehen zu müssen schaue ich zwischen den anderen Beiden abwechselnd hin und her. Mein Herz schlägt bestimmt schon im drei-viertel Takt und meine Hand umklammert den Lenker meines Fahrrads „Deine Deckstation ausprobieren. Du hast doch sicher nichts dagegen oder?“, kommt es selbstgefällig von dem selben Spacken von gestern. „Halts Maul und verpiss dich.“ zischt Nils. Überrascht schaue ich zu ihm auf und stelle verwundert fest, dass er Blickkontakt sucht. „Panda, Panda, Panda....“ dröhnt es aus meinen Kopfhörern und ich denke wirklich nichts anderes. Im Augenwinkel sehe ich wie die Beiden uns wirklich den Rücken kehren und ein paar Meter weiter gehen. „Lu...“ setzt er an und verdammt, alleine der Klang seiner Stimme und die Art wie er meinen Namen ausspricht, rufen alte Bilder in mir hervor. „Ich würde gerne mit dir reden.“ fährt er fort. „Ich habe keine Zeit.“ wehre ich sofort ab und merke erst im nächsten Moment wie dumm es doch war. Es kam kein – Ich aber nicht – oder – Schön für dich- Nein, von mir kommt nur so was wie, ich hab keine Zeit. „Ich weiß, deshalb wollte ich dich fragen ob du morgen Abend Zeit hast.“ hat er prompt die Lösung. Geht nicht gibt’s nicht, eine seiner Macken. „Ich weiß nicht ob das eine gute Idee ist Nils.“ bedenke ich. Und dann taxiert er mich mit dem Blick bei dem ich schon früher immer eingeknickt bin. Er kennt mich einfach zu gut. „Ich überlegs mir.“ , gebe ich mich geschlagen, was ihn leicht lächeln lässt. Noch bevor er sich umdreht und zu den Beiden Idioten auf die Crossmaschinen setzt, gibt er ein leises „Danke.“ von sich. Um ihn nicht weiter offensichtlich anstarre, steige ich schnell auf mein Fahrrad und fahre nach Hause. Immer noch leicht mitgenommen treffe ich prompt auf Jaque. „Und?“ er kommt auf mich zu und sieht mich eindringlich an. „Was und?“, stelle ich gespielt ahnungslos die Gegenfrage. „Hat er nochmal versucht mit dir zu reden?“, fragt er nun konkreter. Einen Moment zöger ich und überlege ihn wirklich anzulügen. „Ja.“ geradeso übernimmt die Vernunft die Oberhand. Nun ist sein Blick nicht nur eindringlich sondern auch noch wütend an. Oh man warum bin ich immer dafür verantwortlich? „Was hat er gesagt?“ will er aufgebracht wissen. „Er hat gesagt, dass er mit mir reden will.“ gebe ich wahrheitsgetreu zu. „Was?“ jetzt ist er völlig aus dem Häuschen. Sein Unterkiefer spannt sich bedrohlich an und er läuft neben mir auf und ab, was mich noch nervöser macht. Im Moment bereue ich es ihm die Wahrheit gesagt zu haben. „Jaque kannst du mal damit aufhören?“ frage ich ihn kleinlaut. „Du hast doch hoffentlich nicht zugestimmt oder?“ fragt er, als habe er mich überhaupt nicht gehört. Dicht vor mir bleibt er stehen und wartet angespannt meine Antwort ab. Um seine Reaktion nicht in seinen Augen lesen zu müssen, schaue ich an ihm vorbei. „Ich habe gesagt, dass ich es mir überlege.“ „Boa Lu! Wie blauäugig bist du eigentlich?“ seine Stimme schneidet scharf durch die dicke Luft. Er fasst sich verzweifelt an die Stirn und dreht sich um. Wortlos verschwindet er dann in der Futterkammer und lässt mich leicht verängstigt zurück. Weil er nach fünf Minuten noch immer nicht heraus kommt, gehe ich ins Haus. In meinem Zimmer angekommen reiße ich beide Fenster auf um frische Luft rein zu lassen. Ich habe nämlich die Befürchtung innerhalb meiner eigenen vier Wände vor Verwirrung zu ersticken. Mit Musik auf den Ohren begebe ich mich sofort an die Hausaufgaben. Um fünf Uhr begebe ich mich dann aber nach draußen um noch im Stall zu helfen, weil sich auch mein Kopf nach dem ganzen Schulmist zwar nicht mehr so intensiv mit dem Thema Nils beschäftigt, aber dennoch ziemlich schwer ist. „Hey Lu.“ begrüßt mich Susanne, die mal wieder bei den Fohlen ist. „Und, wachsen sie schön?“ frage ich. Zuerst sieht sie mich verwirrt an, doch dann erhellt sich ihre Miene und ein lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. „Oh ja. Die zwei Jungs da vorne kann man nächste Woche schon zu den Einjährigen stellen.“ erklärt sie und deutet auf zwei junge Hengste, die ihre Mütter ordentlich malträtieren. Zustimmend nicke ich und helfe ihr die Boxen vorzubereiten. „Bei Fortuna dauert es auch nicht mehr lange. Sie steht in den letzten Tagen immer abseits und wirkt schon ziemlich träge.“ erklärt sie beim Einlassen der Alleinerziehenden. „Wollte Doc Maverick nicht die Tage mal vorbeikommen?“ frage ich daraufhin. „Doch er kommt morgen Mittag mal vorbei.“ mit einem letzten Handgriff hat die blonde Mitarbeiterin, die nun schon sechs Jahre stets ihren Job macht, die Laufboxen gesschlossen. „Ich schaue noch schnell nach Chocolate.“, erkläre ich ihr und begebe mich in den Trainingsstall. Hans ist wohl auch schon fertig, denn das stetige kauen der Pferde ist beim Eintreten in die Stallung kaum zu überhören. Als ich am Ende des Ganges und somit an Chocolates Box ankomme, schrecke ich bei dem Klang von Jaques Stimme leicht zusammen. Er ist wohl draußen am telefonieren. „Ich werde schauen was sich machen lässt.“ gibt er genervt von sich als ich seine Schritte immer näher kommen höre. „Lu.“ er klingt überrascht, als er mich entdeckt. „Was machst du hier?“ fragt er, während ich noch immer über die Boxentür gelehnt, das schwarze Pferd vor mir betrachte. „Ich schaue nach seinem Bein. Hans hat gesagt es läuft die letzten Tage immer an.“ erkläre ich ohne den Blick zu heben. Mein Bruder stellt sich neben mich und atmet hörbar tief durch. Im Grunde weiß ich worauf er jetzt hinaus will, aber ich fange sicher nicht mit diesem Thema an. „Von mir aus kannst du mit Nils reden, wenn du das möchtest. Aber ich werde mitkommen. Ich habe nämlich keine Lust dich nachher irgendwo aufgelöst aufzugabeln und mir Sorgen zu machen.“ rückt er schließlich von allein mit seinem Anliegen raus. „Danke.“ ich weiß nicht was ich sonst hätte sagen sollen und auch das Lächeln was ich ihm schenken will, missrät kläglich. „Ich werde ihn nochmal raus holen.“ wechsel ich möglichst schnell das Thema und halftere das Pferd. Momentan habe ich keinen Nerv dazu weiter darüber nachzudenken. „Morgen Abend.“ teile ich ihm kurz angebunden mit, woraufhin er nur gedankenverloren nickt und mich beim Verlassen der Stallung beobachtet. Ich steuere sie gleiche Runde vom Vortag an und Chocolate ist wirklich aufgedreht. Er bringt mich in Versuchung ihn einfach auf die Koppel zu lassen. Aber das Risiko, dass er sich verletzen könnte ist einfach zu groß. Immerhin hat er am Samstag noch ein Rennen in Zweibrücken vor sich. Ich hoffe, dass das Bein bis dahin wieder gesund ist, denn auf ihn wolle ich nur ungern verzichten, gerade weil ich ihn reiten werde. Zwar werde ich auch noch zwei weitere Rennen bestreiten aber mit ihm und seiner extremen Antrittsgeschwindigkeit und dem enormen Willen zu siegen, ist es doch immer wieder ein Highlight. Als ich merke, dass er keinen Hunger mehr hat, biete ich im die lange Longe an um ein paar Kreise zu drehen. Er tritt freudig nach vorne aus oder richtet sich in seiner vollen Größe auf, was mich schmunzeln lässt. In seinem Blick liegt pure Lebensfreude. Mit Einbruch der Dunkelheit machen wir uns auf den Heimweg. Zur Belohnung füttere ich ihn noch mit ein paar Möhren. „Wo warst du denn so lange?“ fragt meine Mutter skeptisch, als ich schließlich zur Tür rein komme. Sie räumt gerade den Abendtisch ab. „Ich habe Chocolate nochmal raus geholt.“ erkläre ich auf dem Weg nach oben. Ich komme am Wohnzimmer vorbei und sehe meinen Bruder angeregt mit meinem Vater im Gespräch. Das ungute Gefühl, dass er Paps von Nils erzählt macht sich in mir breit. Aber als ich den Namen eines anderen Rennstalls höre, legt sich meine Sorge wieder. Im Zimmer angekommen entdecke ich sofort mein klingelndes Smartphone. Auf dem Display ist Annas Name zu sehen. Kurz überlege ich abzunehmen aber entscheide mich dann doch dazu sie noch ein wenig zappeln zu lassen. Immerhin bin ich eigentlich noch gar nicht zu Hause. Kaum habe ich mich aufs Bett fallen lassen, klingelt es erneut. Diesmal hat sie nur eine Nachricht hinterlassen. - Können wir reden? Es tut mir leid wie ich dich behandelt habe. Vermisse dich. - Ich kann nicht leugnen, dass diese Nachricht mich etwas berührt. Aber ich beschließe dennoch eine Nacht über ihren Vorschlag nachzudenken.

Der nächste Morgen wird nicht weniger hektisch als die Morgen davor. Dafür läuft es in der Schule immer besser. Langsam aber sicher steigt meine Mitarbeit und auch mein Interesse wird bei dem ein oder anderen Thema geweckt. Die Überbrückungszeit bis zum Nachhilfekurs verbringe ich damit Hausaufgaben zu machen. Zum einen um nicht andauernd an das Treffen heute Abend zu denken und zum anderen um nachher mehr Zeit für die Pferde zu haben. Gerade versuche ich eine Matheaufgabe zu lösen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre. Sofort zucke ich zusammen, mein Kopf schnellt hoch und meinen Kugelschreiber kann ich vom Fallen auch nicht mehr aufhalten. Neben mir steht Anna und sie zwingt sich ein Lächeln auf. Schnell nehme ich meine Ohrstöpsel raus, da fängt sie auch schon an zu reden. „Darf ich mich zu dir setzen?“, fragt sie zögernd. Mein Zeug räume ich wieder ein nicht wissend wie ich reagieren soll. „Es tut mir leid Lu.“ entschuldigt sie sich und Reue schwingt in ihrer Stimme mit. Es ist merkwürdig die sonst so taffe Anna so zurückhaltend und kleinlaut zu sehen. „Warum bist du einfach mit dem Arschloch weg gefahren?“ will ich wissen. Ich blicke zu ihr rüber und merke wie sie zögert. „Keine Ahnung ich habe gedacht du kriegst dich wieder ein.“ gesteht sie. „Klar, ich krieg mich wieder ein. Ich mein es ist mir egal wenn meine beste Freundin mit so einem Arschloch in den Urlaub fährt ohne vorher irgendwas zu sagen.“, platzt es aus mir heraus, woraufhin sie nur betreten schweigt. „Du hast mir weh getan Anna. Es hat sich angefühlt als hättest du mich in einer Welt voller Monster allein gelassen nur um mit ebenso einem Monster in Urlaub zu fahren.“ sage ich eindringlich. Ich will, dass sie weiß wie es sich anfühlt. Ja ich weiß, dramatischer hätte ich es nicht zum Ausdruck brngen können. „Ich verspreche dir, dass sowas nie wieder vorkommt.“ „Hoffe ich für dich.“ sage ich prompt bevor ich merke, was sie mir damit eigentlich sagen will. „Wie? Warum? Was hast du denn mit Schnösel-Max gemacht?“ frage ich gerade heraus. Sie weicht meinem Blick aus und nestelt an ihrem Armband herum. „Er hat auf einmal gemerkt, dass er nicht auf Frauen steht.“ sagt sie mitgenommen. Bei diesem Gedanken muss ich grinsen und kann das darauffolgende herzhafte Lachen nicht unterdrücken. Anna schaut mich strafend an, was mich nur noch mehr lachen lässt. „Das ist nicht lustig.“ meint sie. „Oh, doch …. und wie.“ japse ich nach Luft ringend. Gespielt beleidigt zieht sie einen Schmollmund. „Und?“ frage ich, als ich mich ein wenig beruhigt habe. „Habt ihr schon miteinander geschlafen?“ Verlegen schaut sie weg. Ich lasse es mir nicht nehmen nochmal darauf herum zu reiten. Es ist einfach zu komisch. „Wie ist es denn so mit einem schwulen Typen zu schlafen?“ „Mensch Lu, du bist echt mies.“ mein Blick fällt auf ihre Armbanduhr und versetzt mich sofort in Schrecken. Ich bin schon eine viertel Stunde zu spät. „Fuck, ich muss los, wir reden später.“ ich springe von der Mauer und sprinte über den ganzen Schulhof bevor Anna auch nur noch ein Wort von sich geben kann. Völlig außer Puste klopfe ich an die Holztür. Herr Kiefer taxiert mich mit einem tötenden Blick, bevor er sagt: „Wenn es zur Gewohnheit wird, dass Madame zu spät kommt, sehe ich mich gezwungen nochmal ein Gespräch mit deinen Eltern aufzusuchen.“ ohne ihn weiter zu beachten gehe ich an ihm vorbei nach hinten. „Würde ihnen nicht schaden wenn sie sich nicht so viel zwingen würden.“ rutscht es mir heraus. Ich weiß, dass er sich nicht die Mühe macht bei uns zu Hause anzurufen, dafür sind ihm die Schüler zu egal. Während ich mich auf dem Tisch mit meinem Kram ausbreite, fährt er vorne mit seinem Vortrag fort. Erst nach den anfänglichen zehn Minuten bemerke ich den leeren Platz eine Reihe vor mir. Zum einen erleichtert und zum anderen etwas wehleidig starre ich diesen Platz eine Weile an. Dann lasse ich meinen Blick trotzdem nochmal prüfend durch den Raum gleiten. Und der Anblick links von mir, der sich mir da bietet hat es in sich. Ich hätte ja nach Luft geschnappt, wenn es nicht zu auffällig gewesen wäre. Ich sehe Nils wie er das Mädchen von gestern auf dem Schoß hat, die Arme um ihren Bauch geschlungen lacht er kurz auf ihre Bemerkung hin. Dann legt er die Stirn an ihren Rücken und dreht seinen Kopf unerwartet in meine Richtung. Peinlich berührt, dass ich die beiden in einer so intimen Situation beobachtet habe, stecke ich meinen Kopf, der bestimmt schon rot anläuft in mein Buch. Am liebsten würde ich im Erdboden versinken. Oder einfach aus dem Fenster springen. Das wäre mir alles lieber als von Nils beim Starren erwischt zu werden. Den Rest der Stunde beachte ich ihn nicht weiter, was er mit seinen provokativen Blicken nicht unbedingt leicht macht. In der Pause stürme ich aus dem Klassenraum und flüchte aufs Klo. Dort setze ich mcih auf den Klodeckel und versuche durch stetig zwanghaftes langsames Atmen wieder etwas runter zu kommen. Aber es gelingt mir nicht wirklich. Also gehe ich wieder zurück. Langsam wohlgemerkt. Dennoch zu schnell wie ich feststelle, als ich in das Klassenzimmer wieder betrete. Es herrscht heiles Durcheinander und vom Lehrer ist keine Spur zu sehen. Abwesend setze ich mich auf meinen Platz und fange an alle Verben, die mir gerade einfallen auf französisch zu übersetzen und der Reihe nach zu konjugieren. „Da hat aber jemand gelernt.“ die Stimme lässt mich zusammenzucken. War ich wirklich so in mein Tun versunken, dass ich den Spast nicht bemerkt habe? Ganz absichtlich behandel ich ihn nicht wie Luft, da ich ihn sonst einatmen müsste, worauf ich liebend gern verzichte. Deshalb behandel ich ihn wie Dreck, den lässt man doch auch links liegen wenn es nicht gerade der eigene ist oder? Und seine Mutter bin ich schließlich auch nicht. „Hast du eigentlich mal Zeit mir dein Spielzimmer zu zeigen?“ Er stützt sich mit den Händen auf meinem Tisch ab und kommt mit seiner Visage verdammt nah. Wieder sind da diese Fantasien in meinem Kopf wo ein Bohrer von der einen Seite seines Kopfes sich bis zu anderen Seite durcharbeitet und das Blut an ihm herunter läuft. Keine Ahnung woher diese kommen. „Ne du, Spielzimmer ist zu voll. Da hab ich die ganzen Barbietypen eingesperrt.“ entfährt es mir in zuckersüßem Ton. „Du stehst also auf Barbietypen?“ lässt er nicht nach. „Naja immerhin kommt bei denen nicht so viel Scheiße aus dem Maul wie bei deinesgleichen.“ diesmal schaue ich ihm direkt in die Augen. „Beim Ficken kann ich auch mein Maul halten.“ Alter, wie tief kann man sinken? „Gut zu wissen.“ grinse ich und steche ihm meinen frisch gespitzten Bleistift in den Handrücken. „Es interessiert mich aber nicht.“ füge ich hinzu bevor er aufschreit und somit die unbeschränkte Aufmerksamkeit der Schülerschaft hat. Ich tue, als sei nichts passiert und ergänze meine Liste. Auf die Sekunde genau kommt auch Herr Kiefer wieder in den Klassenraum. „Kann ich dir helfen Mark?“ die Frage ist an den Spast vor mir gerichtet, der noch immer seine Hand hält. „Ja bitte, er leidet an akutem Sexmangel. Wenn sie also so gütig wären und ihren Körper im Nebenraum für ihn zur Verfügung stellen?“ sage ich mit dem Blick auf meine Liste und dennoch an Herr Kiefer gerichtet in überfreundlichem Ton. Ich höre wie jemand aus der ersten Reihe lacht und wie Mark hörbar nach Luft schnappt. Ist aber auch stickig hier drin. Dabei kann man sogar das Rattern in Kiefers Hirn hören. „Ich glaubs nicht, die Schlampe hat mir die Hand durchbohrt.“ regt der Typ vor mir sich auf. „Und sie hat dich beleidigt...“ füge ich beschwichtigend seiner Aussage hinzu. Das andere Kommentar wäre in Anwesenheit eines Lehrers nicht besonders produktiv gekommen. Dieser kommt nach hinten und sieht sich Marks Hand an. „Geh ins Lehrerzimmer und lass dir ein Pflaster geben.“ sagt er nur. Mark verschwindet auch ziemlich zügig, lässt es sich aber nicht nehmen die Tür lautstark zu schließen. „Wenn ich nochmal mitbekomme, dass sie handgreiflich werden oder solche Kommentare von sich geben, werden sie ein nettes Gespräch mit dem Rektor haben, das Verspreche ich ihnen.“ droht er. „Soll ich das nächste Mal warten bis er seine dreckigen Hände an mir hat oder was?“ frage ich, bekomme jedoch keine Antwort. War ja mal wieder klar. Wütend starre ich ihn an und gewinne auch das Blickduell gegen ihn. Was ein Versager. Danach fühle ich mich ein wenig besser. Aus Trotz bemühe ich mich die restlichen zwei Stunden überhaupt nicht mehr und gehe nicht auf die Provokationen von Kiefer ein. Geschafft packe ich meine Sachen zusammen und bereite mich innerlich schon auf die Busfahrt vor. „Hast du es dir überlegt?“, lenkt Nils meine Aufmerksamkeit auf sich. Erstaunt sehe ich ihn an, muss dann aber meinen Blick abwenden. Zwar hat er sich die letzten Jahre verdammt verändert, was man von der Wirkung seines Blickes dennoch nicht behaupten kann. Ich merke, dass der Raum schon leer ist. An der Tür jedoch wartet das Mädchen, was ich aufs Blut nicht leiden kann. Sie ist wie alle anderen Bitches auf dieser verdammten Schule, rede ich mir ein, weil ich den wahren Grund nicht hören will. „Lu.“ holt mich Nils aus meinen Gedanken. „Ja.“ sage ich nur ohne ihn zu beachten. Ein Gefühl, dass ich nicht beschreiben kann, breitet sich in meiner Bauchgegend aus. „Um neun im Stadtpark an dem Springbrunnen.“ ich dränge mich an ihm vorbei und stoße das Mädchen, das nicht viel größer ist als ich, ganz aus Versehen mit der Schulter weg. „Pass doch auf.“ ruft sie mir hinterher. Meine Reaktion besteht nur darin meinen wunderschönen Mittelfinger in ihre Richtung zu recken. Als meine Lunge sich draußen wieder mit frischer Luft füllt und ich mich eigentlich auf den Weg zu den Bussen machen will, entdecke ich Anna auf dem Parkplatz. Schon von Weitem winkt sie mir zu und fängt an zu Grinsen, was mich auch dazu bringt. „Du arme.“ sie schließt mich in ihre Arme und drückt mich an sich. „Hier.“ als sie mich los lässt, hält sie mir ein Eis entgegen. „Danke.“ bringe ich hervor und fange gleich an es zu verschlingen. „Hast du frei?“ frage ich irgendwann, weil sie normalerweise erst um halb acht Schluss hat. Sie ist in der Ausbildung zur Bürokauffrau in irgendeinem Unternehmen in der Stadt. „Ne, hab die Woche noch Urlaub.“ erklärt sie. „Jetzt sag aber mal Anna, wie war das genau mit deinem Freund? Wie kam Schnösel-Max denn darauf plötzlich schwul zu sein?“ frage ich neugierig. Verlegen streicht sie sich eine Strähne hinters Ohr und spielt an ihrem Schlüsselanhänger herum. „Naja, wir waren morgens am Strand spazieren und du weißt wie scheiße ich drauf sein kann. Aber er hat nichts gesagt. Als wir ins Hotel zurück sind, da war so ein Typ der mit Max reden wollte. Ich dachte es wäre irgendwas familiäres oder so und wollte mich da auch nicht einmischen. Deswegen hab ich mich einfach in die Sonne gelegt. Später hat er mir dann eröffnet, dass es sich um seinen Ex gehandelt hat.“ sie stockt und als ich sie genauer ansehe, merke ich wie sehr sie mit den Tränen kämpft. „Du hast dich wirklich in den verliebt.“ stelle ich nüchtern fest und nehme sie tröstend in den Arm, weil mir keine Aufheiterung einfällt. „Der hat dich absolut nicht verdient.“ durch meine Worte wird mein Shirt nur noch nasser. Wie gern hätte ich die richtigen Worte gefunden, damit sie dem Trottel nicht mehr hinterher trauert. Aber womöglich gibt es die gar nicht. „Danke.“ sagt sie während sie sich von mir löst. „Wofür?“ irritiert krausen sich meine Brauen. „Dafür, dass du mir nicht sauer bist.“ Wofür soll ich ihr noch sauer sein, wenn sie selbst gemerkt hat was für ein kleiner Pisser dieser Max doch ist. „Lass gut sein.“ wehre ich ab, weil ich am Anfang wirklich sauer auf sie war. „Fährst du mich Heim?“ lenke ich vom Thema ab. „Klar, steig ein.“ Unterwegs berichtet sie mir noch tapfer von ihrem Kurzurlaub Auch wenn sie versucht den Schmerz zu vertuschen, sehe ich doch wie sehr sie darunter leidet. „Kommst du noch kurz mit rein?“ frage ich als wir in der Hofeinfahrt stehen. „Ein anderes Mal. Ich bin echt müde. Danke.“ Ich nicke verständnisvoll. „Kopf hoch Anna. Da draußen sind noch so viele andere die ehrlicher sind.“ ich kann ihr noch ein letztes echtes Lächeln abringen bevor sie die Hofeinfahrt wieder verlässt. „Lu.“ ich werde von Jaque in Empfang genommen als ich mich zu ihm umdrehe. „Was war das denn?“ er deutet auf den Mini, der eben den Schotterweg entlangfährt. „Anna.“ gebe ich kurz angebunden von mir, bleibe aber bei ihm stehen. „Ich dachte sie sei in der Karibik.“, zweifelnd verengen sich seine Brauen. Es macht wirklich Spaß seine Mimik zu beobachten. „Es hat sich raus gestellt, dass ihr Lover schwul ist.“ kläre ich ihn auf. Seine Reaktion besteht, ähnlich wie bei mir, aus schallendem Gelächter. „Lach nicht Bruderherz, sie hat sich wirklich in das Arschloch verliebt.“ mahne ich ihn. „Sorry.“ er hebt abwehrend die Hände. Auch seine Mine wird ernster, als er fragt: „Wann willst du dich heute mit Nils treffen?“ „Um neun.“ „Ok. Ich fahr dich.“ damit macht er sich auf den Weg zurück zu Doc Maverick, der im Kofferraum seines Autos hantiert. Mit Magenschmerzen mache ich meine Hausaufgaben fertig und gehe dann wieder raus zu den Pferden. Das Abendessen schmeckt heute irgendwie nach Pappe und auch der Spaziergang mit Chocolate, der heute deutlich kürzer ausfällt, lenkt mich nicht wirklich ab. „Können wir?“ erkundigt sich mein Bruder als ich meiner Mutter beim Abwasch helfe. „Wo wollt ihr denn noch hin?“ will meine Mutter sofort wissen. „Lu will noch etwas abnehmen bis zum Wochenende.“ lügt er sie gnadenlos an. „Pass auf sie auf. Sie ist schon so schmal.“ sie redet, als sei ich nicht anwesend. „Irgenwann fällt mir die Kleine noch vom Pferd.“ sie tätschelt meinen Kopf. „Klar.“ sagt Jaque und ist auch schon draußen. „Tschüss.“ verabschiede ich mich von Mum, schlüpfe schnell in meine Schuhe und bin dann auch schon draußen bei Jaque. Ich verkrieche mich auf dem Beifahresitz seines BMW´s. „Willst du fahren?“ fragt er mich nach ein paar hundert Metern. Verdutzt schaue ich zu ihm rüber. Normal darf man sein heiliges Auto nicht mal anfassen und wenn auch nur ein Krümel Dreck drin ist bekommt er schon einen Anfall. „Was ist denn mit dir los?“ frage ich gerade heraus. „Nichts, aber wenn du nächstes Jahr deinen Führerschein machen willst, wären praktische Kenntnisse schon von Vorteil.“ meint er leicht grinsend. „Dein Ernst?“ will ich wissen. Das wäre nämlich nicht das erste Mal, dass er mich auf den Arm nimmt. „Ok.“ meine ich immer noch zögernd, während er schon raus springt und mir die Tür aufhält. „Aber fahr ihn nicht an die Wand.“ sagt er noch ehe ich hinterm Lenkrad sitze. Zuerst bringe ich den Sitz auf richtige Position. „Was muss ich jetzt machen?“ frage ich nervös. Hey, es ist das erste Mal, dass ich ein Auto fahre, da ist es doch erlaubt ein kleines bisschen nervös zu sein. „Gang rein, Bremse lösen und dann einfach Gas.“ Nun hat er es geschafft und mich völlig durcheinander gebracht. „Pass auf...“ fängt er nochmal an und hilft mir Schritt für Schritt beim Anfahren. Was ein Glück, dass das ein Automatikgetriebe ist. „Und?“ frage ich hoffnungsvoll als wir schon fast am Park angelangt sind. „Mit etwas Übung wirst du bestimmt mal eine richtig gute Autofahrerin.“ er lächelt mich aufmunternd an. Ich kann einfach nicht anders und grinse übers ganze Gesicht. „Da vorne hältst du aber schon an oder?“ fragt er. „Ne, wenn ich weiter vorne halte, kann ich direkt durch die Hecke und komme dann über die Wiese viel schneller zum Springbrunnen.“ erkläre ich meine Absicht. Mit etwas Glück bekomme ich den Wagen dann auch noch zum Stehen. „Cool.“ kommentiert Jaque und schwingt sich aus dem Sitz. Bevor ich aussteige atme ich nochmal tief durch. Mein Herz fängt wieder an sich zu verselbstständigen und meine Hände werden leicht zittrig. Wenn Jaque auf Nils trifft wird es heikel. Auch das war schon früher so. Es wird meine Aufgabe sein ihm keine Gelegenheit zum Ausrasten zu bieten. „Kommst du Lu?“ erst jetzt merke ich, dass ich noch immer an der Hecke stehe. „Tschuldige.“ geübt bahne ich mir hinter Jaque ein Schlupfloch durch die Hecke und stehe dann auf dem frisch gemähten Grünfläche. „Wenn ich nachher voller Zecken bin, trägst du die Schuld.“ warnt er mich. Gespannt schiele ich hinüber auf unseren Treffpunkt. Jedoch kann ich ein paar Meter daneben nur eine handvoll Teenager dabei beobachten wie sie grillen, laut Musik hören und Alkohol trinken. „Kannst du dich etwas im Hintergrund halten?“ frage ich meinen Bruder als ich Nils schließlich erblicke. „Nicht besonders gern, aber weil du es bist mache ich eine Ausnahme. Wenn aber was sein sollte, können wir sofort wieder fahren ok?“ erklärt er sich bereit. Nils setzt sich auf die Bank und sieht zum Glück nicht, dass wir uns ihm nähern. Ein paar Meter hinter Nils angelangt, merke ich, dass mein Bruder stehen bleibt um in Hör- und Sichtweite zu bleiben. Und ich bin Ihm wirklich dankbar, auch wenn er meines Erachtens etwas übertreibt. Ich bin jedoch auch der Meinung, dass mein Herz aufhören sollte sich zu überschlagen. Ich räuspere mich hörbar nachdem ich gemerkt habe, dass ich ihn einige Sekunden nur angestarrt habe. Sofort fährt er herum und sieht mich ernst an. Gleich danach schaut er an mir vorbei und entdeckt Jaque. „Warum hast du ihn mitgebracht?“ will er wissen. „Zur Sicherheit.“lautet meine Antwort. „Du vertraust mir nicht?“ „Es gibt keinen Anlass.“ ich weiß nicht ob es an der Anwesenheit meines Bruders oder an den Gedanken des Mädchen, was wohl seine Freundin ist, liegt, dass ich so gefühlskalt bin. „Willst du dich nicht setzen?“ fragt er höflich. „Nein, ich muss gleich noch weg. Es wäre also ganz nett wenn du zur Sache kommen würdest.“ lüge ich. Er steht auf und jetzt muss ich doch wirklich wieder hoch schauen um mit ihm zu reden. „Du hast dich verändert.“ bemerkt er neben mir. „Hat die Zeit so an sich.“ wehre ich ab, wobei ich es gerne zurück gegeben hätte. Er hat sich wirklich sehr verändert. Sein Babyspeck hat er verloren, seine Haare hat er bis auf ein paar Zentimeter abgeschnitten und auch seinen Bartansatz hat er damals nicht so ausgeprägt getragen. Er ist nochmal ein ganzes Stück in die Höhe gewachsen und seinen Modegeschmack, den hat er wohl verloren. Seine Augen haben dennoch die selbe Wirkung wie früher. „Sie mich nicht so an.“ sage ich eine Spur zu zickig und schaue wieder ins Wasser. Kurz darauf spüre ich seine Finger an meinem Kinn, die leichten Druck ausüben, damit ich ihn anschaue. Auf seinen Lippen liegt ein Lächeln, was ihn unverschämt gut aussehen lässt. „Hey, lass die dreckigen Finger von ihr.“ schreit da auch schon Jaque von hinten. Kurzerhand wird Nils von mir weggezogen. „Reg dich ab Mann, ich hab ihr nichts getan.“ wehrt sich dieser. „Du hast ihr nichts getan? Sag mal erinnert sich dein Kurzzeitgedächtnis sich wirklich nicht daran was du ihr alles angetan hast?“ Jaque wird lauter und packt Nils am Kragen. Nils hingegen macht keine Anstalten sich zu wehren und lässt es sogar zu, dass Jaque seinen Kopf unter Wasser taucht. „Jaque.....Hey..“ ich laufe zu den Zwei und zerre meinen Bruder von Nils weg. „Lass gut sein jetzt.“ sage ich eindringlich und sehe ihm entschlossen in die Augen. „Es ist alles in Ordnung“ versichere ich ihm. Ein Blick zu Nils lässt mich für einen Bruchteil einer Sekunde schmunzeln. Sein Kopf ist ganz nass und es läuft ihm den Hals hinunter und taucht ein Shirt in ein dunkles schwarz. „Lügen kannst du immer noch nicht. Du musst überhaupt nicht mehr weg.“ grinst er mich unverhohlen an. Eigentlich wollte ich mich ja bei ihm für das Verhalten von Jaque entschuldigen, aber nach diesem Kommentar, halte ich mich damit zurück. „Lass uns gehen.“ sage ich an meinen Bruder gewandt und schiebe ihn vor mir her. Den Weg nach Hause schweigen wir beide, was die Stimmung nur noch erdrückender macht. Bis einschließlich Freitag wird jeder Schultag eine Qual. Jeden Tag laufe ich Nils über den Weg. Nicht nur dass ihn immerzu sehen muss, nein er hat auch immer diese Bitch bei sich. Manchmal frage ich mich wie lange das mit denen noch hält. Wenn sie die ganze Zeit aufeinander hängen ist es doch verwunderlich, dass sie sich nie zoffen. Ab und zu versucht er mich auch anzusprechen. Ich blocke jedoch immer ab, haue ihm die dümmsten Dinge an den Kopf oder haue einfach ab. Ich frage mich auch was er nicht daran nicht kapiert, wenn ich ihm sage, dass er mich in Ruhe lassen soll. Ich meine sieht er denn nicht, dass er die alten Wunden immer mehr aufreißt? Dass es mich meine ganze Kraft kostet jeden Morgen in die Schule zu gehen, um abends dann ausgelaugt in meine Bett zu fallen und mir stundenlang den Kopf zerbreche? Nach dem Treffen mit ihm hat Jaque dieses Thema abgehakt. Zumindest tut er so.

 

Samstag morgen werde ich von ihm geweckt und darauf aufmerksam gemacht, dass es schon halb elf ist. Mum ist schon dabei ihre Liste akribisch ab zu arbeiten und Paps ist wie immer draußen bei seinen Tieren und schaut nach deren Verfassung. Mein Bruder telefoniert gerade und hat dabei einen Stapel Papiere in der Hand. Wie in Trance laufe ich nach draußen und schau dem Spektakel, was sich tagtäglich abspielt zu. Alles zieht an mir vorbei als wäre ich überhaupt nicht da. Erst als ich in die kleine Schmiede komme, die auch als Werkstatt genutzt wird, reißt Jaque mich aus meiner Starre. „Du hast nicht zufällig vor mal mit anzufassen?“ fährt er mich gereizt an. Paul, einer seiner Kumpels, der gerade dabei ist irgendeine Schraube seines Mopeds zu lösen, schaut zuerst in meine Richtung und dann wieder zu Jaque. Es macht den Anschein als habe er es plötzlich ziemlich eilig hier raus zu kommen. „Wenn du mir sagst wie ich dir helfen kann, immer zu.“ meine ich mit schlechten Gewissens. Dabei weiß ich genau was ich mir hier aufbrumme, wenn ich meinen Bruder nach Arbeit frage. „Ach kümmer dich einfach drum, dass morgen alles reibungslos klappt.“, meint er eine Spur ruhiger, was mich verwirrt. Im Normalfall würden ihm hundert Dinge einfallen, die zu tun sind. Vor allem wenn er im Stress ist, was ja augenscheinlich der Fall ist. „Was los Jaque?“ frage ich direkt. Irgendwas stimmt da nicht. Und insgeheim erhoffe ich mir eine ebenso schnelle Antwort. „Nichts.“ ok, das war schnell, aber überhaupt nicht das was ich hören wollte. „Jaque!“ ermahne ich ihn als er sich einfach so aus dem Staub machen will. Hab ich schon erwähnt, dass ich es nicht leiden kann wenn mein Bruder scheiße drauf ist und ich den Grund nicht kenne? Ok, jetzt wisst ihr es. Im übrigen kann ich auch ziemlich nervig werden. „Lu, du musst nicht alles wissen.“ sagt er einfach und verschwindet. „Jaque“ rufe ich, laufe ihm hinterher und lande in der Futterkammer. „Ist es wegen Julia?“ natürlich bekomme ich keine Antwort. Er tut als sei ich Luft und kontrolliert weiter Sattel- und Putzzeug. Er kann echt stur sein. „Ok, ich ruf sie einfach mal an.“ drohe ich. Zur Verdeutlichung nehme ich mein Handy zur Hand. „Hör zu Lu, kümmer dich einfach mal um deinen Scheiß, bevor du dich bei anderen einmischst.“ , er kommt auf mich zu, bleibt kurz vor mir stehen. „Ich hab es echt satt ne Nervensäge wie dich immer an der Backe zu haben.“ damit lässt er mich stehen und verschwindet nach draußen. Die Wirkung seiner Worte machen sich erst einige Sekunden später bemerkbar, als eine einzelne Träne meine Wange hinunter läuft. Zwar weiß ich nicht genau was ihn so fertig macht und offensichtlich will er es mich auch nicht wissen lassen aber es gibt ihm noch lange nicht die Berechtigung meine Bemühungen so in den Dreck zu ziehen. Mit der Demütigung kommt auch langsam die Wut und der Trotz in mir hoch. Mit sicherem Schritt und gehobenem Kopf marschiere ich nach draußen, laufe geradewegs ins Haus , hoch in mein Zimmer und sperre mich ein. Vor sieben Uhr komme ich auch nicht mehr raus. Die Musik war voll aufgedreht und ich schalte sie erst jetzt aus. „Bin mit Anna weg.“ sage ich als ich in der Küche vorbeigehe. Meine Mutter räumt den Tisch ab und unterhält sich mit Paps. „Mach nicht zu lang. Morgen wirst du gebraucht.“ ruft mir diese noch hinterher. Schnell schlüpfe ich in meine Schuhe und trete in die noch immer ziemlich warme Juniluft. Als ich die Tür hinter mir schließe und den Kopf hebe, sehe ich Julia bei Jaque stehen und wie sie ihm schöne Augen macht. Eigentlich will ich die Beiden nicht sehen, geschweige denn reden. Aber mein Rad steht nun mal ein paar Meter neben ihnen. Das mit Anna war eine glatte Lüge und es tut mir auch wirklich leid, sie wieder anlügen zu müssen, aber mit ihnen zu diskutieren würde zum Einen ein halbes Jahr dauern und zum Anderen keine angenehme Lösung herbeiführen. „Hallo Lu.“ begrüßt mich Julia. Freundlich.“Hi,“ versuche ich genauso freundlich zu klingen, als mir eine Idee in den Kopf schießt. „Ach Julia, ...“ fange ich an wobei ich die Aufmerksamkeit beider habe und gehe die paar Schritte wieder zu ihnen zurück. Jaque lasse ich völlig unbeachtet. „Bist du morgen zufällig auch in Zweibrücken?“ stelle ich meine Frage. „Klar, aber leider nur als Zuschauer.“ antwortet sie mit einem Grinsen im Gesicht. „Cool....Kann ich dann mal was mit dir bequatschen? Jetzt hab ich leider keine Zeit.“ ich werfe ihr einen unsicheren Blick zu. „Klar.“ sie lächelt mich nochmal an ehe ich mich auf den Weg zum Kiosk mache. Ich kaufe mir eine Flasche Korn und zwei Packungen Eistee. An der Kasse handel ich mir nur einen skeptischen Blick ein, worüber ich mir aber keinen Kopf mache. Ich fahre weiter und komme schließlich am See an, der am Ende dieses Kaffs liegt. Meine Gedanken drehen sich im Kreis Die Wut ebbt leicht ab und macht Platz für Traurigkeit. Langsam aber sicher habe ich das Gefühl, dass Jaque das Gesagte genauso gemeint hat. Ich meine er hätte die Möglichkeit gehabt sich zu entschuldigen und er hat es nicht getan. Aber wenn ich in seinen Augen immer nur die kleine nervige Schwester war, frage ich mich, warum ihm das erst jetzt auffällt. Ich schütte einen Teil des Eistees auf den Boden, wo es direkt versickert und fülle diesen Teil dann mit Korn wieder auf. Auf der anderen Seite des Sees kann ich eine handvoll Jugendlicher ausmachen, die lautstark ihren Spaß haben. Ein klein wenig kann man sie mit den Fohlen und Colts in unserem Stall vergleichen. Sie springen auch immer wie die Irren auf der Wiese herum bis sie müde sind und Hunger haben. Ich stelle mir vor wie es sei, wenn ich eine von denen wäre. Normal, Mainstream eben. Der Gedanke daran lässt mich bitter auflachen. Wenn Jaque mich nicht des öfteren von Dummheiten bewahrt hätte, wäre ich sicher eine von diesen Breitwegwanderern. Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf und bekomme so einen klaren Kopf. Die Hälfte meines Gemischs schenke ich den Fischen. Die andere Hälfte hat mir schon leicht zugesetzt. Langsam verabschiedet sich die Sonne hinter den Bäumen und ich breche den Heimweg an. Bis ich aber zurück bin ist es stockdunkel. Etwas beschwipst und leicht benebelt schleiche ich mich unbemerkt die Treppenstufen hoch.

Bevor ich mich bewegen kann stöhne ich gequält auf. Mein Kopf pocht laut und meine Sicht ist verschwommen. „Verdammt.“ fluche ich. War wohl doch mehr Korn als angenommen. Warum war ich auch so dumm. Schwankend steige ich aus dem Bett und komme geradeso ins Bad. Dort dusche ich eine viertel Stunde länger als sonst und fühle mich dadurch gleich besser. Halb zehn zeigt die Uhr in meinem Zimmer an. Draußen werden die Pferde gerade verladen. So schnell ich kann suche ich all meine Sachen zusammen und stopfe sie in meine Tasche, nehme meine Stiefel, welche in einer separaten Tasche verstaut sind. Voll beladen laufe ich nach unten, stopfe mein Sachen in den Jeep. „Morgen Kleines.“ begrüßt mich mein Vater und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. „Tut mir leid, dass ich so spät dran bin Paps. Ist gestern wohl doch etwas länger geworden.“ entschuldige ich mich. „Ich hab dich gewarnt.“ er zwinkert mir zu. „Danke.“ ich gebe ihm überschwänglich einen Kuss auf die Wange und grinse ihn an. Keine Ahnung warum. Vielleicht wegen der Erleichterung, dass meine Lüge nicht aufgeflogen ist. „Fährst du bei Jaque mit? Dann nehme ich Susanne, Lara und Mickey mit. Deine Mutter ist schon vorgefahren, sie muss vorher noch etwas klären.“ berichtet er. „Och man Paps. Kann ich nicht mit die fahren und Lara und Mickey fahren mit Jaque?“ bettel ich. Ich weiß nicht warum aber die Abneigung im Transporter mitzufahren habe ich schon von klein auf. „Du schaffst das schon.“ ermutigt er mich und fährt darauf mit den dreien los. Meine kurz aufgekeimte gute Laune verschwindet sofort wieder. Na toll. Ich schließe die Ladeklappe und steige in den vorderen Bereich des Transporters. „Wenn ich wieder komme läuft das Ding und du hängst mir nicht dauernd wegen dem Werkzeug in den Ohren.“ höre ich Jaque sagen. Wahrscheinlich macht er Paul gerade wieder Feuer unter den Hintern. „Klar und du bringst das mit dem Mädel wieder in Ordnung.“ vernehme ich nun Paul Stimme aus dem geöffneten Fenster. „Pssst.“ höre ich diese wieder, nur viel näher als eben noch. Ich schaue nach draußen und sehe Paul neben der Kabine stehen. „Was?“ gifte ich ihn an. „Komm mal klar Kleine.“ meint er nur und dreht sich wieder um. Darauf steigt mein Bruder auf der anderen Seite neben mir ein. Wortlos startet er den Motor. Auch die ganze Fahrt bis zur Autobahn schweigen wir uns an. Auch dann ist es nur das eingeschaltete Radio, was die Stille ersetzt. Nachdem ich vergebens alle schwarzen Autos zähle, schlafe ich ein und werde erst wach als Jaque den Transporter auf einem Rasthof hält. Verschlafen steige ich aus um direkt im Ladebereich nachzusehen ob noch alles in Ordnung ist. Nach dem Überprüfen der Heunetze und dem Verteilen der Leckerlis, folge ich meinem Bruder in die Tankstelle um mir was zu trinken zu nehmen. Ich schaue Ja-que dabei zu wie er sich eine Pommes nach der anderen in dem Mund schiebt. Dabei wird mir fast schlecht. Ich habe das Frühstück heute morgen schon ausgelassen und auf ein Mittagessen habe ich nun auch keinen Hunger mehr. Das einzig positive daran wird sich nachher auf der Waage zeigen. Allerdings muss ich bei Kräften bleiben um nicht vom Pferd zu fallen. Naja mit etwas Schlaf wird das sicher. Als Jaque fertig ist, wirft er nochmal einen prüfenden Blick auf die leicht unruhigen Pferde und steigt dann ein um loszufahren. Zum Glück schlafe ich fast sofort wieder ein und muss nicht dabei zusehen wie mein Bruder den Rest der fettigen Pommes verschlingt. Mitten in der Stadt wache ich auf und werde Zeuge von den Fahrkünsten meines Bruders. Geschickt fädelt er sich in den Stadtverkehr ein und lauscht der Stimme aus dem Navi. Keine zehn Minuten später stehen wir schon auf dem gut gefüllten Parklplatz. Um unsere Pferde in die reservierten Boxen zu bringen müssen wir erst über einen asphaltierten Weg an der Straße entlang. Das Ausladen klappt einwandfrei und auch dass Unterbringen in die gepflegten Boxen ebenfalls. Mit klopfendem Herz mache ich mich auf den Weg zurück. Zwar bin ich schon hunderte Male mit gewesen, dennoch bleibt das aufregende Gefühl in mir wenn ich die Vertrautheit der Rennbahn spüre. Hier und da treffe ich auf bekannte Gesicht und halte auf dem Weg zur Rennleitung immer mal wieder einen kleinen Plausch aus. Nachdem ich die Pässe abgegeben und unsere Anwesenheit eingetragen, treffe ich auf Julia. „Hallo Lu.“ Eigentlich habe ich keine große Lust mich mitz ihr zu unterhalten. Allein weil sie Jque davon berichten wird und dieser mich mal wieder als Nervensäge abstempelt. Aber wenn ich schon mal im Tratschmodus bin. „Hi Julia.“ , nachdem ich sie freundlich begrüßt habe, rauscht sie auch schon an mir vorbei. Wahrscheinlich hat sie es schon wieder vergessen. Etwas verwirrt schaue ich ihr nach, bis mir jemand auf die Schulter tippt. „Habt ihrt die Pferd schon da?“, erklingt Xaviers Stimme und als ich mich umderhe sehe ich direkt in sein immer zu freundliches Gesicht. „Ähm .. Ja. Tatsächlich.“ Ich schaue kurz an ihm vorbei auf die Bahn um Jaques Bemerkung bezüglich Xavier aus dem Kopf zu bekommen. „Ja schon in den Boxen. Hast du noch so eins?“ ich deute mit einem Nicken auf das Heft in seiner Hand. Als ich vorhin am Kiosk vorbei kam hab ich einfach nicht dran gedacht mir ein paar zu kaufen. „Ne, aber du kannst gerne meins haben. Hab schon alles durchgelesen.“ mit diesen Worten reicht er es mir. „Danke.“ sage ich mit einem Lächeln. „Ist deine Schwester auch da?“ „Ja sie ist grade in die Umkleide. Sie reitet im ersten Rennen für Van Drees.“ „Oh, bezahlt er wieder gut?“ „Er hat sich entschuldigt und ihr dieses Mal das doppeöte geboten. „Nicht schlecht. Ich drücke ihr die Daumen.“ „Ja ich muss auch weiter“ Nachdem er mir nochmal zulächelt geht er auch schon an mir vorbei. Mit dem Infoheft in der Hand gehe ich zurück an unseren Wagen. „Und? Wie sieht es aus?“ begrüßt mich Paps. „Mike ist da, die anderen noch nicht aber unser erstes Rennen ist erst um halb zwei das vierte.“, erkläre ich ihm kurz. „Und sonst?“ Ich setze mich auf die Britsche, blätterte jedoch weiter in meinem Heft während ich mit ihm rede. „Esther ist gleich im ersten Rennen für van Drees dabei. Er hat ihr diesmal das doppelte geboten. „Ja ich weis ich hab eben mit ihrem Vater gesprochen. Essential hat sich im Training an der S chulter verletzt. Er hat sie deshalb zu Hause gelassen.“ , tratscht er weiter. „Oh davon hat Xavier mir nichts gesagt. Hoffentlich wirds bald wieder, wäre echt schade um die junge Stute.“, und schon habe ich mich wieder ins Rennprogramm gelesen. Die Umgebung blende ich gekonnt aus. Aber dieses „Luuu!“ , kann man einfach nicht ausblenden. Mickey muss auch immer diesen quengeligen Ton anschlagen, bei dem man alles macht um es auszuschalten. „Ne Mickey geh alleine.“ sage ich schon aus Gewohnheit obwohl ich weis dass es eh nichts bringen wird. „Ich will aber nicht alleine. Das macht doch kein Spaß.“ , jammert er weiter. Mickey ist eine 12-jährige Nervensäge, die aber auch ihre nette Seite hat. Schon seit dem er acht ist kommt er fast täglich auf den Hof um für seine Verhältnisse recht fleißig zu helfen. Seit neustem kommt er auch mit auf die Rennen, was mit den Eltern abgesprochen ist. So wie jetzt. Dann jammert er immer so lange bis sich jemand erbarmt und ihn mit auf die Bahn nimmt. „Dann komm.“ gebe ich mich fast kampflos geschlagen. „Um eins muss ich aber wieder zurück.“, kläre ich ihn auf. „Klar!“ er hüpft schon auf einem Bein fort, was mich die Augen verdrehen lässt. „Mickey warte!“ rufe ich bevor er über die Straße läuft. Grinsend beleibt er Stehen und wartet. Über der Starße läuft er auch schon schnurstracks zum Führring, der gut gefüllt ist. Von Nummer eins bis sechs sind schon alle anwesend. Auch Esther entdecke ich auf dem Schimmel mit der Nummer vier. Sie ist zu beschäftigt als dass sie mich sehen würde. Also sehe ich dem bekannten Treiben einfach zu. „Schau mal Lu, da hinten der Schimmel ist aber schön.“, schwärmt der Junge neben mir. „Ja.“, pflichte ich ihm wahrheitsgetreu bei und stelle mich mit ihm auf die Tribüne an der Startlinie. Das nächste Rennen verläuft ähnlich. Hier und da wird Smalltalk mit bekannten Gesichtern betrieben. Irgendwo kennt man sich ja. Die Stimmung ist auch immer locker und Mickey wird mit einer Pommes zufrieden gestellt. Dann darf er noch eine Wette abgeben und erhält einige Infos über das Renngeschäft. „nur noch das eine dann muss ich mich fertig machen.“ erinner ich Mickey und stelle mich mit dem Programm in der Hand an die Absperrung zum Führring. Während ich mir die Pferde genau anschaue und hin und wieder einen Blick ins Heft werfe, unterhält Mickey sich mit einem groß gewachsenen Mann über den Favoriten. Da der Typ keine Ahnung von Pferden hat, ist es recht amüsant zuzuhören. „Die zehn ist doch nicht gut, du hast ja nen Knall.“, wiederspricht Mickey. „Doch, die zehn ist zwar nicht so erfahren aber ich habe ihn mit eigenen Augen laufen sehen. Schneller als ich ist er auf alle Fälle.“, erklärt der Typ ihm. Schmunzelnd werfe ich einen Blick ins Heft und überfliege die Daten zu Nummer zehn. Nichts besonderes Mickey hat schon Recht. Er gehört nicht zu den Besten. Die Abstammung ist auch nur so semi. Aber beim Reiter bleibt mir fast die Spucke weg. Nils Ahrens, steht dort dick gedruckt. Einen Augenblick schaue ich einfach weiter auf diese Bustaben bis mir das Ausmaß dieser Tatsache wirklich bewusst wird. Ich hebe meinen Blick wieder und lasse ihn durch die Menschenmenge gleiten bis ich seine große Gestalt ausmache. Es grenzt eigentlich schonan ein Wunder, dass er mir noch nicht vorher aufgefallen ist. Immerhin ist er der größte unter den 13 Reitern. Und abgehungert sieht er auch nicht aus, was darauf schließen lässt, dass das Pferd international schon unterwegs war. Dem Programm nach kommt der schwarze Wallach aus Italien. Mit dem Trainer und Besitzer unterhält er sich angeregt und mustert das Pferd mit der Startnummer 10 ganz hgenau. Als ich das Gefühl habe, ihn mit meinen Blicken allein schon verglühen lassen zu können, wende ich mich wieder Mickey zu. Doch dieser diskutiert immer noch mit diesem Fremden. „Entschuldigung“, unterbreche ich die Beiden und habe sofort ihre Aufmerksamkeit. „Kennen sie zufällig den Reiter mit der Nummer 10?“, frage ich diesden blon-braunen Typ, welcher mich jetzt aufmerksam mustert. „Kann man so sagen, ja“ stimmt er vierlsagend grinsend zu. Erst jetzt fällt mir auf, dass er mindestens eineinhalb Köpfe größer als ich ist und teure Markenklamotten trägt. „Das heißt?“ will ich weiter bohren, was das Klingeln meines Handys jedoch zu nichte macht. „Sorry.“ genervt gehe ich ran und wende mich von den zwei Kerlen ab. „Ist bei dir alles in Ordnung Lu?“ die verrauchte Stimme von Lara dringt zu mir durch. „Ja klar.“ „Ok, Chocolate ist soweit fertig. Meld dich wenn das dritte Rennen vorbei ist, dann schick ich ihn los.“ „Klar, mach ich.“ ohne weiter zu warten lege ich auf. Als ich mich wieder zu Mickey und Mr. Unbekannt wenden will, entdecke ich sie an Nils Seite. Denen ihr Ernst? Um nicht lauthals losschreien zu müssen, gehe ich die paar Meter zu ihnen. Noch schlimmer kann es ja nicht werden, denke ich. „Mickey, kommst du? Wir müssen los.“ Ich begegne Nils Blick, der noch viel schlimmer als nur schlimm ist. Ich muss den Blickkontakt abbrechen, bevor er zu viel lesen kann. Zum Glück wird er dann auch schon aufs Pferd gehoben, denn Mickey hat einen Narren an diesem Kerl gefressen. „Kommst du allein klar?“ frage ich,um nicht länger hier bleiben zu müssen. „Lu, ich bin 12 und keine vier.“ empört sich der Kleine, was mich fast auf die Palme bringt. „Dann geh das nächste Mal auch alleine, hast dich ja ohne mich nicht getraut.“ „Luke ist echt cool, sorry Lu.“ entschuldigt er sich. Gut so. „Ich bin mich fertig machen.“ erkläre ich nur kurz angebunden und verschwinde von hier. Dabei kann ich es mir nicht nehmen lassen Nils einen suchenden Blick zuzuwerfen, der als erster den Führring verlässt. Ich gehe zu den Wettschaltern und setze auf die zehn. Fragt nicht warum, reiner Instinkt. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen direkt in die Umkleide zu gehen, kann gegen meine Neugier nicht ankommen. Ich stelle mich abseits der Strecke an den Rand und schaue zu wie die Pferde nacheinander in die Startmaschine geführt werden. Weil es aber so lange dauert, werfe ich nochmal einen Blick ins Programm. Dabei fällt mir auf, dass Nils im nächsten Rennen schon wieder am Start ist. Damit ist er mein direkter Konkurrent und durch seinen Stress leichter zu brechen. Sein Name taucht weitere zwei Mal auf. Im achten werde ich ihn gezwungenermaßen auch wieder sehen, da Orela die 1700 Meter laufen wird und er für Weber reitet. Das letzte werde ich nicht mehr sehen, da wir dann schon auf dem Heimweg sind. Plötzlich fliegen die Türen der Startmaschine lautstark auf und das Rennen nimmt seinen Lauf. Nach der ersten Runde liegt der Schimmel im Mittelfeld auf Platz sieben. Nach der zweiten Runde hat sie sich ganze drei Plätze nach vorne gekämpft. Die vierte Runde fliegt sie an den nächsten zwei vorbei und baut mit Nummer acht einen guten Vorsprung auf, wobei sie sich bis zur Ziellinie ein Kopf an Kopf Duell liefern. Da das Ziel für mich nur von hinten sichtbar ist, kann ich nicht mit Sicherhheit sagen, ob Nils es geschafft hat. Als auch der Letzte angekommen ist, schlendere ich zurück ins Getümmel. Schnell texte ich Lara noch, dass sie Chocolate vorbereiten kann. Dann gehe ich wirklich in die Umkleide und ziehe mich um. Mit der Gerte unterm Arm, die für mich nur als Deko dient, steige ich draussen auf die Waage. Was ein Glück, dass ich nur wenig gegessen habe. So habe ich sogar zwei Kiloi weniger. „Wie machst du das nur Lu?“ fragt Alina, die nach mir die Waage betritt. „Weniger essen“ sage ich und lasse sie mit den anderen stehen. Momentan steht mir der Kopf nicht für Albernheiten. Nachdem ich die Kabine verlassen habe, mache ich mich auf den Weg in den Führring, der noch lange nicht vollzählig ist. Chocolate ist schon da, was mich schon von weitem Grinsen lässt. Diese braun-schwarze Schönheit hat es meiem Herzen angetan. Selbst Jaque als Führer kann dagegen nichts tun. Er tänzelt aufgeregt neben meinem Bruder seine Runden. Er ist nervös, was aber völlig ok ist. Auch, dass sein Hals und die Flanken schon glänzen. Die ganzen Stuten um ihn herum machen es ihm aber auch nicht gerade leicht. „Bist du bereit?“ fragt mein Vater, als ich bei ihm un Mum ankomme. Mit dem wohlbekannten Kribbeln im Bauch nicke ich eifrig. Oh ja und wie. Nachdem er ein weiteres Mal an uns vorbeikommt, schnalle ich den Sattel, nebenher laufend noch enger, damit er nicht rutscht. „Komm ich helf dir auf.“ Kaum ausgesprochen nimmt er mein Bein und schwingt mich nach oben, wobei ich von Glück reden kann, dass ich nicht auf der anderen Seite runter falle. „Du kennst ihn.“ weist mich Paps an, was mir ein breites Grinsen entlockt. „Sicher.“ flüstere ich, klopfe den nassen Hals des Hengstes und steige in die Bügel. Ungeduldig galloppiert er neben Jaque her, bis dieser den Weg zur Bahn einschlägt. „Bereit?“ fragt er, was ich mit einem Nicken quittiere. Keine zwei Sekunden später löst er den Haken von der Trense und lässt den Hengst frei zum Aufgallopp. Ohne Probleme geht er vor der Maschine wieder in den Schritt über. Dort reihe ich mich bei den anderen ein. In meinem Kopf herrscht absolute Stille und das ist gut so, denn meinen Kopf brauche ich die nächsten Minuten nicht. Ab jetzt brauche ich nur noch meine Intuition, denn ich muss eins werden mit Pferd unter mir. Allein er weis wozu er in der Lage ist und ich muss ihm die Möglichkeiten zeigen und ihn motivieren. Als ich einen Blick in die Runde werfe, begegne ich sofort Nils. Leider muss ich zugeben, dass er eine gute Figur im Sattel macht. Wenn man mal von seiner Größe absieht. „Glückwunsch.“ sage ich, als ich an ihm vorbei komme. Auf der Anzeigetafel hatte ich noch gesehen, dass er es tatsächlich auf den ersten Platz geschafft hatte. „Danke,“ ein leichtes Lächeln huscht über sein Gesicht, was mich sichtlich verwirrt. Verdammt, warum muss ich auch damit anfangen? Der Reihe nach werden wir in die Führmaschine gelotst. Dort warten wir auf den Knall, der beim Start durch das Öffnen der Türen erzeugt wird. Sofort werde ich heftig in den Sattel gedrückt und wir bahnen uns einen Weg ins Mittelfeld. Das Rennen ist von Anfang an verdammt schnell. Mike macht vorne ordentlich Tempo. In der ersten Kurve spüre ich, wie Chocolate nochmals an Geschwindigkeit nachlegt. Auf der Zielgeraden holt sie alles aus sich raus, ich unterstütze ihn wo ich kann, zeige ihm den ferien Weg, der sich auftut. Auch er entdeckt ihn, macht sich klein und streckt sich um nach vorne zu kommen. Er bebt und saugt gierig den Sauerstoff in die Lungen ein. Als man im Finish nur noch die Peitschenhiebe hören kann, schließe ich die Augen und muss grinsen, als Chocolate dann am Ziel das Tempo raus nimmt und langsamer wird. Freudig schlinge ich meine Arme um seinen muskulösen Hals. „Ich danke dir.“ Behutsam pariere ich ihn in den Trab durch, bis Jaque dann auch angelaufen kommt und ihn wieder an den Strick nimmt. Er verliert kein sterbenswörtchen und so kommen wir wieder im Führring an wo unsere Eltern warten. „Es war zu schnell.“ legt Paps sich mit einer solchen Sicherheit fest, dass kein normaler Mensch etwas anderes eingeworfen hätte. „Es war schnell ja, aber nicht zu schnell für ihn.“, ich gehöre nicht zu den normalen. Im Augenwinkel sehe ich wie man nils und den Besitzern der Fuchs-Stute zum Sieg gratuliert. Na der muss ein Händchen für gute Pferde haben, denke ich mir. „Er ist deutlich über seine Bestzeit gegangen Lu. Also besser gehts für ihn nicht. Die anderen sind eben besser.“ kontert Paps. Um nicht in einer weiteren Diskussion zu landen, wiederspreche ich ihm nicht und begleite Jaque um Chocolate abzuduschen. Danach gehe ich selbst duschen und finde mich fürs nächste Rennen auf der Tribüne ein. Die ganzen anderen Leute blende ich aus. In meinem Kopf drehen sich meine Gedanken. Und nicht gerade wenig ist Nils daran Schuld. Dass er wieder so plötzlich hier im Renngeschäft ist, hat mich ehrlich überrascht. Immer wieder tauchen Bilder von längst vergangenen Tagen auf. Tage, die schwerelos und so leicht waren. Manchmal wünsche ich mir solche Tage zurück nur um nochmal spüren zu können wie schön Leben sein kann. Ich erinnere mich als ich mit Paps auf einem Rennen war und mich dort mit Nils angefreundet hatte. Wir haben uns die schönsten ausgesucht und hin und wieder auf sie gesetzt. Wir haben unsere imaginären Ställe aufgebaut, in den Boxen verstecken gespielt. Eis bis zum Umfallen gegessen und haben geholfen den Rasen zu flicken. Mit zehn war alles noch aufregend. Von da an war mir klar, dass ich sowas auch machen will wenn ich groß bin. Tja jetzt bin ich bald groß, sowas aber noch lange nicht in Sicht. Die Tage zu meiner Amateurreiter-Prüfung habe ich akribisch am Kalender abgestrichen. Das Bestehen an diesem Montag war der größte Erfolg. „Darf ich?“, reißt mich der neue Freund von Mickey aus meinen Gedanken. „Ähmmm…..Klar.“, stottere ich und bemühe mich um ein halbherziges Lächeln. Wortlos setzt er sich neben mich und schaut auf die Anzeigetafel vor uns. Das Rennen ist so gut wie gelaufen und um uns die Menschen verschwinden langsam. „Du kennst Nils also?“ , frage ich nach einer Weile die wir schweigen. „Kann man so sagen, aber als Bruder hab ich ihn ziemlch spät kennen gelernt.“ , meint er und sieht mich leicht grinsend an. Zwar könnte man ihn auf den ersten Blick auf 25 schätzen aber bei geneauerer Betrachtung sieht man ihm den verspielten Jungen noch an. Auch sein Verhalten deutet nicht unbedingt auf einen erwachsenen Mann. „Ich wusste auch nicht, dass er einen Bruder hat.“ , sage ich und frage mich ernsthaft warum ich mich dafür interessiere. Es könnte mir scheiß egal sein ob er noch weitere Geschwister hat. „Dau kennst ihn also auch?“ „Nicht wirklich.“ seufze ich was ja nicht gelogen ist. Was kenne ich denn schon von ihm? Seit früher hat er sich sowieso sehr verändert. An diesem Morgen, als er mich umrannte, habe ich ihn nicht mal erkannt. Neben mir ertönt ein leises Lachen. Als ich ihn fragend ansehe meint er. „Da hat er aber was ganz anderes erzählt.“ plötzlich werde ich hellhörig und auch etwas nervös. „So? Was hat er denn erzählt?“ ich versuche so abwertend wie möglich zu klingen, kann meine Neugier aber nicht verstecken. „Er hat gesagt, dass er dich von früher kennt. Dass ihr gut befreundet wart, bis er weggezogen ist.“ Jetzt liegt es an mir zu lachen, es klingt jedoch hysterisch. „Ja das würde ich auch gut befreudnet nennen, wenn er nur Vorteile daraus zieht. Ich war nicht mehr als Mittel zum Zweck.“ , langsam steigt die Wut wieder in mir auf und mischt sich mit der Verzweiflung, was einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt. „Ich weiss ja nicht was da passiert war und eigentlich geht es mich ja auch nichts an, aber auf mich wirkt es so, als würde ihn das was da „Gelaufen“ ist, noch immer mitnehemen+. Er meint er habe versucht mit dir +zu reden und kommt aber nicht an dich ran.“, erzählt er mit abschätzigem Blick. „Schön für ihn. Er kann mich einfach in Ruhe lassen.“ sage ich resigniert. „Soll ich dich auch in Ruhe lassen?“ , fragt er in besorgtem Ton. „Wenn du weiter über deinen Bruder spricht schon“ nachdem er nichts erwiedert schaue ich zu ihm rüber und muss unwillkürlich grinsen. Eine Haarsträhne fällt ihm ins Gescht und er sieht wirklich nkuffig aus mit diesem Dackelblick. „Wie wäre es wenn ich dir ein Eis ausgebe? In den nächsten Tagen irgenwann.“ überlegt er laut. „Wo wohnst du überhaupt?“ will ich wissen um keine falschen Angaben machen zu müssen. „Momentan in Zelt bei Nils.“ antwortet er sofort. Dabei verdrehe ich die Augen als er den Namen seines Bruders über die Lippen bringt. „Ok, aber nur wenn du aufhörst über ihn zu reden.“ stimme ich zu. Wir tauschen noch die Nummern, bevor ich ihn stehen lasse und zurück zu unseren Pferden gehe. Als ich helfe die Stute zu satteln und sie in denFührring entlasse, begegne ich ihm schon wieder. „Bis die Tage.“ äfft er meine Verabschiedung grinsend nach. Natürlich ist Mickey an seiner Seite und schaut mich amüsiert an. Ich stelle mich einfach dazu. „Tja so schnell sieht man sich wieder,“ erwiedere ich. „Euer Pferd ist wirklich hübsch.“ meint er und beobachtet Orela in Ring. „Hi Lu.“ begrüßt mich da auch Xavier schon zum zweiten Mal für heute. „Hi.“ erwiedere ich und mustere ihn in unserem Trikot, welches schon Sandflecken aufweist. „Steht dir wirklich gut.“ scherze ich und bringe ihn zum Lachen. „Naja, dir besser.“ kurz zwinkert er mir zu, nimmt dann Orela in Augenschein. „Paps wird dir schon sagen was du zu tun hast.“ grinse ich ihn an. „Oh ja.“ meint er wissend und schlüpft unter der Absperung durch. Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Luke neben mir. Mickey ist derweilen schon mit Xavier zu Paps gegangen. „Du kennst dich noch nicht so aus oder?“ frage ich ihn amüsiert. „Klar.“ lacht er ironisch. „Ich weiß wie man wettet und wie man hübsche Mädels rum kriegt.“, sein spitzbübisches Grinsen ist echt niedlich weil er dabei immer den rechten Mundwinkel nach oben zieht. Und es ist verdammt ansteckend. Schweigend beobachten wir weiter das Geschehen, bis Nils kommt und sich mit Luke unterhält. Um die Beiden nicht zu stören drehe ich mich etwas weg. Dabei nehme ich den Klang seiner Stimme noch deutlicher wahr. Bevor aber diese wohlige Wärme in mir aufsteigt, kämpfe ich dagegen an. Erst als das erste Pferd auf das Geläuf zusteuert, macht Nils sich auf den Weg zu den Besitzern seines Pferdes, woraufhin er sofort aufsitzt und ebenfalls einen Vorzeige Aufgallopp hinlegt. Zusammen mit Luke stelle ich mich wieder an den Rand und rede nur wenige Worte während die Pferde ihre Runden drehen. „Siehst du, ich muss nur auf die Pferde setzen, die Nils reitet und schon bin ich auf der sicheren Seite.“ Nun, da kann ich nichts gegen sagen, denn auch dieses Rennen gewinnt Nils. Xavier hat mit Orela immerhin den dritten Platz belegt. „Tja da hast du dein Geld ja gut angelegt.“ kann ich nur zustimmen und mache mich langsam auf den Weg zu unserem Pferd. Luke begleitet mich ein paar Schtritte bis er selbst weg muss. „Ach.“ fällt ihm ein, er dreht sich wieder zu mir um. „Wie wäre es wenn du nachher noch mitkommst bisschen feiern und so?“ fragt er und klingt ehrlich interressiert. Mein erstes Gefühl sagt mir dass ich lieber nach Hause fahren und für die Mathearbeit lernen soll. Aber der andere Teil ist neugierig und will was neues ausprobieren. „ich muss erst noch klären ob das machbar ist.“ halte ich ihn hin. „Okay,meine Nummer hast du, sag einfach bescheid.“ „Ok.“ nach ein paar Schritten werfe ich nochmal einen Blick über die Schulter und sehe wie Luke mit Nils redet. Was soll ich denn jetzt machen? Lange Zeit zum Überlegen hab ich nicht denn kurz darauf passt Paps mich ab. „Susanne und Jaque laden mit Lara die Pferde ein. Fährst du mit dem Transporter mit oder bei deiner Mutter?“, er scheint es eilig zu haben, denn er ist ziemlich außer Atem. „Ehrlich gesagt würde ich gerne noch was hier bleiben. Würde dann später mit der Bahn heim kommen“ erkläre ich meine Überlegung in der Hoffnung, dass der Zeitdruck auf meiner Seite ist. „Du weißt, dass ich es nicht gern habe, wenn du so spät noch unterwegs bist.“ er überlegt kurz, ich will schon etwas einwenden, dass ich bei einer Freundin übernachten könnte, doch da meint er schon: „Na gut, aber nur außmahmsweise.“ Ich grinse ihn an: „Danke Paps du bist der Beste.“ ich gebe ihm einen freudigen Kuss auf die Wange. „Deine Mutter wird mir den Kopf abreißen.“ nuschelt er, bevor er mit eiligen Schritten auf dem Parkplatz verschwunden ist. Gut gelaunt laufe ich zum Jeep und nehme meine Tasche raus. Dann mache ich mich auf den Weg zur Tribüne. Mit dem Handy in der Hand texte ich Luke, dass ich dabei bin, er mich aber mitnehmen muss. Eine Weile sehe ich den Menschen um mich herum zu und erhalte in Kürze auch schon die Antwort : Natürlich. Wo bist du jetzt? Tribüne unten- Einige Minuten später sehe ich ihn dann auch. „Von Pferden hab ich heute erst mal genug.“, scherzt er, was ich verstehen kann. Ich laufe neben ihm her und steige dann in sein Auto ein. Ich hätte auch nichts anderes als einen Audi erwartet. „Hast du Hunger?“ fragt er, lässt den Motor schon mal an. „Ne eigentlich nicht.“ sage ich wahrheitsgetreu, denn auch wenn ich die letztten Tage wenig gegessen habe und heute so gut wie nichts, habe ich noch immer kein Hungergefühl. „Dein Pech. Du musst mich so oder so begleiten.“ Okayyy. „Nett,“, kommentiere ich nur. „Daran musst du dich gewöhnen.“ Ist mir da eben was entgangen oder war er die ganze Zeit schon so von sich überzeugt? „Ich mache nur Spaß. Aber ich weiß von Nils wie wenig ihr Reiter zu Essen bekommt. Deshalb glaub ich dir auch nicht dass du kein Hunger hast.“ erklärt er sich mit dem Grinsen im Gesicht. „Aha.“ ich verstehe so langsam seinen Humor und erfahre während dem Essen auch noch einiges über ihn. Er erzählt von seiner Karriere als Model, die er mit 14 schon begonnen hat. Er ist dadurch viel rum gekommen. Er erzählt von verschiedenen Ländern, Kulturen und Storys von denen ich nicht weiß wie wahr sie sind. Seine blauen Augen leuchten die ganze Zeit über und ich finde es wirklich schade als er auf einmal aufhört. „Sag mal hörst du mir überhaupt zu?“, fragt er halb skeptisch, halb grinsend. „Klar.“ sage ich schnell, erwische mich aber selbst dabei wie ich ihn mit Nils vergleiche. Eigentlich haben sie nicht besonders viel gemeinsam. Während Luke immer gut frauf zu sein scheint und gute Laune versprüht, ist Nils eher ruhig, gelassen und ausgeglichen. Und er ist auch nicht so blond sonder einfach braun mit leichten Locken, wenn er sie etwas länger trägt. Auch die Augen sind keineswegs strahlend blau sondern ganz easy braun. „Wraum isst du nichts?“ mit vollem Mund deutet er auf meinen Salat, der von meiner Gabel zerstochert wird. „Wie gesagt kein Hunger“ gebe ich kleinlaut von mir und schiebe den Teller von mir. Dann schaue ich meinen gegenüber an und muss laut losprusten. Ich kann mich nicht mehr halten. Es sieht aus, als wolle er das Essen mit seinem Mund einfangen. Es ist zu komisch. „Was?“ , will er mit vollem Mund wissen. „Nichts. Deine Essenstechnik ist nur sehr interessant.“ ich beruhige mich wieder. Er schiebt nun auch seinen leeren Teller von sich und benutzt die Serviette. „Wollen wir gehen?“ Zur Bestätigung nicke ich nur und lasse ihn unter Protest bezahlen. „Dann spendier ich dir im Club eben einen Drink“ sage ich als wir draussen sind. „Lass mal. Immerhin habe ich dich eingeladen.“ wiederholt er sich nun schon zum vierten Mal, was mich kichern lässt. Mit seinem Auto fahren wir ein paar Straßen weiter in den Club, in dem er sich mit seinen Leuten verabredet hat. Der Himmel ist dunkel geworden und die Uhr auf meinem Display zeigt auch schon 21Uhr an. Wo bitte ist die Zeit hin? Luke scheint mich wirklich abzulenken. Seine gute Laune ist so ansteckend, dass ich fast vergessen habe warum ich in den letzten Tagen so übel drauf war. Der Gedanke allein aber reicht schon aus um wieder tausend andere Fragen und Gedanken aus meinem Hinterkopf hervorzurufen, die sich größtenteils um Jaque und Nils drehen. Erinnerungen aus vergangener Zeit, wie ich mit meinem Bruder herumalber, wie er mich angrinst wenn wir im Training die Pferde um die Wette laufen lassen, wie wir Geschenke für unsere Eltern aussuchen und verpacken. Das alles war nur gespielt. Es war nicht echt, denn die ganzen Jahre habe ich ihn nur genervt, war die klneine nervige Schwester die ihm wie ein Klotz am Bein hing. Und ich war so ahnungslos. Erst als Luke den Wagen zum Stehen bringt, komme ich wieder in der Realität an. „Komm jetzt denk mal nicht so viel nach und werd mal bisschen locker.“ meint er. Ihm zuliebe setze ich ein Grinsen auf und begleite ihn zum Eingang. Eigentlich habe ich keine Lust zum Feiern. Aber wer weiß, vielleicht tut es mir ja gut und ich kann mich ablenken. Der kräftig gebaute Türsteher scheint Luke zu kennen und lässt ihn einfach durch. Erst als wir nach drinnen gehen, die stickige Luft einatmend und den Bass der Musik am ganzen Körper spürend, bemerke ich Lukers Hand um meine Hüfte. Gnz nach dem Motto: Das gehört zu mir also Finger weg! Der Gedanke lässt mich schmunzeln, was seiner Aufmerksamkeit nicht entgeht. Wegen der Lautstärke muss er sich zu mir beugen: „Was genau ist jetzt wieder so lustig?“ Als Antwort schüttele ich aber nur den Kopf, während er sich suchend in der Menschenmenge umschaut. „Willst du was trinken?“ fragt er höflich, als wir fürs Erste an der Bar platz nehmen. „Eine Cola wäre nett.“ Während ich wenige Sekunden später an meinem Süßgetränk nippe, nimmt Luke einen großen Schluck Bier. Jetzt bin ich diejenige, die die ganzen Leute in der näheren Umgebung mustert, bis ich an einer Person hängen bleibe, die ebenfalls an der Bar sitzt, sich allerdings einen Drink nach dem anderen in den Rachen kippt. Er sitzt einfach fünf Meter rechts von mir und starrt die Wand vor sich an. Zwei Typen gelangen zu ihm und reden auf ihn ein. Er jedoch scheint sie gar nicht zu hören und bewegt sich kein Stück. „Warst du schonmal hier?“ fragt Luke mich und lenkt mich zum Glück ein wenig ab. „Nein um ehrlich zu sein gehe ich nicht so gerne in Clubs, gestehe ich ihm und nehme einen weiteren Schluck von meiner Cola. Automatisch schweift mein Blick wieder nach rechts. „Oh fuck nein.“ ruft Luke neben mir gereizt aus,was mich zusammen zucken lässt. Als ich ihn mustere, bemerke ich, dass er meinem Blick gefolgt ist und ebenfalls zu dem Typen rüber starrt. Erst jetzt, als er den Kopf zu uns dreht erkenne ich ihn. Es trifft mich wie ein Schlag obwohl ich ihn in letzter Zeit schon viel zu oft gesehen habe. „Das macht er in letzter Zeit öfter, dabei hat er mir versprochen, dass er damit aufhört.“ erklärt Luke leicht verrärgert, was mich noch mehr verwirrt. Das passt so überhaupt nicht zu ihm. Ich schaue ihn wieder an und als er meinen verdatterten Gesichtsausdruck bemerkt, fängt er wieder an zu grinsen, was mit dem Blick zu Nils sofort wieder erlischt. „Wenn der dicht ist muss ich ihn zurück bringen. Er baut nur Scheiße wenn er trinkt. Aber auf mich will er ja nicht hören.“ erzählt er und macht sein Bier mit einem Zug leer. In seiner Stimme schwingt ein verletzter Ton mit. Plötzlich habe ich das dringende Bedürfnis diesem Trottel so richtig die Meinung zu geigen. Was denkt er eigentlich wer er ist? Er kan froh sein einen so tollen Bruder zu haben, der sich ehrlich um ihn sorgt. Und dann interessieret es ihn nicht und zeigt lieber die kalte Schulter. Mit einem großen Schluck leere ich mein Glas. „Ich red mal mit ihm.“ sage ich entschlossen, straffe nochmal meine Schultern bevor ich wirklich zu ihm rüber gehe. Ohne zu zögern greife ich nach seiner Hand, die er gerade wieder für den nächsten Drink ausgestreckt hat. Ich halte sie fest und ziehe ihn gleich mit zum Ausgang. Sein anfängliches Sträuben legt sich nach den ersten paar Schritten und er kommt schon fast freiwillig mit. Die plötzliche Ruhe die uns draußen umgibt schüchtert mich fast ein. Doch dann erinnere ich mich wieder an Lukes niedergeschlagene Strimme. „Bist du eigentlich noch zu retten? Dein Bruder macht sich ernsthaft Sorgen um dich und will dir helfen und dir fällt nichts besseres ein als ihn so offensichtlich links liegen zu lassen? Wie oft hat er dir denn mitlerweile aus der Scheiße geholfen, weil du im Rausch wieder irgendein fucking Chaos angerichtet hast?“ , höre ich mich selbst ihn anschreien. Stumm und ziemich regungslos hört er mir zu. Komigerweise sind seine Augen noch ziemlich klar und seine ganze Haltung macht jetzt keinen wackliogen Eindruck. Eine Weile sieht er mich durchdringend an, als würde er gleich umdrehen, rein gehen und den Tee verlängern Doch dann zuckt auf einmal sein rechter Mundwinkel. Dann lächelt er und bringt das schönste Lächeln auf Erden zustande. Ich hasse ihn dafür, weil mein Herz meint es könnte fliegen. „Ich wusste gar nicht, dass du auch von allein so viel mit mir sprichst.“ es klingt amüsiert und überhaupt nicht betrunken. Also kann er entweder echt viel vertragen oder er lallt im Suff einfach nicht. Fasziniert vom Klang seiner Stimme sehe ich ihn einfach nur an. „Du kannst mich gerne noch mehr anschreien. Das ist voll süß. Und wenn du nicht anders mit mir reden kannst, darfst du mich auch gerne immer anschreien.“ sagt er noch immer fehlerfrei. „Mag ja sein, dass du ziemlich viel Alkohol verträgst, aber sag mir mal was du genommen hast, das dir so das Hirn wegbläst.“ erwiedere ich. Diesmal ruhiger und auch gelassener. „Hey, ich bin total clean. Jetzt unterstell mir mal nicht das ich ein Junkee wäre. Nur weil ich froh bin, dass du überhaupt mit mir redest.“ Boom, der hat gesessen. Plötzlich sind da wieder alle Erinnerungen da. Alle Bilder und Gefühle von damals. Alles was mein früheres Leben von dem heutigen gespalten haben. Ich weiß nicht was ich tun soll, weiß nicht was ich fühlen oder denken soll. Es vereinnahmt mich komplett. Es soll einfach aufhören. Es ist zu viel. Mein Atem geht stoßweise und meine Augen suchen wie wild einen Fixpunkt in der Umgebung. Der Befehl, den mein Hirn zu meinen Füßen sendet um sich in Bewegung zu setzen kommt nicht an. Dafür tobt das reinste Chaos in mir. Das Gefühl der Ohnmacht nimmt langsam meinen Körper in Besitz. „Lu!“, Nils Stimme holt mich aus dem reißenden Strom. Seine Augen sehen jetzt besorgt aus. Entsetzt stelle ich fest, dass uns nur noch wenige Zentimeter trennen. „Ich weiß gar nicht was du willst. Du hast damals doch alles bekommen was du wolltest. Also hör auf dich jetzt über mich lustig zu machen.“ Seinen verwirrten Gesichtsausdruck übergehe ich gekonnt. Das konnte er schon immer gut. Gerade will ich an ihm vorbeistapfen um mich an der Bar mit einem Drink zu beruhigen, als er plötzlich meinen Arm greift. „Kannst du mir vielleicht mal erklären wovon du da sprichst?“ gehtr er mich genauso wütend an, wie ich ihn vorhin. Dabei umfasst er meinen Arm wie ein Schraubstock. „Dir erklären?“ lache ich sarkastisch. „Was willst du da denn erklärt bekommen? Im Grunde wärst du mir Rechenschaft schuldig.Aber ich verzichte gerne auf Lügen und irgendwelchen Storys. Und jetzt nimm deine Pfoten von mir.“, trotz dass er so nah bei mir steht schreie ich ihn an. Vielleicht ist es aber auch gerade seine Nähe, die mich so nervös macht. Aber allem Anschein nach hat er meine Worte trotzdem nicht verstanden, denn er denkt nicht mal daran mich los zu lassen. Im Gengenteil, er drückt einfach fester zu und zieht mich näher. „Rede mit mir Lu, was habe ich falsch gemacht?“ seine Stimme ist der reinste Kontrast zu eben. Ruhig und vertrauensvoll. Du kannst mich mal. Vertrauensvoll, dass ich nicht lache. Seine Augen bohren sich in meine und machen den Wiederstand in mir Zunichte. Schnell wende ich den Blick ab und schaue trotzig die Staße entlang. Dann spüre ich seine Finger an meinem Kinn, die mein Gesicht wieder in seine Richtung drehen, sodass mir keine andere Wahl bleibt als ihn anzusehen. „Hattest du eigentlich Spaß mit Fabienne?“ überwinde ich die Frage auszusprechen und weiß im selben Moment, dass ich mich verwundbar gemacht habe. „Was hat das den jetzt mit Fabienn zu tun?“ will er gespielt nichtsahnend wissen. „Naja hat es sich denn gelohnt sich mit mir anzufreunden um sie zu bekommen?“ frage ich zuckersüß. Aber in mir bricht ein zwewites Mal alles zusammen. Seine Hände zieht er plötzlich weg, sie hinterlassen eine irre Kälte. So gut kann Abneigung sein, denke ich sarkastiasch und seufze als er nichts darauf erwiedert. Eigentlich wollte ich es doch nicht wissen. Der Schmerz geht mir durchs Mark. „Hat wohl nicht hingehauen. Echt Schade für dich.“ schließe ich als er gedankenverloren zu Boden schaut. Er sieht geknickt aus, was mir nichts ausmachen sollte, weil es ihn ja auch nicht gejuckt hat, wie es mir damals ging. Und doch kann ich diesen fühlenden Teil in mir nicht klein kriegen. „Du denkst wirklich dass ich dich ausgenutzt habe? Hast diu mir wirklich so wenig vertraut?“ will er niedergeschlagen wissen. Oh nein, das läuft gerade voll in die falsche Richtung. Meine innere Stimme spielt gerade völlig verrückt bei diesem jämmerlichen Anblick den Nils hier bietet. „Was bitte soll ich denn denken, wenn du mit meiner besten Freundin rum machst, sie flach legst und ein paar Tge später einfach so verschwindest. Was soll ich da denken Nils?“ fordere ich ihn auf. Dieses Thema nochmal zur Sprache zu bringen, wühlt mich derbst auf. Er macht es mir so unglaublich schwer meine Mauern, die ich mit Mühe und Not aufgestellt habe, oben zu behalten. „Zum einen habe ich Fabienne nie flach gelegt. Damit das mal klar ist. Und zum Zweiten war ich selbst überrascht, als mein Vater von heute auf morgen umgezogen ist. Ich wusste doch selbst nichts davon.“ erklärt er eindringlich und sieht mich, um seine Aussage zu untermauern, ernst an. Ein hyperventiliertes Lachen weicht aus meiner Kehle. „Ja klar, das hat sich Fabienne dann aus den Fingern gezogen.“ Noch immer hält er den Blickkontakt aufrecht, was mich mit jeder verstreichenden Sekunde nervöser macht. „Du glaubst dieser Bitch also mehr als mir.“ stellt er mich vor die Wahl. Wie schafft er es mich immer wieder aufs neue in den Wahnsinn zu treiben?“ Verzweifelt überlege ich. Dabei spüre ich, dass meine Augen zu brennen beginnen. „Wenn du sie beleidigst, macht es die Sache auch nicht besser.“ sage ich und schaue zu Boden um meine Schwäche nicht allzu deutlich zu zeigen. „Wenn sie solche Behauptungen in die Welt setzt hat sie keinen anderen Kosenamen verdient.“ ich weiß darauf nichts zu erwiedern, ohne dass er hinter die Runinen meiner Mauer schauen kann. Also schweige ich, womitr er kein Problem hat und gleich mit einsteigt. Tausend Gedanken schwirren mir im Kopf rum, während ich meinem Fuß dabei zusehe, wie er unsichtbare Kreise auf die Kopfsteinpflaster zeiht. Ein vertrautes Gefühl kommt aus seiner Richtung und erreicht mich mit dem Geruch von Alkohol. „Ich vermisse die Zeit von früher.“ dringt es an mein Ohr. Dass der Satz grammatikalisch komplett falsch ist, macht ihn nur noch bedeutender. „Meinst du ich nicht?“ flüstere ich und hebe wehleidig den Blick zu ihm. Nd trauen?“ fragt er. „Einmal reicht mir völlig.“ warum lässt er nicht loicker? „Lu, ich hab dich nie ausgenutzt und mit Fabienne hatte ich auch nie was Ernstes. Bitte glaub mir.“ versucht er es erneut. „WO zum Teufel warst du die ganze Zeit?“ weiche ich aus. Ein leichtes Lächeln legt sich auf seine Lippen. Dann meint er ein Tick zu cool: „Ein paar Jahre in England und geschaut wie die Pferde da so laufen.“ Ich tue es mit einem Nicken ab, was ihn nur noch breiter Grinsen lässt. Mein Gott, was macht er da, frage ich mich. Mein Herz springt und mein Magen wird flau. „Freunde?“ er hält mir hoffnungsvoll die Hand hin. Einen Moiment schaue ich ihn verwirrt an. Dann funktioniert mein Hirn wieder an und ich schlage seine noch immer ausgestreckte Hand weg. „Mann Nils“ mit einem Satz springe ich ihm an den Hals und klammere meine Beine um ihn. Ich drücke ihn so fest ich kann. Plötzlich ist es mir auch egal, dass ich mich mit meinen Tränen verrate. Jetzt bin ich einfach nur froh, dass er hier ist. Erst erwiedert er die Umarmung nur zurückhaltend, dann drückt er auch fester zu. Vor lauter Erleichterung entweicht mir ein Schluchzer. Sofort schiebt er mich an den Schultern ein Stück weg, meine Füße berühren auch wieder den Boden, und sieht mich amüsiert an. „Das ist überhaupt nicht lustig.“ schmolle ich und schlinge meine Arme wieder um seinen Bauch. Er drückt mir einen Kuss auf die Haare und so stehen wir eine ganze Weile, bis er meint: „Komm wir gehen wieder rein.“ er legt mir einen Arm um die Schulter um mich mit zu ziehen. „Warte. Ich kann doch nicht so rein gehen“ empöre ich mich und deute auf mein Gesicht, dass vom Makeup total verschmiert ist. Aus meiner Tasche ziehe ich ein Taschentuch und will zu einem parkendem Auto. „Warte, ich mach das.“ Er nimmt mir das Tuch aus der Hand und dreht mein Gesicht ins Licht. Der weiche Stoff berührt meine Haut und ich nutze die Gelegenheit um ihn amüsiert zu mustern. Wie konzentriert er schauen kann. „Du bist nochmal hübscher geworden.“ sagt er als er fertig ist. Sein darauffolgendes Grinsen erinnert mich an Luke. Also sind sie wirklich Brüder. „Danke“ als ichmerke, dass mir die Röte ins Gesicht schießt, schaue ich verlegen weg. Wieder legt er einen Arm um meine Schulter und zieht mich nun in den Club. Drinnen angekommen steuert er direkt auf Luke zu, der von zwei Schönheiten begleitet wird. Kurz klopft Nils ihm auf die Schulter. „Soll ich dich nachher mit nach Hause nehmen?“ fragt er nachdem sich Luke zu uns dreht, die eine Frau aber nicht aus den Augen lässt. „Ich bleibe hier,“ sagt er. Erst jetzt dreht er sich komplett zu uns und grinst, als er Nils Arm um meine Schulter entdeckt. Verlegen schaue ich weg. Er deutet es wahrscheinlich gleich falsch. „Gut.“ damit folge ich Nils ein paar Meter weiter. „Hast du Durst?“ als er sich zu mir beugt um den Lärm zu übertönen, überkommt mich eine Gänsehaut. Was ist nur mit mir los? Mit einem Nicken gebe ich ihm das Einverständnis für mich mitzubestellen. Dankend nehme ich es an und trinke einen großen Schluck um meine Kehle vor dem austrocknen zu bewahren. Dabei schwirren mir tausend Fragen im Kopf herum, die ich ihn fragen will. Aber der Lärm hier würde es spätestens bei der zweiten Wiederholung ins Lächerliche ziehen. Also beschließe ich sie hinten anzustellen. „Tanzt du mit mir?“ fordert er neben mir auch schon. Entrüstet sehe ich ihn an. „Du weist schon, dass ich nicht tanzen kann.“ erwiedere ich peinlich berührt. Allein die Erinnerung an damals, als er mich dabei erwischte, als ich wie ein wild gewordenes Huhn in meinem Zimmer rum hopste, treibt mir die Röte ins Gesicht. „Komms chon du weißt, dass das nicht stimmt.“ behauptet Nils glatt. „Warum willst du, dass ich dich blamiere?“ inständig hoffe ich ihn damit ruhig stellen zu können. Jedoch muss ich im nächsten Moment erschrocken feststellen, dass er niemals aufgeben wird. Er hat es geschafft mich von meinem Hocker zu ziehen und mich auf die Tanzfläche zu schleifen. „Man Nils!“ ich kann den eingeschnappten Unterton in meiner Stimme nicht vor ihm verbergen. „Jetzt sei mal nicht so verklemmt, sonst muss ich dich nachher noch abfüllen.“ brüllt er mir über die Schulter zu. Schließlich stehe ich nur da und sehe ihm zu, wie er sich perfekt zur Musik bewegt. Wo hat er das denn gelernt? Ich fühle mich fehl am Platz. Zwar war ich schon öfter auf Partys, aber das waren meist Hauspartys und getanzt hab ich da auch nur wenns zum Äußersten kam. Verzweifelt lasse ich den Blick durch die Menge schweifen, bis ich merke, dass ich von hinten angetanzt werde. Hilfesuchend schaue ich mich nach Nils um. Doch ich kann ihn nirgends sehen. Fuck! Wo hat er mich jetzt bschon wieder rein geritten? Panisch stelle ich fest, dass die Person hinter mir die Hände auf die Hüfte legt und den Kopf auf meiner Schulter stützt. „Mach die Augen zu.“ befiehlt die Stimme, die mich vor Erleichterung gehorchen lässt. Als ich eine Zeit lang nur so vor ihm stehe und nicht mehr weiß wohin mit mir, übt er leichten Druck mit seinen Händen aus. „Spürst du das?“ ich kann das Grinsen aus seiner Stimme hören. Es ist so vertraut. „Ja.“ sage ich nur und kann mich nicht bewegen. „Dann tanz jetzt Lu, oder spring mit mir wie ein verrücktes Einhorn hier rum.“ Brüllt er und lacht schallend. „Ich habe Durst.“ quängel ich und drehe mich zu ihm um. Sein Grinsen wird noch ein Tick breiter. Er nimmt meine Hand und schleppt mich zurück zur Bar. Diesmal bestelle ich etwas alkoholisches mit der Absicht wirklich lockerer zu werden. Beim dritten Glas merke ich es auch schon. „Komm, das ist jetzt mal genug.“ meint Nils und nimmt mich mit unter die tanzende Menge. Auf einmal kommt mir die Musik lauter vor und ich spüre dedn Bass in meinen Adern pulsieren. Mit Nils stummer Aufforderung fange ich langsam an mich zu bewegen. Mit der Zeit fange ich an zu schweben und tanze, wenn man es so nennen kann, und lasse die Welt um mich herum verschwinden. Nils entfernt sich immer mehr von mir und nmicht nur einmal erkunden seine Hände den Körper anderer Frauen. Ein klein wenig geknickt kehre ich an die Bar zurück. Mit Mühe stelle ich die Uhrzeit auf dem Display meines Handys fest. Es ist schon nach eins. Ob jetzt noch ein Taxi fährt?, frage ich mich. Mit dem Gedanken über meine Gedankengänge, was mich zum Lachen bringt, bestelle ich einen weiteren Shot. Nachdem ich diesen geleert habe, mache ich mich langsam aufden Weg zum Ausgang, was in diesem Zustand das reinste Abenteuer ist. Aber das macht nix. Abenteuer sind lustig. Vor allem wenn Nils vor mir auftaucht, mit einer Frau uim Arm die einfach zum Wegschmeißen aussieht. Wenn es nicht unhöflich wäre, würde ich sie deshalb auslachen. Was hat sie auch so komische Punkte im Gesicht? Kichernd schreite ich weiter auf meinem Weg. „Wo willst du denn hin?“ hält Nils mich auf. „Nach Hause.“ antworte ich trocken, denke gleich an Jaque und zweifele in diesem Moment schon an meinem Plan. „Glaube ich.“ schiebe ich dehshalb unsicher hinterher. „Ich kann Peter fragen ob er michbei sich schlafen lässt.“ kommt mir plötzlich die geniale Idee. Das ist der perfekte Plan für heute Abend. „Welcher Peter?“ will Nils wissen. Er hört sich böse an, aber irgendwie ist das lustig. „Mein geliebter Peter Pan.“ kläre ich ihn auf und muss erneut anfangen zu kichern. Dieses Gesicht ist soo lustig. „Warum hat deine Freundin so komische Punkte im Gesicht?“ frage ich ihn und betrachte sie näher. „Oh Lu. Komm mit wir fahren.“ sagt Nils und lächelt auf einmal. Warum macht er sich über mich lustig? „Ich will aber auch so grüne Punkte.“ protestiere ich, während er sich lachend amüsiert.

 

 

 

 

 

 

Schließlich schaue ich mich nochmal in dem Zimmer um und schließe leise die Tür. Nun befinde ich mich auf einem schmalen Flur, der knappe vier Meter lang ist. Am Ende führt eine schmale Wendeltzreppe nach unten, von wo ich Stimmen vernehmen kann. Also straffe ich meine Schultern und gehe nach unten. Am Ende der Treppe befindet sich direkt die Wohnungstür. Im Grunde könnte ich mich direkt vom Acker machen. Die daraus resultierenden Fragen von Nils, denen ich mich dann stellen müsste sind dann doch unangenehmer. Mit geübten Blick lasse ich meine Aufmerksamkeit durch die wild durcheinander fliegenden Schuhe wandernund finde zu meiner Erleichterung keine Frauenschuhe. „Da bist du ja ich dachte schon du kommst nie.“ erschrickt mich Nils, der mit einem amüsiertem Grinsen im Türrahmen zur Küche steht. „Ähm….“ stottere ich. „Naja, eigentlich wollte ich mich nur schnell verabschieden.“ , bringe ich dann doch noch raus. „Was?“ mit einem Satz steht er vor mir und hält plötzlich meine Hand in seiner. „Zuerst kommst du noch mit uns Frühstücken. Eher kommst du mir nicht aus dem Haus.“, sagt er bevor ich Luft holen kann. Ohne auf eine Reaktion meinerseits zu warten, zieht er mich hinter sich in die duftende Küche. Diese ist zwar nicht besonders groß aber dafür sehr geräumig. Der Tisch ist mit allmöglichen Leckereien gedeckt und lässt meinen Magen knurren. Am Tisch sitzt Max und stopft sich gerade den Rest seines Brötchens in den Mund. „Was möchtest du?“ fragt Nils kümmernd, als ich mich neben ihm platziere. „Einen Orangensaft,“ es klingt eher nach einer Frage als Antwort. Augenblicklich fängt er an genervt zu stöhnen und verdereht die Augen. Als ich ihn ansehe, beobachte ich wie er seinen hübschen Kopf in den Nacken wirft und die Augen schließt. Der Moment ist zu kurz denn er schaut mich wieder an und meint: „Du hattewst früher wirklich mehr auf den Rippen.“ Aha, war ich also fett? Er füllt mir widerwillig ein Glas mit der vitaminreiuchen Flüssigkeit. „Danke.“ mit einem schiefenLächeln nehme ich es ihm ab. „Wo steckt eigentlich Mustafa?“ meldet sich Max das erste Mal an diesem Morgen. „Keine Ahnung.“ gibt Nils nur von sich und fängt an wie Max eben sein Frühstück zu verschlingen. Mit einem ganzen Glas Wasser spült er alles runter, als ob er es eilig hat. Als ob ihm siedendheiß etwas eingefgallen ist. „Oh, ach Max, das hier ist übringends Lu. Lu, das ist Max.“ er deutet auf den Typ mir gegenüber, was ich zum Anlass nehme um ihn deutlicher zu mustern. Seine Haare hat er lässig hoch gestylt und trägt ein eng anliegendes, blaues, bedrucktes T-Shirt. Seine Augen schauen mich abwartend und eine Spur zu wütend an. „Ich weiß.“ gebe ich eine Spur zu trotzig von mir. Aber diesen Blick muss ich ir einfach nicht bieten lassen. „Ähm….Ok: Und woher?“ sichtlich verwirrt schaut Nils abwechselnd zu mir und Max. „Naja. Er war mal mit meiner besten Freundin zusammen.“ erkläre ich ohne ihn aus denAugen zu lassen. „Aha,“ kommt es nur von Nils, den das ganze nicht so sehr zu interressieren scheint. Dann widmet er sich wieder seinem Frühstück zu. Das lässt die Frage aufkommen ob Nils etwa nicht von Maxs Homosexualität weiß. Die Gelegenheit Max so richtig bloß zu stellen könnte gar nicht besser sein. Weil ich aber nicht so gemein bin, lasse ich es sein, gebe jetzt keinen Komentar von mir und nehme mir vor Nils bei Gelegenheit dezent darauf anzusprechen. Während die Beiden wortlos fast den ganzen Tisch leer essen, schaue ich mich neugierig in der Küche um, entdecke aber nicht ausergewöhnliches. Alles was mich in Schockstarre versetzt und mich elekrtisiert ist die Anzeige der Wanduhr. „Fuck.“ fluche ich lautstark und schiebe den Stuhl quietschend über die Fliesen. Mit einem Satz bin ich auf den Beinen und haste raus in den Flur um in meine Scchuhe zu schlüpfen. „Lu.“ Nuils klingt schon fast entsetzt, aber darüber kann ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Seine Schuhe tauchen in meinem Blickfeld auf. In diesem Moment verfluche ich ihn. „Kriegst du Stress mit deinen Eltern?“ will er wissen. Mit den Schultern zuckend versuche ich ihn zu ignorieren. „Eigentlich sollte ich gestern mit der Bahn nach Hause fahren.“ erkläre ich ihm widerwillig. Beim Aufrichten wird mir wieder bewusst wie groß er ist. Einen Moment hält er mich mit seinem Blick gefangen. Wir wissen Beide nur zu gut wie nervend Eltern sein können. Und trotzdem versuchen wir ihren Vorderungen und Ansprüchen gerechtz zu werden. Auch Nils hat sich scheinbar nie gegen die Entscheidung seines Vaters gestellt. Er hätte rebellieren und ihn hintergehen können aber hat es dennoch nie getan. Dafür ist er einfach nicht der Typ. War er nie wie sich ja herausgestellt hat. Ein Klingeln der Haustür reißt uns beide aus diese seltsamen Starre. Für einen Wimpernschlag glaube ich einen Zwiespalt in den Tiefen seiner Augen sehen zu können. Doch im nächsten Augenaufschlag isdt es dann wieder verschwunden, was mich an der Existenz dieses Gedankens zweifeln lässt. Leicht benebelt schasue ich zu, wie er die Tür öffnet. Zwar kann ich die Person nicht sehen, die davor steht. Aber allein an der Stimme erkenn eich Luke wieder. Er wirkt ziemlich munter, was mich etwas verwundert. Hätte nicht gedacht, dass er so früh schon wieder auf den Beinen ist. „Morgen.“ er schiebt sich an Nils vorbei. Als er die Schuhe von den Füßen kickt hat er den Blick stets auf den Boden gerichtet, sodass er mich erst wahrnimmt, als er die Treppe hoch will. „Guten Morgen.“ begfrüße ich ihn, da sich seine Miene deutlich erhellt. „Guten Morgen, wie gehts dir?“ fragt er. „Super, und selbst?“ Er fängt an zu Grinsen, und entblößt eine Reihe strahlend weißer Zähne. „Gut.“ er nickt bestätigend. „Wirklich gut ja.“ Seine Laune ist ansteckend. Ich schaue ihn stumm an und komme mir echt blöd vor, als Nils mich zu sich ruft. „Ich muss dann mal, bevor meine Eltern eine Vermisstenanzeige starten.“ sage ich entschuldigend und grinse trotzdem dabei. „Okay.“ einen Momnet sztehe ich noch immer unschlüssig vor ihm, will noch irgendewas sagen, weiß nur nicht was. Dann drehe ichmich doch um „Man sieht sich.“ schließlich mache ich mich auf den Weg nach draussen. „Hoffenltich.“ vernehme ich noch hinter mir, was meine Laune oben hält. Mit seinem Charm und der dauerhaft guten Laune wundert es mich nicht mehr, dass er der ganzen Frauenwelt die Köpfe verdreht. Selbst Nils ungesprächeige Laune hindert mein Grinsen nicht am Sein. Wortlos nehme ich ihm den Helm ab und setze mich diesmal hinter ihn auf die Maschine. Wie gestern fährt er auch heute nicht langsam durch die Staßen, an den Häusern und Feldern vorbei. Gute zwanzig Minuten später setzt er mich in der Einfahrt ab. Dafür macht er auch extra den Motor aus. „Danke.“ mit einem ehrlichelln Lächeln gebe ich ihm den Helm wieder zurück. Sein Blick, der sich in meinen bohrt, hält mich gefangen. „Kommst du heute Abend?“ wir wolten bisschen grillen.“, unterbricht er die Stille zwischen uns. Seine Worte brauchen eine ganze Ewigkeit bis sie in meinem Hirn ankommen. Noch immer schaue ich in diese gold-braunen Augen, die mich einfach nicht loslassen wollen. Es ist so sschlimm, dass es mir, nachdem ich mich losreißen konnte, schon fast peinlich ist. „Ne…“ stocke ich, schaue an ih vorbei. „Ich muss noch für die Schule lernen.“ rede ich mich raus, schaue hastig nach links hinters Haus zu den Stalljungen. Dort taucht plötzlich Jaque auf. In den karierten Bemuda und dem strahlend weissen Shirt sieht er gut aus. Entweder war er gerade weg und ist auch erst jetzt wiedergrkommen oder er will noch weg. Aber was interressiert mich das? Ich nerve ihn ja nur. Der Gedanke hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack und ein Ziehen in der Magengegend. Als er meinen Blick auf sich spürt und zu mir rüber sieht, schaue ich schnell weg. Um ehrlich zu sein ertrage ich seine Anwesenheit nicht mehr. Da wo sonst immer ein stets vertrautes Gefühl war, ist nun eine klaffende Kruft entsanden. In seiner Gegenwart fühle ich mich fremd und schlecht, was zur Folge hat, dass ich ihm immer häufiger aus dem Weg gehe. Manchmsl vermisse ich die Momente wenn wir uns im Traing duelliert haben und uns gegenseitig aufgezogen haben, wenn einer mehr Ritte am Wochenende hatte als der andere. Scheiße ich vermisse sogar die Momente wenn ich ihn so lange gereizt habe, bis er mich fast erwürgt hätte. „Alles ok?“ , reißt Nils mich aus meinen Gedanken. Leicht verwirrt schaue ich ihn an. Sein eben noch verhaltener Gesichtsausdruck hat nun sanfte Züge bekommen. Diese Augen funkeln jetzt wieder mit diesem goldenen Stich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 12.04.2023

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