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Vorwort

Seit einigen Jahren verwalte ich den Stammbaum unserer Familie und die zugehörigen Dokumente. Eines Tages fiel mir ein Brief in die Hände, den meine Großmutter nach dem Krieg an Freunde nach Amerika schickte. In diesem Schreiben schilderte sie das Leben in Pforzheim und ihre Erlebnisse vor und während des 23. Februar 1945 - dem Schicksalstag der einst schönen Stadt.

Meine Großmutter war in den USA geboren, kam aber schon als Kind mit ihrer Mutter nach Pforzheim. Mit 20 zog es sie in die Staaten und arbeitete als Hausmädchen in Newark. Dann aber kehrte sie nach einigen Jahren wieder in die europäische Heimat zurück, heiratete und bekam eine Tochter – meine Mutter.

Ihrem amerikanischen Pass hatte sie es zu verdanken, dass sie sich während des Nazi-Regimes ständig auf dem Rathaus melden musste. Nach dem Krieg waren aber die Verbindungen in die neue Welt nützlich, denn Freunde schickten Care-Pakete nach Hause. Meiner Mutter blieben vor allem das weiche Brot aus Maismehl und Schokolade in Erinnerung.

 

Der 23. Februar 1945 ist jedem Kind in Pforzheim ein Begriff. Es ist der Tag der völligen Zerstörung einer blühenden Stadt. Nur wenige pforzheimer Familien hatten keine Verluste zu beklagen. Meine Mutter und ihre Eltern hatten das Glück in dieser Zeit auf dem Lande zu sein. Sie waren dort in einem Geräteschuppen untergekommen. Wer weiß, ob sie sonst den Abend des 23. Februar überlebt hätten.

Pforzheim ist heute bekannt für seine Schmuck- und Uhrenindustrie, die sich in den Gründerjahren (ca. 1880) besonders stark entwickelt hatte. Im Krieg wurden diese Fertigkeiten in der Feinmechanik zur Herstellung von Zündern angewendet. Sämtliche Firmen mussten auf diesen neuen Industriezweig umstellen.

Dies war ein Grund, warum die Alliierten die Stadt für eine große Bombardierung im Visier hatten. Vorbereitungen dazu liefen seit November 1944. Ein weiterer Grund war die deutsche Bevölkerung mit Luftangriffen zu zermürben. Es gab die Hoffnung die Deutschen so weit zu bringen, dass sie vielleicht sogar gegen Hitler aufbegehrten. Sir Arthur Harris (auch Bomber-Harris oder "Bombe-Harri" genannt) prägte den Begriff des ‚moral bombing’. Er hatte zwar die Aufgabe, strategische Ziele anzugreifen, aber sein persönliches Hauptziel war die Vernichtung des verhassten deutschen Volkes. Die Methode war effektiv: Luftminen auf Altstädte werfen, damit die Dächer und Fenster geöffnet wurden. Phosphor- und Brandbomben sorgten danach für einen Feuersturm – Altstädte brannten in der Regel sehr gut. Zeitzünder sollten jede Rettung verhindern.

Gegen Abend um 19:50 Uhr begann der Großangriff auf die Stadt Pforzheim. 98% aller Gebäude wurden zerstört und schätzungsweise 17000 Menschen kamen in den Flammen ums Leben. 1575 Tonnen Spreng- und Brandbomben, Brandkanister und Luftminen wurden innerhalb von 22 Minuten auf die Stadt abgeworfen. Die Bevölkerung sank von ca. 79000 (1939) auf ca. 42000.

Dies waren die offiziellen Zahlen, die schnell festgelegt worden waren. Die Engländer schämten sich der Tat und die Nazis mieden negative Schlagzeilen. So versuchten beide dieses Ereignis totzuschweigen. Historiker und die geschichtswissenschaftliche Literatur sprechen heute eher von 25000 Toten. Aber auch das ist nur eine Schätzung. Die genaue Zahl wird man nie in Erfahrung

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 02.05.2015
ISBN: 978-3-7368-9285-9

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle Menschen, welche im Bombenhagel auf ein neues Leben hoffen mussten/ müssen.

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