Deutschlands Mehrheit geht in Rente – und was jetzt?
„Was meinen Ruhestand betrifft – es ist ein endloses Ringen um Kreativität“
– dieses Urteil fällt der 70-jährige Ben Whittaker im Film „Man lernt nie aus“ (2015). Der ehemalige Leiter einer Telefonbuchdruckerei langweilt sich in seinem neuen Lebensabschnitt so hoffnungslos, dass er noch einmal als Praktikant in einer Internetfirma anfängt. Neben den witzigen filmischen Verquickungen von Traditionalismus und Hipster-Kultur ahnt der Zuschauer, dass hier ein Problem schwelt, das nicht nur auf der Leinwand existiert. Immerhin scheint Whittakers Darsteller Robert DeNiro, der das Rentenalter selbst bereits um 10 Jahre überschritten hat, ja offensichtlich auch keine Lust zu haben, sich zur Ruhe zu setzen – obgleich er es sich zweifelsohne leisten könnte.
Doch die Sinnsuche im Ruhestand betrifft nicht nur gelangweilte Medienmillionäre und Akademiker – jeder Rentner steht unter dem Druck, sich im Alter von über 60 noch einmal neu zu definieren. Schließlich verschwindet mit der täglichen Arbeit nicht nur die zeitliche Struktur aus dem Alltag, sondern zumeist auch ein großer Teil des persönlichen Empfindens von Selbstwirksamkeit. Sich dann einfach in den Schaukelstuhl setzen und das Leben der anderen an sich vorbeiziehen lassen? Was frühere Generationen von Rentnern vorgelebt haben – das kann sich die aktuelle Generation 65+ beim besten Willen nicht vorstellen.
Bei den Rentnern der kommenden Jahre handelt es sich um die selbstbewusste und relativ wohlhabende Generation der Babyboomer und Alt-68er, der viele Weltverbesserer und Lebenskünstler angehören. Quicklebendig und erlebnishungrig sehen sie sich beim Eintritt in den Ruhestand zwar am Ende des Arbeitslebens angekommen, stehen aber gleichzeitig am Anfang einer neuen Ära. Umfragen verraten, dass sich zwei Drittel der Neu-Rentner heutzutage rund 10 bis 20 Jahre jünger fühlen als sie es laut Personalausweis sind. Demgegenüber steigt auch die Lebenserwartung der Deutschen stetig: „Wer heute mit 65 Jahren in Rente geht, hat statistisch noch 20,8 Jahre zu leben“, bekräftigt Rembrandt Scholz vom Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung.
Über 20 Jahre? Da steigt der Druck, rasch und sinnvoll jene Lücke zu füllen, die das weggefallene Arbeitsleben hinterlassen hat.
Und vor eben dieser Herausforderung wird in Zukunft der größte Teil unserer Gesellschaft stehen. Denn: Deutschland altert mit seinen geburtenstärksten Jahrgängen (1955-1969). Aktuell, im Jahre 2019, sind 17,71 Millionen Bürger unseres Landes über 65 Jahre alt. Das ist jeder Fünfte. Im Jahr 2030 wird dann jeder dritte Deutsche der Ruhestands-Altersklasse angehören. Damit besitzt Deutschland nicht nur eine der ältesten Bevölkerungen Europas – seine Gesellschaft steht auch in der Pflicht, den Ruheständlern einen Lebenssinn zu vermitteln, der weit über Heizdeckenverkaufsreisen und Schrebergartenidyll hinausgeht. Denn das Nichtstun zermürbt mit der Zeit die psychische Gesundheit – in „ewigen Ferien“ sah bereits der irische Schriftsteller George Bernard Shaw eine „brauchbare Arbeitsdefinition von Hölle“.
Tatsächlich fallen viele Neu-Ruheständler nach dem Wegfall ihrer Arbeit zunächst einmal selbst in ein tiefes Loch. Insbesondere jene, die hoch auf die Karriereleiter geklettert waren und dem männlichen Geschlecht angehören. Sie erleben die Vollbremsung des Arbeitslebens wie einen Schock und finden sich schwerer im neuen Lebensabschnitt zurecht als Frauen, die häufig mehr Wert auf ein soziales Netz neben der Arbeit legen. Manche Karrieretypen erwischt es dann so hart, dass sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechtert und sie nicht mehr viele Jahre ihrer Rente erleben. Die Fachleute haben sogar einen Terminus für die erhöhte Sterblichkeit kurz nach dem Renteneintritt erfunden: den „Pensionierungstod“.
Damit es gar nicht in die Nähe einer solchen Krise kommt, sollten Sie sich bereits einige Zeit vor dem Renteneintritt mit Ihrem neuen Ich als Ruheständler befassen. Zahlreiche Tipps dafür haben wir im folgenden Buch zusammengetragen: Es beleuchtet dabei kreative und sportliche Tätigkeiten genauso wie gesellschaftliches Engagement und die Möglichkeiten, nach dem Renteneintritt weiterzuarbeiten. Einige mentale Tricks, die Ihnen Anregungen zu neuen gedanklichen Perspektiven geben wollen, runden die Kollektion ab. Blättern Sie einfach durch, lesen Sie sich fest und lassen Sie sich inspirieren. Aber bedenken Sie beim Umsetzen: Das Integrieren von Veränderungen in den Ruhestandsalltag funktioniert nicht überstürzt, sondern Schritt für Schritt. Selbst, wenn Sie sich zuweilen in neuen Rollen seltsam vorkommen und sich nicht sicher sind, ob hier Ihr neues Lebensglück liegen könnte – verzweifeln Sie nicht und geben Sie nicht vorschnell auf. Üben Sie spielerisch das „ständige Ringen um Kreativität“ und halten Sie es dabei wie Loriot, der als „Pappa ante portas“ klug das Lebensgefühl eines Neu-Rentners umreist:
„Das ist mein erster Ruhestand. Ich übe noch.“
1 Altersteilzeit? Ja bitte!
Liegt Ihr Ruhestand noch einige Jahre in der Zukunft, aber Sie haben schon jetzt das mulmige Gefühl, der Rentner-Alltag könnte Ihr Leben völlig auf den Kopf stellen? Verständlich. Lachen Sie einfach dagegen an, indem Sie sich noch einmal Loriots Klassiker „Pappa ante portas“ zu Gemüte führen. Hier versucht sich Heinrich Lohse nach Jahrzehnten in einer Produktionsfirma für Abflussrohre ambitioniert als Neu-Rentner im Haushalt nützlich zu machen. Leider scheint ihm durch den Verlust der Arbeitsstelle auch sein Lebenssinn abhandengekommen zu sein. Also vollbringt er die geistige Transferleistung zwischen seiner ehemaligen Position als Leiter der Einkaufsabteilung und den Anforderungen der modernen Haushaltsführung – und ordert Senfgläser, Badezusatz und Bürsten gleich palettenweise. So sei es eben am günstigsten, er habe da schließlich langjährige Erfahrung … will Lohse seine erschrockene Gattin überzeugen. Was auf der Leinwand die Nerven der Protagonisten strapaziert, beansprucht beim Zuschauer zum Glück nur die Lachmuskeln.
Die Satire erleichtert auch den distanzierten Blick auf das Seelenleben vieler Männer, für die sich mit dem Eintritt in die Rente ein Sinn-Vakuum auftut. Denn „der Beruf füllt Männer oftmals voll aus“, erläutert Eckart Hammer, Professor für Soziale Gerontologie an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Sein Fazit: „Männer altern anders“.
Während Frauen durch ihre „heterogene“ Erwerbsbiografie gezwungen werden, sich mit sinnstiftenden Rollen neben dem Beruf zu identifizieren, geraten Männer mit der Rente in die Sinnkrise. Frauen haben gelernt, sich selbst auch als Mutter, Freundin, sozial Engagierte oder Themensuchende zu begreifen, weil Perioden ohne feste Beschäftigung sie bereits ab ihren Zwanzigern sie dazu zwingen. Männer betreten mit dem Berufseintritt eine Blase aus Branchennetzwerk, Kollegen und Insignien der Macht, die mit dem Renteneintritt unsanft platzt.
Dann merken viele, dass Kollegen eben nicht zum Freundeskreis zählen und wie zäh die Tage sich gestalten können, wenn niemand mehr anruft und keine Meetings mehr angesetzt werden. Diese gähnende Leere, die insbesondere Führungskräften quasi über Nacht ihr Prestige entzieht, beschreibt auch Henning von Vieregge eindrucksvoll im Buch Halbzeit des Lebens – was nun? Insbesondere jene, die zur Generation der Babyboomer zählen und die in den kommenden Jahren in Rente gehen werden, trifft dieser Wechsel hart. Wuchsen sie doch mit einem patriarchalischen Rollenbild und in einer wirtschaftlichen Hoch-Zeit auf, die es möglich machte, dass ein Mann alleiniger Ernährer der Familie war.
Doch was hilft gegen den Ruhestands-Blues? Psychologen empfehlen hier die schrittweise Umstellung eher als den harten Schnitt. Wenn Sie die Chance haben, ab 60 oder 62 in Altersteilzeit zu gehen, sollten sie diese Ihrer seelischen Gesundheit zuliebe nutzen. Während die Arbeitszeit reduziert wird, eröffnen sich Freiräume, um herauszufinden, was man mit der gewonnenen Zeit anfangen könnte. Vielleicht gibt Ihnen auch dieses Buch ein paar inspirierende Anregungen dafür.
Wer durch die Altersteilzeit finanzielle Einbußen in der Rente befürchtet, sollte sich den Sachverhalt exakt durchrechnen lassen. Und seine Ansprüche kritisch hinterfragen. Welche Elemente des eigenen Lebensstandards betrachten Sie als essenziell und unverzichtbar? Welche Merkmale sind dagegen verhandelbar? Im Ruhestand geht es schließlich nicht mehr darum, das größtmögliche Maß an Besitz anzuhäufen oder auch nur zu erhalten. Vielmehr wollen Sie das größtmögliche Maß an Sinn, Gesundheit und Genuss aus der vorhandenen Zeit schöpfen.
2 Urlaub fast umsonst – Wohnungstausch und Co
„Warum eine Ferienwohnung für Geld mieten, wenn man die eigene zum Tausch anbieten kann?“
Diese Idee hatten einige junge Lehrer in den 1950er Jahren und sie hoben das Konzept „Wohnungstausch“ aus der Taufe. Während die Tauschbörsen jener Zeiten aufwändig über Kataloge und Briefwechsel liefen, hat das Medium Internet für heutige Interessenten viel erleichtert. Online können Urlaubsfreudige ihr Haus oder ihre Wohnung zum Tausch anbieten und unter zahlreichen Angeboten ihr Ausweichziel suchen. Das hat gleich zwei Vorteile: Einerseits sparen die Urlauber die Kosten für eine Unterkunft. Eine Tatsache, die gerade dem schmalen Geldbeutel im Ruhestand entgegenkommt. Andererseits tauchen sie im privaten Lebensumfeld ihrer Gastgeber im Ausland weit intensiver in die Kultur und Atmosphäre ihres Ferienziels ein, als es eine mit IKEA-Mobiliar dekorierte Ferienwohnung ermöglicht.
Gleich mehrere Portale haben sich im Netz der Vermittlung von Haustauschern verschrieben. Seiten wie Haustauschferien.com, homelink.de und homeexchange.com basieren dabei auf ähnlichen Geschäftsmodellen: Die Mitglieder zahlen eine Jahresgebühr zwischen 100 und 200 € und können ihre idealen Tauschpartner unter den anderen Mitgliedern suchen. Homeexchange arbeitet darüber hinaus mit der virtuellen Tauschwährung Guestpoints, die eine Wechselseitigkeit der Nutzung garantieren soll: Wer Gäste beherbergt, bekommt die Punkte gutgeschrieben, wer in einem Tauschhaus residiert, muss sie bezahlen.
Sie fragen sich, wie man Urlauber aus aller Welt für sein Domizil in Deutschland begeistern könnte? Das ist gar nicht so schwer, wie manche vielleicht vermuten würden. Im Zentrum Europas gelegen, kann man selbst ein Haus im Harz als idealen Ausgangspunkt für eine Rundreise quer über den Kontinent präsentieren. Gäste, die aus Übersee anreisen, messen ohnehin mit anderen Entfernungsmaßstäben.
Fremde im eigenen Heim? Manchen Menschen verschafft allein die Vorstellung vom Haustausch eine leichte Gänsehaut. Zugegeben, als Sicherheit steht Ihnen während des Tauschs allein die Wohnung der anderen Partei zur Verfügung. Wichtig ist es deshalb, Tauschverträge aufzusetzen und eine Versicherung abzuschließen, die eventuelle Schäden abdeckt. Doch insgesamt fallen die Erfahrungsberichte der Tauschtouristen überwiegend positiv aus. Eine Studie der Universität Bergamo deckte auf, dass sich auf Haustauschportalen überwiegend Personen tummeln, die positive Erwartungen in ihre Mitbürger setzen: 75 Prozent von ihnen halten die meisten Menschen für vertrauenswürdig.
Wer dennoch zögert, sein eigenes Heim zum Tausch anzubieten, aber trotzdem gern günstig bei Einheimischen am Urlaubsort wohnen will, sollte Couchsurfing ausprobieren. Auf dem gleichnamigen Portal finden Sie Gastgeber aus aller Welt, die Übernachtungsmöglichkeiten anbieten, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten.
3 Abenteuer Granny-Au-Pair
Wenn Sie es nach dem Abitur versäumt haben, einmal die große weite Welt zu erkunden, können Sie es im Ruhestand unter denselben Bedingungen nachholen. Zumindest für SeniorINNEN bietet der Austausch als „Granny-Au-pair“ die Möglichkeit, einige Monate in den USA, Australien oder einem anderen beliebten Reiseland zu verbringen. Die Konditionen sind dabei dieselben, wie beim bekannten Au-pair-Mädchen: Gegen Kinderbetreuung und leichter Mithilfe im Haushalt erhalten die „Gast-Omas“ Kost und Logis bei der einheimischen Familie.
Die Idee, neben Schülerinnen und Studentinnen auch Damen von 50+ als Au-Pair ins Ausland zu vermitteln ist gerade einmal ein knappes Jahrzehnt alt. Doch bereits zu Beginn des Programmes konnten sich die Vermittler vor Anfragen kaum retten: So verriet die Inhaberin der Hamburger Agentur Granny Au-pair im Interview mit der Zeitung Die Welt, dass sie seit 2010 rund 1000 Leihomas in 40 verschiedene Länder dieser Erde vermitteln konnte.
Was die Eltern am Best-Ager-Au-pair schätzen liegt auf der Hand: Die meisten Damen haben selbst Kinder großgezogen und sind daher von aufgeschürften Knien, Quengeln und Zankereien nicht aus der Ruhe zu bringen. Sie widmen sich den Kindern meist mit größerer Aufmerksamkeit als studentische Au-pairs, die sich verständlicherweise von Partys, Liebesleben und Karriereplanung ablenken lassen. Naturgemäß verfügen die Senior-Au-pairs auch über größere Erfahrung in der Haushaltsführung, was manch junger Gastmutter sehr zugutekommt.
Insbesondere Gastfamilien mit kleinen Kindern eröffnet die Granny auf Zeit damit einen einzigartigen Erfahrungsschatz und bietet einen Grad der Verlässlichkeit, der den studentischen Au-Pairs zuweilen fehlt. Kein Wunder also, dass die Grannys sehr gefragt sind. Einziger Minuspunkt im Austauschprogramm: Die Agenturen vermitteln lediglich den Kontakt und erwarten, dass die Vertragspartner jede Modalität bezüglich Kosten, Reise und Versicherung unter sich klären. Ob Sie als Granny-Au-Pair also ein „Taschengeld“ erhalten, liegt an Ihrem Verhandlungsgeschick. Im Falle einer vereinbarten Entlohnung müssen Sie jedoch in vielen Ländern ein Arbeitsvisum beantragen und mit der Familie einen Arbeitsvertrag abschließen. Andere Möglichkeiten für die Gastfamilie, Ihre Leistung zu entlohnen, bestehen in der Übernahme der Reise- oder Versicherungskosten, dem Bezahlen eines Abonnements für die öffentlichen Verkehrsmittel oder der Bereitstellung eines Autos. Damit beide Parteien vollauf zufrieden mit der Konstellation sind, empfiehlt es sich, die Regelungen schriftlich festzuhalten.
Schließlich kommen bei einem langfristigen Auslandsaufenthalt noch weitere organisatorische Fragen auf Sie als Au-pair-Granny zu: Sind Gesundheitsleistungen und Unfälle durch die Europäische Krankenversicherungskarte abgedeckt oder benötigen Sie eine private Auslandskrankenversicherung? Müssen Sie eventuell ein Visum zur Einreise in das gewählte Land beantragen?
Sind alle Fragen geklärt, bietet Ihnen eine Tätigkeit als Granny-Au-pair eventuell die Chance, Fernziele zu entdecken, ohne dass dabei Kosten für Verpflegung und Unterkunft entstehen. Der Focus liegt hier allerdings auf dem Kontakt mit der Familie, insbesondere mit den Kindern, und dem Erleben des Familienalltags in einem anderen Kulturkreis.
4 Boule – Pétanque
Alte Herren, die im Park neben Rotwein und Käse die Kugeln klackern lassen – so sieht das Klischee aus, unter dem der Boule-Sport leidet. Und eben dieses Bild hält vielleicht auch Sie davon ab, mal einen Wurf zu wagen. Doch der Kugelsport, der offiziell Pétanque heißt, distanziert sich scharf vom Bild des Altherrenhobbys und nimmt sich selbst sehr ernst: Jährlich wird eine WM ausgetragen, bei der jedes Land seine vier besten Spieler entsenden darf. Die sind zumindest in den letzten Dekaden deutlich unter dem Renteneintrittsalter gewesen. Als die Pétanque-Weltmeisterschaft 2007 in Thailand gastierte, war die Königinmutter von Eindrücken gar so beeindruckt, dass sie den Sport fortan zum Armee-Pflichttraining erklärte.
Als Gipfel des Bestrebens nach Professionalisierung setzen sich die nationalen Vereine und das Internationale Ausbildungszentrum für Boulesport in Paris aktuell dafür ein, dass der Präzisionssport zur olympischen Disziplin erklärt wird. Bei Olympia 2024 in Paris wollen die Pétanque-Mannschaften mit dabei sein. Strenge Dopingkontrollen werden bei der WM bereits seit einem Jahrzehnt durchgeführt, um endlich mit dem Vorurteil der trinkfreudigen Boule-Spieler aufzuräumen. Hier scheint das Klischee nämlich nah an der Realität zu liegen: „Vor ein paar Jahren war der Deutsche Meister mal so betrunken, dass er fast vom Siegertreppchen gekippt wäre. Er hat zwischen den Spielen immer mal wieder vom Pastis genippt“, verrät Boule-Bundesligist Raphael Gharany der Süddeutschen Zeitung im Interview. Vielleicht hatten die französischen Gesetzgeber eben doch ein bisschen Recht, als sie das Boulespiel im Jahre 1629 gerichtlich verboten. „Boule verführt zu lasterhaften Ausschweifungen und ist Ursache sonstiger Unverschämtheiten“, hieß es damals in der Begründung.
Präzisionssport auf Weltniveau oder Treffpunkt rotweinliebender Pensionäre? Sie brauchen sich über die Extreme keine Gedanken machen, falls Sie Lust bekommen haben, ein paar Kugeln zu werfen. Denn neben den hochfliegenden olympischen Perspektiven ist Boule immer noch ein Spiel, dass jeder sofort lernen kann. Der Ablauf ist simpel:
Sie ziehen einen Kreis von 50cm Durchmesser, der den Abwurfpunkt markiert. Von diesem Kreis aus wird zunächst die kleine Holzkugel, das „Schweinchen“ (Cochonnet), etwa 6 bis 10 Meter weit auf das Feld (z.B. ein Kiesbett) geworfen. Anschließend wirft ein Spieler seine etwa 700g schwere Metallkugel so, dass sie möglichst nah am Schweinchen zum Liegen kommt. Der Gegner kann nun versuchen, seine Kugel noch näher am Cochonnet zu platzieren, oder die gegnerische Kugel damit wegzustoßen. Am Wurf ist immer die Mannschaft, deren Kugeln weiter entfernt vom Schweinchen liegen. Am Ende zählen nur jene Kugeln der Siegermannschaft, die näher als die nächste gegnerische Kugel am Schweinchen positioniert sind. Für jede gibt es einen Punkt. Und das Spiel geht in die nächste Runde.
Die einzige Regel, die Sie beachten müssen, ist, beim Wurf nicht über den Kreis hinauszutreten. Und gerade diese Vorschrift ist dann doch wieder ein Zugeständnis an die nicht mehr ganz so jungen Spieler. Warum? Früher spielte man in Frankreich Boule mit 3 Schritten Anlauf, das sogenannte a la longue. Als der beliebte Spieler Jules Le Noir aufgrund seines Rheumaleidens nicht mehr in der Lage zum dynamischen Anlauf war, passte sich auch sein Spielpartner daran an und warf die Kugel stehend mit geschlossenen Füßen. „Pieds tanqués“ nennen die Franzosen diese Fußhaltung, bzw. „Ped tanco“ im bretonischen Dialekt – so wurde „Pétanque“ erfunden.
5 Arbeiten Sie an Ihrer Partnerschaft
Wie turbulent das Leben eines Paares durcheinandergewirbelt wird, wenn ER in Rente geht, können Filmliebhaber in Loriots Klassiker Pappa ante Portas überspitzt miterleben. Der arme Herr Lohse, der durch die Pensionierung seines Lebenssinns beraubt wurde, versucht seine betriebswirtschaftlichen Qualitäten im Haushalt einzusetzen und treibt seine Gattin damit schier in den Nervenzusammenbruch.
Doch worüber der Komödienzuschauer lacht, ist nicht weit von der Realität entfernt. Als die Psychologen Thomas Holmes und Richard Rahe in den 1960ern eine Skala der größten Stressauslöser für den Durchschnittsbürger aufstellten, entdeckten sie das Konfliktpotenzial des Ruhestands: Die Pensionierung rangiert neben der Scheidung, dem Tod des Ehepartners und einer Gefängnisstrafe in den Top 10 der größten Stressfaktoren des Lebens. Doch auch wenn man nicht selbst, sondern der Ehepartner in Rente geht, erlebt man eine Stressbelastung, die mehr wiegt als Probleme mit dem Vorgesetzten oder Schulden bis 30.000€ Höhe. Fazit: Wenn einer in Rente geht, ist das für beide Partner erstmal kein Zuckerschlecken.
Vor allem dann nicht, wenn die Hoffnungen, die viele Ehefrauen an die neue Lebensperiode richten, nicht in Erfüllung gehen. „Wenn mein Mann in Rente geht …“, lautet ein Halbsatz, den Hausfrauen in der Regel mit Träumen von Kreuzfahrten, Reisen und gemeinsamen Freizeitaktivitäten beenden. Worüber sich die wenigsten dabei Gedanken machen, ist, wie der Alltag eines Paars im Ruhestand abläuft. Nicht selten entstehen Spannungen, wenn Frauen vom pensionierten Partner erstmals mehr Hilfe im Haushalt erbitten oder sein Engagement im Haus als Eingriff in ihr „Hoheitsgebiet“ empfinden. Hier eskalieren Konflikte, die sich an Lappalien entzünden, schnell zur handfesten Frage, ob man überhaupt noch zusammenpasst.
Dass sich immer mehr Paare diese Frage mit Nein beantworten, verrät die steigende Scheidungsrate bei Senioren. Aktuell trennen sich doppelt so viele Ehepaare nach der Silberhochzeit wie noch vor 20 Jahren. Berühmte Beispiele wie Entertainer Thomas Gottschalk machen es vor: Auch nach 40 Jahren Ehe bietet eine Scheidung noch eine Perspektive. Das Argument, die späte Trennung lohne nicht mehr, verliert seine Kraft, wenn man weiß, dass man statistisch gesehen noch zwei gesunde Dekaden vor sich hat. Doch auch für eine Paartherapie ist es deshalb nicht zu spät. Viele Coaches und Psychologen haben sich speziell auf die Probleme von Langzeitpaaren spezialisiert und ermutigen dazu, in der Ruhestandskrise den Versuch eines Neuanfanges zu wagen. Klar ist: Automatisch regelt sich das Rentnerdasein als Paar bei den allerwenigsten ein. Für den Lebensabschnitt nach dem Beruf müssen beide in ihren persönlichen Visionen wenigstens teilweise harmonieren. Soll der örtliche Lebensmittelpunkt verlagert werden? Vielleicht sogar durch das Auswandern in den Süden? Welche Themen sollen den Alltag zukünftig bestimmen? Hier müssen beide Partner ähnliche Ziele verfolgen, um das gemeinsame Leben im Ruhestand fruchtbar gestalten zu können.
Zuweilen deckt die Rente auch auf, was der Arbeits- und Familienalltag lange kaschiert hat: Es fehlen die gemeinsamen Themen. „Was sollen wir schon zusammen machen?!“, fragt Loriots Renate Lohse im Film beinahe verächtlich ihren Gatten. Traurig, aber wahr – sie charakterisiert damit die Situation vieler Senior-Paare, die in den Jahrzehnten von Beruf und Kindererziehung mehr nebeneinander denn miteinander gelebt haben.
Doch, der Film bietet auch einen ermutigenden Clou: Anstatt sich gegenseitig in den Wahnsinn zu treiben, strapaziert das Ehepaar Lohse fortan die Nerven seines Publikums mit seinen Auftritten als dilettantisches Blockflöten-Duo. Diese Botschaft trifft den Kern: Finden Sie gemeinsam mit ihrem Partner ein Thema, das Sie beide leidenschaftlich verfolgen wollen – ganz egal, ob es nach außen hin Anstoß erregt. Der Ruhestand ist schließlich eine Zeit, die Sie (idealerweise gemeinsam) genießen sollen – mit Außenwirkung und Image dürfen dagegen Jüngere ihre Lebenszeit verschwenden.
6 Hopfen & Malz
„Es wird bei uns Deutschen mit wenig so viel Zeit totgeschlagen wie mit Biertrinken.“ – so ereiferte sich Reichskanzler Otto von Bismarck über die Liebe seiner Landsleute zum Gerstensaft. Als Ruheständler haben Sie jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit ausreichend Zeit zum Trinken und eventuell sogar genug Muße, um sich das Bier vorher selbst zu brauen. Diesen Versuch unternehmen aktuell nicht nur absonderliche Chemiker in Rente, sondern er folgt einem Trend namens „Homebrewing“, der im letzten Jahrzehnt zunehmend Hipster und Traditionalisten begeistert.
Dem deutschen Reinheitsgebot sei Dank sind die Zutaten für die Unternehmung auch überschaubar: Malz, Hopfen, Hefe und Wasser – mehr brauchen Sie nicht zur heimischen Bierherstellung, wenn Sie zusätzlich über die geeigneten Gefäße und Behälter verfügen. Auf das nötige Equipment haben sich bereits etliche Online-Shops spezialisiert und bieten den Interessierten einfache „Brau-Kits“ mit Zubehör und Zutaten an.
Die Prozedur selbst ist dann auch nicht viel anspruchsvoller als das Einkochen von Marmelade: Zunächst wird Malzsirup gemeinsam mit Wasser aufgekocht, dann kommt der Hopfen hinzu. Die Pflanze kaufen Hobbybrauer meist in Form von Pellets ein. Wenn die Mischung Raumtemperatur erreicht hat, kann die Hefe zugegeben werden – immerhin ist sie ein lebender Organismus, der gemäßigte Temperaturen braucht, um sein Werk zu verrichten. Ihre Arbeit besteht im Gärprozess, der Zucker in Kohlendioxid verwandelt. Damit das beim Bierbrauen unfallfrei vonstattengeht, ist ein bestimmter Gärbehälter vonnöten, dessen spezieller Verschluss den Druck ablässt. Nach vier bis fünf Tagen ist das Bier dann zur Abfüllung in Flaschen bereit. Vier Wochen reifen diese noch im Kühlschrank nach, bevor sie verkostet werden können.
Wer von seiner Kreation dann so begeistert ist, dass er seine gesamte Verwandtschaft damit versorgen will, muss auf die Vorschriften achten: Das deutsche Biersteuergesetz schreibt vor, dass auf Mengen über 200 Liter im Jahr dem zuständigen Hauptzollamt eine Biersteuer zu entrichten ist. Ihre Höhe berechnet man in einer komplizierten Formel anhand des Stammwürzegehalts des Getränks.
Sie betrachten Steuern fürs Hausbrauen als typisch deutsche Pfennigfuchserei? Dann bedenken Sie, dass es bereits ein Zugeständnis bedeutet, den Gerstensaft überhaupt in den eigenen vier Wänden brauen zu dürfen: Seit 1906 war es in nämlich Deutschland verboten, Gerätschaften zur Bierherstellung in den Verkehr zu bringen. Im Jahre 1938 untersagte es die Regierung gar, Rezepte für Bier zu verbreiten. Erst als DIY-Urgestein Jean Pütz in seiner Hobbythek 1982 öffentlich zum Hausbrauen anleitete, wurden diese Beschränkungen wieder aufgehoben.
Aktuell greift die Bierbranche den Trend zum Selbermachen gern auf. „Craft Beer“ avancierte zur Bezeichnung von hochwertigen und handgemachten Biersorten. Die großen Brauereien bieten interessierten Bierfans Tage der offenen Tür an und machen sogar ihre Hefe-Banken den Laien zugänglich. Auf den Geschmack gekommen? Zum Einstieg lohnt es sich, eines der zahlreichen Bücher über das Hausbrauen zuzulegen oder online die ersten Informationen zu recherchieren, z.B. bei hopfenhelden.de.
7 Weitermachen als Space Cowboy?
Im Science-Fiction-Blockbuster Space Cowboys (2000) dürfen vier Astronauten im Ruhestand noch einmal ins All fliegen. Der Grund: Die Jungspunde der NASA werden nicht mit einem außer Kontrolle geratenen und atombewaffneten russischen Satelliten fertig - mit seiner Technologie aus dem Jahr 1958 kennt sich 40 Jahre später schlichtweg niemand mehr aus. Das graue Quartett bewahrt natürlich die Welt vor ihrem sicheren Untergang … so wie auch in der Realität altgediente Fachkräfte aus dem Ruhestand zurückkehren könnten, um mit ihrem unschätzbaren Know-How junge Kollegen und Geschäftspartner zu unterstützen. Das plante zumindest die Firma Daimler und entlieh den charmanten Filmtitel für ihr Ehemaligen-Programm. Als Daimler Space Cowboy haben sich seit Start der Initiative im Jahr 2013 bereits 600 Mitarbeiter registrieren lassen und sich in über 11.000 Arbeitstagen in die Abläufe des Unternehmens eingebracht. Dabei profitieren sie nicht nur von ihrem Erfahrungsschatz und Spezialwissen, sondern auch von ihrem seriösen Auftreten, wie der ehemalige Daimler-Abteilungsleiter Peter Linden der FAZ im Interview gesteht. Wenn er in China mit dem Mercedes-Geschäftspartner über den Einsatz von Werkzeugen „made in Germany“ verhandelt, wird eines deutlich: „Mein Alter verschafft mir einen gewissen Respekt.“
Inzwischen haben viele Unternehmen die Ruheständler als Ressource entdeckt. In der Industrie profitieren vorwiegend Meister, Ingenieure und Führungskräfte von den befristeten Arbeitsprojekten. Den Ruhestand unterbrechen die meisten hier nicht aus finanziellen Gründen, sondern aus Interesse an der Arbeit. Vorreiter der Senior-Experten-Idee ist eigentlich Bosch, das bereits 1999 seine Tochterfirma BMS (Bosch Management Support) gegründet hat. Seitdem sind 1600 Ruheständler registriert, die insgesamt 60.500 Arbeitstage als beratende Experten absolvierten. Auch Unternehmen wie ABB; Bayer, SMS Siemag, Otto und die Drogeriekette Budnikowsky setzen auf die Weiterbeschäftigung von Ehemaligen im Ruhestand. Die Vorteile sind für alle Seiten ersichtlich: „Unsere Seniorexperten sind wichtige Leistungsträger. Ihr langjähriges Know-how hilft bei Problemlösungen, liefert neue Ideen und stärkt unsere Innovationsfähigkeit“, erklärt Christoph Kübel, Personalgeschäftsführer der Robert Bosch GmbH im Interview mit der FAZ. Wilfried Porth, Personalvorstand der Daimler AG, stimmt zu: „Durch die Zusammenarbeit zwischen den Generationen gewinnen wir wertvolle Impulse!“
Den Wert von Senior-Experten erkennt auch der öffentliche Dienst. 2015 rief das Bildungsministerium Nordrhein-Westfalen das landesweite Projekt „Senior Experten für alle Schulen" aus. Hier unterrichten Fachkräfte wie Chemieprofessoren und Agraringenieure die Schüler über den Regelunterricht hinaus und beraten auch in Fragen der Berufswahl.
Bietet auch Ihr Arbeitgeber eine Tätigkeit als Senior-Experte oder eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung an? Dann ziehen Sie diese Option ernsthaft in Erwägung. Angst vor zu wenig Freizeit im Ruhestand brauchen Sie nicht zu bekommen, da die Projekte zeitlich in der Regel begrenzt sind. Im Falle von Daimlers Space Cowboys auf maximal 50 Arbeitstage im Jahr. Ihr Gewinn dagegen beinhaltet neben dem Gehaltsscheck auch kontinuierliche soziale Kontakte, Arbeit in bekannten Strukturen und das Gefühl, noch immer sehr gefragt zu sein.
8 Auf Michelangelos Spuren
„Die Kunst besteht darin, dass sie in einem Kunstwerk nicht zu bemerken ist“ – folgt man dieser Definition des römischen Dichters Ovid (43 v.-17 n-Chr.), sind viele Werke der zeitgenössischen Kunst wohl als großartig anzusehen. Denn – stehen Sie nicht manchmal auch vor einem silbernen Kubus oder einer Erdmännchen-Skulptur und bemerken die Kunst darin … eher nicht? Wenn Sie sogar einen Schritt weiter gehen und denken „Das könnte ich aber auch!“ - dann versuchen Sie sich doch einmal am Schaffen einer Skulptur.
Dreidimensional künstlerisch zu arbeiten, ist nicht schwer, wenn Sie eine Technik finden, die Ihnen liegt. Spontane Charaktere starten dafür mit Plastiken aus Draht und Papier. Mit starkem Draht oder Maschendrahtgewebe können Sie bizarre Formen entwickeln und das auf diese Weise entstandene „Skelett“ mit Zeitungspapier auffüllen. Dafür können Sie trockenes Papier verwenden, das Sie im Anschluss mit Malerkrepp umwickeln, oder das klassische Pappmache, das Sie mit eingeweichten Zeitungsschnipseln und Kleister anrühren. Tutorials, die alles schrittweise erklären, finden Sie dafür kostenfrei im Internet. Zum Abschluss wird die trockene Skulptur bemalt – zum Beispiel mit einer metallischen Farbe, die ihr den Anschein von Bronze oder Silber verleiht.
Haptisch befriedigender ist die Arbeit mit Ton. Hier können Sie organische und weiche Formen aus dem Material herausmodellieren – müssen jedoch auf Gesetze der Statik achten. Soll eine Tonfigur gebrannt werden, muss sie innen hohl sein. Folglich müssen Sie Porträts, Tiere oder abstrakte Objekte über einem Gerüst oder aus Schichten einzelner Tonwülste aufbauen. Volkshochschulkurse vermitteln die Technik gut und geben auch die Möglichkeit, das geschaffene Stück im hauseigenen Brennofen zu brennen.
Entwickeln Sie dagegen Skulpturen aus Holz oder Stein, müssen Sie keine Sorge haben, dass Ihr Werk zusammenbricht, sondern im Gegenteil viel Geduld beweisen, das Material Stück für Stück abzutragen. Das ist bei weichem Holz relativ einfach, bei Stein schon schwieriger. Der weiche Speckstein bietet hier eine Materialvariante, die für Anfänger leicht zu bewältigen ist. Für Menschen, die den eigenwilligen grau-grünen Look von Speckstein nicht mögen, eignet sich echter weißer Alabaster. Das edle Material lässt sich mit Holzwerkzeugen bearbeiten, zu einer sanften Glätte schleifen und lässt das Licht durchscheinen, so dass es wie ein Halbedelstein wirkt. Für etwa 2 bis 3 Euro pro Kilo erhalten Sie weißen Alabaster im Künstlerbedarfshandel.
Doch edel muss nicht sein. Auch ausgesonderte Metallteile und rostiger Schrott dienen als vielversprechendes Basismaterial zum Erschaffen einer bizarren Skulptur. Wie Sie einen Plasmaschneider bedienen und wie Sie Metallteile durch Schweißen verbinden, lernen Sie am besten in einem Kurs bei einem regionalen Kunstschmied oder in der Volkshochschule.
Falls Sie dekorative Objekte zwar mögen, aber keine Geduld beweisen, so viel Handarbeit einzusetzen, sollten Sie in der Natur auf Schatzsuche gehen. Vom Meer geformte Treibholzstücke oder absurde Steinbrocken sind zuweilen schon „fertige“ Kunstwerke. Setzen Sie diese Exponate auf einen Sockel (den bekommen Sie im Künstlerbedarfshandel), dann kann auch keiner Ihrer Hausgäste mehr bezweifeln, dass es sich um Kunst handelt. Und falls doch: Dann belehren Sie den Banausen, indem Sie Ovid zitieren und klarstellen das Kunst eben darin besteht, dass man sie nicht bemerkt.
9 Wecken Sie Ihre Neugier
„Solange man neugierig ist, kann einem das Alter nichts anhaben“ – mit dieser Einschätzung hatte Schauspieler Burt Lancaster wissenschaftlich gesehen völlig Recht. Denn wenn Sie einen Altersforscher fragen würde, welche Eigenschaften am meisten garantieren, dass Ihr Geist bis ins hohe Alter fit bleibt, würde er höchstwahrscheinlich antworten: Neugier und Offenheit. Aus Studien weiß man heute, dass Ältere, die sich mit dem Erlernen neuer Hobbies beschäftigen, ihre Gehirnmasse messbar vermehren können. Die frühere These, ab einem Alter von 30 herrsche nur noch Abbau bei den grauen Zellen, erweist sich damit als Irrtum. Jedes Mal, bei dem sich Menschen über 60 einer ungewohnten Tätigkeit widmen, wachsen auch bei ihnen neue Synapsen und intensivieren die bereits bestehenden Nervenverbindungen. Eine offene Grundhaltung scheint sogar vor Alzheimer zu schützen – von Grund auf neugierige Menschen erleiden das Schicksal Demenz nur halb so oft wie die festgefahrenen Charaktere.
Doch eine neugierige Grundhaltung zu bewahren, ist leichter gesagt als getan. Immerhin hat es einen evolutionären Sinn, dass unser Hirn jeden neuen Eindruck in Sekundenschnelle mit bereits abgespeicherten Erinnerungen vergleicht und uns Entwarnung gibt: „Das kenn´ ich doch schon.“ Das Leben in bekannten Bahnen spart Energie und Stress. Gerade für Menschen über 65, die sich vom rasanten Wandel der digitalen Welt um sie herum angegriffen, genervt und überfordert fühlen, hat der Rückzug auf Gewohntes eine Schutzfunktion.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 15.10.2019
ISBN: 978-3-7487-1785-0
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