Magus of Motus
Kapitel 1: Ein magischer Moment!
Die Sterne ... Wenn man sie sich lang genug anschaut, sieht man vieles in ihnen, Vergangenes, Zukünftiges, erträumtes, einfach alles. Sterne scheinen immer und keiner kann ihnen sagen, sie sollen damit aufhören. Sterne stehen für sich allein und doch sind sie so zahlreich wie sonst nichts im Universum. Die Menschen, die zu den Sternen schauen, waren schon seit je her als Träumer bekannt. Es wirkt fast so, als wäre es ihr Schicksal, nach mehr zu streben, einen Weg zu finden, um das unmögliche möglich zu machen.
Träumer lieben die Sterne, sie sehen sich selbst in ihnen und all das, was noch aus ihnen werden könnte.
Sterne sind nichts als Magie, so rein wie sonst nichts. Auch Wünsche sollen mit ihnen erfüllt werden können, ja wirklich.
Nur eine Sternschnuppe kann dir deinen sehnlichsten Wunsch erfüllen.
Komm schon, schau gen Himmel und sag es mit mir: "Ich wünsche mir ..."
//Ein Bericht, geschrieben vor dem ersten Sternenfall.
Nodon, eine Stadt auf einem zerfressenden Planeten (Planet Nr 12873 Nennung: Mundu) mit wenig allgemeinem Fortschritt.
(Zusatz: Keine Energie im Kern mehr vorhanden, Zerfall ist unvermeidlich.)
Die Bevölkerung dieser Stadt ist menschlich.
Der Mensch ist eine Lebensform, die zwei Dinge vereint:
Gemeinschaftsdrang und die Fähigkeit, sogenannte 'Emotionen' zu spüren.
(Zusatz: Emotionen sind eine Art Energie, die lediglich auf diesen Planeten gefunden werden konnte. Sie ist wohl eine evolutionäre Eigenschaft der Lebewesen auf Planet Nr 12873.)
Nodon ist eine Stadt, die auf einem ziemlich hohen Hügel liegt (Nennung: Riesen-Steppe) und somit nur schwer erreichbar ist, dies gilt sowohl für andere Menschen als auch für den Zerfall.
Ihre Haupteigenschaften sind viele steinerne große Häuser mit spitz zulaufenden Dächern und eine 'kunstvolle Gestaltung' dieser.
(Zusatz: Kunst ist ein Ausdruck von Emotionen. Ein weg der Energie Verarbeitung.)
Die Menschen beschreiben ihre eigene Stadt oft als: 'Eng' oder 'kalt', das Wetter soll wohl auch nicht der Norm entsprechen, Regen ist keine Seltenheit.
(Zusatz: Menschen scheinen bestimmtes Wetter zu bevorzugen.)
Es ist eine der letzten Städte und auch eine der letzten 'freien' Orte.
(Zusatz: Menschen drücken sich gerne aus, solche Orte sind dafür am besten geeignet.)
Hier finden sich Alt und Jung, Reich und Arm, sowie 'Gut' und 'Böse' zusammen und erschaffen eine einzigartige Stimmung.
(Zusatz: Gut und Böse sind Konzepte, die aus Emotionen abgeleitet werden, sie sind für den weiteren Verlauf allerdings irrelevant.)
Auf diesen nicht mal mit Elektrizität vertrauten Straßen fahren die Kutschen hin und her, an 'engen' Gassen und 'schönen' Marktplätzen vorbei. Sie treffen auf Schulkinder und ihre Lehrer, fahren weiter hinein und kommen letztlich im Herzen der Stadt an.
(Zusatz: Kinder und ihre Schulen stehen direkt in Verbindung, es scheint eine gewisse Emotion mit beiden behaftet zu sein.)
Nodon wird vom 'Glauben' regiert und seine Bevölkerung scheint damit mehr als 'zufrieden' zu sein.
(Zusatz: Glauben ist eine Interpretation der gegebenen Umstände der Existenz.)
Es ist eine Stadt, die perfekt geeignet zu sein scheint.
(Wichtig: Nodon erfüllt alle Kriterien.)
Ein Ort, an dem Emotionen förmlich aufblühen können, ohne durch den Funken der Neuzeit zerstört zu werden. Nodon hat noch genug Zeit, um als Kandidat zu genügen.
(Projekt Start: Magus)
//Viele Jahre später, mitten in Nodon.
Chance kann sich noch ganz genau daran erinnern. Er war damals noch ganz klein, kaum mehr als ein Kleinkind, aber er wusste noch genau, wie es damals war, was er an jenen Tag sah ...
Sein Vater, ein guter Mann. Nahm ihn mit auf einen Ausflug, zeigte ihm einmal die ganze Stadt und sogar das, was darüber hinaus lag. Sie fuhren mit der Kutsche von einem Ort zum anderen, fast gänzlich ohne Halt.
Es war Nacht, daher machten die meisten schon ihre Laternen oder Kerzen an. Die engen Gassen wirkten an jenen Tag so warm wie noch nie.
Mit jeder Sekunde zogen ein paar der schön verzierten steinernen Häuser an ihnen vorbei, darin Leute mit Kindern und Familie.
Chance zeigte auf all das, was ihn interessierte, faselte einfach drauflos und sein Vater hörte ihm dabei aufmerksam zu.
"Ein Brunnen, der ist ja noch viel größer als der bei uns in der Straße!"
Da war auch kein Wunder, dieser Brunnen stand hier immerhin schon seit dem Aufbau Nodons.
"Große Türme! Sind da auch Leute drin?"
Glockentürme, ihr Start in den Tag.
"Eine Brücke und wie schön groß die ist! Lebt da jemand drunter oder warum ist das so groß?"
Die Größte, die sie hatten, über den einzigen Fluss, den er kannte.
Und da war noch so vieles mehr.
Für ein Kind, wie er eins war, konnte es keine schönere Stadt geben.
Wobei auch nicht alles an Nodon schön war, immerhin gab es da noch 'Sie'.
Wer Sie waren?
Ganz einfach ... die Schatten natürlich.
Wesen, die alle möglichen Gestaltungen annahmen und von kaum jemandem außer Kindern gesehen werden konnten. Sie sahen aus, als hätte man ein Blattpapier gefaltet und darauf gezeichnet.
Als hätte man auf ihnen ganz böse Dinge gezeichnet.
Oder es so lange gefaltet, bis es zu mehr als einem Papier wurde.
Ob zweidimensional oder dreidimensional, ihnen war keine Grenze gesetzt.
Es waren Schatten und doch waren sie viel mehr als das; sie lebten und atmeten ...
Manche sogar sprechen.
Die meisten glaubten nicht an sie, andere taten es schon und bezeichneten sie daher als 'Geister', für Kinder wie Chance, aber sahen in ihnen etwas anderes ...
Nachts hörte er sie flüstern oder er sah sie sich an Leute klammern. Für die Kinder war klar, dass diese Wesen nicht einfach nur da waren; sie taten etwas mit den Menschen.
Chance war auf jeden Fall froh, sie an jenen Tag nicht weiter gesehen zu haben, immerhin sollte dieser Tag etwas ganz Besonderes werden.
Etwas, was keine Spur von Dunkelheit brauchte, um Bestand zu halten.
Sein Vater hatte Chance versprochen, ihm etwas zu zeigen, daher auch der lange Weg; ihr Ziel lag nämlich ganz weit von alledem, was die normalen Bewohner von Nodon sonst so zuzusehen bekamen. Da war dieser Hügel, an dem sie ausstiegen; natürlich war er dabei gestolpert, wie so üblich für ein Kind; sein Vater jedoch fing ihn auf. "Nicht so eilig ... gleich sind wir da."
Mit sich hatten sie nichts als eine Art Roher; für Chance sah das Ganze nach nichts Besonderem aus, aber sein Vater hatte sich wohl etwas dabei gedacht.
Auf jenen Hügel war ein Baum, nichts als ein Baum und etwas Grass.
Es wehte hin und her, ein schwaches Lüftchen zog durch Nodon.
Es war ruhig, so ruhig wie nur selten.
"Bleib genau da stehen", sagte sein Vater ihm, während er dieses Rohr aufbaute ...
Erst viel später sollte er lernen, wie man dieses Ding wirklich nennt; ein Teleskop war es.
Sein Vater verschob es, machte Platz und schaute einmal hindurch.
Er war zufrieden, dass erkannte Chance genau.
"Komm mal her, Chance ... das musst du sehen."
Sein Vater war kein Mann, der großen Worte, wenn er sprach, war es also wichtig ...
Chance ging zu ihm und schaute dabei gen Himmel.
Auch schon ohne Teleskop war dieser wunderschön. So klar wie seit Ewigkeiten nicht mehr ... sonst war alles immer voll mit Rauch, doch jetzt ... Sterne.
"Wow ..." Im Augenwinkel sah er seinen Vater kopfschüttelnd.
"Wenn du das schon beeindruckend findest, dann schau doch mal hier durch ..."
Er wollte seinen Sohn etwas beweisen, das war klar. Er wollte ihm zeigen, wie viel es doch da draußen gab, was sie noch nicht kannten.
Ein Blick hindurch genügte ...
Sie funkelten, blitzten und leuchteten. Mache waren groß, andere klein ... er hätte sogar schwören können, Muster in ihnen zu erkennen.
"Papa ... was ist da?" Er zeigte in den Himmel, noch immer ein Auge im Teleskop.
Sein Vater lachte auf ... "Keine Ahnung, aber hell ist es da auf jeden Fall."
"Du weißt es nicht?" Für ihn war sein Vater ein Anker des Wissens.
Sein Vater schüttelte den Kopf, er wirkte etwas gekränkt.
"Nein und das werde ich wohl auch nie ... aber ..."
Er ging ein paar Schritte auf Chance zu.
"Du ganz sicher."
Er wusste noch ganz genau, was er sich in diesem Moment fragte.
Ich?
Es fühlte sich an, wie als wäre auf einmal eine große Last auf seinen Schultern, als würde er Steine schleppen, nein ganze Sterne.
"Und ich ... schaff das?"
Sein Vater schaute in die Sterne. "Ja, natürlich."
"Und wie?"
Er sah überrascht aus, vielleicht sogar überfordert.
"Ha ... ja ... wie ..." doch dann ... "Ah! klar doch."
Sein Vater hatte wieder eine 'dieser' Ideen.
"Ein Wunsch sollte aushelfen!"
Hin und wieder überraschte sein Vater seine ganze Familie mit den eigentümlichsten Ideen ... die meisten davon gefielen seiner Mutter dabei mal so gar nicht.
"Ein Wunsch?"
Für seinen Vater war das ganz einfach, er erklärte es ihm schnell und simpel.
"Man sagt, wenn ein Stern an einem vorbeifliegt, hat man genau einen Wunsch frei."
"..."
"Mach ihn also schnell und zögere nicht, greife nach den Sternen ... ha, so einfach ist das."
Chance wusste noch genau, wie lange es gedauert hatte ... wie viele Minuten er dort hochschaute, es war für ihn wie eine Ewigkeit.
Ehe er das Licht sah.
"Da ist eine, Junge!"
Es war ein magischer Moment, als der Stern an ihm vorbeiraste und einen schier unendlich langen Schleier aus Staub hinter sich herzog.
Nur einen Versuch sollte er haben ... nur einen Wunsch ... daher nahm er das Naheliegendste.
Sein Wunsch lautete: "Lass mich ... lass mich nach den Sternen greifen!"
...
Sein Vater wurde ganz rot ...
"Ha Ha Ha Ha!" Er lachte. "Ja genau ... greif nach den Sternen."
Chance schaute seinen Vater traurig an und er schaute nur zurück.
"War das ein blöder Wunsch, Papa?"
"Nein, natürlich nicht, es ist nur ..."
Ein Grinsen.
"Ach, vergiss es einfach."
Sie schauten sich noch lange den Nachthimmel an und sein Vater erzählte ihm dabei von all den tollen Sachen, die hier unten noch auf ihn warten würden.
Chance erinnerte sich gern hieran zurück ...
Denn es zeigt ihm jedes Mal aufs neue, wie magisch Nodon doch ist.
// Zehn Jahre später
Die Straßen waren voll.
Zu dieser Jahreszeit keine Seltenheit, immerhin war die Ernte gut und die Leute Saat. Man sah Pferdekutschen ohne Ende, die an jeglichen Ort zumindest einmal haltmachten. Nodon mit seinen engen Gassen wirkte an solchen Tagen fast schön überfüllt, doch das war nicht ganz richtig ...
Dort am Kaffee.
Ein Mann mit schwarzem Anzug und großem zylindrischem Hut sprach mit einer Frau, gänzlich in edelster Seide gekleidet: "Ich habe gehört, wir haben wieder Leute einsparen müssen?"
Die Frau nickte nur schweigend, sie wirkte wie so vieles hier gehetzt und müde.
"Die Männer aus der Firma sagen mir ständig, sie können den Buchdruck nicht weiter vollführen aufgrund von diesen 'Schwerwiegenden Emotionen' verstehen sie mich nicht falsch, gute Frau, aber ... ewig kann das nicht weitergehen, wir gehen sonst alle bankrott."
Die Frau nickte wie eine Art kaputte Maschine.
Ein Junge schritt an ihnen vorbei, er ging zur Schule und lauschte dabei den Worten derer, die sich hier immer herumtrieben: die mit Geld und jene, die genau so werden wollten.
Hier am Handelsmarkt gab es kaum jemand anderen;
die Kundschaft stand immerhin vor dem Tresen und konnte es nie auch nur wagen, dahinter zu schauen.
Der Junge machte es dem Menschenstrom vor sich nach und schwamm mit.
Die Straßen wurden hier immer enger, so mehr man sich von der Stadtmitte entfernte, wobei es auch hier ein paar Ausnahmen gab.
Von oben hörte er die Leute sich anschreien, die Gebäude waren hoch, da konnte sowas schon mal passieren.
"Diese Stadt ist dem Untergang geweiht, kann das etwa keiner von euch verstehen?!"
"Hexen! Das liegt an den Hexen, ganz klare Sache."
"Endlich einer, der Ahnung hat ..."
Der Junge drängte sich an ein paar dicken Händlern vorbei, jeden Tag das Gleiche ...
Anders als die meisten hier, konnte der Junge nicht warten; er musste sich beeilen, durfte keine Zeit verlieren. Die Schule wartete nicht.
Eine Tür knallte neben ihm auf, ein Mann sprang heraus und fiel gen Boden, sein Herr über ihn gebeugt. "Du bist entlassen! Verschwinde und nimm deine Tagträume gleich mit."
Der Mann heulte, eine Stelle in Nodon war rar; wer nicht zur Schule ging, bekam meist kaum eine Wahl. "Bitte ... oh Gott, lassen Sie es mich weiter probieren!"
"Mir ist zwar egal, woran meine Leute glauben, aber ... wer ständig nur in Ecken starrt und von sich 'bewegenden Schatten' spricht, kann doch nicht richtig im Kopf sein ... verschwinde."
Der man am Boden stand auf und rannte in die Menge, nie wieder gesehen ...
Der Mann hatte recht, so wusste der Junge.
"Heute tanzen sie wieder wie wild."
Nodon war eine magische Stadt voller Geheimnisse und Rätsel, so dachte er.
Wie sein Vater immer zu sagen pflegte: "Die Welt ist so unergründlich wie der Nachthimmel."
Der Junge zuckte zusammen, als er bemerkte, dass jemand nach ihm rief, eine alte Frau, die neben einem noch viel älteren Haus stand, viele Taschen neben ihr.
"Oh mein guter Chance, kommst du mal bitte!" Hier lebten viele alte Leute; hier waren einst die ersten Gebäude entstanden, lange bevor überhaupt irgendjemand von ihnen geboren war.
Eigentlich hatte Chance keine Zeit, aber ... wenn jemand seine Hilfe brauchte, konnte er nicht nein sagen.
"Mein guter ... könntest du mir die Taschen bitte ins Haus tragen?"
Er stimmte still zu, tat, wie von ihm verlangt. Er machte es gerne, es war sein Wunsch, Leute glücklich zu machen, nützlich zu sein.
"Oh mein guter Chance, wie groß du doch geworden bist ... und wie schick du aussiehst, einen schönen Anzug trägst du da, ist der neu? Von der Schule, nicht wahr? Er passt gut zum Rest, du scheinst wie eh und je!"
Chance blieb still, etwas war es ihm schon peinlich, aber er bedankte sich natürlich.
Ein schnelles Winken und er verschwand, die Zeit drängte.
Er war ein Junge mit schulterlangen lockigen blonden Haaren, blauen Augen und einem sehr jungen Gesicht. Alles, was er mit sich führte, war stets sehr ordentlich, was aber vor allem an seiner strengen, aber liebevollen Familie lag.
Wenn man ihn so ansah, hätte man denken können, er würde sich oft zurückziehen, das war aber nicht so. Trotz seiner dünnen Statur versuchte er zu helfen, wo er nur konnte, und achtete dabei stets eher auf andere. Sein Freund Merrick hatte ihm das beigebracht, wie man auf Menschen zugeht, sie fragt, wie es ihnen geht und ihnen hilft.
Der Junge, etwas Unbeholfene, aber trotzdem fröhliche Chance, in der Stadt war er schon eine kleine Berühmtheit, wo andere Kinder in jenen Zeiten von bösen Schatten sprachen, blieb er nüchtern. Ein so junges Kind und dennoch schon so erwachsen ... jedenfalls dachten das die meisten von ihm.
Die Wahrheit war aber, dass auch er sie sehen konnte und genau wie jeder andere Angst vor ihnen hatte.
'Schatten' nannten sie viele, andere fingen gleich mit Dämonen an.
Chance war sich nicht sicher, was sie waren, nur dass sie da waren ... das war klar.
Der Mann am Kaffee schaute heute einem von ihnen genau entgegen; es hatte sich an der Frau festgebissen, ein riesiger Wurm, nein eher ein Egel. Schwarz hatte er ausgesehen, mit zwei roten, riesigen Augen. Er zappelte wild umher, fast so als wolle er sie aussaugen oder sie sich gleich gänzlich einverleiben.
Einen Blick hoch zu den schreienden Männern und Frauen hatte er auch geworfen.
Da oben auf einem Dach saß auch einer von ihnen, ein großer Dicker, mit weit aufgerissenem Maul; auch er schien zu schreien und zu wüten.
Und dann gab es da natürlich auch noch den kleinen Teufel, der neben dem Mann am Boden gesessen hatte; unaufhörlich stach er mit seiner kleinen Gabel auf ihn ein.
Auch die alte Frau hatte einen dieser Schatten bei sich, ein Wesen, welches auf Stöcken ging, so dürr wie man es sich nur vorstellen konnte.
All diese Schatten waren da, egal was die Leute auch sagen mochten, es gab sie.
"Was sie wohl wollen ...?"
Das konnte keiner sagen. Die Erwachsenen redeten über Hexen und ihre bösen Machenschaften, die Kinder von Monstern. Auch Chance war nicht viel schlauer, er dachte jeden Tag über sie nach und doch erfuhr er nie mehr ...
Seine Schritte waren langsam, seine Umgebung nur noch halb so überfüllt.
"..." Er riss die Augen auf, er hatte bei all dem Denken die Schule völlig vergessen!
Seine Schritte wurden schneller, sein Atem hastiger.
Chance konnte die Schatten um sich herum gänzlich ignorieren, er war ein Junge mit Prioritäten.
//Etwas später, nahe der großen Hauptstraße.
Zu spät würde er nicht kommen, aber verschwitzt zu sein war auch nicht besonders erstrebenswert. Am liebsten wäre er wieder umgedreht, was würden nur die anderen von ihm denken und vor allem … ihr Lehrer?
"Ich bin echt zu blöd ..."
Eine Stimme kam hinter ihm hervor. Sie war so jung wie seine und ebenfalls männlich, auch wenn sie viel lebhafter klang.
"Aber bist du noch schlau genug, um meine Hausaufgaben zu machen?"
Chance schüttelte mit dem Kopf, ohne sich umzudrehen.
"Merrick ... solltest du nicht bereits in der Schule sein?"
Der Junge namens Merrick war mindestens genauso bekannt wie Chance; vor allem hier in den ärmeren Teilen der Stadt war er wohl überall gesehen.
Eine Hand landete auf seiner Schulter. "Ach komm schon, denkst du nur, weil ich ein, zwei Stunden fehle, bekomme ich Ärger?" Merrick war eine Stufe über Chance und hatte somit auch schon früher und mehr Unterricht.
"Mit der Einstellung wirst du den Abschluss nie schaffen. Willst du etwa obdachlos werden?"
Der Junge kam langsam in sein Sichtfeld. Ein sportlicher Bursche mit schlapper Schuluniform.
Sein Haar war kurz und schwarz und sein Gesicht kräftig wie das eines Jungen, der mehr als genug lächelte. "Ha, du übertreibst. Meine Schwester hat auch ohne Abschluss einen Beruf gefunden und die anderen Kinder in den Außenbezirken finden auch Arbeit."
"Du machst dir das Leben aber einfach ..."
"Und du machst es dir zu schwer, komm schon, nimm doch nicht alles immer so ernst."
Chance beäugte ihn noch für einen Moment, dann schloss er die Augen und lächelte ebenfalls.
"Haah ... meinetwegen, aber versuch doch zumindest etwas zu lernen."
Marrick kicherte, sie hatten solche Momente praktisch ständig, ein Versprechen würde daran auch nichts ändern. "Ich hab mal mit ein paar Leuten hier geredet, die Schule macht es nicht mehr lang."
"Ja, das hat mein Vater auch gesagt ... und genau deswegen sollten wir diese Chance nutzen!"
"Die 'Chance' nutzten, ernsthaft?" Beide lachten über den Wortwitz ... dabei hatte er das eigentlich ernst gemeint.
Im Geiste hatte Chance schon akzeptiert, den Rest des Weges langsam wie immer zu gehen, um weiter mit Marrick sprechen zu können; immerhin hatte Marrick schon etwas recht ... nur ein bisschen zu spät zu kommen ist sowieso nur halb so schlimm ... Marrick hatte wohl ganz schön auf ihn abgefärbt.
"Es ist schade ... das hier ist die letzte öffentliche Schule, schon bald ..." Chance schüttelte gekränkt den Kopf, er wusste genau, was das für Nodon bedeuten würde.
"So ist das nun mal, die Kirche ist geizig, das sagen die Leute zumindest ..." Merrick war bei solchen Themen seinen Alter entsprechend informiert, auch wenn er anders als viele nichts mit der kirchlichen Regierung anfangen konnte. Es stand wohl keine Abscheu im Raum, sondern eher das versimpelte Denken eines Kindes, welches von allen Seiten Gerüchte zu hören bekam.
"Ob die Kirche wohl Geld braucht, um gegen ... 'Sie' vorzugehen? "
Chance zeigte auf ein Wesen, was durch ein Fenster direkt auf sie schaute, eine Masse aus schwarzen Fetzten mit zwei leuchtend roten Augen ...
Merrick streckte dem Ding die Zunge entgegen.
"Quatsch, die glauben eh nicht, dass die Schatten wirklich existieren."
Selbst Erwachsene, die einst selbst die Schatten gesehen hatten, wurden oft zu zweifeln ... Erinnerungen an jene Wesen waren für sie wie verschwommen.
"Ja ... da hast du recht."
Merrick legte seinen Arm um Chance, seine Schulter.
"Ach komm schon, die tun doch eh nichts als Starren und Flüstern. Wenn du mich fragst sind das alles einfach nur dumme Geister!"
'Dumme Geister' ... Merrick war wirklich ein unvergleichbarer Junge.
"Und lass mich raten ... du wirst sie alle irgendwann verprügeln?"
Merrick lächelte Chance zu.
"Klar, ich hol mir einfach Magie und dann setzt es was!"
Magie ... Merrick hatte Chance auf etwas gebracht.
Sie waren nahe einem offenen Park, fast da also ...
"Hey Merrick, sag mal ... Warum reden eigentlich alle Leute von diesen Hexen?"
Das Thema war schon seit seiner Geburt ein Ding, doch neuerdings bekam er es immer häufiger mit. Merrick der in Verbindung mit mehr als genug Menschen stand und viele Freundschaften pflegte, könnte ihn vielleicht ja eine Antwort bieten.
"Kein Plan."
"Hä?"
Sie liefen an einem Haufen Blumen vorbei.
"Das sagen die Leute doch immer, wenn es irgendein Problem gibt."
"Sind es denn Hexen?"
"Wer weiß ... ich hörte nur von ein paar merkwürdigen Gestalten, die in den Nächten auftauchen."
"Was meinst du? Was für Gestalten?"
"Ja, eben dunkle menschliche Gestalten. Denk einfach nicht zu viel drüber nach, Nodon ist eben auch keine unschuldige Stadt ... zumindest sagen das viele so."
Eigentlich wollte Chance mehr darüber wissen, aber ehe er nachfragen konnte ...
Stellte sich ihnen ein nur alt zu bekanntes Gesicht in den Weg.
Merrick schaute erschrocken.
"Amara ... du schwänzest auch?"
Das Mädchen vor ihnen hatte eine ähnliche Schuluniform wie die beiden an, nur dass ihre statt einer schwarzen Hose einen Rock hatte.
Dazu trug sie einen roten Schal und einen kleinen blumenförmigen Anstecker.
Ihr Haar war braun, ein sehr helles Braun, um genau zu sein. Sie waren lang und offen liegend, eine typische Frisur für eine Frau aus Nodon.
Ihre tiefroten Augen starrten den beiden direkt in die Seele; auf ihrem Gesicht war kaum mehr als eine mürrische Miene zu sehen.
"Ich habe heute keinen Unterricht, Lehrermangel."
Merrick schluckte lautstark. "OH ... Haha ... ich natürlich auch nicht."
Chance konnte sich das Grinsen nicht zurückhalten.
"Von Merrick habe ich auch nichts anderes erwartet, aber von dir Chance ... er ist wirklich kein guter Einfluss für dich." Während sie diese ernsten Worte sprach, biss sie von einem Brot ab ... dann wieder und wieder ... Sie liebte es zu essen.
Merrick stellte sich quer. "Ach komm schon, etwas Spaß darf doch wohl erlaubt sein!"
Die beiden liebten es, sich zu streiten ...
"Wenn du unter einer Brücke landen willst, dann mach weiter so, aber zieh doch kein hilfloses Kind mit dir mit, du Brückentroll!"
"Wenn nennst du hier Troll?! Chance ist freiwillig hier und begleitet mich zur Schule ... außerdem bin ich doch auch nur ein, zwei Monate älter als er."
Amara schüttelte den Kopf und biss dabei von einem Apfel ab ...
"Ich muss wohl sicherstellen, dass ihr dort auch wirklich ankommt."
Heute waren die beiden, aber wirklich auf Kriegsfuß.
"Willst du meine Mami spielen, oder wie?" Man hätte es kaum glauben können, aber ...
"Einer muss es ja tun ..." Die beiden waren Freunde ... sie alle drei.
Merrick zeigte mit seiner rechten Hand elegant nach vorne, Richtung Schule ...
"Dann weisen sie mir doch bitte den Weg, miss ..."
"Mit Freuden." Sie nahm den letzten Bissen vom Apfel mit einem Lächeln entgegen.
Chance schaute den beiden kurz nach ... irgendwas verstand er noch nicht ...
Er konnte nicht mit dem Finger drauf zeigen, aber ... da war noch etwas.
"Hey, Chance, kommst du?" "Ja, klar!"
Vielleicht war er ja auch einfach noch zu jung, um das zu verstehen ... was auch immer es war.
//???
Nodon war eine wirklich beeindruckende Stadt, keine Frage und
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 18.06.2024
ISBN: 978-3-7554-7968-0
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