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Kapitel 1: Ein Wunsch

Flower in the sky

 

Kapitel 1: Ein Wunsch

 

"Der Mensch wird nie sterben. Menschen passen sich seid je her an. Es gibt kein Problem, welches sie nicht mit genügend Zeit bewältigen könnten. Stets finden sie etwas, um sich vom fallen abzuhalten. Ihr Leben ist ein ständiges hin und her. Erst stirbt jemand, dann taucht ein anderer auf, etwas Neues wird entdeckt, eine neue Liebe, ein neues Interesse. Dieser Vorgang geht ewig so weiter, ewig bis zum Tod und noch darüber hinaus ... Der Mensch sieht sich als vieles, man könnte sich fragen, wer er wirklich ist unter dieser Haut, unter diesen Muskeln und Nerven, was würde übrig bleiben? Vielleicht sollte man die Frage aber auch eher in die andere Richtung stellen ... Was ist die wahre Blume des Menschen? "

 

"Die Frage" von Azriel den letzten gelehrten 
   3 V. Ank*

*V .Ank: Vor Ankunft

Azriel war der erste, der es tat ... er erreichte unglaubliche Höhen. Gemeinsam mit seinem Team aus Bergsteigern erreichte er die Spitzte des Berges "Riese", die Menschen dieser Welt hatten nach Orten gesucht, die sicher waren, Orte, die weder von starken Naturkatastrophen geplagt wurden noch starke Temperaturen haben würden. Sie suchten nach Sicherheit. Schon seid Hunderten, nein vielleicht sogar schon tausenden von Jahren taten sie das. Die Welt da unten war von Lavaflüssen, unfruchtbaren Boden und ewigen Winter gezeichnet. Es war nur klar für die Leute, dass es da oben besser sein musste. Die ersten, die den "Riesen" bestiegen, waren eben sie, genau, die, die an meisten daran zweifelten. Die Gelehrten, eine Gruppe an Normaden, hatten viel dazu beigetragen, wie technologisch fortgeschritten die Welt war. Zahnräder, Dampfmaschinen, nicht handgemachte Kleidung.  Sie hatten erforscht und gelernt, sie hatten nie geglaubt, aber die Leute glaubten an sie. Der technologische Fortschritt war für sie zwar schön und gut, aber das größte Problem war eben genau der Glaube. Nie könnten sie zusammen arbeiten, wenn sie so weiter machen würden. Im Himmel solle Gott leben, sagten sie, der "Riese" wäre ein Weg nach da oben, auf seiner Spitze solle sich eine Reihe von fliegenden Inseln befinden. Die Gelehrten konnten das nicht glauben, es ergab keinen Sinn. Die Menschen da unten hatten sich schon seid Urzeiten bekriegt, und nie waren sie sich einig. Doch beim "Riesen" sagten sie alle das Gleiche. Jeder, der da oben war, sah sie scheinbar. Es war für die da unten der ultimative Beweis für Gott, für die Gelehrten war es eine Legende, etwas worüber sie lachten und weinten zugleich. Ihre Tat sollte zeigen, dass Gott nichts weiter ist als ein Märchen. Ihr Plan war es, mit ihrer neusten Gerätschaft ein Bild von der Szenerie da oben zu machen und so allen zu beweisen, dass sie nichts weiter fürchteten als ein Phantom, ein Schatten, eine etwas merkwürdig ausschauende Wolke vielleicht ... Doch als sie oben ankamen, zeigte sich ihnen das Bild des Schreckens. Vier Inseln, alle verbunden durch, wie sie später bekannt wurden "Wolken Pforten" Wege aus unglaublich stabilen Wolken, die unmöglich zu erklären waren. An jenen Tag als sie die Spitze erreichten, trafen sie die Entscheidung weiterzugehen. Sie wollten eine logische Erklärung, sie wollten Vernunft statt Vernarrtheit.  

 

"... Dieser Anblick war zugleich wunderschön als auch hässlich wie die Nacht. Wir wussten, dass wir falsch gelegen hatten, aber noch viel schlimmer ... auf einmal war die Frage nach Gott doch nicht mehr so absurd gewesen ..."

 

Ein auszug aus "Die Ankunft" von Azriel den letzten gelehrten 
     13 n. Ank*

 

*n .Ank: Nach Ankunft

Nur eine Insel schafften sie es zu betreten bevor sie fast alle starben ... 

 

 

"... Wir sahen eine Umgebung so mysteriös, so unglaublich, wie wir sie noch nie zuvor gesehen hatten. Wasserfälle, die rückwärts flossen, Bäume die teils so hoch wie Berge waren, Blumen mit Gesichtern, die uns auslachten und das schlimmste ... Lebende Körperteile, riesig und Menschen fressend ..."

Ein auszug aus "Boten der Götter" von Azriel den letzten gelehrten  
     14 n. Ank

 

Es wurden das erste Mal die sogenannten "Boten Gottes" gesehen. Riesige Körperteile, die Menschen einfach so töteten. Darunter zählten die "Geflügeltenaugen", die "Fingertausendfüßler", die "Handspinnen" und noch viele mehr ... bei dem darauf folgenden "Kampf" starben alle Gelehrten außer Azriel der sich laut eigenen Angaben versteckte. 

 

"... Sie fanden mich nicht, entweder wollten sie mich nicht finden oder es war ihnen den Aufwand nicht Wert genug ..."

Ein auszug aus "Boten der Götter" von Azriel den letzten gelehrten  
     14 n. Ank

 

Azriels Rückkehr zeigte den Leuten die Wahrheit. Aus Angst vor Gott wurde Neugier. Azriel war einer der ersten, die es in Erwägung zogen, eine Siedlung auf dem Berg zu errichten. Die da unten hatten nicht mehr viel, kein Essen, keine Städte, kein Leben. Sie fraßen, was sie konnten, sie lebten, wo sie konnten und kämpften stetig gegen den Wunsch an einfach zu sterben. Viele kamen daher zu ihm. Sein Wissen und ihr Material bildeten die Grundlage der Siedlung "Hort" und mit seiner Gründung wurde der erste Himmelfänger getauft, Azriel der letzte Gelehrte.

 

"... Ich will einen Ort erschaffen, der etwas komplett Neues ist, sozusagen ein Wunderland in der Hölle. Von hier aus sollen sie selbst sehen, welches Gesicht dieser Gott hat. Auch ich werde ihn eines Tages wieder gegenüber stehen, ich werde nicht aufhören nach antworten zu suchen! ..."

Ein auszug aus "Gott" von Azriel den letzten gelehrten  
     20 n. Ank

 

362 Jahre später ... 382 n. Ank

 

Die Siedlung mit dem Namen Hort wurde immer größer und größer. Hier nahe der Bergspitze war es möglich ein freies Leben zu führen. Doch alles hatte seinen Preis ... entweder warst du Arbeiter in der Mine und sammeltest so Material für Gebäude, Maschinen oder Werkzeuge oder du warst Himmelsfänger. Beide Berufe waren beliebt unter den Dorfbewohnern, aber natürlich gab es vor allen beim letzteren ein großes Interesse. Dar Hort seine Nahrung von Händlern erhielt, war es einfach gefundenes zu verkaufen. Denn genau das war das Geschäft eines Himmelfängers, da oben nach Dingen zu suchen, Fleisch der Monster, Pfalzen mit spezieller Wirkung, Artefakte ... da gab es schon so einiges. Nur die wenigsten Menschen waren es gewachsen ein Himmelsfänger zu sein, die meisten starben bevor sie überhaupt die zweite Insel erreicht hatten. Außenseiter nannten diese Inseln "Gottes Palast", die Himmelsfänger allerdings fanden, dass "Garten" besser dazu passte. Und in all dem Dreck und Schutt, bei all den widerlichen Personen, hinter dem Dampf und dem Metall, da war eine Taverne. Ein kleiner Laden, der sich groß aufspielte, hier gingen die hin, die nichts zu verlieren hatten. Die Himmelsfänger. "Wenn ich es dir doch sage Gabriel, ich hab dem Kerl damals wirklich helfen wollen! hätt ich doch nicht wissen können, dass da ne Schlucht war HAHA" Ein stark gebauter, halbnackter Mann, gezeichnet von Narben und einer Glatze, glotzte mit seinen leeren Augen auf einen großen krug. Er grinste. Gegenüber von ihm am Runden Tisch war ein Alter Mann, auch wenn er mit seinen weißen langen Haaren und seinen grauen Augen älter wirkte, war dem nicht so, er war 60 während der Grinsende schon auf die 63 zuging. Er trug anders als der Grinsende viel Kleidung, genauso viel wie bei diesen Temperaturen angemessen war, Schwarz war sie, mit langen dicken Stricken verziert. Auf seinen Augen lag eine runde, etwas kaputte Brille. "Warum bloß glaub ich dir nicht ..." der Mann mit dem Namen Gabriel schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht fassen ... auch er grinste etwas. Die Taverne war reich gefüllt, die Tatsache das sie ein Platz bekommen hatten, wies darauf hin, dass sie schon lange hier waren. An den Wänden der Taverne hingen Zeichnungen der besagten Boten Gottes, mal ein Auge da oder eine Hand hier, daneben immer Dinge wie Ruinen, Fragmente oder andere mysteriöse Gegenstände. Gabriel konnte nicht genug von diesen Dingen kriegen. Jedes Mal, wenn er hier war, nahm er sich die Zeit, um jedes Stück Geschichte und jede Art von Legende in sich aufzunehmen. "Bist wohl immer noch nen Träumer." Der Mann mit der Glatze grinste ihn erwartungsvoll an. "Cherub ... Es ist lang her." er sprach so als hätten sie sich gerade erst wieder getroffen, in Wahrheit waren sie aber jetzt schon seid drei Nächten am selben Tisch. "Ha, als ich das letzte Mal losmachte, war alles hier noch nen Stück weit anders, du aber hast dich scheinbar kaum verändert." Gabriel nahm ein Schluck aus seinem Krug, er war fast leer ... "Zwanzig Jahre." "Hää wirklich? Das gibts ja nicht! Ich sags dir, die Zeit da oben vergeht viel zu schnell." auch Cherub nahm sein Krug. Die beiden schienen etwas angetrunken. "Du hast mir noch kaum was von deiner letzten großen Reise erzählt. Los, sag schon, wie kommt es, dass nur du zurückgekehrt bist?" Gabriel schaute halbwegs ernst, er wollte es wirklich wissen. "Bin schlau gewesen, hab die anderen vorgeschickt. Als ich bei ihnen ankam, waren sie nur noch Mus. Und ich dachte, ich hätte mit Experten zusammengearbeitet ... Zwanzig Jahre, kaum zu fassen. Aber wenigstens bin ich kein Mus Ha!" er besoff sich weiter als wäre nie was gewesen. "Und alter Mann, wie läufts bei dir? Schon ordentlich Kinder gezeugt mit deiner Alten?" Gabriel riss für einen Moment die Augen auf, dann sanken sie wieder. Sein Ausdruck wandelte sich von, interessiert zu nachdenklich. "Lilith ist Tod, Cherub ... genauso wie die Kinder." Es war keine Trauer, die ihn in diesen Moment irritiert zurückließ, es war eher eine Realisation. Cherub musterte ihn eine Sekunde lang, doch dann fiel er in übliche Muster zurück. "Naja, Frauen gibts ne Menge, und nen paar Kinder kannst du dir auch kaufen. Musst nur etwas aufpassen, dass dir keine mangelhafte Ware verkauft wird. Die zocken einen echt heut nur noch so ab!" Gabriel hielt die Luft an, man hatte ihn mal gesagt das solle die Nerven beruhigen, genau das brauchte er jetzt ... "Cherub, wie siehts aus, gehst du in dein Leben noch mal da hoch?" Cherub lachte laut auf als er das hörte "Klar! Und dann bring ich dir noch nen nettes Geschenk mit, vielleicht ja mein Kopf oder mein Herz, würde doch bestimmt gut in den Raum hier hineinpassen, oder?" Gabriel seufzte "Also nicht ..." auch Cherubs Krug war jetzt leer. Er wendete seine Aufmerksamkeit nun voll und ganz auf Gabriel ... "Ne, sag mir nicht, du willst ..." "Ich will da hoch, ja." Die Faust Cherubs knallte auf den Tisch und ein schrilles Gelächter war zu hören. Jeder, der um sie herum stand, schreckte sofort auf. "HAHAHA! Du willst noch immer nach da oben, in den Garten? Gabriel schon von klein auf sag ichs dir, dafür bist du einfach nicht gemacht. Lieber solltest du weiter an diesen Maschinen herumbasteln und damit dein Taschengeld verdienen." Gabriel rückte seine verrutschte Brille zurecht "Damals war es anders, ich wollte nur wegen des Abenteuers gehen, aber jetzt da ... da hab ich einen Entschluss gefasst." Cherub lehnte sich zu ihm "Ein Entschluss?" Gabriel sammelte sich. "Ich will von Gott einen Wunsch erfüllt bekommen." Cherub schaute erst etwas überrascht, bis sich dann auch dieses Gesicht in dasselbe dreckige Grinsen verwandelte. "Du glaubst also daran, dass da oben Gott leben soll? Und du glaubst auch das er dir einen Wunsch erfüllt ... verdammt du bist echt Kind geblieben. "Gabriel hätte ihm am liebsten eine reingeschlagen, aber er wusste, wie sowas enden würde ... "Die Vier haben doch auch Theorien dazu aufgestellt, haben sie nicht sogar gesagt, da oben wäre ein Turm, der gänzlich unerkundet ist?" "Ha, als ob die vier Auserwählten überhaupt irgendeine vertrauensvolle Quelle für Informationen wären. Die verkriechen sich doch nur auf den Inseln und treiben ihre eigenen kleinen Spielchen." 

 

Gemeint waren sie, die, die als von Gott auserwählt bezeichnet wurden. Die, die jeden Himmelsfänger in den Schatten stellten. Die Vier auserwählten waren, Vier Personen, die separat über ein Jahrzehnt hinweg in den Garten kamen und alles auf den Kopf stellten. Jeder war auf seine eigene Art und Weise speziell, manche kamen allein, andere nahmen eine ganze Gruppe mit sich. Sie gingen da hoch und kamen mit Neuheiten jeglicher Art wieder runter. Hort blühte zu dieser Zeit wirklich auf. Sie wurden als Legenden bekannt und jeder gute Himmelsfänger, der was von sich hielt, wollte ein Teil ihrer Geschichte werden. Das alles war jetzt aber schon gute zwanzig Jahre her, das letzte Mal als einer der Vier nach unten fand war vor gut zehn Jahren. Er brachte die Kunde, dass jeder von ihnen von nun an im Garten bleiben würde, jeder auf seiner eigenen Insel. Der einzige Weg sie nun noch zu erreichen war es zwangsweise nach da oben zu gehen und ihr Zuhause aufzusuchen. Kaum jemand sprach mehr mit ihnen und mit der Zeit wurden sie eher zu Legenden als richtigen Personen. Einige waren sich sogar sicher, dass manche von ihnen bereits Tod sein müssten. 

 

"... Ich sage euch, ihr könnt mir glauben, nur von Gott auserwählte können diese Reiche ihr zu Hause nennen ..." 

Ein auszug aus "Die Ankunft" von Azriel den letzten gelehrten 
    13 n. Ank

 

 "Du bist ein Träumer, ein Kind, was die Welt nicht versteht. Egal wenn du hier fragst, niemand geht für Gott da hoch. Verdammt ich kann mir das nicht weiter anhören ohne Alk ... Hey bringt mal was her!" Gabriel war sich wohl bewusst, dass es keine Bestätigung da draußen gab, dass Gott wirklich da oben sein würde. Aber Gabriel wusste eins mit Sicherheit ... Cherub log. Es gab mehr als genug Leute, die nur wegen einer Sache da hochgingen, um sich ein Wunsch zu erfüllen. Auch wenn es nicht Gott sein würde, was er da oben im Garten finden könnte, ein Wunsch wäre vielleicht dennoch drin ... Eine Frau mit vielen Bierkrügen kam und stellte diese auf den Tisch, anschließend nahm sie die leeren wieder mit. Cherub starrte dabei die ganze Zeit auf ihre üppige Oberweite. "Aber mal ganz im Ernst, Gabriel ... was könnte sich jemand wie du schon wünschen?" Gabriel lächelte. Cherub hingegen schaute auf sein Krug. Stille kehrte ein, für nur einen Moment dachte Gabriel tatsächlich darüber nach, ob er Cherub sein Wunsch verraten solle, dann aber wurde ihn eins klar ... Cherub war kein Freund. "Ich geh jetzt ... machst du nur weiter." Cherub kippte sich den Krug hinter die Binde. "Gariel vergiss nicht wie alt wir sind! Schon bald werden wir das Grass von unten sehen! Genieß das Leben, solange du noch am Leben bist!" Gabriel stand auf und sagte nichts, er ging Richtung Ausgang, an all den fröhlichen, traurigen und fröhlich traurigen Gesichtern vorbei. Er sagte nichts ... aber er dachte sich was "Da kannst du Gift drauf nehmen."

 

Menschen jeglicher Art gingen an ihn vorbei, Typen die stark gebaut waren, vermutlich Minenarbeiter. Oder auch Leute, die Hunderte Taschen mit sich rumschleppten ... Händler. Es gab auch einige wenige in diesen engen Straßen, die am Rand standen und an Technik rumhantierten, genau wie er. Der Schnee versperrte ihn die Sicht, er musste wohl oder übel seine Brille abnehmen. Erst ohne diese Brille sah alles gut aus. So konnte man sich schön wegdenken, wie verarmt hier alle waren. Andere Versuchten das Gleiche mit Drogen mussten aber schnell Festellen, das auch eine, sucht dich, nicht aus diesem Loch herausbringt.  Er putzte seine Brille etwas und setzte sie anschließend wieder auf, das Erste, was er sah, ein Kind was verprügelt wurde ... "Wie passend ..." spuckte er aus, aber auch er lief an ihm vorbei. Sklaven, Kinderarbeit, Mord. Das alles gab es in Hort, aber er bezweifelte, dass es an anderen Orten besser war. Er hatte schon als Kind gerne die Bücher Azriels gelesen, dieser beschrieb die Welt schon damals als Ort des Schreckens. Wenn Gabriel ganz ehrlich zu sich sein sollte, verstand er nur teilweise, was Azriel damit gemeint hatte. Lebten sie nicht alle auf der gleichen Welt? Gab es überhaupt ein andren Ort zum Vergleichen? Gabriel schaute nach oben. "Ja, ja den gibt es ..." Häuser aus Schrott, Maschinen, die sich nie weiter entwickeln werden, Menschen, die all ihre Hoffnung in Gott stecken. Er hatte echt genug davon. Mitten auf der Straße blieb er stehen. Der Ausblick war wunderschön. Trotz des Schneefalls konnte er die ganze Siedlung sehen. Azriel hatte ein Ort der Hoffnung erschaffen, aber zu welchem Preis? Er durfte jetzt nicht tagträumen, das hatte er schon Dreitage lang gemacht und es wirkte sich nicht gut auf seine Psyche aus. Er musste noch ein paar Zahnräder ineinander stecken und eine Maschine entwerfen, die von ganz allein fahren könnte ... ober er würde jetzt gehen und ein Traum zur Realität werden lassen. Er hörte die Gebete der Armen, und das Kreischen der Kinder. "Schwäche ist nicht erwünscht!" hörte er seinen Vater sagen. Er wusste, dass er recht hatte ... er musste nach Hause und weiter machen. Das Licht in seinen Augen schwand und er wanderte weiter. Gänzlich in Gedanken versunken bemerkte er gar nicht, wie zwei Kinder, in dicke Kleidung eingehüllt. Auf ihn zu rannten. Sie passten nicht auf, sie rannten hinter einander her und dann ... Buff.  Gabriel lag am Boden. "Ah, verdammt. Passt doch auf, ihr Drecks gören!" Die Kinder blieben vor ihm stehen. Der Kleine schaute erschrocken drein, während der Ältere ein eher wütendes Gesicht machte. "Selber, alter Mann!", sagte er frech wie er war ... Gabriel war überrascht, nie hatte ein Kind, was er sah, so reagiert. Er stellte sich wieder auf, auch wenn er mit den Jahren etwas eingegangen war, blieb seine Größe nicht zu verachten. Die Kinder vor ihm schauten zu ihm hoch. Erst fragte er sich warum, doch dann fiel ihm auf, dass seine Sicht etwas beeinträchtigt schien. Eines seiner Brillengläser hatte einen großen Riss abbekommen. "Habt ihr überhaupt eine Ahnung, wie viel die gekostet hat? Eure Eltern werden mir viel Geld blechen müssen." Der ältere Junge nahm die Hand des kleinen. Gabriel bemerkte erst jetzt, wie eigentümlich die beiden aussahen.  Der Große hatte eine gute Statur, auch wenn er noch etwas schmal war. Auch seine Haare waren hier nicht besonders üblich, schwarz und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Hier in der Kälte garantiert keine Gute Idee ... Auch ihre Kleidung wirkte heruntergekommen, sie schienen sich in Lumpen eingehüllt zu haben. Während der Große wenigstens noch ein paar Narben und Verschleißspuren hatte, wirkte der Kleine so, als hätte er in. Sein Junge leben, noch nie zuvor gearbeitet, was durchaus sehr ungewöhnlich war. Er hatte Blonde kurze harre und einen Blick der sagte "Ich hab noch nie dresche bekommen." auch ihre Augenfarben waren für diese Gegend eine regelrechte Seltenheit, es waren blaue Augen. "Hey sagt mal, ihr kommt nicht von hier, oder?" Der große Junge schaute den kleinen an und rannte dann auf einmal ohne Vorwarnung los. Gabriel brauchte eine Sekunde, um zu verstehen, dass die Kinder tatsächlich versuchten zu fliehen. "Was für Rotznasen ..." dachte er sich und sprintete ebenfalls los. Die Kinder waren schnell, sie hatten Übung, er hingegen hatte allerhöchstes eine gute Ausdauer. Er durfte sie nicht verlieren, wenn er die Brille nicht ersetzt bekommen würde, könnte es sein, dass er bald nur noch einäugig herumläuft. Sie rannten so weit, dass sie schon fast wieder die Taverne erreichten, aber ehe es dazu kommen konnte, sprangen beide in eine Gasse. Gabriel blieb kurz stehen, er würde sie in diesem Tempo nie einholen. Vor allen der Große war wirklich gut ... Er musste Schau sein, Gewieft. Als er sie so von weiter weg ansah, fiel ihm eins auf, sie rannten nach rechts und noch was war interessant. Die Kinder waren wie Gabriel auf der Straße zur Himmelsfänger Taverne gewesen, nichts gabs da, nichts außer ... "Die Taverne. "Die Kinder wollten scheinbar zur Taverne und ihr Aussehen wies darauf hin, dass sie nur wegen des Gartens hier waren. So war das hier oft, Leute aus der ganzen Welt kamen hier hin, um sich ihre Wünsche vom Garten erfüllen zu lassen ... aber so junge Kinder hatte er noch nie dabei gesehen. Für ihn war jetzt klar, er musste nur auf sie bei der Taverne warten, und dann würde er sich eine Entschädigung abholen.

 

Gabriel war in der zweiten Etage der Taverne, von hier aus konnte er nach unten zum Eingang sehen. Auch Cherub sah er, nun saßen mehre Himmelsfänger an seinen Tisch. Cherub war zwar ein alter Ganove, aber beliebt war er, das konnte man ihm lassen. Im Stillen fragte er sich, ob Cherub es wirklich ernst damit meinte, nie wieder den Garten zu betreten. Monster hin oder her, Cherub machte das jetzt schon seit Jahrzehnten, irgendwas muss passiert sein. Die beiden Kinder kamen in die Taverne, wie schon erwartet blickte jeder sie an. Gabriel musste schnell sein, bevor irgendein Raufbold ihnen das Gesicht polieren würde. Er ging die Treppen runter und stand nun vor dem Eingang, mit dem Rücken zu ihm gedreht standen die Kinder da und blickten sich um. "Ihr füllt euch wohl ganz schlau, was?" Sie drehten sich um, der Ältere begab sich sofort in Abwehrhaltung. "Gottverdammt, ich will euch nicht verprügeln, ich will nur mein Geld." Der Große schüttelte mit dem Kopf "Wir haben nichts ..." Es war merkwürdig, dass sie dieselbe Sprache wie er sprachen, sie konnten nicht von sehr weit weg stammen. "Jetzt hört mal zu, ihr bringt mich zu euren Eltern und ich regel das. Wenn ihr Glück habt, kommt ihr nochmal mit nen blauen Auge davon." Der kleine Junge trat vor "Wir haben keine Eltern, Sir ..." er war erstaunlich nett zu ihm. "Verarschen kann ich mich selbst, Junge, hier auf dieser Welt kann niemand allein überleben. Wer nicht stark genug ist, der wird -" "Getötet." unterbrach ihn der große Junge. "Nah sie mal einer an, weißt ja doch Bescheid." Der Große nickte "Wir haben keine Eltern mehr, seine sind wahrscheinlich Tod und meine ... über die möchte ich nicht reden." noch immer war er starrköpfig. Gabriel atmete laut aus "haa, kommt mit. Wir setzten uns und überlegen, wie wir das Problem lösen können." Beide schauten unsicher drein, mit dieser Reaktion hatten sie nicht gerechnet. "Entweder lösen wir das friedlich beim Gespräch oder ich frag den großen Halbnackten da drüben mal, ob er euch ne Lektion erteilt." Sie hatten keine andere Chance ... Sie setzten sich an einen Platz in der zweiten Etage. "Ihr seid gemein, Mister." der kleine zeigte seine Gefühle offen. "Das nennst du gemein? Hey du großer, hast du den kleinen immer vor allen beschützt oder warum ist der so weltfremd." Der Große schaute zum kleinen. "Nein, er kam auch gute acht Jahre ohne mich aus." Gabriel schaute sie sich noch einmal an. "Wie alt seid ihr eigentlich?" Der Große antworte schnell "Ich dürfte in etwa 15 sein und Raphael ist wahrscheinlich zehn, jedenfalls haben die Leute, die ihn vorher kannten, gesagt er sei Acht und wir kennen uns jetzt schon seid einer Weile ..." "Raphael also mein Name Lautet Gabriel ... und du großer?" "Mika heiß ich." Gabriel ließ sich die Namen auf der Zunge vergehen "Raphael und Mika ... nein, das ganze passt nicht Zu dem, wie ihr euch gibt." Mika schaute verwirrt "Was meinst du?" Gabriel grinste "Warum sollten zwei wie ihr den Riesen besteigen und in den Garten aufbrechen? Was ist das, was euch antreibt?" Mika war geschockt "Wie ... wie weißt du?" "Junge, ich bin zwar alt, aber nicht blind ... jedenfalls noch nicht." Gabriel zeigte auf seine Brille, während er das sagte. "Also, warum?"  Mika haderte mit sich selbst, was auch Gabriel bemerkte. "Jeder der da hoch möchte, hat eines von zwei Sachen in Sinn, entweder er will ein Abenteuer oder er will ein Wunsch erfüllt bekommen. Wobei viele vermuten, dass es nichts da oben gibt als puren Schrecken." Mika riss die Augen auf "Das stimmt nicht! Die Himmelsfänger, mit denen wir sprachen haben gesagt-" "Himmelsfänger sind keine netten Menschen die einen Helfen wollen. Die fanden es wahrscheinlich einfach nur lustig, zwei Kinder in den Garten zu schicken." Mika knallte mit seiner Faust auf den Tisch. "Es ist alles, was uns noch übrig bleibt, verdammt!" Gabriel hatte wohl einen wunden Punkt getroffen, er selbst spürte auch Schmerz bei diesen Gedanken. "Aha, also ist es wichtig, ja?" Raphael nickte hastig  "Wissen sie Sir, ich habe eine ganz schlimme Krankheit. Es gibt kein Heilmittel ... wenn ich nicht bald davon befreit werde, sterbe ich ... glaub ich." "Du glaubst? So, so ..." Gabriel hätte es verstanden, wenn Raphael diesen Weg auf sich genommen hätte, aber Mika? Mika schien keinen Grund dafür zu haben. "Und warum willst du dann mitkommen?" Mika schaute zu Raphael, diese Augen sagten ihm alles "Ich will ihn helfen, und sein Leben retten." Gabriels grinsen verschwand, das war wirklich eine Edle tat, das musste er schon sagen. Aber allein die beiden? Nein, das war vollkommen unmöglich. "Ihr seid Dummköpfe, Träumer ... halt eben Kinder." er schaute noch ein mal in ihre reinen Augen. "haa, ihr müsst mich nicht bezahlen, ich bin alt und mein Herz ist zu weich. Euer Tod wird jedes Verbrechen aufwiegen ... Ich geh jetzt."  Und dann stand er einfach auf. Nie hatten die beiden so jemanden wie ihn gesehen. "Ich muss noch nen paar Maschinen fertig bauen, ihr habt mich ganz schön aufgehalten ..." Raphael drehte sich bei den Wort *Maschinen* direkt zu Gabriel um. "Etwa das Zeug mit dem lustigen Rauch? Und den drehenden Rädern?" Gabriel nickte zufrieden "Genau die, ja." Raphael strahlte vor Freude "Können wir uns die auch ansehen, Mister?" Mika schaute fast schon panisch zu Gabriel, er hätte sich wahrscheinlich nichts lieber gewünscht als, dass er nein gesagt hätte, aber Gabriel konnte nicht anders, als einer Jungen-Seele sein Handwerk zu zeigen. "Na schön, wenn du sie sehen willst, komm doch mit, und du natürlich auch Bengel." "Hey, ich bin schon 16!" Gabriel lachte auf, es war sein herzlichstes Lachen seit Jahre, das herzlichste Lachen seid dem Tod von Lilith ...

 

Mika erwartete einen prachtvollen Ort, eine Art Palast oder Schloss. Wie viel würde so ein Maschinen-Erfinder wohl verdienen? Fragte er sich. Die traurige Wahrheit stand nun vor ihm ... wohl nicht sehr viel. "Da sind wir, mein Haus und meine Werkstatt. Hört mal zu, ich nehm euch zwar mit rein, aber da wird nichts angefasst, hab ich mich klar ausgedrückt."  Raphael strahlte vor Freude, "Glasklar!" Es schien ihn scheinbar nicht zu interessieren, wie heruntergekommen dieses kleine Haus aussah, genauso wenig schien es ihn egal zu sein, dass das Haus praktisch im Nichts stand. Mika musste vorsichtig sein, er konnte diesen Kerl immer noch nicht richtig einschätzen. Sie näherten sich der splittrigen Tür, sie ging mit einem lauten Quietschen auf. Gabriel huschte schnell in einen kleinen Raum und Raphael folgte ihm. Er hatte schon viel von Hort gehört und so auch das die Technik hier einen großen Stellenwert hatte. Wer tatsächlich Maschinen bauen konnte, hätte ein sicheres Leben, sagte man ihm ... für Gabriel schien das nicht zu gelten, was das Misstrauen gegenüber ihm nur noch weiter hochtrieb. Mika schaute sich um. Ein kleiner Flur, ein Arbeitszimmer, eine Küche, ein Badezimmer und ein Schlafzimmer. Auch wenn das Haus von Außen betrachtet winzig wirkte, war es dennoch groß genug, um all das zu beherbergen, auch die Inneneinrichtung war alles andere als hässlich, vielleicht etwas unsortiert, aber nicht hässlich ... doch gerade als er etwas Vertrauen gegenüber Gabriel aufbaute ... "Das ist aber ein großes Bett." sagte er vor sich hin. Gabriel konnte ihn eindeutig hören, aber er sagte nichts weiter dazu. Es wirkte nicht so, als ob er hier allein wohnen würde. Mika schaute zu den beiden, Raphael hatte sich bereits auf den Boden gesetzt und schaute sich ein paar Zahnräder an. Wehrend Gabriel eine kleine Gerätschaft aus ein Schrank holte. "Das hier ist eine mit Dampf betriebene Klaue, wenn du hier draufdrückst, schießt der Dampf die Klaue raus, so entsteht eine Art Wurf harken, der gut zum Klettern geeignet ist." Raphael staunte, "Das sieht lustig aus!", wenn er Raphael so sah, wurde ihn immer ganz warm ums Herz, die Unschuld eines Kindes war mit nichts auf der Welt aufzuwiegen. Sie mussten noch immer ein Stück des Berges überwinden, mit dieser Gerätschaft wäre es bestimmt einfacher ... vielleicht sollte er es stehlen, es war nicht wirklich so, als könnte der alte Mann sich groß dagegen verteidigen, immerhin war er sich sicher, dass er stärker als er war. Er kannte diesen Mann nicht, aber war es wirklich Okay ihn zu bestehlen? Er war nett zu ihnen, ja, aber sie durften sich nicht erlauben, die gleiche Nettigkeit zu zeigen, der Ort, an den sie gingen, war noch viel erbarmungsloser als Hort, jetzt schon schwach zu werden wäre fatal. Ein lautes Geräusch weckte Mika aus seinem Gedanken wieder auf. Ein Husten war zu hören. Raphael lag am Boden und spuckte Blut. Mika rannte sofort auf ihn zu und stürzte ihn, das Blut musste abfließen können. Schon oft genug war das passiert, aber dieses Mal ... "Hey, was ist los mit ihm? Ist es die Krankheit?" Mika gab ihn keine Antwort auf diese offensichtlich Frage. Er hatte genug damit zu kämpfen, Raphael nicht ersticken zu lassen, aber das Blut wurde einfach nicht weniger ... "Warte einen Moment hier Junge, ich hab da, was das helfen könnte ..." Gabriel stieg einfach über sie drüber und verschwand in ein neben Raum. Nur wenige Sekunden später kam er wieder. "Spritz ihm das, damit sollten die Wunden im Körper schneller heilen." Gabriel zeigte Mika eine große Spritze aus Glas. Er wusste nicht, was er tun sollte ... Er kannte diesen Typen nicht, er wusste nicht, was er wollte und warum er all diese netten Dinge tat, konnte er ihn wirklich vertrauen? "Mika! Wenn du ihn das Mittel nicht gleich verabreichst, kann es sein, dass er stirbt! Ich weiß, ich bin vielleicht nicht der Netteste, aber glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich den Jungen nicht tot sehen will. "Er musste es tun ... für Raphael!

 

"Danke ...", sagte Mika zu Gabriel. Er hatte sich mittlerweile mit ihm an ein Tisch gesetzt. Tatsächlich hatte das Mittel, was Gabriel Mika gegeben hatte für ein schnelleren Heilungsprozess gesorgt, er lag nun im großen Bett Gabriels. "Kein Problem, eine Leiche im Arbeitszimmer wäre immerhin auch für mich 'ne Quälerei gewesen." Gabriel scherzte offensichtlich. "Hast du noch mehr davon?" Gabriel nickte "Die hält erstmal, aber wenn du noch mehr braucht, ich kann dir gerne ein Paar mitgeben." Wieder bedankte Mika sich "Danke, darf ich fragen, was das für Spritzen sind und warum ausgerechnet sie sowas haben?" Gabriel wirkte weder krank noch hatte er ein Beruf der diese Art von Mittel rechtfertigte. "Das sind Spritzen, die aus der Wurzel des Baumes der Unsterblichkeit gebraut wurden oder anders gesagt, das Zeug da drin kommt aus dem Garten." Mika staunte "und warum-" "Warum ich sowas hab? Meine Frau hatte auch eine Krankheit ... deswegen kleiner, deswegen." Stille kehrte ein "hatte?" Gabriel lächelte bei dieser Frage etwas "Sie ist tot, auch sie war eine Himmelsfängerin. Sie war eine gute Frau, sie ging nach da oben, um Materialien zu finden, das für alles Mögliche verwendet werden konnte, so wie eben auch die Wurzel." Mika fragte "Auch die Stricke?" Ihm waren die Stricke an Gabriels Kleidung schon vorher aufgefallen und er hatte sich bereits gefragt, warum er solch merkwürdige Kleidung trägt. "Du hast ein gutes Auge kleiner, ja da hast du recht. Diese Stricke haben aber auch einen Nutzen. Sie stärken den Körper, fast jeder Himmelsfänger benutzt sie." "Seid ihr denn Himmelsfänger?" Gabriel verzog das Gesicht etwas ... "Nein ... Nein, das bin ich nicht." Mika konnte nicht genau sagen, was es war, aber Gabriel schien sich bei dieser Farge alles andere als wohl zu fühlen. "Herr Gabriel, ich muss mich bei ihnen entschuldigen." Er wollte extra höflich sein. Alles andere wäre wohl auch zu undankbar gegenüber Gabriel gewesen. "Ich konnte ihre Freundlichkeit wohl einfach nicht richtig begreifen ..." Gabriel schüttelte den Kopf. "Jungchen, du musst mich doch nicht so höflich ansprechen. Ich bin zwar netter als die meisten Leute hier, das heißt aber nicht, dass ich Dinge nur aus Nettigkeit tue ... Ihr beiden habt mich einfach nur an etwas erinnert, deswegen will ich euch helfen, nicht weil ich so nett bin." Mika verstand zwar nicht, was Gabriel meinte, aber er war sich sicher, dass er nichts Schlechtes im Sinn hatte. Mika konnte Gabriel wirklich gut leiden, nur wenige Erwachsene in sein Leben waren jemals auch nur ansatzweise so nett wie er zu ihm gewesen. Wenn Gabriel mit ihnen mitkommen würde, hätten sie eine deutlich bessere Chance auf Erfolg ... "Gabriel, willst du nicht mit uns -" Schritte waren hinter Mika zu hören. "Guten Morgen." Raphael stand da, ganz verschlafen. "Junge, es ist mitten in der Nacht." Sowohl Raphael als auch Mika schauten aus ein Fenster, sie beide waren überrascht. "Mika, Mika! Wir wollten doch schon längst los sein!" Mika grinste "Das hat sich jetzt eh erledigt, schon als wir nach hier herkamen war das gegessen." Noch einmal dachte Mika darüber nach, Gabriel zu fragen ... aber als er ihn so dasitzen sah, so ganz friedlich, so glücklich ... er konnte nicht noch mehr von ihm verlangen. "Ihr solltet noch diese Nacht aufbrechen, dann seid ihr am Morgen im Garten und könnt euch in den Anfangsregionen etwas ausruhen, da sind kaum Boten, so wie ich es gehört habe." Ein Aufbruch in der Nacht wäre in der Theorie schon möglich ... aber - "Wir werden Ausrüstung brauchen." Gabriel schaute die Lumpen der beiden Kinder an. "Stimmt, besonders ausgerüstet seht ihr nicht aus und Geld habt ihr auch keins ... na schön, morgen sollt ihr los und dann am besten mit dem, was ich euch jetzt geben werde, aber wehe, ihr verliert auch nur ein Stück davon! "Schon wieder tat Gabriel etwas mehr als nur Nettes für die beiden. Gabriel stand auf und ging zu einem Regal, er wühlte nach etwas ... Egal wie nett Gabriel auch war, so langsam wirkten seine Taten eher aufopfernd als nett gemeint. "Und du bist dir auch wirklich ganz sicher, dass du das Zeug auch nicht mehr brauchst?" Gabriel antwortete nicht. Es war so, als hätte sich sein Auftreten komplett gedreht, von Ernst und Rau zu offen und nett, was war es nur, das ihn so an den beiden faszinierte? Gabriel schien das gefunden zu haben, was er gesucht hatte, da er jetzt mit etwas in der Hand zu ihnen eilte. "Das hier ist alte Kleidung von mir, sie ist zwar etwas groß, aber bis morgen sollte sie fertig zugeschnitten sein. Auch etwas von meinem Strick könnt ihr haben, aber nicht verlieren! Außerdem die Spritzen, ich brauch sie nicht, also ... behaltet sie ruhig. Essen und Trinken findet man da oben zu massig, etwas mitzunehmen wäre daher nicht zu empfählen, das spart Platz, ich hab stattdessen ein Buch meiner Frau, da drin sollte stehen, was das meiste ist, hoffentlich ... "Mika konnte es nicht fassen, er war sprachlos. Raphael hingegen bedankte sich vielmals und sprang sogar vor Freude auf "Danke, danke! Für die tollen Geschenke!" Gabriel nickte "sehen wir es nicht als Geschenk, sagen wir es ist meine Garantie für ne neue Brille. Ihr geht da hoch, wünsch euch was und bringt mir gleich noch eine neue Brille mit, dann sind wir quitt. "Gabriel hätte nicht herzlicher sein können, er schaute die beiden an, als wären sie etwas unbeschreiblich wichtiges für ihn. Ja, Mika war sich sicher, dieser Mann war mehr als er vorgab zu sein, ihn umgab eine bittere Aura, die all den Schrecken dieses Dorfs in den Schatten stellte. Mika schwor sich an diesen Abend, nie den Mann zu vergessen, der hier am Ende der Welt ein gutes Herz bewies.

 

"... Ich glaube mittlerweile, dass der Tod meiner Kameraden kein Fehlschlag, sondern eher ein Zeichen war. All die Jahre wanderten wir blind herum, schauten uns die Leute an und wollten ihnen sagen, wie sie zu leben haben. Es dauerte Jahre, bis ich bemerkte, was Glauben wirklich bedeutete und als ich verstand, was wir diesen armen Leuten wegnehmen wollten, brach ich zusammen. Hiermit entschuldige ich mich, ich weiß, es bringt nicht mehr viel, immerhin bin ich jetzt alt und grau und ihr, wahrscheinlich Tod. Aber damit es wenigstens die Kinder derer erfahren, denen ich unrecht tat ... Entschuldigung. Nicht jeder Glauben muss ein Gott haben und dennoch möchte ich ihn sehen. Die Idee eines Wunsches, die Idee eines Wesens, was alles möglich machen kann, bringt mir Hoffnung. Hiermit verkünde ich, dass ich gehen werde, schon als ich noch jung war hätte ich gehen müssen, aber mein Alter macht mir nichts mehr aus. Ich möchte mir etwas wünschen, einen so schrecklich selbstsüchtigen Wunsch ... Ich möchte Frieden."

Ein auszug aus "Meine Blume" von Azriel den letzten gelehrten
     35 n. Ank

 

Gabriel hatte sie verabschiedet, er hatte ihnen alles gegeben, was er nur konnte und jetzt saß er da, allein. Wiedereinmal hatte er ein Buch Azriels gelesen, "Meine Blume" war mittlerweile sein liebstes Stück. Er dachte an die Beiden zurück, wie sie da standen und ihn anlächelten. Er hatte ihnen weite Kleidung geben, für Mika Rot, schwarz und für Raphael Gelb, schwarz. Beide hatten sie mit ihm noch viel vor ihrer Abreise gesprochen. Er hatte beschlossen, auch die Klaue in einem kleinen Rucksack für sie bereitzustellen und sie bedankten sich ... mit einem Lächeln. "Verdammt!" Gabriel trat gegen seinen Tisch. Warum tat er das?  Warum schickte er sie weg? Warum hatte er ihnen all diese Dinge gegeben? War es nur wegen eines dummen Traumes? Einer Wunschvorstellung? Gottverdammt am liebsten hätte er sie begleitet, aber ... nein, das waren die Gedanken eins Kindes, eines Träumers, wie Cherub zu sagen pflegt. Es war hoffnungslos, er würde sich nie von diesem widerlichen Ort lossagen können. Schon damals als Kind wollte er in den Garten, ob sein Vater ihn schlug oder die Kinder ihn aufgrund seiner Schwäche hänselten, es war egal ... solange er eines Tages da oben sein würde, wäre alles gut. Doch mit den Jahren verging dieser Unschuldige, Gedanke und sein Dasein war schon bald nichts mehr als eine Leere Hülle. Er arbeitete in den Minen Tag für Tag. Als sein Vater starb, hatte er nicht mal eine Träne vergossen. "Stark musst du sein!" hatte er ihn immer und immer wieder gesagt ... aber was war das schon? Stark? Er war ein Zahnrad im endlosen Treiben der Welt, jeder war ersetzbar, sie machten eh nur weiter, weil sie es so kannten.  Hätte er nicht diese Frau getroffen, oh hätte er sie nicht getroffen ... Er wusste noch genau, wie er sie fand, sie, die ganz allein da stand. Auf einmal gab es da ein Licht und das Licht schaute ihn an und fragte "Willst du ein Apfel?" Natürlich sagte er ja ... Dieser Gedanke durfte nicht weiter geführt werden, dachte er sich. Er wollte nicht wieder in ein Loch fallen. Letztlich hatte Cherub also doch recht ... er war nur ein Träumer. Er grinste bei dem Gedanken, aber zugleich floss auch eine Träne. Die beiden sollten in etwa einem Tag da sein, sie waren gleich frühmorgens losgeeilt. "Aber egal, es gibt Arbeit zu verrichten." Er stand auf und öffnete seine Tür, er musste heut eigentlich zur Taverne und einen der Himmelsfänger fragen, was er jetzt benötigte, aber irgendwas stimmte nicht ... Er ging ein paar Schritte nach draußen, drehte sich dann aber wieder um. Er folgte einem dünnen Pfad, den er selbst angelegt hatte, der bis hinter sein Haus reichte. Ein großes Kreuz strahlte ihn entgegen. "Sie wurde nie gefunden, verstorben sagten sie ... ein Kreuz war doch wohl das Mindeste, oder?" aber das war es nicht, was merkwürdig war ... vor dem Kreuz lag ein kleiner zettel mit einer Nachricht drauf. Sie war wirklich hässlich geschrieben, er näherte sich ihr ... "In Gedenken an dich, Frau von Gabriel. Wenn wir oben sind, bringen wir dich mit uns." Gabriel hielt den Zettel in beiden Händen fest an sich gedrückt, bittere Tränen flossen gen Boden. Er ging auf die Knie, alles, was er sehen konnte ... Pure Finsternis. Warum hätten sie nicht einfach gehen können? Warum konnten sie ihn nicht einfach allein mit seinen Dämonen lassen? Warum musste ein Abschied immer so unendlich wehtun? Der Schnee bedeckte langsam seinen ganzen Körper ... Warum musste er weitermachen? Er stand auf ... er hatte einen Auftrag, die Taverne. Auch nachdem er das Grab hinter sich ließ und langsam Richtung Taverne eilte, blieb der Schmerz bestehen.

 

Er ging diese Straße fast jeden Tag entlang, jeden Tag fühlte er das gleiche, sah er das Gleiche.  Zwölf Morde auf offener Straße innerhalb eines Monats ... er fühlte gar nichts mehr, wenn er das sah. Die Blicke der Sklaven aber, ja, die taten gehörig weh. Er wusste wie es sich anfühlte für nichts zu leben, einfach nur zu existieren. Hatten diese Leute auch Träume? Und wenn ja, hatten sie die Chance dazu, sie zu erfüllen? Seine Gedanken kreisten nur noch um die beiden, nur noch um Chancen und einen lächerlichen Traum. Cherub war zwar noch nie der Netteste gewesen, aber er war ehrlich, vielleicht hatte er ja mit allen recht, was er da sagte. Er war schließlich Himmelsfänger, er ging jeden Tag da hoch und erkundete diese wundersamen Länder. Schon damals hatten ihn die Geschichten fasziniert, die Cherub ihn präsentierte. Ein himmlisches Reich, Personen, die keiner Norm entsprachen, ein riesiges Geheimnis ... eine Chance. Genau das stellte der Garten für ihn dar. Natürlich war er auch gefährlich, aber das hätte ihn nicht weniger interessieren können, was wäre schon ein Abenteuer ohne Gefahr? Die wirkliche Angst, das, was ihn immer und immer wieder zurückhielt, war das Unbekannte ... Nicht die Boten, noch nicht einmal die Vier, sondern das, was sie alle umschloss, die Frage, die sie sich alle stellten ... Das Warum. Er wollte erst gar nicht weiter darüber nachdenken, er hatte seine Entscheidung getroffen und dabei soll es auch bleiben, er wollte kein Träumer mehr sein ... nur noch ein Alter Mann, das passte besser zu ihm. Vor der Taverne prügelten sich ein paar Leute, das passierte hier öfters und immer mal wieder hörte Gabriel hin, worum es ging. "Ich bring dich um, du Flachfeile! Sag mir jetzt endlich, wo die anderen abgeblieben sind!" Der eine schien sehr wütend zu sein, während der andere sich die Hände vors Gesicht hielt, er zitterte ... "Sie- sie sind ..." eine Faust flog. Der Wütende drückte den Ängstlichen zu Boden. "Wo sind sie!?" er hatte Tränen im Gesicht. "Sie sind Tod! Die erste Ebene scheint voll mit Boten zu sein! Sie wurden ... alle gefressen." Der Wütende klappte zusammen. "Nein ... Nein, wieso? WIESO VERDAMMT!" Gabriel ging weiter. Sein Mund stand weit offen. "Die erste Ebene?", fragte er sich leise. Ihm wurde klar was das hieß ... er hatte gerade eben zwei Kinder in den Tod geschickt. Er betrat die Taverne und jeder drehte sich zu ihm, sie suchten ihn. "Cherub, er ist da!", brüllte jemand. Gabriel verstand nicht, was hier los war, er wollte es auch gar nicht mehr verstehen.  Am liebsten wäre er jetzt einfach umgefallen. Aber eine Stimme wollte nicht, dass er jetzt schon wieder geht. "Gabriel! Gut das du da bist. Ich hab einiges mit dir zu besprechen ... mein Freund." Cherub packte Gabriel und nahm ihn mit sich, sein Griff war hart, er konnte sich nicht befreien. Gemeinsam gingen sie nach oben, setzten sich an den entlegensten Tisch und schauten sich an. Gabriel schien sich langsam wieder zu fassen. Seine Augen wanderten herum, keine Getränke waren zu sehen, keine Leute ... das war gar nicht gut. "Also, mein lieber Gabriel, hab erst kürzlich gehört, dass du für die Leute hier einige Maschinen baust. Hab ich da recht?" Gabriel dachte an die Klaue, die er Raphael gezeigt hatte, Raphael ... er nickte. Cherubs Blick verfinsterte sich. "Ha, und ich hab gedacht, du hellst dich schön aus dem Geschäft raus. Ich dachte, du hättest begriffen, was es heißt, ein Träumer zu sein." "Was willst du von mir? Ich hab dir nichts der gleichen erzählt! "Cherub machte sich groß. "Glaub mir, vor zehn Jahren hätte ich mich für dich gefreut, aber Zeiten ändern sich. Du bist nicht der einzige, den ich darauf anspräche. Kurzgefasst, ich will, dass jeder von euch die Arbeit einstellt." Gabriels Gesicht verzog sich bei dieser Aussage. "Was?" er konnte es nicht fassen. Ein Himmelsfänger ohne Ausrüstung? Wollte Cherub sie alle umbringen? "Keiner wird mehr nach da oben gehen, kein Mensch, kein Tier, einfach niemand. Jeder, der noch Ausrüstung hat, wird von mir persönlich verdroschen." seine Aussagen beantworten keine Einzige Farge, die Gabriel sich stellte "Aber warum?" Cherubs Augen schienen bei dieser Frage gänzlich leer zu werden, sein starker großer Körper sank zu Boden. Der blanke Terror war da in sein Gesicht "Das da oben, ist die Hölle! Ich dachte erst alles wäre gut, scheiße, das dachte ich Jahre lang! Aber ich sag dir so weiter du gehst des so schrecklicher wirds. Die haben mich gejagt ... Die wollte mich lebendig häuten haben sie gesagt ... wir wollten einen sicheren Ort finden aber ... aber -" Cherub sprang auf und schrie. All die Angst, all das, was er da oben erlebte, kam, hoch, es zerfetzte sein Geist. Gabriel kam sich so vor, als würde da jemand unbekanntes vor ihm stehen. Nach einer Weile beruhigte er sich wieder, jedenfalls so weit, wie es ihm möglich war "Ich sags dir, ich rette uns alle vor diesen verdammten Monstern! nen scheiß, geb ich auf diese Welt, mir doch egal wie lang wir noch so weiter leben können ... Hauptsache, Hauptsache keiner geht da hoch ..." Gabriel starrte die Gestalt vor sich an, war das wirklich noch Cherub? Hatte er sich deswegen die ganze Zeit besoffen? "Aber was ist mit denen, die schon oben sind?" Cherub drehte sich zu ihm "Lass die sterben ..." Cherub wollte kein Stück Garten mehr hier haben, er hatte wahnsinnige Angst ... Aber vielleicht ... "Cherub, was denkst du, ist da ganz oben?" endlich könnte er eine Antwort bekommen, die aus dem Mund eines Profis kam. Cherub setzte sich wieder, noch immer sah er schrecklich aus. "Irgendwas was jeder haben will, etwas so Großes das jeder bereit wäre dafür da hoch zugehen ..." "Gott?" "Vielleicht ... aber ich schwöre dir, wenn du jetzt auf dumme Gedanken kommst -" "Halt die Klappe." Cherub machte ein dummes Gesicht "Hä?" "Halt einfach die Klappe." "Nein, sag mir jetzt nicht, du willst da immer noch hoch! HAHAHAHA!" eine Chance ... nur eine Chance. Selbst wenn die beiden jetzt vielleicht Tod sind, selbst wenn er alt und schwach ist, ja, selbst wenn Lilith nicht mehr da ist ... Da oben könnte es eine Chance geben. "Du bist ein Träumer, ein Kind, ein Dummkopf! Du wirst sterben und niemand wird sich an dich erinnern! Bleib hier, hör auf mit dem Dreck und leb weiter in Hort. Das passt besser zu dir." Besser zu ihm? Besser zu wen? Zum Kind? Zum Träumer?  Zum Alten? Was hatte Azriel nochmal dazu gesagt? "... Ich möchte Frieden." Gabriel stellte sich auf, Cherub lächelte ihn fragend an. "Hä, was ist denn jetzt los? Hast du zu viel Angst vor der Wahrheit?" Gabriel schaute ihn grinsend an. "Ach, fahr doch zur Hölle." und dann ... folgte ein Schlag.

 

Er hatte einfach zugeschlagen, ihm einfach die Fresse poliert, wie Cherub gesagt hätte. Nur war es jetzt eben Gabriel, der all sein Frust, all sein Kummer und Zorn in einen Schlag konzentrierte, und es fühlte sich so gut an. So stark hatte er sich noch nie gefühlt, dieser Aufprall auf sein Gesicht, kombiniert mit der Wucht des Schlages. Für einen Moment fühlte er sich tatsächlich ... Frei. Cherub kippte nach hinten über, das kleine hölzerne Geländer hinter ihm konnte seinen Fall nicht stoppen. Aber auch Gabriel, der förmlich aufgesprungen war, blieb vom Fall nicht verschont. Sie beide flogen durch die Luft, direkt auf einen sich in der ersten Etage befindlichen Tisch. Beide erlitten keinerlei schwere Verletzungen, und der Schock über die Situation löste bei ihnen die gleiche Reaktion aus, sie sprangen vom Tisch auf, fast so als ob sie gleich einen zweiten Schlag vermutet hätten, und wäre es nach Cherub gegangen, hätten ruhig die Fäuste fliegen können. "Du dreckiger ... nicht mal Reden kannst du! Wozu bist du überhaupt in Stande?" Gabriel wischte sich etwas Blut von er Nase "Ist das nicht klar? Du sagtest doch selbst, ich sei ein Träumer." Er wollte an diesen Tag keine Zugeständnisse mehr machen, er wollte da hoch ... er war es ihnen schuldig. Die Himmelsfänger um sie herum schauten gespannt zu, sie hatten es gerne, wenn hier unten mal etwas aus dem Ruder lief. Cherub rannte auf ihn los. "Ich schlag dir die Fresse ein!" Unmöglich. Es war unmöglich für ihn, jemanden wie Cherub zu besiegen. Noch vor ein paar Momenten hätte er aufgegeben, die Hände hochgehalten, einen seiner Sprüche losgelassen und sie alle wären einfach wieder ihres Weges gegangen, aber er wollte nicht mehr klein beigeben. Cherub hatte recht, er war ein Träumer oder besser er wollte einer werden, der Traum passte einfach besser zu ihm. Dort, ja nur dort konnte er den Mut finden, den er brauchen würde, um nach ganz Oben zu kommen. Die Faust Cherubs flog auf ihn zu und er stand einfach nur da ... "So lässt es sich leben ... genau so." doch noch bevor ihn der Schlag getroffen hätte ... Raste eine weitere Faust auf Cherub zu, ein goldener Schlagring zierte die kleine Hand. Gabriel konnte es nicht fasse, diese Hand, sie war so klein wie die eines ... Kindes. Cherub fiel zu Boden und an seiner Stelle trat Mika. "Wusste nicht das du der Type für Schlägereien bist alter Mann. "Sagte er, frech wie er war. Gabriel konnte es nicht fassen, er drehte sich schnell zur Seite, auch Raphael stand da, er winkte ihm zu. "Ihr-Ihr lebt!" Mika grinste "Klar leben wir." seine Augen wurden bei diesen Gedanken feucht.  "Aber warum, seid ihr hier?" Cherub stellte sich langsam wieder auf. Mika drehte sich zu ihm "Weil wir dich noch etwas fragen wollten Gabriel." Er rannte Faust voran auf ihn zu. "Fragen?" Mika machte sich bereit, den Schlag zu erwidern "Willst du mit uns kommen?" und mit diesen Worten wich er Cherubs Schlag aus und verpasste ihn noch im gleichen Atemzug einen Gegenschlag. Dieser Anblick war das zweitschönste, was er je zuvor gesehen hatte ... ein neues Licht. "Lilith, ich hab es wieder gefunden." Cherub sackte dieses Mal endgültig zu Boden, er lag jetzt da, verprügelt von einem Kind.  "Und was sagst du?" Gabriel schloss die Augen "Warte ein Moment, ich bin gleich wieder da." Er drehte sich anschließend zu Cherub und starrte ihn direkt an. Er ging ein paar Schritte auf ihn zu, keine Angst war zu spüren.  "Du wirst niemanden davon abhalten können, zum Garten zu gehen. Selbst wenn du ihnen alles an Kleidung raubst, ihr Essen wegschmeißt, ins Trinken pisst. Du wirst sie nie stoppen können. Und weißt du, wieso? Weil wir hoffnungslose Träumer sind!" Cherub keuchte ... "Da oben ... wartet absolute Verzweiflung - Die Vier Auserwählten, sie ... sie ... sie sind Monster. Schlimmer als alles, was du hier oder da oben sonst noch so finden wirst ... Ist es dir das wirklich wert ... denkst du, du bist stark genug, um durch die Hölle zu gehen?" Gabriel blickte auf Mika und Raphael zurück. "Ich will einmal in mein Leben etwas durchziehen ... Ich will etwas sehen, was mich erfüllt. Ich werde nach da oben kommen und wenn ich dann wieder unten bin ... wirst du schon sehen was passiert ist. Die Hölle kann mir nichts anhaben. Ich werde weiter gehen, immer und immer weiter." Cherub blickte in Gabriels strahlende Augen. Er lächelte. "Dann viel Glück. Auf dass wenigstens du dein Traum erfüllst, Freund." Gabriel nickte. Er war bereit, zu gehen. Es war dieser Tag, an dem die Taverne zum Stillstand kam, niemand lachte mehr, niemand weinte. Alles, was sie taten, war zu trinken und sie tranken auf Gabriel, Gabriel den Träumer.

 

Auf einmal wirkte dieser Weg  ganz anders auf Gabriel. Er realisierte, dass das hier das letzte Mal sein könnte, ein letzter Weg, ein letztes Mal durch Hort und zu seinem Haus. Er hatte den beiden schon gesagt, dass er noch etwas zu tun hatte, aber was dieses Etwas war, sagte er nicht. "Du willst auch wirklich mitkommen, Alter Mann?" Raphael grinste ihn verspielt an. "Klar komm ich mit, und nenn mich nicht alter Mann, das gehört sich nicht." "Entschuldigung, nicht, alter Mann."  Gabriel seufzte. Rings um ihn herum war ein kräftiges Treiben. "Ach, stimmt, heute kommen die Händler! Deswegen war in der Taverne heut nicht so viel los." Mika näherte sich ihm, "Lebt diese Siedlung wirklich nur vom Handel?" Gabriel nickte, man konnte es kaum fassen, aber es stimmte, wer Essen, trinken oder sonst was haben wollte, musste handeln. Erze, Maschinen, Sachen aus dem Garten. Azriel hatte tatsächlich etwas Außergewöhnliches geschaffen, er hatte einen menschenfeindlichen Fleck zum Mittelpunkt einer ganzen Kultur werden lassen. Aber egal was er auch tat, schrecken ließ sich nicht vermeiden ... "Warum sind die Kinder da in Käfigen eingesperrt?" fragte Raphael ihn. "Nicht hinschauen!" Mika hielt ihm die Augen zu. Er wollte ihm nicht das Grauen der Welt zeigen, aber, wie lang könnte er diese Fassade noch aufrechterhalten?  "Ihr seid wirklich merkwürdige Kerle, wisst ihr das? Noch nie hab ich Kinder wie euch gesehen. Sagt mir, hattet ihr ein schönes Leben?" bevor Mika auch nur ein Wort von sich geben konnte, sprang Raphael dazwischen "Klar! Ich hatte ganz viele Menschen, die sich um mich kümmerten! Die gingen zwar weg ... aber stattdessen kam Mika und hat auf mich aufgepasst!" Gabriel lachte erleichtert auf "Schön zu hören. Und du Mika?" "Darüber möchte ich nicht reden." er schien sich zu verschließen, typisch für Kinder in sein Alter. "Na gut, wir haben noch eine lange Reise vor uns, also auch noch genug Zeit für Geschichten." Raphael hielt die Arme gen Himmel "Ja, Geschichten!" Gabriel konnte es gar nicht fassen, dass die beiden es bis hierhin geschafft hatten, sie waren so klein und glücklich, auch wenn Mika immer böse guckte, war auch ihm anzusehen, dass er Spaß hatte. Jetzt so wo er darüber nachdachte, fiel Gabriel der Kampf in der Taverne wieder ein. Mika hatte außerordentliche Kampfkraft bewiesen, nicht dass das einen dieser Boten da oben interessieren würde, aber dennoch erstaunlich. "Hey, Mika, woher hast du eigentlich diesen Schlagring?" Mika antwortete nicht "Verstehe, willst du also auch nicht sagen. Dann sag mir wenigstens, wie du das in der Taverne grade gemacht hast." Mika drehte sich zu ihm "Der Type war dick und sah nicht so aus, als ob er viel Erfahrung hätte. Den Schlag von solchen Leuten kann man einfach vorhersehen, das Gewicht macht es für sie unmöglich, die Richtung mitten im Schlag nochmal zu verändern." Gabriel dachte über seine Worte nach "Woher wusstest du, dass er unerfahren im Kämpfen ist?" Mika schaute ihn an, als hätte er grade etwas vollkommen Offensichtliches infrage gestellt. "Das sieht man doch am Blick." "Am Blick?", fragte Gabriel, "Ja, genau, ich konnte bei dem Blick gleich erkennen, dass er noch nie richtig gekämpft hat. Er hatte Angst." Gabriel hielt sich das Kinn. "Angst also ... und wie sah ich aus?" "Entschlossen aber leichtherzig." Gabriel nickte vielsagend "Aha. Werds mir merken, kleiner." Ehe sie sich versahen, waren sie schon da. Gabriels Haus. "Wartet ihr hier, ich komm gleich wieder." Sie stimmten ihn stumm zu. Gabriel ging ein paar Schritte bis zur Tür, blieb davor stehen, drehte sich dann aber nach rechts um. Er ging den Pfad entlang und erreichte das Grab. Es stand noch immer da, und noch immer strahlte es. Mit den Händen buddelte er im Schnee nach einer Schaufel, anschließend grub er mit dieser ein großes Loch. "Komm schon ... hier irgendwo muss es doch sein." Und dann traf er ein Brett. Nie hatte er eine Leiche bekommen, aber etwas anders, ein letztes Geschenk. Er hatte überlegt, was er mitnehmen sollte, aber schnell bemerkte er, dass die Kinder bereits alles hatten, was sie brauchten. Besonders wichtig waren dabei die Stricke, die er auch an seiner Kleidung trug und das Notizbuch seiner Frau. Nur eines fehlte ... Er holte eine lange hölzerne Schachtel aus dem Loch heraus, und als er sie öffnete, sah er ihn. "Der Stock des Weisen." so hatte er ihn genannt. Ehemals eine Gehhilfe,  die er später zu einer wertvollen Maschine umbaute. Gleich dahinter war ein großes rundes Etwas, das Kernelement dieser Maschine. Sie war mit dem Stock durch unzählige Schläuche verbunden, nur mit diesem Rucksack konnte der Stock sein wahres Potenzial freisetzten. Er setzte die Maschine auf sein Rücken und nahm den Stock in seine rechte Hand. Dies war sein Meisterstück, der Stock war ein Relikt, was direkt aus dem Garten stammte, er war stabil und trotz dessen hol. Er war Schwarz und hatte wie auch Gabriel Stricke um sich gewickelt. Das letzte Geschenk, seine Frau. Nun umgebaut zu einer der besten Waffen, die er kannte. Der große runde Rucksack war in schwarzen Stoff eingehüllt, darin befand sich reine Technik, mit einer Energiequelle, die unendlich schien ... Wie lange hatte er nur auf diesen Moment gewartet? Er war bereit zu gehen, bereit zu gehen, mit einem Knall. "Das hier tue ich nur für dich." Ihm war klar, dass das eine Lüge war. Mika und Raphael, konnten dabei zusehen, wie ein großes Feuer vom Haus ausging. Es hüllte wenig später alles ein ... alles außer Gabriel, der wie ein Feuerteufel durch die Flammen schritt und zu ihnen eilte. "Gabriel, dein Haus ... und was ist -" "Ach das? Nur ein kleines Spielzeug." Raphael schaute ihn fragend an, "und dein Haus?" Gabriel strahlte. "Das brauch ich nicht mehr." kein einziges Mal drehte er sich mehr um, Mika und Raphael taten ihm gleich. Gabriel war sich in klaren gewesen, dass er eine Entscheidung treffen musste, die ewig wehren würde und das war seine Antwort darauf.  "Siehst du das Lilith, siehst du mein Höllenfeuer? Ich komm zu dir, das schwöre ich."

 

Wehrend des Weges aus dem Dorf, zum Anfang der Bergspitze:  Mika hatte schnell bemerkt, dass sich etwas an Gabriels Auftreten verändert hatte. Schon seid dem Ereignis in der Taverne, nein vielleicht sogar schon als er sie verabschiedete, hatte sich etwas in ihm getan. Mika konnte sowas immer durch die Augen lesen. Als Gabriel sie das erste Mal traf, wirkten diese leer, dann, als sie zum ersten Mal in der Taverne waren, unruhig und schließlich so voller Leben ... so einen schnellen Wandel hatte er noch nie erlebt, kein Mensch, den er je getroffen hatte, strahlte so sehr, aber das Merkwürdigste daran war, das es scheinbar keine reine Herzensgüte war, die ihn so wirken ließ, eher ein Verlangen ... "Gabriel, was ist das den jetzt, was du da auf dem Rücken trägst? Und warum hast du jetzt nen Stock, bist doch alt und schwach oder was?" Gabriel klopfte auf den großen runden Behälter, ein metallisches Geräusch war zu hören. "Technik, mein Kind, Technik. Eine Mischung aus Relikt und der guten alten Kunst Azriels." Raphael bewegte sich auf den runden Behälter zu und klopfte weiter darauf ein "Hey, lass das kleiner. Da Zeug ist wichtig." "Okay ..." Mika überlegte, dieser Name Azriel irgendwo hatte er schonmal von ihm gehört ... "Ach ja, genau. Azriel der Teufel." Gabriel drehte sich zu ihm um "Was sagst du da kleiner?" Das Wort kleiner gefiel ihm nicht. "Selber Kleiner, du Alter Sack. Ich mein mir wurde da mal was erzählt, die Leute in unserem Dorf haben sich vor Teufeln gefürchtet, ich glaub einer davon hieß Azriel." Gabriel machte eine nachdenkliche Miene. "Junge, kann es sein, dass eurem Dorf weniger technologisch fortgeschritten war als Hort?" Mika nickte "Wir hatten nie solche Maschinen Dinger, nur normale Werkzeuge. Sag mal, habt ihr das Zeug etwa von einem Teufel?" Gabriel zwinkerte ihm zu "Ja klar, und da oben warten keine menschenfressenden Monster, sondern schöne Jungfrauen." Mika schaute ihn fragend an "Das heißt nein, wir haben die Technologie nicht vom Teufel ... jedenfalls nicht wirklich. Dein Dorf scheint Azriel und seine Gruppe Gelehrter als nichts weiter aufgefasst zu haben als Unruhestifter. Nur verständlich, wenn man seine Vergangenheit bedenkt." "Wer ist dieser Mann denn?" Raphael war wieder voll bei der Sache, wahrscheinlich erwartete er eine schöne Geschichte. "Er war einer der Ersten im Garten, er und seine Leute wollten Großes vollbringen, starben aber alle, er letztlich auch. Entschuldigung Kleiner, nicht jede Geschichte endet fröhlich." aber Raphael grinste ihn immer noch an "Schon gut, ich kenn viele Geschichten, die so ähnlich enden." Gabriel war ganz überrascht von dem Jungen, vielleicht war er ja doch etwas reifer als angenommen. Mika hatte ihn oft von der Welt da draußen erzählt, er war der festen Überzeugung, dass aus Erzählungen keine Verdorbenheit hervorging, erst wenn man Dinge aktiv tat, etwas aktiv sah ... erst dann konnte es einen auch verändern.  "Sag mir Gabriel, war dieser Azriel ein schlechter Mensch?" egal wie er auch zu sein Dorf stand, er wollte zumindest wissen, ob sie mit ihren glauben recht behielten. Gabriel schien die Frage schon erwartet zu haben "Kleine Gegenfrage, der Kerl in der Taverne, den du verprügelt hast, war der nen schlechter Kerl?" "Der war fies." "Genau, aber was ist, wenn ich dir sage, dass er Frau und Kinder bei einer seiner Expeditionen verlor. Was ist, wenn ich noch dazu anmerke, dass er ein guter Vater war und gar nicht mal so gemein wie heutzutage. Wie denkst du dann über ihn?" Mika schwieg, dann presste er aber hervor "Er war trotzdem fies." Gabriel nickte. "Ja, das war er, für dich wird er nun für immer ein fieser Kerl bleiben. Ich aber sehe in ihn eine arme Seele, die doch nur versucht über Wasser zu bleiben. Er ist der Letzte, den ich von damals noch kenne. Alle anderen sind Tod." "Und was hat das mit diesen Azriel zu tun, kanntest du den etwa?" Gabriel zeigte nach vorne, Mika und Raphael sahen ein großes rotes Tor. "Das ist der Eingang zur Bergspitze, von dort aus beginnt unsere Reise ... und zu deiner Frage, nein ich kannte ihn nicht, er lebte viele Jahre vor meiner Zeit, aber ich las seine Bücher, ich kenn sie in- und auswendig. Wenn ihr wollt, kann ich euch mal etwas über ihn beibringen, dann könnt ihr euch eure eigene Meinung über ihn bilden. "Raphael sprang auf "Mehr Geschichten, ja!" Mika mochte es sehr, wenn Raphael so aussah, eine Geschichte könnte ihn diesen Anblick noch etwas länger bestaunen lassen ... "Klar, erzähl uns eine Geschichte von diesen Azriel."

 

"... Mein erstes Werk ... merkwürdig. Ich habs mir immer anders vorgestellt. Ich dachte, wenn ich erstmal groß und stark bin, wie mein Vater so schön zu sagen pflegte, kommen die guten Ideen von ganz allein. Ich brauchte einen Monat, um ein interessantes Thema zu finden, dabei wollte ich doch schon immer Künstler werden ... meine bisherigen Werke waren allesamt kleine Fische, erst jetzt wo ich aus meiner Heimat geflohen bin, bemerke ich das.  Da wo ich herkomme, da wo ich meine Ideen her hab, gibt es keinen Gott. Wir waren ein sehr fleißiger Haufen, und nächsten Liebe war uns sehr wichtig, die Idee eines Gottes hätte dort nur für Unmut gesorgt. Das Thema dieses Werkes soll daher Gott sein, nicht weil ich mir ein wünsche, sondern weil ich verstehen will, warum es Leute gibt, die ohne ihn nicht leben können. Gelehrte nennen sie uns und doch hab ich noch so viel zu lernen. Mit der Hilfe unserer Maschinen wird das Drucken dieses Buches ein leichtes, der Zugriff auf dieses Medium wird nun auch endlich die Unterschicht erreichen. Nichts wünsche ich mir mehr als mit euch zu lernen, glaubt mir das. Auch ich will die Welt sehen, ein Abenteuer erleben und zur Legende werden, auf dass dieses Werk nur eines von Vielen sein wird."

 

Das Vorwort aus "Die Hingabe" von Azriel den letzten Gelehrten
     7 v. Ank

 

Sie wanderten durch Schnee und Eis, überall um sie herum Grabsteine. Sie hatten es geschafft, das Tor zu passieren. Von jetzt an begann ihre Reise.

 

"... Ich habe heute einer alten Frau geholfen, erst bedankte sie sich doch dann als sie erfuhr, war ich war schlug sie mich. Ketzer hatte sie mich genannt ... Warum?"

 

Ein auszug aus "Glaube" von Azriel den letzten Gelehrten
     6 v. Ank

 

Jeder Schritt tat weh, ein ewiger Pfad aus Kälte. Gabriel war vor allen anderen, die Vorfreude war zu groß, er würde gehen, er würde endlich einen Ort reichen, der mit dem Himmel gleich zu setzten, war. Sie hatten zwar gesagt, da oben wären viele Boten, aber das war ihm egal ... er musste jetzt gehen, koste es was es wolle. Alles für den Wunsch.

 

"... sie lehnen die Technik einfach ab, sie wollen nicht lernen, verdammt! Teufel nennen sie mich. Meine Kameraden sagen mir, ich soll aufgeben, aber ich gebe nicht auf. Ich weiß jetzt, wie man Gott bezwingen kann, ich hab den Dolch praktisch schon meiner Hand ... ich muss nur noch zustechen."

 

Ein auszug aus "Wunden" von Azriel den letzten Gelehrten
     5 v. Ank

 

Mika nahm Raphael in die Arme, er trug ihn immer und immer weiter, der Sturm war stark und Gabriel war kaum noch zu sehen. Er schaute Raphael an, nichts, rein gar nichts gab es, was wichtiger für ihn war. Er wollte ihn nicht zurücklassen, selbst wenn es sicherer gewesen wäre, hätte er das nicht getan.  Nur die Seele, die friedliche, liebliche Seele Raphaels gab ihm noch Kraft. Auch wenn es selbstsüchtig war, er musste weiter machen. Alles für den Wunsch.

 

"... Wir sind ihre neuen Götter. Keiner wird sich mehr gegen die Technik auflehnen, wenn wir erst einmal da oben sind. Himmelinseln, Gott ... alles der gleiche Unsinn. Selbst ich möchte nach meinen Tot an einen ruhigen Ort gelangen, aber wenn dann erschaff ich diesen schon selbst! Eines Tages erklimmen wir diesen Riesen und dann, ja, dann bekommt diese Welt endlich ihren Frieden."

 

Ein auszug aus "Meine Idee" von Azriel den letzten Gelehrten
     4 v. Ank

 

Raphael war so unendlich kalt, er konnte nicht mehr gehen, also trug ihn Mika. Viele Leute hatten ihm schon gutes getan, vor allen der Mann. Er war so nett gewesen, er hatte gesagt, niemand wüsste, dass er hier unten war. Damals wusste er noch nichts vom Garten, aber jetzt war Raphael sich sicher, da oben war er, sein Retter. Er musste ihm doch noch die Blume zurückgeben ... Alles für den Wunsch.

 

"... Wenn es Gott wirklich gibt, werde ich es sein, der ihn tötet. Ich werde da hochgehen und ihn finden, dann wenn ich wieder runterkomme werdet ihr ja sehen, was passiert ist. Ketzer hin oder her, keiner von uns kann so weiter machen, wir alle haben Angst vor dem, was kommen mag. Aber ich schwöre euch, ich fang euch auf, egal wie tief ihr auch fallen mögt."

 

Ein auszug aus "Die Frage" von Azriel den letzten Gelehrten
     3 v. Ank

 

Kalt, eiskalt.

 

"... Meine Familie starb als wir flohen, ich liebte sie sehr. Sie waren mein Ein und Alles. Wo war Gott als das passierte? Wenn Gott wirklich so gut ist, warum lässt er uns dann einfach so sterben? Ich weigere mich weiter mitzuspielen ... ich will keine Schachfigur sein, wir Menschen sind doch selbstbestimmt oder irre ich mich da?"

 

Ein auszug aus "Warum?" von Azriel den letzten Gelehrten
     2 v. Ank

 

Schritt für Schritt.

 

"... Die Taschen sind gepackt, wir gehen. Zusammen werden wir es schaffen. Nichts wird da oben sein ... und wenn schon, dann töte ich es. Ich freue mich auf diese neue Welt. Ich glaube das wir uns alle Lieben können. Wenn schon kein Gott für uns da ist, dann doch wenigstens wir selbst ... wir, die ganz allein gelassen wurden."

 

Ein auszug aus "Ich komme zurück" von Azriel den letzten Gelehrten
     1 v. Ank

 

Alles für den Wunsch.

 

Sie hatten die Spitze erreicht, sie hatten es überstanden. "Du warst viel zu schnell, Gabriel!"  Mika setzte langsam Raphael ab, er konnte wieder stehen. Gabriel schien ihn nicht gehört zu haben, denn er starrte nur in eine Richtung. "Hör mir gefälligst zu, Alter Mann, du -" "Ruhe, seht ihr das den nicht? Wir sind tatsächlich da ... Ich habe es geschafft." Mika verstand nicht ganz, was Gabriel damit meinte, ja er sah die Inseln und auch die Brücke aus Wolken, die sogenannte Wolken Pforte. Aber ihre Reise war noch lange nicht vorbei, sie fing gerade erst an. "Wir sollten uns beeilen, solange es noch Tag ist." Mika war ernst bei der Sache, Gabriel hingegen. "Lasst uns bitte noch ein paar Minuten hier bleiben, ich will diesen Moment genießen." genießen? War es das, was ihn sosehr an dieser Reise faszinierte? Wollte er ausbrechen? Mika starrte gemeinsam mit Raphael und Gabriel die Inseln an ... sie wirkten so unwirklich. Tatsächlich hatten sie etwas Göttliches, wie ein Zeichen, eine Aufforderung ... die Pfade, es war fast schon so, als hätte jemand mit Absicht ein Weg bis ganz nach oben gelegt ... aber warum? Was könnte ein Gott schon davon haben, einen Menschen nach oben zu sich zu locken? "Das sieht wirklich schön aus!" Raphael sprang auf den Wolken rum und drehte sich im Kreis. Das Wetter war nun sonnig, fast paradiesisch. "Gabriel, was denkst du, erwartet uns da oben?" Gabriel drehte sich grinsend zu ihm "Ein Abenteuer." war seine Antwort. Dann drehte er sich wieder um. Jeder freute sich, Gabriel hatte sich seiner Angst gestellt und Raphael sah ein neues Abenteuer entgegenkommen ... nur Mika war nicht wohl bei der Sache. Er hatte gehört, was der Dicke in der Taverne zu Gabriel gesagt hatte ... die Hölle. Was ist, wenn er recht hat und sie da oben nichts als die Hölle finden würden. Es brachte nichts ... sie konnten sich nicht wieder umentscheiden, sie waren gefangen und ihre eigenen Wünsche hielten sie fest. Wenn es die Hölle brauchte, um Raphael zu heilen, dann war das eben so. Da konnte man nichts machen. Ob dieser Azriel vor genau dem gleichen Problem stand? Hatte er auch einen Wunsch? Für Mika war klar, dass dieser Weg ein endgültiger sein würde, egal auf wen oder was sie ab jetzt treffen, es gab kein Zurück mehr. "Last uns gehen, last uns einen neuen Horizont sehen." Gabriel klang wie ein Prophet. "Ja, lasst uns gehen." Tot, Leid und Trauer. Das war der Weg, auf dem sie wanderten, keine Rückkehr war mehr gebraucht, denn sie waren sich sicher, nur Gott könnte jetzt noch über sie richten. 

 

"... Ich hatte keine Ahnung, wie schlimm es werden würde. Die Welt da unten hab ich nie besonders gemocht, hab sogar mal drüber nachgedacht einfach hierher auszuwandern. Als ich anfing, war ich jung und konnte das noch ganz gut ertragen. Diese riesigen Monster, die alles und jeden fraßen hatte ich nach ein, zwei Tagen wieder vergessen, doch die Vier Auserwählten ... die waren schon damals unheimlich, die Heilige, der Jäger, der Prophet und schließlich der schlimmste von allen, der Dämon. Ich werd mir nicht mal die Mühe machen Ihre wahren Namen hier zu nennen, das sind keine Menschen mehr. Meine Leute wurden auf der zweiten Ebene einfach aufgeschlitzt, in der ersten haben wir nicht mal ihre Leichen gefunden ... Ich schreibe dieses Tagebuch, weil ich dich warnen will ... ich weiß, dass du nach mein Tod gehen willst, du hast es schon oft genug gesagt ... Aber du darfst nicht das sehen, was ich gesehen hab, du darfst nicht so Kalt werden wie ich. Es gibt ein Grund, warum kaum noch jemand nach ganz oben will ... Er ist schrecklicher, grausamer als sie alle, niemand will ihn mehr sehen. Egal ob die Ebene der Heiligen, die des Jägers, die des Propheten oder gar die des Dämons, keine davon ist es wert gesehen zu werden. Gabriel, du wirst dir wünschen wollen, dass ich wieder da bin, du wirst hoffen, ich komm zu dir zurück ... aber was wäre Leben ohne Tot? Bleib weg vom Garten!"

 

Ein auszug aus "Die Hölle" von Lilith, der tollwütigen
     362 n. Ank

 

Es war die einzige Seite, die er aus ihrem Notizheft rausgerissen hatte. Er war sich sicher, sie wäre deswegen wütend gewesen. Von all den egoistischen Dingen, die er bisher getan hatte, war das hier wohl die Größte. Er war stur, und darauf war er stolz. Was könnte ihm die Hölle schon anhaben? Er war ein Träumer, und ein Träumer dachte nicht nach, er tat einfach.

 

Das Gedicht über die Ebene der Heiligen:

"Monster, oh Monster. Kommt herbei. Frisst die mit Angst, frisst die mit Hoffnung. Wer übrig bleibt, sei bereit für die Heilige. Kinder sind ihr lieb, wohl sogar. Menschen kommen, gehen, aber nie wieder. Finde deine Verzweiflung oder die Verzweiflung findet dich. Die Hölle ist mir lieber, lass mich gehen, oh bitte lasst mich gehen, denn da unten lebt es sich besser." 

Kapitel 2: Die Hölle

Flower in the sky

 

Kapitel 2: Die Hölle

 

"... Meine Leute gingen voran, sie wollten es genauso sehr sehen wie ich. Sie wollten wissen, ob Gott wirklich da draußen ist ... Vier Inseln und wir waren auf der Ersten. Wir hätten es besser wissen müssen ... Ein Gott würde sich nie mit dieser Höhe zufriedengeben, erst viel später verstand ich die wahre Bedeutung ihrer Existenz. Sie waren Prüfungen und die Boten waren die Prüfer. Den ersten Test hatte keiner von uns bestanden, wir standen nur da, schauten uns um, lächelten und staunten. Keiner von uns sah sie kommen. Ich weiß noch wie das war ... als wir zu unseren Füßen schauten und die Dutzenden kleinen Hände bemerkten. Erst war stille ... dann sprangen sie auf uns, stachen uns die Augen aus, brachen uns die Knochen. Wir hätten es überlebt, da bin ich mir sicher, wenn da nicht dieses gottverdammte Monster gewesen wäre. Sein Körper bestand aus einer fleischigen Masse und seine hundert Augäpfel starrten einem direkt in die Seele. Das allein hätte ein schon das Fürchten gelehrt, aber zu unserem Pech hatte das riesige Ding auch noch Tausend Beine, die wie menschliche Finger aussahen. Es raste durch uns durch, Blut spritzte, für ein Moment konnte ich nichts sehen ... nur noch die Hälfte von uns stand. Sie schrien, sie suchten nach Schutz, aber am Eingang gabs kein, nur der Rückzug blieb. Bei jedem Tier hätte sowas sofort geklappt, sie wären einfach entkommen und das wärs gewesen. Das Ding war aber kein Tier,Es war ein Monster durch und durch. Es spielte mit ihnen, ließ sie rennen, wehrend die Hände sie verfolgten. Ich lag da, bewegungslos ... Hab mich tot gestellt. Das war die beste Art, sich zu verstecken. Ich glaube mittlerweile, dass auch andere so gedacht haben, ich hätte nämlich schwören können, ihren Atem gehört zu haben. Letztlich war all das egal, die, die da mit mir lagen, starben an ihren Verletzungen und die, die fliehen wollten ... sagen wir es so, auch sie fanden, ihr Ende. Als sie weg waren, konnte ich mich nicht bewegen, ich wollte mich nicht bewegen. Nur eins dachte ich mir, wenn Gott wirklich existierte ... war er der Teufel höchst selbst, der Oberste ... der schrecklichste."


Ein auszug aus "Boten der Götter" von Azriel den letzten Gelehrten  

14 n. Ank

 

 

 

Vor 32 Jahren

350 n. Ank 

 

Gabriel hatte nichts, es war normal für ihn nichts zuhaben. Er war nicht besonders. Jeder in Hort suchte entweder, hatte schon gefunden oder würde nie finden. Gabriel dachte immer, er wäre letzteres, dazu auserkoren zuzusehen, ja das war seine Rolle, da war er sich sicher. Jeden Tag in die Mine, jeden Tag zurück, mit nichts. Als er noch Jünger war, konnte er zumindest noch träumen. Er hat gehasst, sein Vater, seine Mutter, einfach jeden in Hort ... aber als sie alle um ihn herum langsam zu sterben anfingen, bemerkte er was ... er war nichts besonders. Nur sein Vater und ein paar selbst ernannte Freunde lebten noch, er war dreißig und fühlte sich wie sechzig, aber so alt wurde kein Schwein.  Der Hass hatte ihn träumen lassen, er träumte vom wundervollen Garten, da gabs alles, sagte man ihm, man müsse es sich nur nehmen. Er wollte sich nichts mehr nehmen, er wollte haben, aber nichts dafür tun müssen, er war genauso gierig wie alle anderen auch. Jeden Tag hatte er diese Gedanken, auch an diesen Tag, an dem Tag als er Lilith kennenlernte. Er stand da, bewegungslos, sein Körper war eingefroren. Da am höchsten Aussichtspunkt, nahe der Mine, wo er arbeitete, war sie. Sie stand da, neben ihr ein Sack Äpfel. Ihr blondes langes Haar flog durch den Wind, ihre blauen reinen Augen schauten sich Hort ganz in Ruhe aus sicherer Entfernung an. Ihre scharfen, markanten Zähne versenkten sich im Apfel. Ihre Kleidung war merkwürdig, Lederfetzen von Tieren, die er noch nie in sein Leben gesehen hatte, bildeten einen bunten Mantel mit passenden Handschuhen und Stiefeln. Eh er sich versah, drehte sie sich um, eine Art Strick, den sie als Gürtel zu verwenden schien, wedelte durch den Wind.  Für nur einen kurzen Moment betrachtete sie ihn und dann ... "Willst du ein Apfel?" Natürlich sagte er ja. Er wollte diesen süßen Geschmack im Mund behalten, so schwor er es sich. Ein Apfel landete in seiner Hand, rot war er, er kannte nur Grüne, die Sauren. Doch dieser schmeckte genauso süß wie angenommen. "Danke." "Immer wieder gern. Sahst so hungrig aus, da dachte, ich mir du könntest es gebrauchen." einmal was Süßes, war wirklich alles, was er brauchte. Er ging zu ihr, und starrte so wie sie auch auf Hort hinab.  Stille. Ewige Stille. Unendliche Stille. "Wie heißt du?" Er wollte dem Glück einen Namen geben. "Ha, hab schon bessere Anmachsprüche gehört." Gabriel riss die Augen auf "Nein, nein ... so meinte ich -" "Lilith. Ich heiße Lilith." Lilith also, sein Gesicht war ganz Rot. "Meiner Lautet Gabriel. Kommst du von hier?" er wusste die Antwort auf diese frage bereits, er kannte sie nämlich alle, nur sie war ihm unbekannt. "Ich war schon einmal vor vielen Jahren hier, hab mich besoffen und bin dann sofort mit meinen Leuten Richtung Garten." Der Garten ... war diese Begegnung etwa Schicksal? "Du bist eine Himmelsfängerin?" Immer mehr von ihnen kamen in letzter Zeit hier an, sie suchten alles Mögliche, Schätze, Wünsche, Macht, alles war da oben und sie wollten es als erste finden. "Ja so ist es." sie drehte sich blitzschnell zu ihm um "Vor dir steht die tollwütige Lilith, verneige dich!" Gabriel schaute verwirrt "Nah, an dem Auftreten arbeite ich noch, aber der Name steht schon." sie war wohl etwas durchgedreht, das musste man jawohl aber auch sein, wenn man in den Garten gehen möchte. "Wie viele Jahre warst du den da schon oben, Lilith?" Lilith biss in einen weiteren Apfel, noch am Kauen sagte sie "Bin jetzt fünfundzwanzig, heißt ... so zehn, in etwa." Gabriel konnte es nicht fassen, "Du warst mit fünfzehn im Garten?" "Vielleicht auch erst mit sechzehn, habs nicht so genau gezählt. Willst du noch nen Apfel?" Wer war diese Frau bitte? Er konnte einfach nicht genug von ihr kriegen. "Einen noch." nach und nach leerte sich der einst so volle Apfelsack, der süße Geschmack verließ ihn noch Tage darauf nicht. So, so unendlich süß ...

 

Jetzt  

382 n. Ank 

 

Es duftete so süß, die Luft war rein, nicht kalt. So weiter sie sich der Insel näherten, desto mehr kam in innen ein wohliges Gefühl zum Vorschein. Sie fühlten sich wunderbar, keine Kälte, kein Schmerz, einfach nur Frieden. Sie sprachen kein Wort, sie fühlten nur. Da oben war keine Hölle, nie könnte die Hölle so guttun. Sie mussten nur weiter gehen, weiter und immer weiter. Sie streckten ihre Hände nach ihr aus und vor ihnen erschienen Abbilder dessen, was sie sich am meisten wünschten. "Ich komme, Lilith!" Der Rausch verblasste mit einem Mal. Sie hatten das Ende des Wolkenpfads erreicht. Gabriel hatte schon mit sowas ähnlichen gerechnet, den Sog hatten es die Himmelsfänger genannt, der Beweis für Gottes Barmherzigkeit, und ja, Gott war barmherzig, denn nur ein Barmherziger könnte solch ein Paradies erschaffen. "Grün! Grün! Ja!" Es war atemberaubend schön. Bäume teils so hoch wie drei ganze Gebäude, andere so klein wie ein halbes. Rote, Gelbe und Orange Blumen, die von Tausenden kleinen Insekten umkreist wurden. Wasserfälle, teils in weiter Ferne, andere direkt neben an "Sie laufen Rückwerts ... wie ist das nur möglich?"  Die rückwärtsfallenden Wasserfälle waren genauso merkwürdig wie die gigantischen Pilze. "Wow, unglaublich!" Auch Mika hatte sein Spaß. Gabriel hatte noch nie in seinen ganzen Leben solch eine Natur gesehen, er kannte nur Schnee und Eis, dahingegen war das hier ... einfach nur wunderbar. Am Himmel flogen riesige Vögel, am Boden schwirrten die Insekten, die Wolken waren auf einmal so nah, so greifbar ... er war wirklich da. "ICH BIN DA!" ein Freudenschrei klang aus ihm. Immer wollte er hier hin und nie hatte er sich getraut, er konnte gar nicht beschreiben wie glücklich er war. Diese Kinder waren wirkliche Engel ... Aber wo waren sie bloß hin? Er hatte sie doch Garde noch gehört und jetzt ... er blickte sich um, da waren Dutzende Bäume, wunderschöne Teiche oder auch Höhlen so weit das Auge reichte. Aber da war sonst niemand, sie waren einfach weg. "Sind sie schon vorgegangen?" kein bisschen Angst durchfuhr ihn, es gab kein Grund zur Besorgnis.  Überall waren die Wunder des Gartens versteckt, ob rote Äpfel, hohes Gras mit guter Heilwirkung oder auch reinstes Wasser, an nichts fehlte es hier. Da war der gleiche süßliche Geschmack in seinem Mund, genauso süß wie damals bei Lilith ... eine Tatsache, die ihn etwas gekränkt zurückließ. Hatte er sie vielleicht nur aufgrund ihrer Verbindung zu diesem Ort geliebt? Er sollte jetzt losmachen und die Kinder suchen, immerhin war es hier ja gefährlich ... merkwürdig, nichts hier wirkte gefährlich, auch kein Bote war zu sehen oder gar einer dieser Vier Auserwählten. Vielleicht gab es ja wirklich ein Paradies ... vielleicht aber auch nur vielleicht hatte Gott für sie ein Paradies erschaffen. Schon immer war es sein Traum gewesen, hier zu landen. Nie hätte er sich eingebildet, solch einen wundervollen Ort zu finden, aber da war er nun. Er wollte es gar nicht anders ... diese Idee war zu schön, um sie zu hinterfragen. "Mika! Raphael!" Er war in den Tiefen des Waldes eingetaucht. Es roch nach leben, nach Existenz. Hier gab es niemanden, der ein vom Träumen abhalten konnte. Cherub war hier nicht viel mehr als ein Echo, genauso wie sein Vater, selbst die Warnung Liliths konnte er kaum noch vernehmen. Es musste einfach so sein, er musste einfach am schönsten aller Orte sein. Hort war verglichen zu weiter unten liegenden Siedlungen erträglich, aber jetzt war er noch viel höher, er war im Garten, hier wurden Träume und Wünsche wahr. Gabriel drehte sich nach links, dann wieder nach rechts, sein Stock gab ihn halt. Er erinnerte sich an Azriel, an seine Texte, an seine Angst. Er war wahrscheinlich der größte aller Gründe, warum er Angst gehabt hatte hier hochzukommen. Azriel hatte von Boten gesprochen, von einer tödlichen Umgebung, hatte er gelogen? Ja, genau so musste es sein. "Mika! Raphael!" Warum kamen sie nicht? Das Paradies war doch so nah ... Einmal, nur einmal wollte er etwas finden, das ihn nie verlassen würde ... ein Hoffnungsschimmer, in dieser doch so düsteren Welt. Immer noch war er gierig, der Unterschied zu damals war das er seine gier akzeptiert hatte. Erst gewann er Hoffnung, dann die Kinder, die ihm nie vergönnt, wurden, waren und jetzt war er im Garten ... einfach fantastisch, einfach wunderbar ... "Bitte ... bitte kommt her!" er war wie ein Kind, immer wollte er mehr haben, aber wollten das nicht alle? "Bitte ... irgendwer."   Lilith hatte ihm nie viel über diesen Ort erzählt, nur dass er gefährlich sei ... und dass man sich selbst darin verlieren würde. Zehn Jahre hatte sie es ausgehalten, Cherub sogar zwanzig. Es konnte doch wohl nicht so schlimm sein, oder? Mika und Raphael waren bestimmt nur spielen, genau das taten Kinder ..., nicht wahr? Die Insekten wurden stiller, er hatte nur selten welche gesehen ... war das normal? Gabriel vergrößerte die Schritte, der Wald wurde immer dunkler. Nie hatte er an Gott geglaubt, war das seine Strafe? Verloren, allein gelassen ... im Paradies? Kein Bote war zu sehen, nur Schwärze ... kein Mensch, kein Tier. "Gabriel! Raphael!" Da war eine Stimme ... Mika! "Hier! Hier bin ich!" Er rannte auf ein Licht zu. Da war immer noch keine Angst, nur Verwirrung ... ein erschöpfter Mika stand im einzigen Licht, was durch die Bäume zu kommen schien. "Gabriel! Da bist du ja, wo ist Raphael? Los sag schon!" nur Verwirrung ... Gabriel stand da, etwas stieg in ihm auf ... da war keine Angst ... nein da konnte keine sein. "Gabriel, wo ist er?" Das Paradies, Leute wie sie kommen doch alle ins Paradies, nicht wahr? Gabriel war kotzübel, Lilith, Cherub, Azriel sie alle hatten etwas hier verloren ... er etwa auch? "Gabriel!" er schaute Mika an, dann legte er seine Hand auf seine Schulter. "Es tut mir, so Leid", sagte er. Er hätte sich am liebsten selbst geschlagen, aber das tat Mika schon für ihn. "Wir drehen jetzt um und suchen ihn!" Woher nahm er diese Kraft? Oder viel besser, warum fühlte Gabriel sich so unfassbar hilflos? Gemeinsam gingen sie in die Dunkelheit, wie schon zuvor konnte er die Schönheit des Gartens nicht mehr sehen ... "Warum warst du auf einmal weg, Mika?" Er konnte ihn nicht mehr sehen, nur fühlen. "Ich fand es hier ... schön." War es eine Falle? Ein Weg, jemanden hier für immer hineinzuzerren? Nein, sie waren es selbst gewesen, da war er sich sicher ... sie alle suchten nach solch einem Ort. Hatten sie ihn jetzt gefunden? "Gabriel ... hast du Angst?" Gabriel starrte in die Finsternis "Ja ..." Es war so unfassbar still. "Wovor hast du Angst? Dass wir sterben?" "Nein ... Dass ich etwas realisiere." Mika griff seine Hand etwas fester "Realisieren?" Gabriel hätte ihn so gern jetzt gesehen, den Mika, der sich fürchtete. Vielleicht hätte das ihn ja die Kraft gegeben, seinen nächsten Satz zu verkraften. "Ich habe Angst, dass ich realisiere, dass es kein Paradies gibt." ein Licht tauchte vor ihnen auf ... das Ende des Waldes. Ihre Augen schmerzten bei dieser Menge an Licht, die

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 20.06.2023
ISBN: 978-3-7554-7969-7

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