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Eine kulinarische Zeitreis

Vor längerer Zeit war ich auf der Suche nach einem nettem Café, wo man noch gemütlich einen ganz normalen Kaffee in einem angenehmen Ambiente genießen konnte und nicht eines von diesen modernen Schickimicki-Lokalen, wo man alles Mögliche angeboten bekam, außer eine gute Tasse Filterkaffee. Schließlich fand ich so ein kleines, verträumtes Lokal, versteckt in einer engen und begrünten Seitenstraße. Seitdem bin ich dort Stammgast.

 

Dieses nette kleine Café wurde schnell zu einem Geheimtipp und wurde viel besucht. Im Laufe der Zeit freundete ich mich mit einigen der anderen Stammgäste an und wir wurden zu einem Stammtisch. Da wir ähnliche Ansichten über Gemütlichkeit und auch für gutes Essen hatten, nutzten wir unseren Stammtisch auch, um zu planen, wo wir essen gehen konnten. Dabei bürgerte es sich ein, dass wir zweimal pro Jahr eine Reise von mehreren Tagen zu machen, zu den verschiedensten Orten in ganz Deutschland, um auch die Bandbreite der guten Küche kennenzulernen. Wir besuchten dabei Lokale in diversen Städten, aber auch diverse Landgasthäuser auf dem Land (Landgasthäuser sind immer auf dem Land, deshalb kann man „auf dem Land“ weglassen). Dadurch konnten wir die ganze Vielfalt kennenlernen. Dabei lernten wir viele Orte und Lokale kennen, und dazu auch noch viele nette Menschen.

 

An einem Tag, da saßen ich, der Arno sowie meine Freunde Rüdiger, Derk, Karina und Johanne zusammen. Wir wollten diesmal eine längere kulinarische Reise planen, doch diesmal nicht in Deutschland, sondern in einem der Nachbarländer. Nach längerem Überlegen fiel unsere Wahl auf Großbritannien.

 

Wir teilten die weiteren Planungen auf, um zum einen die Orte auszusuchen, die wir besuchen wollten, dann welche Lokale ausgesucht werden sollten, wie wir hinkommen wollten sowie die Unterkünfte.

 

Bei unserem nächsten Treffen besprachen wir die Ergebnisse der Vorbereitungen. Dabei präsentierte Derk eine besondere Überraschung, denn er war für die Auswahl der Lokale zuständig.

 

„Stellt euch mal vor, ich habe etwas ganz besonderes gefunden, das könnte der Höhepunkt unserer Reise sein“, begann Derk.

 

„Was ist es denn?“, fragte Karina.

 

„Das muss ja schon echt etwas tolles sein“, meinte Johanne.

 

„Dann schieß mal los“, erwiderte ich.

 

„Das ist echt der Hammer. Es gibt ein königliches Jubiläum und aus diesem Anlass haben sich mehrere Lokale zusammengetan und veranstalten ein historisches Festbankett. Und das ist noch nicht alles, es findet im großen Festsaal des Towers statt. Man munkelt sogar, dass ein Mitglied der königlichen Familie daran teilnimmt.“

 

„Das wäre echt ein Highlight, wir sind alle interessiert. Doch wie kommen wir daran?“

 

„Es gibt Karten im Vorverkauf und 10% davon gehen an ausländische Besucher. Wenn wir uns ranhalten, dann bekommen wir noch welche.“

 

Schließlich einigten wir uns darauf folgende Städte zu besuchen. Als erstes stand Alesbury auf dem Plan, dann folgte Hatfield; beide Städte lagen im Norden von London. Und die britische Hauptstadt sollte der Höhepunkt werden. Wir beschlossen, die Reise mit dem Zug zu machen.

 

Endlich war der Tag der Abfahrt da. Wir trafen uns am Bahnhof und stiegen ein. Die Fahrt war so gebucht, dass wir ein gemeinsames Abteil hatten. Vom Startbahnhof ging es los in Richtung Frankreich. Dort führte uns der Weg nach Calais. Von dort fuhren wir durch den Eurotunnel nach Großbritannien zum Bahnhof Folkestone.

 

Schon die Reise, die sich über mehrere Stunden zog, war ein Vergnügen, allein die Landschaften waren herrlich anzusehen. Auch die Speisen in den Zügen waren sehr gut, besonders in den französischen Zügen. So verging die Reise wie im Fluge und wir hatten sehr viel Gesprächsstoff. Je näher wir dem Ziel kamen, umso größer wurde auch unsere Vorfreude, besonders auf den Höhepunkt der Reise in London.

 

Kaum kamen wir in Großbritannien an, wurden wir von dem typisch britischen Wetter empfangen, doch das tat unserer Reisefreude keinen Abbruch. Von Folkestone fuhren wir weiter nach Alesbury, dort kamen wir in einem gemütlichen und landestypischen Gasthaus unter. Die Mahlzeiten nahmen wir in einem sehr rustikalen, aber auch geschmackvoll eingerichteten Raum ein, wo alles in angenehmer Atmosphäre angerichtet war. Nach angenehmen und kurzweiligen drei Tagen ging es dann weiter in Richtung Hatfield. Dort verbrachten wir die folgenden Tage in einer moderneren Pension, die recht zentral im Ort lag.

 

Und dann ging es zum Hauptziel der Reise: nach London. Als wir mit dem Zug dort ankamen und den Bahnhof verließen, atmeten wir praktisch lebendige Geschichte ein. London war eine wahre Weltstadt mit einer großen Vergangenheit und einer pulsierenden Gegenwart. Untergebracht waren wir in einem größeren Hotel der Mittelklasse im viktorianischen Stil. Da noch mehrere Tage Zeit waren, bis das große Fest im Tower standfand, hatten wir noch genug Möglichkeiten, um diese Stadt kennenzulernen. London hatte wirklich viel zu bieten. Einer der Höhepunkte war es, den Wachwechsel vor dem Buckingham-Palast zu sehen.

 

An einem weiteren Tag nahmen wir uns die Zeit, um den Tower vorab zu besuchen und kennenzulernen. Es war ein beeindruckendes Gebäude mit einer alten Geschichte. Man konnte die verschiedenen Epochen gut erkennen, diese fügten sich zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Es gab sehr viele Sehenswürdigkeiten, ein Highlight davon war die Sammlung der Kronjuwelen.

 

Bewohnt war der Tower auch noch, einmal von den Yeoman Warders und von den königlichen Raben. Die Yeoman Warders sind die Wachen des Towers und werden umgangssprachlich auch Beefeaters genannt. Zu deren heutigen Aufgaben gehören die Bewachung des Gebäudes sowie die Betreuung der Touristen und Besucher. Man kann sie gut an ihren alten Uniformen erkennen.

 

Diese Tour durch den Tower war sehr hilfreich und interessant, denn es half uns gut, uns auf das bevorstehende Fest, welches in ein paar Tagen stattfinden sollte, einzustimmen.

 

An einem Abend saßen wir gerade beim Abendessen und unterhielten uns über das bevorstehende Ereignis.

 

„Habt ihr schon gehört, es wird empfohlen in historischer Kleidung zu erscheinen“, warf ich in die Runde.

 

„Klingt gut, aber wo bekommen wir die denn her?“, fragte Derk.

 

„In der Nähe vom Tower, da gibt es ein Verleih für historische Kostüme, da kann man sich doch mal umschauen“, meinte Karina.

 

„Dann sollten wir uns morgen dort gleich mal umsehen“, sagte Johanna.

 

„Gute Idee, damit wir noch das Passende finden“, meinte Rüdiger.

So ging das Gespräch noch eine ganze Weile weiter. Auf jeden Fall waren wir uns einig, morgen gleich dort einen Besuch zu machen um die passenden Outfits für uns zu finden.

 

Nach dem Essen genossen wir noch einen Absacker und ließen den bisherigen Verlauf unserer Reise Revue passieren. Es war ein schönes Erlebnis; wir hatten sehr viel erlebt und es war ein Genuss.

 

Als wir am nächsten Morgen beim Frühstück saßen, da berichtete Johanne:

 

„Habt ihr schon die Zeitung gelesen? Da steht etwas Interessantes drinnen zum bevorstehenden Bankett im Tower.“

 

„Was denn, spann uns nicht so auf die Folter.“

 

„Die Zeitung berichtet, es kommen tatsächlich auch Mitglieder der königlichen Familie zum Bankett. Es wird ein Cousin der Queen sein, Prinz Arthur und seine Frau, Prinzessin Adelaide. Sie bringen sogar ein besonderes Grußwort der Queen mit.“

 

„Königlicher Glanz auf dem Bankett, das ist schon was ganz besonderes. So etwas erlebt man wirklich nicht alle Tage.“

 

„Stimmt, aber nun sollten wir nicht mehr lange quatschen und uns auf dem Weg machen wegen der Kostüme für das Ereignis. Wir wollen doch passend gekleidet sein.“

 

Nach dem leckeren und gemütlichen Frühstück machten wir uns langsam auf dem Weg. Wir beschlossen zu gehen um nebenbei auch noch einen Schaufensterbummel zu machen, denn es gab viel Interessantes in den Geschäften zu sehen.

 

Nach rund zwanzig Minuten kamen wir am Kostümverleih an. Wir staunten nicht schlecht, denn das Geschäft war recht groß und beeindruckend.

 

Als wir eintraten, betraten wir eine andere Welt. Es gab eine große Anzahl an den verschiedensten Kostümen aus diversen Epochen, von der Zeit von Richard Löwenherz über Heinrich VII. bis hin zur viktorianischen Zeit.

 

Wir sahen uns um und berieten uns, für was wir uns entscheiden sollten.

 

„Was meint ihr, was sollen wir nehmen?“, fragte Arno.

 

„Also, ich nehme ein Kleid aus der frühviktorianischen Zeit“, sagte Karina.

 

„Und ich nehme etwas aus der Zeit von König Richard“, war Johannes Antwort.

 

Rüdiger und Derk entschieden sich für Anzüge aus dem Spätbarock, während Arno sich für einen Dress aus der Zeit von Heinrich entschied.

 

Nachdem wir uns entschieden hatten, sprach uns der Inhaber an und fragte:

 

„Sind Sie Gäste auf dem historischen Dinner im Tower?“

 

„Ja das sind wir. Woher wussten Sie das?“

 

„Momentan kommen viele hierher, um sich passend zu kleiden. Wenn Sie möchten, dann kann ich dafür sorgen, dass Sie stilvoll zum Tower gebracht werden.“

 

„Wie denn das?“

 

„Wir besitzen mehrere alte Kutschen. Wenn Sie möchten, dann bringe ich Sie mit einer der alten Kutschen zum Tower und später auch wieder zurück.“

 

„Das Angebot nehmen wir sehr gerne an.“

 

Nachdem wir alles erledigt hatten, kehrten wir ins Hotel zurück. Wir wollten uns noch etwas ausruhen, denn am frühen Abend sollte es mit dem Bankett losgehen.

 

Am Nachmittag machten wir uns fertig, wir zogen uns um. Es dauerte seine Zeit bis alle Kostüme so saßen wie sie sollten. Bevor wir starteten, lasen wir uns das Programm durch. Einlass war um 17.30 Uhr, um 18.45 Uhr wurde das Prinzenpaar erwartet und um 19 Uhr sollte das Bankett starten.

 

Schließlich war es soweit, um kurz nach 17 Uhr wurden wir von der Kutsche abgeholt und die Fahrt durch die historischen Straßen der Stadt zum Tower. Da wir es schon Herbst hatten, wurde es schon langsam etwas dunkler und nach und nach gingen die Lichter an. Eine Fahrt durch London ist sowieso schon etwas Besonderes, aber in einer historischen Kutsche und in alten Kostümen, das ist ein Highlight. Um 17.40 Uhr fuhren wir auf das Gelände des Towers ein. Ein Feuerwerk von Eindrücken floss auf uns ein. Überall waren Fackeln die das Gelände erleuchteten, dann die Beefeater in ihren Uniformen und dann all die anderen Mitarbeiter, die man für das Fest besorgt hatte, ebenfalls in historischen Uniformen und Kostümen.

 

Als wir am Eingang ankamen, wurden wir von einem der Mitarbeiter empfangen und zu unseren Plätzen gebracht. Alles war perfekt vorbereitet und wir staunten nicht schlecht, wie opulent alles war.

Alles wirkte wie in der Tudor-Zeit, es war, als machten wir eine Zeitreise.

 

Als wir an unseren Plätzen angekommen waren, trudelten die anderen Gäste nach und nach ein. Pünktlich um 18.45 Uhr trafen Prinz Arthur und Prinzessin Adelaide ein. Wir alle erhoben uns und es erklang die Nationalhymne „God save the Queen“.

 

Als das Prinzenpaar eintraf, sahen wir, dass sie von einem weiteren Gast begleitet wurden. Ohne kurios zu wirken, stellten wir fest, der Mann hatte eine große Ähnlichkeit mit einer Birne. Auf Nachfrage erfuhren wir, er hieß Herr von und zu Edelbirne und war vor einiger Zeit schon mal Ehrengast im Tower und bei einer hochgestellten Dame des Königreiches.

 

Es wurde ruhig im Saal, als sich Prinz Arthur erhob und mit seiner Begrüßungsrede begann:

 

„Verehrte Damen und Herren, liebe Gäste, im Namen ihrer Majestät der Queen heißen meine Gattin und ich Sie ganz herzlich willkommen zum kulinarischen Fest im Tower anlässlich des Jubiläums ihrer Majestät. Wir freuen uns, dass Sie alle so zahlreich erschienen sind. Ebenso begrüßen wir zum einen unseren Ehrengast Herrn von und zu Edelbirne sowie eine Gruppe von Gästen aus Deutschland, die extra zu dieser Feier angereist sind. Und nun wünsche ich uns allen einen wunderschönen Abend. Lassen Sie uns starten, indem wir aufstehen und das Glas erheben auf das Wohl der Queen. Vielen Dank.“

 

Nachdem wir auf die Queen getrunken hatten ging es los. Die Tafeln waren mit den erlesensten Speisen und Getränken gedeckt. Es waren viele Kellner anwesend, die immer für Nachschub sorgten. Untermalt wurde alles von einer Kapelle in historischer Kleidung, die alte Musik spielte. Es gab auch noch viele andere Darbietungen, um das Fest zu untermalen.

Während des ganzen Abends ergaben sich viele Möglichkeiten, die Feier zu genießen. Wir kamen auch mit vielen der Gäste ins Gespräch. Der Höhepunkt war, als wir die Gelegenheit hatten, mit dem Prinzenpaar eine angeregte Unterhaltung zu führen. Bei diesem Anlass stellte er uns auch den Herrn von und zu Edelbirne vor und wir erfuhren mehr über seinen damaligen Besuch, der, wie schon erwähnt, auch im Tower stattfand.

 

Das Fest zog sich bis nach Mitternacht hin. Die Stimmung war sehr gut, es gab gute Gespräche und viele Begegnungen und es war ein richtiges Erlebnis. Wir waren richtig froh darüber, dass wir uns dafür entschieden hatten, dieses Fest zu besuchen.

 

Um 0.30 Uhr verabschiedeten wir uns dann vom Fest und kehrten mit der Kutsche, die auf uns wartete, zurück ins Hotel. Als wir ankamen, saßen wir noch ein Stündchen beisammen und reflektierten den Abend. Anschließend fielen wir müde und zufrieden ins Bett.

 

Am nächsten Morgen gingen wir gut ausgeruht zum Frühstück, denn wir wollten auch die Rückfahrt besprechen, die am nächsten Tag stattfinden sollte. Als wir gerade bei einer Tasse Kaffee saßen, wurden uns die Tageszeitungen gereicht. Dort wurde sehr ausführlich über das Fest im Tower berichtet, untermalt waren die Berichte mit vielen tollen Fotos. Auf einigen der Bilder waren wir auch zu sehen. Wir fragten, ob wir die Zeitungen mitnehmen durften, sozusagen als Erinnerung. Man sagte uns zu, eine Mappe mit mehreren der Zeitungen für uns vorzubereiten, die wir dann am Abreisetag mitbekommen sollten.

 

Der Tag der Abreise war gekommen. Unsere Koffer waren gepackt. Wir beschlossen mit dem Flugzeug die Heimreise anzutreten. Als wir uns ein Taxi bestellen wollten, welches uns zum Flughafen bringen sollte, erwartete uns noch eine Überraschung. Der Hotelmanager teilte uns mit, dass wir stilecht mit einer Kutsche gebracht werden und dass dies auf Anweisung des Prinzenpaares geschehe. Mit dieser tollen Geste hatten wir nun überhaupt nicht gerechnet, aber das war ein weiteres Highlight unserer Reise.

 

Ganz stilecht traten wir dann unsere Rückreise nach Deutschland an. Wir genossen diese Fahrt und fühlten uns fast wie Könige.

Als wir wieder daheim waren und uns erst einmal etwas Ruhe gegönnt hatten, um uns von der Reise zu erholen und um die zahlreichen Eindrücke zu verarbeiten, verabredeten wir uns in unserem Stammlokal zum Kaffee.

 

Wir unterhielten uns ganz angeregt und beschlossen unisono, so eine tolle Reise auf jeden Fall noch einmal zu machen.

 

***Ende***

 

Anmerkungen:

Diese Geschichte ist frei erfunden. Es sei darauf hingewiesen, die Figur des Herrn von und zu Edelbirne ist aus einer meiner eigenen Geschichten hier eingeführt. Ansonsten sind Ähnlichkeiten zu lebenden oder toten Personen und zu anderen Geschichten rein zufällig.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 17.05.2023

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet dem Andenken an Ihre Majestät König Elisabeth II. und Seiner königlichen Hoheit Prinz Philip dem Herzog von Edingburg

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