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Doppelmoral

Doppelmoral

Mein Mann und ich leben in Hamburg und genießen unseren Lebensabend. Es war nicht immer einfach. Wir lernten uns kennen und lieben, da galt Homosexualität noch als eine Straftat, es war in den 1950er Jahren. Durch eine Todesanzeige in einer überregionalen Zeitung wurden wir an damals erinnert.

 

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs landete ich in Frankfurt. Die Stadt lag in Trümmern und ich hatte einen schweren Start. Doch ich ließ mich nicht entmutigen. Ich kam in einer Notunterkunft unter und fand einen Job als Arbeiter bei der Stadt.

 

Im Laufe der nächsten Jahre verbesserte sich alles in Deutschland, der Aufbau ging voran und vieles mehr ebenfalls. Inzwischen arbeitete ich als Angestellter in der Stadtverwaltung. Und ich hatte eine kleine Neubauwohnung am Rande der Altstadt.

 

Im Großen und Ganzen lief es gut auf der Arbeit, es herrschte eine gute Stimmung und ein angenehmes Arbeitsklima. Bis auf einen Kollegen, er war in meinem Alter, also Mitte 20, dieser und seine Familie hingen immer noch der alten Ideologie an. Immer wieder kam das bei ihm zum Vorschein.

 

Anfang 1955 lernte ich dann Gregory kennen. Er war ein amerikanischer Soldat, der nach dem Krieg hier seinen Wehrdienst ableistete. Nach seiner Militärzeit blieb er hier in Deutschland wohnen und kam nach Frankfurt.

 

An einem angenehmen Frühlingsabend saß ich nach Feierabend in der Innenstadt und trank ein Bier. Gemütlich ließ ich meinen Blick schweifen und sah dem geschäftigen Treiben zu. Auf einmal sah ich einen jungen Mann, groß gewachsen und gut gebaut. Er hatte stahlblaue Augen, diese glänzten in der Sonne. Er schaute kurz in meine Richtung und unsere Blicke trafen sich. Für einen Moment blieb die Zeit stehen.

 

Als dieser Moment vorbei war, entschwand er in der Menschenmenge. Mich hatte es erwischt. Doch wie sollte ich vorgehen? Ich konnte doch nicht einfach herumfragen und mich erkundigen. Wie schon erwähnt, in dieserr Zeit war Homosexualität noch eine Straftat. Es handelte sich um den §175 im Strafgesetzbuch. In der Weimarer Republik wurde dieser Paragraf selten angewandt und homosexuelle Menschen wurden halbwegs toleriert. Es gab sogar erste Ansätze diesen Paragrafen abzuschaffen. Aber als die Nazis an die Macht kamen, wurde er sogar noch verschärft. Viele schwule Männer wurden inhaftiert, landeten im KZ oder wurden sogar umgebracht. In den Anfängen der Bundesrepublik wurde die verschärfte Fassung des Paragrafen 175 sogar übernommen.

 

So konnte ich mich nicht nach ihm erkundigen. Neben der Gefahr mich der Strafverfolgung auszusetzen, hätte es auch gesellschaftliche und arbeitsrechtliche Probleme für mich bedeutet, wenn herausgekommen wäre, dass ich schwul bin. Ich war ratlos. Wie sollte ich ihn finden? Und erging es ihm wie mir oder nicht? Diese Gedanken bereiteten mir viele schlaflose Nächte.

 

Einige Wochen später war es dann soweit, ich traf ihn wieder. Da ich gespart hatte, konnte ich mir ein kleines Motorrad leisten. Bei einem Stopp an einer Tankstelle sah ich Gregory wieder. Er war der Pächter. So kam es zur ersehnten Begegnung. Von da an war ich Stammkunde an der Tankstelle. Es blieb auch nicht aus, dass wir uns öfters unterhielten. So konnte ich mit ihm Kontakt haben, ohne einen Verdacht zu erregen.

 

In dieser Zeit freundeten Gregory und ich uns an. An einem Wochenende, wo auch er mal frei hatte wollten wir zusammen was unternehmen. Am Samstag gingen wir abends in Kino. Es lief ein neuer Spielfilm der uns interessierte. Auf einmal berührten sich unbewusst unsere Hände. Erschrocken zog ich meine erst zurück. Doch dann folgte eine weitere Berührung die ich dann zuließ. Als ich zu ihm hinsah, bemerkte ich das er mich anblickte. Leise flüsterte er mir zu:

 

„Alfred, ich muss dir was erzählen, aber nicht hier, sondern allein, unter vier Augen.“

 

„Okay“, erwiderte ich. In Gedanken erhoffte ich, dass es das Gleiche ist, was mir schon lange im Kopf herumging, nämlich das ich ihn liebte.

 

Nach dem Kino gingen wir zu mir. Um bei den Nachbarn keinen Verdacht zu erregen gaben wir vor einfach nur Bekannte zu sein, die zusammen einen Kaffee zu trinken.

 

Als wir bei mir ankamen, standen wir beklommen in der Wohnung. Keiner von uns traute sich etwas zu sagen. Bis auf einmal Gregory diese Stille durchbrach, er nahm meine Hand zog mich zu ihm hin und er küsste mich. Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten sich seine Lippen von den meinen und flüsterte sanft: „Alfred, ich liebe dich.“

 

Stumm stand ich da, hin- und hergerissen von den letzten Momente versuchte ich zu verarbeiten was geschah. Dabei sah Gregory mich fragend an.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit antwortete ich ihm und meinte: „Ich liebe dich auch Greg, schon seit langem. Doch ich habe auch Angst.“

 

„Wovor hast du denn Angst?“

 

„Vor der Öffentlichkeit. Du kennst doch die jüngste Vergangenheit meines Landes. Da wurden welche wie wir im günstigen Fall inhaftiert und im schlimmsten Fall sogar hingerichtet.“

 

„Da hast du Recht Alfred, aber ich glaube, ihr habt aus den schlimmen Fehlern etwas gelernt, zumindest die meisten Menschen. Du weißt nicht, wie es drüben in Amerika ist, warum meinst du, bin ich weg von dort?“

 

„Echt jetzt?“ fragte ich verwundert.

 

Greg berichtete ausgiebig wie Schwule, Farbige immer noch diskriminiert werden und trotz das der amerikanischer Bürgerkrieg schon 80 Jahre zurücklag, wurden vor allem Farbige immer noch benachteiligt. Und genauso erging es homosexuellen Menschen. Das machte mich doch sehr nachdenklich.

 

„Wie soll es mit uns weitergehen Alfred“, fragte Greg mich.

 

„Ich möchte nichts mehr, als mit dir zusammen sein Greg.“

 

„Das wäre schön und würde mich glücklich machen.“

 

„Aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Allein schon mit den Erfahrungen die wir erlebt haben, du drüben in Amerika und ich hier in Deutschland. Solang wir beide unter uns sind und eventuell unsere engsten Freunde noch, aber außerhalb dieses geschützten Raumes dürfen wir uns nichts anmerken lassen, solang, bis sich etwas ändert.“

 

„Lass es uns einfach probieren und auf uns zukommen.“

 

So begann unsere Beziehung. Wir hatten in einer Hinsicht Glück, wir lernten zwei Schwestern kennen. Diese waren in unserem Alter. Beide Frauen waren von Anfang an nur an Freundschaft interessiert. Das wir und die beiden Damen Freunde wurden hatte einen Grund. Sie hatten damals in der schlimmen Zeit ein guten Freund der ebenfalls schwul war. Dieser wurde denunziert und war dann eines Tages für immer verschwunden. Die beiden Schwestern wussten was geschah.

 

Ihnen konnten wir uns dann entsprechend öffnen. Und sie boten etwas an, welches uns ermöglichte auch öffentlich aufzutreten ohne aufzufallen. Meta und Alma taten so als ob sie die jeweilige Freundin von einem von uns war.

 

Die Beziehung ließ mich aufleben und auch positiv in die Zukunft blicken. Nur der eine Kollege, er hieß Georg Brauner, trübte viel. Gerade im Büro war er oft unausstehlich, er wollte Karriere machen. Oft ließ er, um andere zu ärgern, dumme Sprüche los, viele davon waren ziemlich braun angehaucht. Gern lästerte er über Beziehungen anderer oder darüber wenn einer ledig war. Aber selbst hatte er auch keine Beziehung. Es ging sogar das Gerücht um, dass er Kontakt zu Prostituierten hatte. Gerade in Frankfurt hatte die Prostitution Hochkonjunktur, wofür besonders die Nitribitt sorgte.

 

Die Rosemarie Nitribitt kam nach Frankfurt und baute sich ein Leben als Edelprostituierte auf, zu ihren Kundenstamm gehörten vor allem reiche und mächtige Männer.

 

An einem Tag, ich saß gerade mit einigen Kollegen in der Kaffeepause, da turnte auch der Brauner wieder herum, heute ließ er mal wieder dumme Sprüche los, diesmal ging es um Schwule. An seinen Worten konnte man merken das er die Schwulen hasste und verachtete. Auch wenn meine Kollegen auch nicht gerade als schwulenfreundlich galten, gingen ihnen seine menschenverachtenden Äußerungen doch zu weit und sie schüttelten deswegen auch mit dem Kopf darüber.

 

Abends saß ich mit Greg zusammen, er merkte das mich etwas beschäftigte und fragte mich:

 

„Alfred, was ist denn los mit dir?“

 

„Ach, nichts besonderes.“

 

„Komm, ich kenne dich doch.“

 

„Mein einer Kollege, dieser Altnazi, von dem ich dir schon erzählt habe, der hat heute wieder mal Sprüche losgelassen, die gehen auf keine Kuhhaut. Heute betraf es mal wieder uns Schwule.“

 

„Lass ihn doch. Er wird auch noch mal lernen das er sich ändern muss. Und es wird immer wieder Menschen geben, die so ticken wie er.“

 

„Da hast du leider recht.“

 

Wir redeten noch eine ganze Weile über den Typen, bis wir uns anderen Dingen zuwandten. Wir planten einen Urlaub mit Meta und Alma. Wir wollten einfach mal raus aus dem Alltag. Es gab schon einige Ideen für den Urlaub, einer, den wir bisher favorisierten führte nach Norddeutschland an die Küste, da wir alle die Küste liebten.

 

Vor allem sollte der gemeinsame Urlaub auch ein großer Dank an Alma und Meta sein. Ihre tolle Freundschaft zu uns und vor allem ihre absolute Diskretion und Verschwiegenheit ermöglichten es Greg und mir unsere Liebe leben zu können. So konnten wir auch mal zärtlich zueinander sein und miteinander schlafen. Ohne unsere beiden Damen wäre das alles kaum möglich gewesen und wenn doch, nur unter erschwerten Bedingungen.

 

Zur Zeit war zum Thema Homosexualität wenig in der Öffentlichkeit zu hören. Dafür war die Nitribitt ein Topthema, es gab viele Berichte über sie und ihren Kundenkreis. Das heizte die Gerüchteküche ganz schön an. Denn viele ihrer Kunden gehörten nicht nur der Oberschicht an, nein, viele waren auch verheiratet. Das zeigte auch in aller Deutlichkeit wie man es mit der Moral in unserem Land hielt. Nach außen hin wurde auf heile Welt und einen auf Familie gemacht und hinten herum wurden die Ehefrauen betrogen. Und diese Saubermänner waren dann die ersten die als erstes auf andere zeigten mit angeblich schmutzigen Lebenswandel. Eine schöne Doppelmoral. Das zeigte, der Mensch muss echt noch viel lernen und verändern um eine lebenswerte Gesellschaft zu erreichen.

 

An einem Tag, da war ich mit Greg mal alleine unterwegs, wir wollten den Urlaub buchen. Wir saßen gerade im Reisebüro, da kam mein Kollege Georg Brauner vorbei und sah mich mit Gregory dort sitzen. Zu spät bemerkten wir das er uns beobachtete. Ich hoffte nur, dass er nicht zu viel gesehen hatte um daraus irgendeine Geschichte zu machen. Es ist selten das ich mit Greg allein unterwegs bin. Aber gerade heute waren wir mal zusammen und ohne Anhang auf Achse und auch mal sehr vertraut miteinander. Auch wenn mir etwas mulmig im Bauch war wegen meinem Kollegen, ich schob diese Gedanken beiseite und freute mich auf den gemeinsam mit meinem Liebsten und unseren beiden Mädels.

 

Abends saßen Greg und ich zusammen mit Meta und Alma um die letzten Details unserer Reise zu besprechen. Wir hatten uns für einen Urlaub in Hamburg entschieden. Das hatte viel für sich. Zum einen, Hamburg ist ein pulsierende Stadt im Norden und bietet viel für Kultur und Entspannung. Vor allem das Wasser war uns wichtig, schließlich lag die Stadt an der Elbe. Von dort aus war es auch nicht weit bis zur Nordsee. Ein weiterer Vorteil war es, von Hamburg aus konnte man gut auch interessante Gebiete im Umland besuchen, wie zum Beispiel das Alte Land, das größte Obstanbaugebiet in Europa. Kurzum, es sollte ein toller Urlaub werden.

 

Geplant war eine ganze Woche, am kommenden Montag sollte es losgehen und eine Woche später ging es wieder zurück. Wir fuhren mit der Bahn, um den Urlaub genießen zu können und nicht auch noch Fahrstress zu haben. In Hamburg gab es eine gute S-Bahn, mit der konnte man gut und schnell in alle Ecken der Stadt kommen. Zur Not könnte man sich auch noch einen Wagen leihen um weitere Touren zu machen.

 

Wir hatten uns zwei Doppelzimmer gebucht, ich teilte mir das Zimmer mit Alma und Greg mit Meta. Es sollte ja nach außen so wirken als wären wir zwei „normale“ Pärchen.

 

Auf jeden Fall freuten wir uns schon darauf aus den Alltag herauszukommen und entspannen zu können. Und bis zum Start war es ja nicht mehr lang. Die Zeit würde schon schnell vergehen, denn es war ja noch einiges zu tun wie zum Beispiel die Koffer packen.

 

Endlich war es soweit, wir fuhren in den Urlaub, allein schon bei der Fahrt mit dem Zug hatten wir eine Menge Spaß. Schon der Blick in die schöne Landschaft ließ unsere Stimmung steigen.

 

Nach mehrstündiger Fahrt trudelte der Zug am Hamburger Hauptbahnhof ein. Nach kurzer Orientierung machten wir uns auf den Weg zum Hotel. Es lag, schön gelegen, an der Alster.

 

Dieser Urlaub war wirklich schön, allein die vielen Eindrücke, die auf uns einströmten. Dazu die vielen Möglichkeiten zum einkaufen oder Essen zu gehen und vieles mehr. Besonders waren auch die Ausflüge in das Umland und Fahrten mit den Booten auf der Alster und der Elbe. Es gab auch genügend Möglichkeiten für Greg und mich auch mal unter uns zu sein und das wir unsere Liebe auszukosten. Wir waren unseren beiden Perlen so sehr zu Dank verpflichtet.

 

Diese Woche war die Wucht und die Zeit verging wie im Flug. Schließlich stand die Rückfahrt wieder an. Mit etwas Wehmut ging es zurück nach Frankfurt. Trotz der wundervollen Zeit beschlich mich ein ungutes Gefühl. Ich wusste nicht wieso aber mich beschlich etwas, was mich sehr beunruhigte. Das blieb natürlich meinen Reisegenossen nicht verborgen. Bis Alma mich fragte:

 

„Alfred, was ist los mit dir?“

 

„Ich weiß nicht, etwas beunruhigt mich.“

 

„Was denn“, erwiderte Meta.

 

„Wenn ich das nur wüsste.“

 

Greg musterte mich und meinte: „Ich denke das hat mit deinem Kollegen zu tun.“

 

„Ja, das kann gut sein, mir fiel eine Begegnung mit ihm ein. Als wir den Urlaub im Reisebüro buchten da kam der Brauner vorbei, durch das Fenster Greg und mich gesehen. Und ich glaube er hatte auch bemerkt wie wir uns kurz, immer doch innig die Hände hielten. Und ihr wisst doch wie er drauf ist.“

 

„Ach, der soll bloß still sein. Was man so über ihn weiß, treibt er es doch mit Prostituierten, also soll er mal nicht so den Moralischen spielen.“

 

Wir unterhielten uns noch etwas über meinen Kollegen bis ich deswegen etwas ruhiger wurde. Danach wandten wir uns den Erinnerungen an unsere Reise und wie schnell doch der Urlaub verflogen war.

 

Schließlich hatte der Alltag uns wieder. Wir gingen alle wieder unserer Arbeit nach. Als ich am Montagmorgen in mein Büro kam, spürte ich eine gewisse Veränderung. Einige der Kollegen musterten mich, auch wenn sie ansonsten normal mit mir sprachen. Erst dachte ich mir nichts dabei, bis mir einige Tage auffiel wie mich der Georg Brauner beobachtete und das teilweise mit einem ganz hämischen, ja schon fiesen Grinsen.

 

Ich versuchte, soweit es möglich war, ihm aus dem Weg zu gehen und meine Arbeit normal zu versehen. Manchmal ließ es sich nicht vermeiden, dass wir uns über dem Weg liefen. Und im vorbeigehen flüsterte er mir dumme Sprüche wie „Schokoliebhaber, „Jan Piet van Achtern“ oder „Schade das die alten Zeiten vorbei sind“ zu. Das ging eine ganze Weile so. Schließlich wurde mir das zu bunt und ich nahm ihn mir zur Seite und sprach ihn darauf an:

 

„Sag mal Georg, was soll der Mist mit diesen Sprüchen?“

 

„Was denn für Sprüche? Ich sag nur ab und zu meine Meinung.“

 

„Du weißt genau was ich meine.“

 

„Ach, du meinst das ich dich gesehen hab wie du mit einem Mann Händchen hältst? Weiß deine Freundin eigentlich davon?

 

„Mensch, das war nur eine freundschaftliche Geste, nicht mehr. Und außerdem, was geht es dich an wie ich mit meiner Freundin und meinen Kumpels umgehe. Kümmer du dich mal um deine eigenen Dinge und lass mich einfach in Ruhe.“

 

Georgs Blick verdüsterte sich und drohend erwiderte er:

„Wenn du schwule Anwandlungen hast, egal wie du es nennst, ist das pervers. Du weist, dass ist gegen das Gesetz. Nicht umsonst gilt in Deutschland noch der §175 und zwar in der letzten Fassung aus dem Deutschen Reich.“

 

„Lass mich einfach in Ruhe, vor allem mit diesem unseligen braunen Mist, der hat uns genug Ärger eingebracht.“

 

„Du willst mich wohl nicht verstehen. Du bist mit deiner schwulen Ader widerlich, sowas brauchen wir nicht. Und wenn du das nicht kapierst, dann wirst du schon sehen was passiert.“

 

„Halt den Ball flach und kümmer dich um deine eigene Moral“, mit diesen Worten ließ ich ihn stehen.

 

Aus dem Augenwinkel konnte ich noch erkennen das er innerlich tobte und kochte. Es wurde mir klar, es würde ab jetzt schwierig werden und das es zu Problemen kommen würde.

 

Abends, ich saß zusammen mit Greg, unterhielten wir uns darüber. Ich erzählte ihm, was in den letzten Tagen bei mir im Amt los war und wie offen der Brauner mich angriff. Natürlich war mein Schatz entsetzt darüber und meinte, wir müssten nun noch vorsichtiger sein, aber auch bereit sein sich zur Wehr zu setzen.

 

Und natürlich hatte Greg recht, Vorsicht war geboten und man durfte sich auch nicht alles gefallen lassen und schon gar nicht von solchen Typen wie meinen Kollegen Brauner.

 

Greg und ich versuchten dem Problem auszuweichen und verhielten uns so ruhig wie möglich um nicht aufzufallen. Doch das ging leider schief. Immer öfter bekam ich am Arbeitsplatz die Sticheleien zu spüren. Leider war damit noch nicht Ruhe. Inzwischen wurde auch Greg in Mitleidenschaft gezogen. Eines Morgens, er wollte die Tankstelle öffnen fand er ein beschmiertes Fenster vor mit der Inschrift „Schwein“. Es dauerte Stunden, bis er diese Schmiererei wieder entfernt hatte. Inzwischen hatten mehrere Leute das Geschmiere gesehen. Und natürlich sorgte das auch für Getratsche.

 

Es wurde immer schwerer für uns. Leider zerrte das Ganze auch an unseren Nerven und belastete unsere Beziehung. Es kam häufiger vor, dass wir uns streiteten.

 

Und es kam ein Tag, an dem kam es fast zu einem Eklat. Mein Amtsleiter bekam von der Unruhe auch mit und ich durfte zu einem Gespräch bei ihm antreten. Dabei ging es sehr heftig zu und mein Vorgesetzter drohte auch Konsequenzen an, wenn an der „Sache“ etwas dran wäre und es sich bewahrheiten sollte. Mit dem Satz „Ich behalte sie im Auge“, beendete er das Gespräch. Genervt und besorgt verließ ich das Büro meines Amtsleiters. Und als ob der Wortwechsel eben nicht schon genug war, lief mir dann noch ausgerechnet Georg Brauner über den Weg mit einem fiesen Grinsen auf dem Gesicht. Nur mit Mühe konnte ich die aufsteigende Wut in mir unterdrücken, denn ich hatte gute Lust diesen Mistkerl ordentlich eine in die Fresse zu hauen.

 

Wir hatten nun schon das Jahr 1957 und das Getratsche und die Sticheleien ließen nicht nach. Es belastete die Beziehung von Greg und mir immer mehr. Wir hatten sogar mehrfach Streit, weil jeder von uns auch sehr dünnhäutig wurden. Auch auf der Arbeit lief es immer schlechter. Ich bekam eine Abmahnung und mein Abteilungsleiter drohte offen mit weiteren Konsequenzen.

 

An einem Abend saßen Greg und ich zusammen, wir waren genervt und überlegten was wir tun sollten. Uns wurde klar, wir mussten uns entscheiden und etwas ändern, ansonsten würden wir daran kaputt gehen und das unsere Beziehung scheitern würde.

 

Ende Oktober 1957 erschütterte ein Mord Frankfurt und den Rest der Republik. Die bundesweit bekannte Prostituierte Rosemarie Nitribitt wurde. Man fand sie tot in ihrer Wohnung. Sofort wurden Ermittlungen aufgenommen, die immer weitere Kreise zog.

 

An einem Tag tauchte bei uns im Amt die Polizei auf. Erst dachten einige, diese wäre meinetwegen gekommen und alle waren erstaunt das sie zielsicher in das Büro meines Kollegen Brauner gingen. Nach kurzer Zeit wurde er in Handschellen abgeführt. Er hatte ein leichenblasses Gesicht. Es stellte sich heraus das er zu den Tatverdächtigen gehörte, da er einer ihrer Freier war und es gab Indizien, die gegen ihn sprachen.

 

Im Rathaus herrschte plötzlich Totenstille. Damit rechnete niemand. Das ausgerechnet Georg Brauner etwas mit diesem Mord und mit einer Prostituierten zu tun hatte verschlug ihnen die Sprache. Er galt als bieder und auch wegen seiner politischen Gesinnung wie eine Art brauner Saubermann.

 

Doch selbst, als man ihn abführte, konnte er nicht aufhören zu sticheln und meinte: „Ich bin unschuldig. Mich belästigt man und so eine Schwuchtel, wie mein Kollege, darf unbehelligt herumlaufen!“

 

Als ich nach Feierabend heim kam, sprach ich mit Greg darüber. Er war genauso entsetzt wie ich.Wir nutzten aber auch die Stunde um uns neue Gedanken wegen der Zukunft zu machen.

 

„Greg, was meinst du, wollen wir nicht woanders neu anfangen?“

 

„Wie stellst du dir das vor Alfred? So etwas kann uns doch überall wieder passieren.“

 

„Mag sein, aber hier wird es nicht besser. Mir kam so der Gedanke eventuell nach Hamburg zu verziehen. Dort geht es, im Gegensatz zu vielen anderen Städten viel offener zu.“

 

„Gut möglich, davon hab ich auch schon gehört. Wir sollten das im Auge behalten.

 

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über diese Idee, wir mussten auch Alma und Meta mit einbeziehen, denn die beiden standen immer zu uns und unterstützten uns, egal was war.

 

Nach und nach nahmen unsere Pläne Gestalt an. Unsere Entscheidung war gefallen, wir wollten nach Hamburg. Unsere beiden Mädels hielten auch in dieser Situation zu uns und wollten nachkommen.

 

Die Ermittlungen gegen meinen Kollegen Georg Brauner wurden eingestellt und er wurde aus der Untersuchungshaft entlassen. Man konnte ihm nichts nachweisen. Der Mörder der Nitribitt wurde im übrigen nie gefasst.

 

Aber für Georg war die Geschichte noch nicht beendet. Wegen seines unmoralischen Verhalten mit der Rosemarie und seine ewigen Sticheleien wurde ihm gekündigt. Er konnte auch da nicht verstehen, das ihm dies passierte und das ich noch da war.

 

Endlich stand unser Umzug nach Hamburg an. Wir hatten auch schon beide neue Arbeitsplätze. Ich wurde von einer Firma in der Verwaltung eingestellt und Greg fand einen guten Job einer einer größeren Tankstellenkette. Unsere neue Wohnung war in der Nähe von St. Pauli. Gerade dort pulsierte das Leben und man konnte offen leben. Ein Jahr später folgten uns Meta und Alma. Sie fanden ihr Glück und angelten sich zwei tolle Männer.

 

Unser Leben verbesserte sich im Laufe der Jahre immer mehr. Selbst die gesetzliche Lage änderte sich, der Paragraf 175 wurde erst abgemildert und schließlich komplett abgeschafft. Die Freundschaft zu unseren Mädels hält bis heute an. Auch mit ihren Männern hatten wir uns angefreundet.

 

Was nun meinen ehemaligen Kollegen betrifft, beruflich konnte er sich zwar halbwegs wieder hocharbeiten, aber privat lief es nicht mehr gut bei ihm, er hatte nie eine Beziehung gehabt und Freunde hatte er auch keine. Was ich so mitbekam, er starb total einsam. Auch wenn er mir damals viele Probleme machte, so ein Ende hat eigentlich niemand verdient.

 

Dieser Rückblick hat mir eines gezeigt. Liebe, Freundschaft und nette Menschen sind das Wichtigste im Leben. Denn egal was ist im Leben, man kann alles schaffen und Probleme überwinden wenn man geliebte Menschen um sich hat.

 

***Ende***

Anmerkungen

 Dies ist die unkorrigierte Fassung der Geschichte. Die fertige Endfassung wird Anfang des neuen Jahres nachgereicht. Von daher bitte ich darum eventuelle Fehler zu übersehen.

 

Das Coverbild stammt von der Webseite www.pixabay.com und wurde bearbeitet.

 

An dieser Stelle wieder mein Dank an alle, die mich bei diesem Projekt unterstützt haben.

 

Der Autor

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 27.12.2019

Alle Rechte vorbehalten

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