„Schatz ….!“
„Jahaa, was ist denn?“
„Schatz, nun komm endlich, wir müssen los.“
„Bin gleich da!“
Mein Mann und ich wollten in den Weihnachtsurlaub fahren, das erste Mal nach mehreren Jahren. Meist konnten wir nur daheim feiern, weil wir beruflich sehr eingespannt waren. Oft war es so das verheiratete Männer oder Frauen mit Kindern beim Urlaub in der Weihnachtszeit bevorzugt wurden. Mit uns schwulen Pärchen konnte man das ja machen. Doch diesmal hatten wir uns durchgesetzt und hatten endlich mal frei zum Fest.
„Michael, Schatz, nun beeil Dich mal, wir verpassen unseren Zug.“
„Ja, ja Rudi, bin gleich da.“
So sehr ich meinen Schatz auch liebte, aber mit seiner Trödelei konnte er mich schon manchmal zur Weißglut treiben. Doch endlich tauchte mein Mann auf und wir konnten starten, vor der Tür wartete der Taxifahrer schon voller Ungeduld auf uns.
Endlich ging es los. Michael und ich wollten unseren Urlaub in einer kleinen Pension, mitten im Gebirge verbringen, einfach heraus aus dem Alltag, den ganzen Stress und all die Sorgen vergessen. Die letzte Zeit war sehr heftig gewesen, wir hatten manchmal kaum Zeit gehabt, mal was gemeinsam zu machen, darunter litt natürlich auch unsere Beziehung. Schweigend und mit einem Gefühl der Vorfreude genossen wir die Fahrt zum Bahnhof.
Die Zugfahrt zu unserem Urlaubsort verlief kurzweilig, Michael und ich genossen die Reise und die Aussicht. Besonders spannend war der letzte Abschnitt mit der Bergbahn. Sie brachte uns in etwa 1000m Höhe, dort lag das kleine Dorf. Je höher wir kamen, umso klarer wurde die Luft. An diesem Tag war klares Wetter, keine Wolken und blauer Himmel, wir stiegen aus und atmeten erstmal die klare und frische Luft ein.
„Verzeihung, sind Sie die Herren Rudolf Müller und Michael Wenzel?“
„Ja, das sind wir.“
„Herzlich willkommen, ich bin Herr Petzold von der Pension Bergfried.“
„Vielen Dank für die nette Begrüßung.“
„Wenn Sie möchten, dann bringe ich Sie jetzt zur Pension.“
„Sehr gern, wir sind froh endlich den Urlaub genießen zu können.“
Herr Petzold half uns das Gepäck ins Auto zu verfrachten und dann ging es los. Nach zehnminütiger Fahrt kamen wir an der Pension an. Sie lag wirklich sehr schön, leicht erhöht, nach vorn ging der Blick auf das Dorf und nach hinten ging die Aussicht auf das Gebirge. Langsam begann die Sonne unterzugehen, die Strahlen ließen den gleichmäßig liegenden Schnee in ein helles und warmes Leuchten eintauchen. Dies brachte uns richtig in Urlaubs- und Weihnachtsstimmung. Es war der 22. Dezember, noch genug Zeit um alles auf sich einwirken zu lassen und die Freude auf das Fest anzufachen.
Als wir die Pension betraten, da erwartete uns eine kleine, aber sehr gemütliche Halle, dieser hatte einen einladenden Kamin, in dem ein knisterndes Feuer loderte und eine wohlige Wärme erzeugte. Die Einrichtung war urig und strahlte eine Gemütlichkeit aus, die sehr ansprechend war.
Nachdem wir eingecheckt hatten, gönnten Michael und ich uns einen Spaziergang im Ort. Wir wollten die Zeit richtig genießen, eine ganze Woche lang Erholung pur. Doch wie es oft ist, manchmal kommt es anders als man denkt.
Den Abend verbrachten wir in der Pension, um den Kamin in der Halle saßen wir mit den anderen Gästen und dem Gastwirt. Ein gemütlicher Abend mit Glühwein und netten Gesprächen. Das Feuer im Kamin knisterte und tanzte lustig hin und her. Draußen war es mittlerweile stockfinster und es hatte sich stark bewölkt. Es schien als ob es ordentlich Neuschnee geben würde.
Langsam, aber sicher zogen Michael und ich uns zurück, wir wollten den Rest des Abends gemeinsam und ungestört verbringen, denn das war ja in letzter Zeit zu kurz gekommen und deswegen ja auch der gemeinsame Urlaub.
Nachdem wir in unserem gemütlichen Zimmer waren und uns etwas frisch gemacht hatten, lümmelten wir uns auf das Sofa und kuschelten uns aneinander.
„Ist das nicht herrlich Rudi, endlich Ruhe und Entspannung.“
„Ja Micha, war auch bitter nötig.“
„Schau mal, es fängt an zu schneien.“
„Oh ja, aber das wird noch mehr.“
„Na, mal sehen wie es morgen aussieht.“
„Werden wir ja morgen sehen.“
Genüsslich tranken wir unserem Glühwein und hörten dabei leise Musik, es war einfach nur schön mal zu relaxen und sich auf das Fest zu freuen. Ein kuscheliges Zimmer, draußen der Schneefall Ruhe und Entspannung, einfach Genuss pur. Später wechselten wir ins Bett und schmiegten uns aneinander, irgendwann schliefen wir darüber einfach ein.
Als wir am nächsten Morgen erwachten, erwartete uns eine Überraschung, wir waren eingeschneit, na, dass konnte was werden.
„Rudi, Schatz, schau Dir das mal an, da ist ja was von oben gekommen.“
„Echt krass, Liebling, sieht ganz danach aus als ob wir eingeschneit sind.“
„Ist ja echt heftig, so viel Schnee auf einmal.“
„Wem sagst Du das.“
Von unten war zu hören, dass sich der Gastwirt und die Gäste unterhielten. Michael und ich gingen nach unten um mitzubekommen was los war. Kaum unten angekommen, sprach uns Herr Petzold an:
„Herr Müller, Herr Wenzel, wir sind total eingeschneit, das ganze Dorf ist betroffen und wir sind vom Rest der Welt abgeschnitten, alle Zufahrtsstraßen sind dicht.“
„Und was ist mit den Räumdiensten“, fragte ich.
„Das kann dauern bis dieser alles im Griff hat, ich hab über Radio und Telefon gehört, dass es nicht nur hier so schlimm ist mit dem Schnee.“
„Wie geht es jetzt weiter?“, erkundigte sich Rudi.
„Jetzt heißt es abwarten, wir haben alles Nötige im Haus und können einige Tage durchhalten, das soll nicht das Problem sein.“
Das würde nun ein Weihnachtsfest werden, total eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten. Aber was soll's, nun hieß es abwarten und sehen wie es weitergehen sollte.
Doch der Gastwirt, Herr Petzold, erwies sich als ein gutes Talent um mit solchen Situationen fertigzuwerden. So erzählte er uns, dass solche Situationen durchaus vorkommen konnten und das es bereits für ihn das zweite Mal war das er eingeschneit wurde. Und so zauberte er einige Pläne hervor um die Zeit zu verbringen, bis der Schnee geräumt wurde. Das hörte sich gut an.
„Liebe Gäste, was halten Sie davon wenn wir frühstücken und uns dabei absprechen wie wir den Tag gestalten?“
„Gute Idee“, kam es unisono von uns Gästen.
Schwatzend und aufgeregt begaben wir uns in den Speiseraum zum gemeinsamen Frühstück, warme Brötchen und frischer, dampfender Kaffee erwarteten uns schon.
Und beim gemeinsamen Essen besprachen wir wie wir die Zeit verbringen wollten und es uns angenehm machten. In der Halle stand schon ein Weihnachtsbaum, doch der musste noch geschmückt werden, dass war das erste was dann gemeinsam gemacht werden sollte, spontan kreierten wir ein Menü, welches wir uns am Heiligen Abend zu Gemüte führen wollten. Auch für das gesellige Beisammensein, nach dem festlichen Essen, wurden Pläne gemacht, so hatten wir da einen guten Plan zusammengestellt, der uns allen gefiel.
Mit viel Spaß gingen wir alle daran die ersten Vorbereitungen für den Heiligen Abend zu beginnen. Michael, ein weiterer Gast und ich kümmerten uns um den Weihnachtsbaum und schmückten ihn, dabei schwatzen wir über alles Mögliche. Nach einigen Stunden Arbeit strahlte er durch das Lametta und die Kugeln. Unterbrochen wurden die Arbeiten durch das Mittagessen.
Der Tag verging wie im Fluge. Abends machten wir es uns alle in der Halle gemütlich, Herr Petzold hatte die Idee gehabt die Abendrunde mit einem leckeren Fondue und Winterpunsch einzuleiten, das sorgte für eine heimelige Stimmung. Michael und ich saßen aneinander geschmiegt beieinander und sogen die Stimmung in uns auf.
Als der Abend weiter fortgeschritten war, zog ich mich mit meinem Schatz zurück, wir waren doch etwas müde geworden und wollten unter uns sein. Nach dem Duschen legten wir uns ins Bett und kuschelten, die Zweisamkeit tat uns gut, Micha und mir kam eine Gänsehaut, wir fingen an uns zu küssen, lang und ausdauernd, es gipfelte darin, dass wir miteinander schliefen, so innig und zärtlich wie schon lange nicht mehr.
Am nächsten Morgen erwachten wir mit einem Lächeln und ganz entspannt. Nun war der Heilig Abend angebrochen. Obwohl wir eingeschneit waren, freuten wir uns auf das Fest, gemeinsam mit dem Gastwirt und den anderen Gästen. Es versprach etwas ganz Besonderes zu werden.
Nach dem Frühstück begannen wir alle damit alles für den Abend vorzubereiten. Das Essen wurde gekocht, es sollte unter anderen Gänsebraten und Forelle mit verschiedenen Beilagen, als Vorspeise eine passende Suppe mit Eierstich und als Nachtisch verschiedene Desserts wies Mousse au Chocolat und Weincreme geben. Die Tafel wurde festlich gedeckt und geschmückt. Aus dem Schuppen, den man auch von der Pension innen erreichen konnte, musste noch Holz für den Kamin geholt werden. All diese Vorbereitungen nahmen den ganzen Tag in Anspruch. Zufrieden betrachteten wir das Ergebnis.
Wir alle zogen uns dann für kurze Zeit zurück um uns frisch zu machen und für das Fest passend anzuziehen. Um 19 Uhr fanden wir uns dann wieder ein um das Fest des Heiligen Abend zu begehen. Es ging sehr feierlich und ziemlich familiär zu, das lag wohl daran, dass wir alle mit einbezogen waren. Allein das Essen war köstlich. Nachdem wir damit fertig waren schlenderten wir wieder in die Halle und widmeten uns der Abendunterhaltung, es wurden einige Filme gezeigt, es wurde zusammen gesungen und noch einiges mehr. Ein wirklich gelungenes Fest, fast wie im Märchen.
Gegen 22.30 Uhr klingelte das Pensionstelefon, der Gastwirt ging heran. Nach einigen Minuten kam er zurück und vermeldete:
„Liebe Gäste, ich habe soeben die Mitteilung bekommen das die Räumdienste morgen bei uns im Dorf eintreffen werden und wir dann wieder raus können.“
Applaus brandete auf und wir freuten uns darüber, das war ein passendes Geschenk. Darauf wurde mit einem Sekt angestoßen. Das förderte richtig die Stimmung des Abends. Wir feierten bis weit nach Mitternacht. Nach und nach löste sich die Runde auf und es ging ins Bett.
Als wir am nächsten Morgen erwachten war schon von weiten Motorengeräusche zu hören, die Räumdienste waren fast da. Bis zum Nachmittag hin hatten sie es geschafft und den ganzen Schnee geräumt. Und es zog uns alle auf die Straße hinaus um frische Luft zu schnappen.
Auch wenn sich alle freuten, dass alles wieder frei war, so waren wir doch auch glücklich über den schönen Heiligen Abend. Irgendwie hatte das Wetterchaos uns Gäste näher zusammengebracht, auch Micha und mir tat diese Nähe gut, die entstanden war gut, nebenher waren auch neue Freundschaften entstanden.
In den nächsten Tagen erkundeten wir die Umgegend, es gab noch viel in den verbleibenden Tagen zu erleben, doch es hatte sich auch ergeben das wir uns alle am Abend zu einer Runde trafen und einige gemeinsame Stunden miteinander zu verbringen.
Wie es meist ist, jede schöne Zeit geht einmal zu Ende. Mit etwas Wehmut bereiteten Micha und ich uns auf die Heimreise vor. Wir tauschen sogar mit den anderen Gästen die Emailadresse aus um in Kontakt zu bleiben. Der Gastwirt brachte uns wieder zum Bahnhof hin.
„Meine Herren, ich hoffe die Tage haben Ihnen bei uns gefallen?“
„Sehr sogar, es war einmalig gut, fast wie ein Wintermärchen.“
„Das freut mich, ich hoffe, dass Sie vielleicht mal wieder bei uns einkehren.“
„Garantiert, das können wir versprechen.“
„Dann wünsche ich Ihnen eine gute Heimreise und bis bald.“
„Alles Gute für Sie und bis bald.“
Kurz nach unserem Einstieg in den Zug ging es auch los. Es ging wieder in Richtung Heimat. Gut erholt und mit vielen schönen Erinnerungen fuhren wir heim. Auch wenn der Urlaub etwas anders verlief als geplant, so war er doch märchenhaft schön gewesen und gab uns Kraft. Mit einem langem Kuss besiegelten wir die Freude auf unser Zuhause.
*** Ende ***
Copyright: 06.11.2015
Autor: Harald Grenz
Diese Kurzgeschichte stammt ausschließlich von mir, Ähnlichkeiten zu anderen Geschichten sind rein zufällig.
Bei diesem Buch unterstützten mich meine lieben Freundinnen und Autorenkolleginnen Karin Kaiser und Valerie le Fiery, sie führten die Betalesung und Korrektur durch und haben das Coverbild bearbeitet. Weitere Unterstützung hatte ich durch Frank Böhm, der den Klappentext schrieb.
Die unbearbeitete Fassung des Coverbildes stammt von der Webseite Pixabay. Die Rechte der bearbeiteten Fassung liegen bei mir.
Der Autor
Tag der Veröffentlichung: 16.11.2015
Alle Rechte vorbehalten