Alte Liebe rostet nicht
Mein Leben stand vor etwa sieben Jahren vor einer großen Veränderung. Das ist zum Teil sehr positiv, aber auch etwas traurig. Doch für mich ist es auch eine Befreiung. Und das liegt daran das ich vor kurzem meine große Liebe wieder getroffen hatte. Und ich entdeckte das ich ihn immer noch liebte, so wie er mich auch. Damals, als wir uns ineinander verliebten, durfte es nicht sein.
Durch das Treffen mit Erwin kamen die Erinnerungen an die damalige Zeit zurück. Ich war ein Teenager von 17 Jahren als Erwin und ich uns ineinander verliebten. Ich wohnte in einem Dorf in der tiefsten Provinz, dort ging es ziemlich konservativ zu. Erwin ist der Sohn von Flüchtlingskindern. Diese waren damals, einige Jahre nach dem Krieg, mit deren Eltern aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in unser Dorf. Die Jahre der Eingliederung waren schwer für sie, was durchaus nachvollziehbar war. Erwins Eltern hatten dann in den 1960er Jahren geheiratet, sie hatten sich schon als Kinder in ihrer alten Heimat kennengelernt. Erwin wurde im gleichen Jahr wie ich, also 1968, geboren.
Während unserer Schulzeit wurden Erwin und ich dann Freunde und gingen in den Jahren durch dick und dünn. Als gute Freunde wurden wir so auch akzeptiert, doch, wie bereits erwähnt, verliebten wir uns als wir 17 waren. Und damit begann das Spießrutenlaufen. Denn auf dem Dorf galt Homosexualität als Krankheit und Perversität.
Erwin und ich kamen sehr schnell zusammen, doch wir mussten unsere Gefühle immer verstecken und wenn wir mal intim werden wollten mussten wir aufpassen. Als Zeichen meiner Liebe schenkte ich ihm einmal eine Haarsträhne von mir. Es blieb uns nie viel Zeit für unsere Zweisamkeit. Doch trotz aller Vorsicht wurden wir entdeckt und die Hölle öffnete sich. Die Beschimpfungen mit denen man uns bedachte waren noch das Harmloseste was geschah. Wir wurden getrennt und man schickte uns beide weg. Erwin und ich wurden in Internate, weit voneinander weg, geschickt. Jeder Versuch der Kontaktaufnahme zwischen ihm und mir wurde rigoros unterbunden. So verloren wir uns aus den Augen. Das war das Schlimmste was mir passierte, dies belastete mich auf lange Sicht sehr. Die erste Zeit ohne Erwin war schlimm, oft lag ich nächtelang wach und weinte. Er war meine erste große Liebe. Und die vergisst man nie. Sein Bild trug ich immer in meinem Herzen. Was unsere Eltern uns damit antaten und wie sehr sie uns damit verletzten, das verstanden sie nicht, dabei sollten sie uns doch lieben und unser Wohlergehen sollte ihnen am Herzen liegen.
Mit 19 Jahren, direkt nach dem Abitur, kehrte ich wieder in mein Dorf zurück. Doch noch immer hatte man mir nicht verziehen, dass ich etwas „Perverses“ getan hatte. Die Zeit bei meiner Familie sollte sowieso nur eine Zwischenepisode werden. Sie hatten meine Zukunft schon im Voraus geplant.
An einem Abend saß ich dann mit meinen Eltern beisammen und es ging um meinen weiteren Weg. Dabei setzten sie mich auch massiv unter Druck, sie hatten dafür gesorgt, dass ich bei einer Firma weit weg eine Ausbildung machen sollte, an diese Firma sind sie über einen Onkel von herangekommen der mit dieser in Geschäftsbeziehung stand. Doch es sollte noch schlimmer kommen, sie verlangten von mir, dass ich vorher noch ein Mädchen heiraten sollte, damit ich nicht wieder in Versuchung geraten würde mich mit diesen Perversen abzugeben. Sie machten mir unmissverständlich klar, sollte ich nicht heiraten und stattdessen offen schwul leben, dann wäre ich für sie ein für alle Mal gestorben.
Das musste ich erst einmal verdauen. Bei allen Reibereien mit meinen Eltern hatte ich nie damit gerechnet, dass sie so hart reagieren würden und mich vor vollendete Tatsachen stellten. Sie hatten sich in der Zeit, als ich im Internat war, nicht geändert. Und es kam dann die Frage auf, wen sollte ich heiraten? Denn mit Frauen hatte ich bisher nie etwas gehabt, auch nicht in der Zeit im Internat.
Die einzige weibliche Person die mich interessierte war Manuela, sie ist eine gute Freundin seit Kindheitstagen mit der mich viel verband. Und sie war auch die einzige gewesen, die wusste, dass ich schwul bin, doch das störte sie nicht. Es kam dadurch eine Idee, die die Lösung sein könnte, nun hing es daran was sie dazu sagte und ob sie mitmachte.
Manuela war selbst auch oft angeeckt, denn sie wollte sich nicht dem klassischen Rollenbild unterwerfen. Deswegen war sie auch oft genug mit ihren Eltern in Streit geraten. Und ich denke, weil sie ein Freigeist war und ich schwul, dass dies ein sehr wichtiger Grund war warum wir Freunde wurden und es auch noch bis heute sind.
Einen Tag, nach dem Gespräch mit meinen Eltern, verabredete ich mich mit Manuela. Sie freute sich, denn sie wollte sich auch mit mir treffen und meinte ich wäre ihr mit dem Fragen zuvorgekommen.
Wir trafen uns in einem netten Lokal und tranken eine Cola zusammen, dabei unterhielten wir uns über so einiges. So erzählte ich ihr auch von dem Dilemma mit meinen Eltern und wie diese mich unter Druck setzten.
Geduldig hörte sie mir zu und sie erzählte mir dann auch von ihren Problemen und das sie ausbrechen wolle. Bevor ich mit meiner Idee aufwarten konnte, fragte sie mich ob ich mich nicht mit ihr zusammentun wolle und das wir gemeinsam aus der Enge und dem Druck unserer Familien und des Ortes ausbrechen. Auf meine Nachfrage hin wie sie sich das vorstelle meinte sie:
„Lass uns heiraten Sebastian.“
„Meinst Du wirklich Manuela?“
„Ja, es ist das Beste, nur so kommen wir aus dem Ganzen heraus.“
„Meinst Du, unsere Eltern nehmen uns das ab?“
„Hast Du denn eine bessere Idee? Wenn wir uns genau absprechen und daran halten, dann wissen nur wir beide warum wir heiraten.“
„Du hast recht, unsere Eltern wollen doch, dass wir dem typischen Klischee entsprechen. Das wäre die Lösung.“
„Aber nur wir beide wissen, dass es nur zum Schein ist. Und nach einiger Zeit sehen wir dann weiter.“
Wir waren uns einig und schmiedeten dann einen genauen Plan, diesen wollten wir dann unserer Familien präsentieren. Es tat mir richtig gut mit Manuela eine so gute Freundin zu haben. Unsere Idee sollte uns dann helfen um endlich aus dieser Hölle auszubrechen. Nur eines stimmte mich traurig, es war meine Erinnerung an Erwin. Was wohl aus ihm geworden war?
Nachdem Manuela und ich unseren Plan fertig hatten setzten wir uns mit unseren Eltern zusammen, sie waren natürlich perplex über unsere Entscheidung zu heiraten. Aber sie waren auch froh darüber, dass wir beide nun doch „vernünftig“ geworden waren. Sie wollten natürlich eine große Hochzeit ausrichten, doch dagegen wehrten wir uns entschieden und in dem Punkt konnten wir uns dann auch gegen unsere Eltern durchsetzen.
Nach einer schlichten Hochzeit zogen wir dann weg aus der Enge unseres Dorfes, ich war nun 20 Jahre alt und begann meine Ausbildung, die ich durch die Vermittlung meiner Eltern bekam.
Manuela und ich mussten in dieser Zeit noch auf den schönen Schein achten, da wir noch zum Teil von unseren Eltern abhängig waren, denn als Azubi verdiente man nun nicht gerade üppig. Doch trotz allem war es für uns beide schon eine Befreiung nicht unter ständiger Beobachtung und unter Druck zu stehen. Auch wenn wir verheiratet waren, so hatten wir nie Sex miteinander, was sicher nachvollziehbar war. Auch Manuela begann mit einer Ausbildung, sie wollte unbedingt Heilpraktikerin werden, das war schon immer ihr Wunsch gewesen.
Als ich dann endlich meine Ausbildung zum Versicherungskaufmann beendet hatte wechselte ich in eine andere Gesellschaft, denn ich wollte nun komplett unabhängig sein von meiner Vergangenheit, Manuela war es recht, so konnte sie sich auch mehr auf ihre Wünsche konzentrieren.
Je länger wir in der großen Stadt, getrennt von unserer Vergangenheit, lebten umso mehr gingen Manuela und ich auch getrennte Wege. Unsere Ehe hatte nun eigentlich ihren Sinn erfüllt. Doch wir blieben, wohl um unserer Freundschaft und der alten Erlebnisse willen, zusammen. Es war wie eine Gewohnheit. Wir hatten aber inzwischen auch immer wieder Bekanntschaften mit anderen Männern, jeder von uns sehnte sich auch mal nach Intimitäten und Sex, etwas, was Manuela und ich uns nicht geben konnten.
Die Jahre glitten dahin, das Leben war gleichförmig geworden. Im Vordergrund stand bei mir mein Beruf, hin und wieder ging ich auch mit meinen Freunden los oder ich hatte auch mal ein kleineres Techtelmechtel. Eine richtige Beziehung zu einem Mann konnte ich aber nie aufbauen, mein Herz hing immer noch an Erwin, ihn hatte ich nie vergessen. Manuela hatte da mehr Glück, sie hatte mittlerweile einen festen Freund, was sie und mich betraf, wir lebten eigentlich nur noch nebeneinander her, wir verbrachten meist nur noch selten gemeinsam Zeit. Und wenn, dann auch wenn es darum ging die Familie zu treffen und ihnen weiterhin die „heile Welt“ vorzuspielen.
Mittlerweile war ich 27 Jahre alt und hatte doch, trotz allem viel erreicht. Vor allem beruflich hatte ich mich hochgearbeitet. Doch es sollte nun etwas geschehen was alles änderte und womit ich nie gerechnet hatte. Ich saß in meinen Büro und arbeitete einige Akten ab, da kam mein Chef in zu mir:
„Sebastian, kannst Du mir einen Gefallen tun?“
„Was denn Martin?
„Ich hab gesehen das ich einen doppelten Termin habe, könntest Du mir einen abnehmen?“
„Ja, kein Problem. Um was geht es denn?“
„Ich hab um 15 Uhr einen Hausbesuch bei einem Großkunden, den wollte ich gern persönlich wahrnehmen. Würdest Du den Neukunden übernehmen der ebenfalls um 15 Uhr einen Termin hat? Dieser kommt hier ins Büro.“
„Geht in Ordnung, kann ich machen. Ich übernehme den Neukunden. Was will er denn für Versicherungen?“
„Es geht um mehrere Kombi-Versicherungen.“
„Geht klar. Und Dir viel Erfolg mit dem Großkunden.“
„Danke Dir.“
„Gern doch.“
Bis zu diesem unerwarteten Termin war noch etwas Zeit, die nutzte ich um mal eine kleine Pause zu machen und eine Tasse Kaffee zu trinken. Das hatte ich auch mal nötig, denn der Tag verlief doch stressig und es war viel zu erledigen. Doch ehe ich mich versah war die Pause auch schon vorbei und es klingelte an der Bürotür. Mit einem leichten Seufzer ging ich zur Tür um zu öffnen. Als ich den neuen Kunden sah, da traf mich fast der Schlag, vor mir stand Erwin.
Auch wenn nun rund 10 Jahre vergangen waren, seit Erwin und ich getrennt wurden, so erkannte ich ihn doch sofort wieder. Ohne ein Wort sprechen zu können betrachtete ich ihn. Auch Erwin sah mich an und er erkannte mich ebenfalls.
Sprachlos sahen wir uns in die Augen und konnten es nicht fassen, dass wir uns nach so langer Zeit durch einen Zufall wiedersahen. Es war einfach unglaublich. Ich fing zu zittern an und auch Tränen kamen hoch, Erwin erging es ebenso. Wie in Trance nahm ich ihn einfach in die Arme und drückte ihn an mich und auch er umschloss mich. Da brachen bei uns alle Dämme und wir fingen an hemmungslos zu weinen.
Ich weiß nicht wie lange wir so standen, doch es war überwältigend ihn wieder in den Armen zu halten.
„Erwin … das Du wieder da bist.“
„Unglaublich Sebastian, bitte sag mir das es kein Traum ist.“
„Nein, es ist kein Traum, ich kann Dich doch spüren.“
„Nach all diesen Jahren ...“
Wieder sahen wir uns in die Augen. Und dann geschah es, wir küssten uns, so innig wie damals als wir uns ineinander verliebten. Es war, als ob die vergangenen Jahre dazwischen nicht waren.
Als wir uns aus der Umarmung lösten bat ich Erwin herein, so zwischen Tür und Angel war kein angemessener Platz für das Wiedersehen. Wir gingen in mein Büro und ich bot ihn eine Tasse Kaffee an.
„Was ist mit Dir geschehen Erwin, nachdem wir damals getrennt wurden?“
„Meine Eltern brachten mich weit weg bei Verwandten unter, diese haben mich wie einen Gefangenen behandelt. Und wie war es bei Dir?“
„Ähnlich, mich haben sie auch weg gebracht und in ein Internat gesteckt, es war die Hölle.“
Ehe wir uns weiter unterhalten konnten, kam mein Chef Martin wieder zurück. Und er wollte auch wissen wie es bei mir lief. An seiner Stimmung konnte ich merken dass das Gespräch mit dem Großkunden gut gelaufen war. Mit einem Lächeln fragte er mich:
„Na Sebastian, läuft alles gut bei Dir?“
„Wie man es nimmt Martin. Du, ich möchte Dich mit jemanden bekannt machen.“
„Okay, dann schieße mal los.“
„Du, unser Neukunde ist kein Geringerer als Erwin, ich hab Dir doch schon von ihm erzählt.“
„Jetzt sag nicht das es Dein Erwin von damals ist … ?“
„Doch genau dieser.“
„Weißt Du was Sebastian, Du machst jetzt auf der Stelle Feierabend und machst Dich mit Erwin vom Acker, ihr habt euch sicher sehr viel zu erzählen.“
„Danke Martin, ist echt nett von Dir.“
„Vielen Dank“, erwiderte auch Erwin.
Mit einem Lächeln und Arm in Arm verließen Erwin und ich das Büro. Wir gingen in ein nettes Lokal um uns in Ruhe unterhalten zu können und um uns gegenseitig zu erzählen was dem jeweilig anderen passiert und wie es uns ergangen ist.
Was Erwin mir erzählte verschlug mir fast den Atem. Die Verwandten ließen ihm kaum Freiraum, fast jeder Schritt wurde überwacht, sie scheuten auch nicht vor Psychoterror zurück um ihn gefügig zu machen. Erst als er schon Anfang zwanzig war und arbeitete gelang es ihm sich langsam zu befreien. Den endgültigen Absprung schaffte er nur mit der Hilfe von einigen Kollegen mit denen er sich angefreundet hatte. Er nahm Reißaus vom Ort der seine Hölle war.
Nun war es an mir ihm zu erzählen wie es bei mir war. Auch er hörte mir aufmerksam zu wie ich ihm vom Druck und der Erpressung meiner Eltern erzählte und wie einsam es für mich auf dem Internat war. Doch er war auch überrascht als ich ihm sagte, dass ich mit einer Frau verheiratet war. Da konnte ich ihn beruhigen als ich ihm sagte wieso das geschah und mit wem ich auf dem Papier verheiratet war.
„Ja, ich bin mit Manuela verheiratet, sie kennst Du ja auch noch.“
„Ach ja, die kesse Manuela, sie war immer schon Eine die gegen den Strom schwamm.“
„Stimmt. Und deswegen hatte sie ja auch Schwierigkeiten mit ihrer Familie. Sie wollte auch raus. Raus aus dem Kaff und raus aus ihrer spießigen Familie.“
„Und so habt euch zu diesem Schritt entschlossen damit ihr beide entfliehen konntet?“
„Ja, ansonsten wären wir beide untergegangen. Auch wenn wir noch verheiratet sind und zusammen wohnen, so lebt jeder eigentlich sein eigenes Leben.“
„Ist das eigentlich noch gut für euch?“
„Da hab ich mir noch keine Gedanken gemacht. Und was ist mit Dir, gibt es jemanden in Deinem Leben, oder … ?“
„Nein, es gibt keinen Mann in meinem Leben. Für mich gab es immer nur Dich Sebastian. Und wenn ich Dich so ansehe, bei Dir gab es auch nichts von Bedeutung.“
„Stimmt, es gab niemanden in meinem Leben, denn …. !“
„Du liebst mich noch, stimmt's? Und ich liebe Dich auch noch immer.“ Allein die Hoffnung Dich wiederzusehen hat mir all die Jahre den Mut und die Kraft gegeben um weiterzumachen.“
„Ja Erwin, ich liebe Dich immer noch, Du warst all die Jahre immer in meinem Herzen.“
„Schön, dass ich Dich wiedergefunden hab Sebastian.“
„Dito Erwin. Du, ich möchte Dich nicht mehr hergeben, bleib bei mir heute und auch die Nacht, bitte.“
„Ich bleibe bei Dir, hab keine Angst. Nichts kann uns mehr trennen.“
Wir saßen nun stumm beieinander, hielten uns an den Händen und sahen uns einfach tief in die Augen. Erwin und ich erkannten, dass unsere Liebe zueinander all die Jahre und die Trennung überstanden hatte.
Wir zahlten und machten uns auf den Weg. Wir beschlossen zu ihm zu gehen, Arm in Arm ging es los. Welch ein wunderbares Glück, dass Erwin und ich uns wiedergefunden hatten.
Als wir bei Erwin, in seiner Wohnung, ankamen ließ ich meinen Blick schweifen. Er hatte es sich behaglich gemacht und man spürte die Wärme seines Herzens. Da fiel mein Blick auf etwas, auf eine Kommode stand ein Rahmen, flankiert von zwei Kerzen. Eigentlich nichts Besonderes, doch was im Rahmen war rührte mich zu Tränen. Erwin hatte über all die Jahre die Haarsträhne, die ich ihm damals schenkte, aufbewahrt und diese nun gerahmt und so liebevoll an diesen Platz aufgestellt.
Er bemerkte meine Tränen und nahm mich einfach in den Arm.
„Sebastian, durch die Haarsträhne warst Du all die Jahre bei mir. Und immer wenn ich traurig war hab ich sie an mein Herz genommen und sie an mich gedrückt.“
„Erwin, ich liebe Dich.“
Mehr konnte ich nicht sagen, es hatte mich überwältigt. Nach all den Jahren war Erwin wieder da und wir liebten uns noch, so wie damals.
Der herankommende Abend und die Nacht wurden ein Erlebnis, wir hatten es uns bei einem Glas Wein gemütlich gemacht, kuschelten aneinander und hatten uns so viel zu erzählen. Und die Nacht, die erste nach langer Zeit, war etwas Kostbares. Wir schliefen miteinander und die Zärtlichkeiten waren Balsam für unsere Seelen. Es war unbeschreiblich schön.
Als wir am nächsten Morgen erwachten und in den neuen Tag starteten, da war uns klar, wir wollten zusammenbleiben und uns durch nichts und niemand mehr trennen lassen.
Die nächsten Tage wollten wir miteinander verbringen, es gab noch so viel zu entdecken und zu reden. Ich rief Martin an und bat ihn mir Urlaub zu geben, den er mir auch sofort bewilligte. Erwin hatte, zum Glück bereits frei, so hatten wir die nötige Zeit für uns.
Auch Manuela sollte einbezogen werden, das war auch nötig, denn unsere Ehe hatte ja ihren Sinn verloren, sie diente ja nur dem Zweck uns von unseren Eltern Unabhängigkeit zu verschaffen. Wir lebten zwar noch zusammen, doch es war doch eher wie eine WG und jeder von uns lebte im Prinzip sein eigenes Leben. Auch sie hatte ja nun schon einen festen Freund mit dem sie glücklich war. Ich hatte nun endlich meinen geliebten Erwin wiedergefunden. Es war nun an der Zeit diese Ehe zu beenden und damit sie und ich frei und glücklich werden konnten. Das würde ja nichts an unserer Freundschaft ändern.
Als Erwin und ich uns mit Manuela trafen, da freute sie sich natürlich auch ihn wiederzusehen, denn sie mochte ihn damals auch schon und fühlte sich ihm freundschaftlich verbunden. Sie war einverstanden mit der Scheidung, denn sie sagte, dass sie gern mit ihrem Freund zusammenziehen wollte. So waren wir sehr erleichtert darüber, dass es so über die Bühne ging.
Doch auch wenn unsere Zukunftspläne klar waren und soweit auch glatt liefen, so blieben uns doch Probleme nicht erspart. Ich weiß nicht wie sie es erfahren hatten, doch die Eltern von Manuela, Erwin und mir erfuhren davon was sich bei uns abspielte. Sie waren mittlerweile zwar alt geworden, doch ihre Einstellung hatte sich über all die Jahre nicht geändert. Sie wollten es immer noch nicht akzeptieren. Unsere Eltern versuchten wieder Einfluss zu nehmen und setzten uns unter Druck. Doch wir waren nicht mehr die jungen Leute, die man so leicht beeinflussen konnte und wir setzten uns zur Wehr. Die Fronten zwischen uns und unseren Familien verhärteten sich immer mehr. Und so kam es wie es kommen musste, wir brachen miteinander. Das bedeutete auch, dass wir uns nicht mehr in unserem Dorf sehen lassen konnten, zumindest nicht für lange Zeit.
Doch das war uns egal. Wir hatten uns, Manuela und ihr neuer Freund Markus, Erwin und ich. Wir waren eine richtige Clique. Und dann war da ja auch noch Martin, mein Chef. Auch mit ihm hatte ich einen guten Freund gefunden. Wir hatten uns ein neues Lebensumfeld aufgebaut in dem wir glücklich und zufrieden waren und sind.
Die Scheidung zwischen Manuela und mir verlief reibungslos, denn wir waren uns ja einig, dass es ein notwendiger Schritt war. Unsere gemeinsame Wohnung gaben wir auf. Sie ist mit ihrem Markus zusammengezogen und ich mit meinem Erwin. Und es war der Beginn in die neue Zukunft.
Wir haben viel erlebt seitdem wir zusammen waren, Höhen und Tiefen, so wie das im wahren Leben ist, doch es hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Auch die Freunde die Erwin und ich hatten bereicherten uns. Oft haben wir mit ihnen gemeinsam was unternommen, wie zum Beispiel gemeinsame Urlaube.
Nun sind Erwin und ich, beide waren wir nun 34 Jahre alt, knapp sieben Jahre zusammen und wir planten unsere Hochzeit, denn seit einem knappen Jahr war dies möglich. Doch auch hier überraschte Manuela uns wieder, auch sie wollte ihren Markus heiraten und kam auf die tolle Idee eine Doppelhochzeit zu feiern. Wir waren natürlich einverstanden. Und als Sahnehäubchen kam ein schöner Einfall von Martin dazu, er wollte die Party für danach ausrichten.
Nun sitze ich mit meinem geliebten Erwin in unserem trauten Heim, unsere Traumhochzeit nebst Feier war gelungen und die Eindrücke daran wirkten nach. In mir ist die Erkenntnis gewachsen, dass man sich nie verbiegen lassen soll und dass man auch für sein Glück kämpfen muss. Auch soll man sich nicht für seine Gefühle schämen, denn Liebe ist das schönste aller Gefühle. Und wahre Liebe kann alles, Zeit und Raum, überwinden. Und auch alte, verstaubte Einstellungen und Traditionen.
Unsere Eltern waren nicht dabei gewesen, sie hielten an ihrer veralteten Einstellung fest. Doch damit schadeten sie sich nur selbst, denn eines Tages werden sie es sein die dann einsam, verlassen und traurig sind. Noch gebe ich die Hoffnung nicht ganz auf das sie doch noch mal einsichtig werden.
Das Glück zwischen Erwin und mir zeigt, dass echte und wahre Liebe von Dauer sind und dass eine echte und alte Liebe auch nicht rostet. Dieses Geschenk der Liebe, die mich mit Erwin verbindet, aber auch das Geschenk der Freundschaft zu Manuela, Martin und Markus ist etwas wofür ich zutiefst dankbar bin. Und dieses Geschenk werde ich in allen Ehren halten.
Epilog
Etwa zwei Monate nach unserer Doppelhochzeit trafen Erwin und ich uns mit Manuela und Markus. Die beiden taten geheimnisvoll und kicherten so vor sich hin. Erwin und mir war klar, dass die beiden eine Überraschung hatten. Und so war es auch, sie erzählten uns voller Vorfreude, dass sie ein Kind erwarteten. Und damit nicht genug, sie baten uns die Patenschaft für ihr werdendes Kind zu übernehmen. Etwas so Schönes, ein Schritt in die Zukunft. Vielleicht kann das Kind auch ein Wunder bewirken und unnötige Grenzen, die uns mit unserer Vergangenheit trennt, überwinden. Unmöglich ist es nicht, denn wie heißt es in mehreren Liedern: Wunder gibt es immer wieder oder Wunder geschehen.
Copyright: 25.04.2015
Autor: Harald Grenz
Dies ist die korrigierte und endgültige Fassung der Geschichte. Beta-Lesung und Korrektur wurden durch meine geschätzte Freundin und Autorenkollegin Karin Kaiser durchgeführt
Das Coverbild zu diesem Buch stammt von der Website pixabay.com und wurde legal heruntergeladen.
Tag der Veröffentlichung: 29.04.2015
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