Cover

Eine glückliche Wendung

Vorwort:

Diese Kurzgeschichte ist eine Fortsetzung der, bereits veröffentlichten, Geschichte „Eine glückliche Zukunft“. Sie beschreibt einige Erlebnisse deren Ende offen geblieben sind und einer kleinen Überraschung.

 

Die Geschichte:

Viele Jahre sind vergangen, es war eine sehr bewegte Zeit. Ich bin ein Mann von 40 Jahren. Seit mittlerweile 16 Jahren bin ich mit meinem Schatz Stephan glücklich liiert. Er ist das Beste was mir passiert ist. Doch ist einiges passiert was für Turbulenzen gesorgt hat.

 

In jungen Jahren hatte ich mich mit meinen Eltern überworfen, sie konnten und wollten nicht akzeptieren das ich schwul bin. Sie wollten das ich eine Frau heirate und auch Kinder bekomme. Trotz mehrerer Versuche meinerseits hatte eine Versöhnung nie geklappt. Das machte mich noch immer traurig, aber auch wütend. Denn trotz allem waren sie meine Eltern und sie sollten doch ihr Kind lieben. Dank der Hilfe von Stephan schaffte ich es diese Phasen zu überstehen.

 

Vor fünf Jahren erfuhr ich dann durch einen Zufall das mein Vater schwer krank wurde, er erkrankte an Alzheimer und dann kam auch noch Krebs dazu. Auch wenn es eine schlimme Nachricht war, so nahm ich sie, aus wohl nachvollziehbaren Gründen, kühl auf. Mein Schatz sprach mich darauf an:

 

„Julien, willst Du nicht doch noch mal einen Versuch wagen Dich mit Deinen Eltern auszusöhnen?“

 

„Nein Stephan, dieser Zug ist für immer abgefahren. Dafür ist zuviel passiert.“

 

„Überlege es Dir, es könnte sonst zu spät sein.“

 

„Wenn, dann muss der erste Schritt von meinen Eltern ausgehen.“

 

Damit war das Thema für mich beendet. Ich hatte mit meinen Eltern abgeschlossen. Zu sehr hatten sie mir damals weh getan und es hatte sehr lang gedauert bis ich darüber hinweg war.

 

Doch wie das Leben spielt, es sollte alles anders kommen als gedacht. An einem Tag, Stephan und ich waren grad unterwegs gewesen, da gerieten wir wegen einer Nichtigkeit in Streit. Dieser wurde immer heftiger und ein Wort gab das andere. Auch die Unnachgiebigkeit meinen Eltern gegenüber kam wieder zur Sprache. Schließlich wurde der Streit so heftig das Stephan einfach aufstand und mich stehen ließ.

 

Ehe ich mich versah lief er los, ohne nach links oder rechts zu schauen wollte er über die Straße laufen um von mir wegzukommen. Da passierte das Schreckliche. Stephan wurde von einem Wagen angefahren und flog einige Meter durch die Luft. Ich schrie entsetzt auf als ich sah wie er dann da so lag. Der Streit war sofort unwichtig geworden, so auch der Ärger, sofort rannte ich zu ihm um zu sehen wie es meinem Schatz ging. Er war bewusstlos und sein Körper war total lädiert und er blutete aus mehreren Wunden. Während ich versuchte ihm zu helfen kamen immer mehr Schaulustige um zu gaffen. Wütend rief ich unter Tränen das sie doch helfen sollten und das ein Rettungswagen verständigt werden müsse. Einer muss sich dann doch erbarmt haben und hatte den Krankenwagen und auch die Polizei verständigt die dann auch recht schnell kamen. Ich saß neben Stephan, die Tränen liefen weil er da so lag und ich wenig tun konnte. Ich hielt ihm die Hand und rief ständig seinen Namen und das er doch wieder aufwachen solle.

 

Endlich trafen der Notarzt und die Sanitäter ein und kümmerten sich sofort um Stephan. Zitternd stand ich daneben und sah zu wie er verarztet wurde. Die Polizei traf dann auch ein. Einer der Beamten befragte mich zum Hergang des Unfalls, doch ich konnte mich kaum darauf konzentrieren, mir war es wichtiger wie es Stephan ging. Der Beamte war rücksichtsvoll und bat mich später auf die Wache zu kommen um eine Aussage zu machen. Mittlerweile wurde mein Schatz in den Rettungswagen gebracht, voller Angst fragte ich den Notarzt wie es ihm ginge. Er sagte mir das Stephan in Lebensgefahr schwebe und sofort im Krankenhaus und operiert werden müsste. Meine Frage ob ich mitkommen dürfe bejahte er.

 

Als wir im Krankenhaus ankamen kam Stephan sofort in den OP, voller Angst und Sorge saß ich im Wartesaal und wartete auf den Ausgang, Die Zeit verging nur schleppend, jede Minute kam mir wie eine Stunde vor. Still saß ich dort und betete still vor mich hin. Hin und wieder kam eine Schwester vorbei und fragte ob mit mir alles in Ordnung sei. Sie war auch so nett und brachte mir einen Kaffee zur Stärkung.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit war die Operation beendet. Der leitende Arzt kam auf mich zu und sagte das Stephan die OP soweit gut überstanden hatte, doch er schwebte immer noch in Lebensgefahr da er sehr schwer verletzt war, mehrere schwere Knochenbrüche, Organschäden und er hatte viel Blut verloren. Man verlegte ihn nun auf die Intensivstation. Ich durfte noch kurz zu ihm, doch dann bat man mich zu gehen, ich konnte nichts tun und Stephan brauchte jetzt Ruhe, denn die Nacht würde entscheiden wie es weiter ging. Man versprach mir mich sofort zu verständigen wenn sich was zum Schlimmeren verändern würde.

 

Widerwillig und voller Sorge um meinen Schatz machte ich mich auf den Heimweg. Als ich ankam ließ ich mich in den Sessel fallen und dachte über das Geschehene nach. Wie sinnlos mir der Streit mit Stephan vorkam. Und vor allem, dieser begann wegen einer Nichtigkeit. Nun lag er im Krankenhaus und würde vielleicht sterben. Diese Erkenntnis machte mir Angst, denn wenn er nicht überleben würde, dann konnte ich mich nicht mehr mit ihm versöhnen und auch nicht für meinen Starrsinn entschuldigen. Doch damit nicht genug. Ich stellte fest das ich mich, so wie meine Eltern damals auch, engstirnig verhielt. Deswegen hatte ich mich ja auch mit ihnen zerstritten.

 

Krank vor Sorge blieb ich die ganze Nacht wach, ich wusste das ich nicht schlafen konnte. Viele Gedanken kreisten in meinem Kopf umher. Immer wieder kamen auch Tränen hoch.

 

Nach dieser fürchterlichen Nacht hielt ich es nicht aus und rief im Krankenhaus an. Ich wollte wissen wie es Stephan ging. Die Schwester verband mich mit dem zuständigen Arzt, dieser teilte mir mit das mein Schatz außer Lebensgefahr war, dennoch war sein Zustand immer noch kritisch. Er sagte mir das ich am Nachmittag zu ihm dürfe. Erleichtert dankte ich dem Arzt.

 

Ich duschte schnell und machte mir dann erst einmal einen starken Kaffee, den hatte ich bitter nötig. Nach dem Gespräch mit dem behandelnden Arzt wurde ich ruhiger. Dennoch war ich sehr nachdenklich, denn es zeigte mir doch klar wie schnell eine Situation für immer ungeklärt bleiben konnte weil man eigensinnig war und zu stolz um auf den anderen zuzugehen. So gingen mir auch Stephans Worte wegen meiner Eltern durch den Kopf. Er ermutigte mich noch mal einen Versuch zu starten mich ihnen anzunähern. Ich entschloss mich noch einen allerletzten Versuch zu starten. Gut, es konnte sein das dieser, so wie die anderen zuvor auch, scheiterte. Aber dann hatte man die Gewissheit das man alles getan hatte. Nun wollte ich erst mal sehen das es Stephan besser ging und das ich mich mit ihm aussöhnte. Danach wollte ich mir dann die Zeit nehmen und meinen Eltern einen Brief schreiben.

 

Am Nachmittag machte ich mich dann auf den Weg ins Krankenhaus. Unruhig betrat ich die Intensivstation. Eine Schwester brachte mich in das Zimmer in dem Stephan lag. Schockiert sah ich wie Stephan da so hilflos lag, an Apparaten angeschlossen, er wurde künstlich beatmet und überall die Schläuche. Ich setzte mich neben ihn und nahm seine Hand.

 

Er war immer noch ohne Bewusstsein, dennoch sprach ich leise mit ihm, in der Hoffnung das Stephan es irgendwie im Unterbewusstsein mitbekam. Ich sagte ihm wie leid mir der Streit tat und das ich mir schäbig vorkam. Dabei streichelte ich ihm unentwegt zärtlich die Hand. Ob es nun Einbildung war oder es doch real war, ich meinte das mein Schatz kurz blinzelte und mir leicht die Hand drückte. Nein, es war keine Einbildung, er öffnete wieder kurz die Augen. Sagen konnte mein Schatz nichts. Doch die Augen blieben nicht lange offen, er glitt wieder weg.

 

Nach einer Weile, ich saß bestimmt eine Stunde an Stephans Bett, da betrat der Stationsarzt das Zimmer, er wollte mit mir sprechen. Wir gingen zu ihm ins Sprechzimmer. Er teilte mir mit das es noch eine Weile dauern würde bis es meinem Schatz besser ginge. Auch wenn es mit seinem Zustand aufwärts ginge und keine Lebensgefahr mehr bestand, so waren die Verletzungen sehr schlimm. Der Arzt sagte das es bestimmt noch einige Wochen dauern könnte bis er wieder ganz gesund sei. Doch er war zufrieden. Denn Stephan hatte die Nacht gut überstanden und auch die Werte sind insgesamt besser geworden.

 

Als der Arzt und ich uns verabschiedet hatten machte ich mich wieder auf den Heimweg. Nun war ich doch beruhigter. Doch es würde Geduld brauchen.

Kaum daheim angekommen rief ich meinen Freund Dirk an. Ich brauchte jemanden zum reden. Während des kurzen Telefonates meinte er, ich solle Kaffee aufsetzen, er wäre in einer halben Stunde da und dann könnten wir reden. Ich war dankbar, denn neben meinem Mann Stephan war Dirk der wichtigste Mensch in meinem Leben.

 

Wie versprochen war Dirk gekommen. Wir saßen im Wohnzimmer beim Kaffee und ich erzählte ihm was passiert war. Geduldig wie immer hörte er zu, ohne mich zu unterbrechen. Schließlich meinte er:

 

„Wer weiß wozu das alles gut ist. Natürlich ist der Unfall sehr schlimm. Und nachdem was Du mir erzählt hast wird Stephan ja wieder gesund.“

 

„Wozu soll denn das alles gut sein?“

 

„Es hat Dir die Augen geöffnet. Du sagtest das Du noch einen Versuch machen willst um Dich mit Deinen Eltern auszusöhnen.“

 

„Der Streit und der Unfall haben mich nachdenklich gemacht. Nun habe ich mir überlegt ob ich meiner Mutter nicht einen Brief schreibe. Nur weiß ich nicht wie ich ihn schreiben soll.“

 

„Da helfe ich Dir bei Julien.“

 

„Danke Dir Dirk, auf Dich konnte ich mich immer verlassen.“

 

Wir unterhielten uns eine ganze Zeit. Es tat einfach gut jemanden zum reden zu haben. Dirk wollte die Tage wieder vorbeikommen um mit mir den Brief an meine Mutter zu schreiben.

 

Nachdem Dirk schließlich gegangen war machte ich mir eine Kleinigkeit zu Essen, danach wollte ich früh ins Bett, denn in der letzten Nacht hatte ich ja nicht geschlafen und so war ich hundemüde.

 

Als ich am nächsten Morgen erwachte ging es mir besser, ich hatte gut geschlafen. Beim Frühstück klingelte das Telefon. Es war der Arzt von der Intensivstation des Krankenhauses. Er teilte mir mit das Stephan aufgewacht war und auch nicht mehr künstlich beatmet werden musste. Das war eine tolle Nachricht. Ich beschloss gleich nach dem Frühstück hinzufahren.

 

Ich beeilte mich um so schnell wie möglich zu Stephan zu kommen. Als ich sein Zimmer betrat lächelte er. Mein Schatz freute sich das ich so schnell gekommen bin. Vorsichtig begrüßte ich ihn mit einem Kuss.

 

Wir unterhielten uns. Vor allem entschuldigte ich mich für den Streit und für meinen Starrsinn. Er sagte es sei alles OK. Stephan war nicht böse und meinte das er am Streit ja auch nicht ganz unschuldig sei. Ich berichtete ihm das ich mich entschlossen hatte meinen Eltern einen Brief zu schreiben und das Dirk mir dabei helfen wolle. Mein Schatz fand das eine gute Idee und freute sich darüber das Dirk mich unterstützte.

 

Ich blieb dann noch für eine Stunde bei Stephan, er musste sich noch viel schonen. Am Nachmittag besuchte ich ihn dann noch mal für eine Weile. Wichtig war das wir uns ausgesprochen hatten.

 

In den nächsten Wochen ging es dann immer weiter bergauf mit Stephan. Vor allem konnte er von der Intensivstation auf eine normale Station verlegt werden. Auch konnte dann, nachdem er stabil genug war, mit der Physiotherapie begonnen werden.

 

An einem Freitagabend kam Dirk auch wieder vorbei. Wir setzten uns zusammen um den Brief an meine Mutter zu schreiben. Behutsam erkundigte ich mich wie es meinem Vater ginge und auch ihr und wie sie mit Vaters Krankheit zurecht käme. Im weiteren Verlauf des Briefes schrieb ich auch wie es mir ergangen ist und wie es mir ging. Als ich dann soweit fertig war mit dem Schreiben, steckte ich in einem Umschlag und frankierte ihn, Dirk wollte ihn dann später einwerfen.

 

Die Zeit verging, ich kümmerte mich gut um Stephan und er konnte bald aus dem Krankenhaus entlassen werden. Doch es würde noch eine gewisse Zeit dauern bis er wieder ganz gesund war. Fast hätte ich den Brief den ich an meine Mutter geschrieben hatte vergessen, denn er kam weder zurück, noch hatte ich eine Antwort erhalten.

 

An einem Tag, ich kam aus dem Krankenhaus, Stephan erzählte das er in drei Tagen entlassen werden solle, lag ein Brief im Briefkasten. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet, dieser war von meiner Mutter. Aufgeregt setzte ich mich ins Wohnzimmer und las ihn. Ich konnte es kaum fassen was da stand:

 

„Lieber Julien,

schön nach all den Jahren von Dir zu lesen. Es ist schlimm was damals passierte, doch ich konnte mich Vaters Willen nicht entziehen. Mir tat die Entfremdung weh. Auch wenn ich die Einstellung Deines Vaters zum Teil verstand, für mich war es auch etwas befremdlich als Du Dich geoutet hattest, doch trotzdem bist und bleibst Du doch mein Sohn. Vater geht es immer schlechter und er wird wohl auch bald sterben. Auch wenn es Dich verwundert, jetzt, wo es ihm schlecht geht, ist er milder geworden. So manches Mal hat er sich heimlich ein Foto von Dir angesehen. Manchmal rief er nachts, wenn er unruhig schlief, sogar Deinen Namen.

 

Wenn es Dir recht wäre, dann möchte ich mich mit Dir treffen, bitte mein Sohn, sag nicht gleich nein. Es sollte doch möglich sein das wir uns wieder annähern. Ich würde mich sehr freuen bald wieder von Dir zu hören.

 

In Liebe

Deine Mutter“

 

Diesen Brief musste ich erst einmal sacken lassen. Mit vielem hätte ich gerechnet, doch nicht mit diesen Worten. Noch für den gleichen Abend verabredete ich mich mit Dirk. Er kam dann auch und las den Brief. Nach kurzer Pause meinte er:

 

„Julien, nimm diese Chance wahr. Mach Deinen Frieden mit den Eltern.“

 

„Du hast Recht Dirk, sonst verfolgt es mich für den Rest meines Lebens.“

 

„Ja, denn trotz allem was passierte und was für Worte fielen, es sind und bleiben Deine Eltern.“

 

„Es hat mich zu sehr belastet. Und das hat auch zu einem Streit zwischen mir und Stephan geführt und dann zu diesem grauenhaften Unfall bei dem er fast gestorben wäre.“

 

„Du, versuche die Vergangenheit ruhen zu lassen, was geschehen ist, das ist geschehen. Man sollte nach vorn schauen und das Beste daraus machen.“

 

Am Tag als ich Stephan aus dem Krankenhaus abholte erzählte ich auch ihm vom Brief meiner Mutter. Er freute sich das es zu einer ersten Annäherung gekommen war und ermunterte mich diesen Weg der Versöhnung weiterzuverfolgen.

 

Ich fasste dann allen Mut zusammen und rief meine Mutter an. Wir verabredeten uns für einen Tag wo mein Vater einen ganzen Tag zur Untersuchung ins Krankenhaus musste. Wir trafen uns in einem Café.

 

Als ich zur verabredeten Zeit, um 15 Uhr, eintrat, da war meine Mutter schon da. Als sie mich sah stand sie auf und kam mir entgegen. Sie war älter geworden. Etwas verlegen begrüßte sie mich:

 

„Hallo Julien.“

 

„Hallo Mutter.“

 

„Wie geht es Dir mein Junge?“

 

„Danke, es geht mir jetzt wieder gut. Ich hatte eine harte Zeit hinter mir. Stephan wär vor kurzem beinahe durch einen Unfall gestorben.“

 

„Oh, das tut mir leid. Geht es ihm wieder besser?“

 

„Ja danke, er ist auf dem Weg der Besserung. Und wie geht’s Vater?“

 

„Leider nicht gut. Es wird von Tag zu Tag schlechter. Der Krebs hat gestreut und auch das mit dem Alzheimer schreitet weiter voran.“

 

Wir unterhielten uns eine ganze Weile und näherten uns wieder an. Doch ich konnte merken das sie zwischen Freude und Sorge hin und her schwankte. Freude darüber das wir uns wiedersahen und Sorge um die Gesundheit meines Vaters.

 

Meine Mutter musste dann los um meinen Vater abzuholen. Wir beschlossen in Kontakt zu bleiben. Zum Abschied nahm ich meine Mutter in den Arm. Ich konnte deutlich spüren das sie sich darüber freute und das es ihr auch gut tat.

 

Nach meiner Rückkehr erwartete Stephan mich bereits. Er braucht mich nur anzusehen um zu bemerken dass das Treffen mit meiner Mutter gut lief. Und ich sah das er sich über diese Entwicklung freute.

 

In nächster Zeit besserte sich der Zustand von Stephan immer mehr. Auch hatte ich jetzt wieder regelmäßigen Kontakt mit meiner Mutter. Insgesamt war das eine schöne Entwicklung. Mein Schatz und ich saßen an einem Tag grad beim Mittagessen, da klingelte das Telefon. Es war meine Mutter, sie klang ganz aufgelöst und weinte. Besorgt fragte ich was sei. Unter Tränen sagte sie mir das mein Vater im Sterben lag. Sie bat mich zu kommen, denn er wollte mich noch einmal sehen. Sofort wollte ich mich auf den Weg machen. Stephan sagte das er mich fahren würde, denn ich sei zu aufgewühlt um selbst zu fahren. Er wollte dann im Auto auf mich warten.

 

Wir ließen alles stehen und liegen und fuhren los. Mir schossen viele Gedanken durch den Kopf, ob ich noch rechtzeitig ankommen würde, wie dieses Wiedersehen laufen würde und vieles mehr. Kaum angekommen sprang ich aus dem Wagen und ging schnellen Schrittes auf mein Elternhaus zu. Meine Mutter sah mich schon kommen und öffnete mir. Sie konnte ihre Tränen nicht verbergen und ich nahm sie in den Arm. Gemeinsam traten wir in das Zimmer wo Vater lag. Ich erschrak als ich ihn dort so liegen sah. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Er lag mit halb geschlossenen Augen im Bett und dämmerte vor sich hin. Still und vorsichtig setzte ich mich neben ihm hin. Auf einmal bemerkte er mich, öffnete die Augen. Mein Vater wollte meine Hand greifen doch er war zu schwach, so nahm ich seine. Mit leiser und brüchiger Stimme sprach er:

 

„Julien mein Junge, verzeih mir, verzeih mir bitte wegen damals.“

 

„Ist okay Vater, lassen wir die Vergangenheit ruhen und vergessen sie.“

 

Was ich nun sah ließ alle Dämme brechen. Aus den Augen meines Vaters rollten Tränen. Noch nie hatte ich ihn weinen gesehen oder das er eine Träne vergoss. Ich fing an zu weinen, ich beugte mich zu ihm hinab und nahm ihn in den Arm. So gut es ging erwiderte er die Umarmung und flüsterte: „Ich liebe Dich mein Sohn.“ „Ich Dich auch Vater“, erwiderte ich unter Tränen.

 

Mutter setzte sich nun auch dazu. Wir saßen links und rechts neben ihm. Wir hielten ihn beide an einer Hand. Mein Vater wurde immer ruhiger, der Atem wurde immer flacher. Mutter und ich sahen erst einander an und dann zu Vater. Wir sahen noch wie er uns kurz anlächelte, dann schloss er die Augen für immer. Stumm saßen wir neben ihm, wie friedlich er nun da lag. Vorsichtig ging ich um das Bett herum und nahm meine Mutter in den Arm. Sie brauchte nun meine Nähe. Ich weiß nicht wie lange wir so standen. Doch sie meinte dann das wir ins Wohnzimmer gehen sollten, sie würde für uns einen Kaffee machen. Ehe sie in die Küche ging sagte sie zu mir das ich doch Stephan hereinholen solle, es wäre doch nicht nett ihn so allein da sitzen zu lassen. Zuerst war ich überrascht, doch dann ging ich um meinen Schatz hereinzubitten.

 

Wir gingen zusammen ins Wohnzimmer, dort machte ich Stephan mit meiner Mutter bekannt. Sie hatten sich vor Jahren ja nur flüchtig gesehen wo die Fronten noch verhärtet waren. Mein Schatz kondolierte meiner Mutter zum Tod meines Vaters.

 

Auch wenn ich es mir gewünscht hätte das die Situation eine andere wäre wo sich Stephan und meine Mutter kennenlernen, so war ich doch darüber erleichtert das es nun geschah.

 

Mutter und ich mussten uns nun um die Beerdigung von Vater kümmern. Sie fragte mich ob ich sie unterstützen könne, das war doch klar für mich. Und dann kam etwas, damit hab ich nie gerechnet.

 

„Julien, kannst Du bleiben? Wenn Du es einrichten kannst, Stephan ist mir herzlich willkommen und kann auch mit bleiben. Ihr könnt dann in Deinem alten Zimmer schlafen.

 

Ich sah Stephan an um mich zu vergewissern, er nickte nur und so erwiderte ich:

 

„Wir bleiben bei Dir und ich helfe Dir.“

 

„Danke mein Junge und ich danke auch Ihnen Stephan.“

 

„Sehr gern gnädige Frau.“

 

Ruhig tranken wir den Kaffee und machten uns Gedanken wie wir die Beerdigung gestalten sollten. Wir mussten ein Bestattungsinstitut beauftragen, dann musste ein Pfarrer bestellt werden und so vieles mehr.

 

Das alles nahm uns die nächsten Tage sehr in Anspruch. Doch es gelang uns. Stephan war mir, ja und selbst meiner Mutter eine große Stütze. Am Tag der Beisetzung war er auch dabei. Meine Mutter nahm das alles mit. Nach der bewegenden Trauerfeier ging es zum Grab, ich hatte Angst das meine Mutter es nicht schafft. Stephan und ich nahmen sie in die Mitte und stützen sie. Still standen wir am Grab und sagten ihm ein letztes Adieu.

 

Nach der Beerdigung blieben wir noch zwei Tage bei meiner Mutter um uns um sie zu kümmern. Doch wir mussten dann zurück, wir hatten ja unseren Beruf als Mechatroniker.

 

Bei uns in der Werkstatt hatten wir seit einigen Tagen einen Praktikanten. Er hieß Mike und war 15 Jahre alt. Dieses Praktikum kam von der Schule aus und sollte zwei Wochen dauern. Mike machte sich sehr gut, er hatte richtiges Talent. Während der Zeit lernten wir ihn besser kennen und er wurde offener. Mike erzählte uns das er in einem Heim lebte. Seine Eltern kannte er nicht. Manchmal war er traurig. Als wir ihn darauf ansprachen wieso er so traurig war erzählte er das er sich so gern eine Familie wünsche. Viele aus dem Heim seien schon in Pflegefamilien gekommen oder sind sogar adoptiert worden. Nur an ihm war keiner interessiert.

 

Einige Tage, an einem Samstag saß ich mit Stephan im Wohnzimmer, Dirk war auch zu Besuch, da sprach ich mit ihnen darüber das ich mir Sorgen um meine Mutter machte. Sie ging nun auf die 70 zu. Viele der alten Nachbarn waren schon verstorben oder lebten im Altersheim. Der Tod meines Vaters hatte sie doch sehr mitgenommen. Freunde hatte sie nur wenige. Ich machte mir Sorgen das sie dort vereinsamen könnte. Mir kam die Idee sie zu uns zu holen. Bei uns im Haus sollte im Erdgeschoss eine kleine 2-Zimmer-Wohnung frei werden. Das wäre ideal. So wär sie in meiner Nähe und jeder von uns hätte doch den nötigen Freiraum. Beide fanden die Idee gut und meinten das ich mit ihr sprechen sollte. Ich rief sie dann an und kündigte meinen Besuch für den Sonntag an. Sie sagte zu und bat mich das ich Stephan doch mitbringen solle. Das berührte mich, sie hat ihn trotz der traurigen Umstände des Kennenlernens doch ins Herz geschlossen.

 

Als wir bei ihr ankamen erwartete sie uns schon. Ich nahm sie in den Arm und drückte sie.

 

„Hallo Mutter, wie geht es Dir heute?“

 

„Es geht schon Junge, schön das Du da bist. Guten Tag Stephan, nett das Sie mitgekommen sind.“

 

„Vielen Dank für die Einladung Frau Winter.“

 

„Nun kommt erstmal herein ihr Beiden, der Kaffee wartet schon.“

 

Wir traten ein, legten unsere Jacken ab und machten es uns im Wohnzimmer bequem. Wir tranken in Ruhe einen Schluck Kaffee.

 

„Sag mal Junge, hast Du einen bestimmten Grund mich heute zu besuchen?“

 

„Ja Mutter, ich mach mir Sorgen, Du bist allein, dann das Haus, Du gehst kaum noch los und noch so einiges anderes. Was würdest Du davon halten das Haus zu verkaufen und zu uns zu ziehen?“

 

„An einen Umzug hab ich auch schon gedacht Junge, aber zu euch? Ich möchte euch nicht zur Last fallen.“

 

„Nein, das würdest Du nicht Mutter. Bei uns im Haus wird in Kürze eine kleine Wohnung im Erdgeschoss frei, die wäre ideal für dich, Stephan und ich wohnen sehr zentral, Du hättest es nicht weit bis in die Stadt zum einkaufen. Wir könnten uns regelmäßig sehen und ich könnte Dir auch helfen. Aber jeder hätte sein Reich und die Möglichkeit zum Rückzug. Das wäre doch ideal.“

 

„Eine Überlegung wäre es schon wert. Was meinen Sie denn dazu Stephan?“

 

„Julien und ich hatten gestern schon darüber gesprochen, ich finde seine Idee sehr gut.“

 

„Aber wie ist es denn wenn ich Vaters Grab besuchen möchte?“

 

„Du, das bekommen wir auch hin, entweder fahr ich mit Dir hin oder Stephan.“

 

„Und was wird mit dem Haus?“

 

„Das könnte entweder vermietet oder verkauft werden. Das liegt bei Dir, ganz wie Du es möchtest.“

 

„Ich muss mir das noch durch den Kopf gehen lassen, kannst Du das verstehen, mein Junge?“

 

„Ja klar, das muss nicht gleich heute entschieden werden.“

 

Mutter schenkte dann noch Kaffee nach und wir unterhielten uns noch über viele andere Dinge. Vor allem war sie froh darüber das wir uns wieder ausgesöhnt hatten. Ich konnte spüren das ihr all die Jahre, in denen wir keinen Kontakt hatten, sehr weh getan hatten. Auch ich freute mich darüber. Denn trotz allem hatte ich meine Eltern vermisst. Selbst jetzt, wo Vater tot war, wir konnten uns auch versöhnen. Und das war auch gut so. Was mich sehr freute war, das sich meine Mutter mit meinem Schatz gut verstand und ihn akzeptierte. Gegen Abend verabschiedeten Stephan und ich uns von meiner Mutter und kehrten heim.

 

Während der Rückfahrt sprachen wir noch über den Nachmittag. Stephan meinte das es sehr gut lief und das sie Zeit bräuchte, denn es wäre ja auch einschneidend so eine Veränderung. Dem stimmte ich zu. Denn in den letzten Wochen und Monaten war ja viel passiert. Die Aussöhnung zwischen ihr und mir, der Tod von Vater und die Beerdigung. Dann hatte sie meine Beziehung mit Stephan akzeptiert.

 

Mikes Praktikum war beendet, doch er kam uns regelmäßig besuchen. Man merkte das er sich bei uns wohlgefühlt hatte und gern mit Stephan und mir zusammen war. Unser Chef war auch am überlegen ihm nach der Schule einen Ausbildungsplatz anzubieten da er sich sehr geschickt angestellt hatte beim Praktikum.

 

Einige Tage nach dem Besuch rief meine Mutter mich an. Sie kündigte an das sie mich am Folgetag besuchen wolle. Als ich sie fragte worum es ginge sagte sie, das sie es uns lieber persönlich sagen wolle. Natürlich war ich einverstanden das sie auch mal zu uns kommt. Denn bisher war sie noch nie in meiner Wohnung gewesen.

 

Am nächsten Tag, Stephan und ich hatten rechtzeitig Feierabend machen können, bereiteten wir alles für den Besuch meiner Mutter vor. Ich freute mich darauf, obwohl ich auch neugierig war warum sie so ein Geheimnis machte weswegen sie kam. Lange sollte ich nicht im Dunkeln bleiben. Als sie ankam und wir uns begrüßt hatten erzählte Mutter weswegen sie kam. Mutter hatte sich Gedanken gemacht und sich entschlossen das Haus zu verkaufen und zu mir ins Haus zu ziehen. Sie hatte schon mit dem Eigentümer gesprochen und einen Termin für die Besichtigung ausgemacht. Den hatte sie auf den heutigen Tag gelegt. Mutter bat Stephan und mich mitzukommen.

 

Eine Stunde später stand dann die Besichtigung an. Diese lief gut und meine Mutter bekam die Wohnung. Wir gingen dann zu uns um den neuen Mietvertrag bei einer Tasse Kaffee zu unterschreiben.

 

Als soweit alles unter Dach und Fach war kümmerte Mutter sich um den Umzug und auch um den Verkauf des Hauses. Ich unterstützte sie dabei. Es war auch klar das wir ihr auch beim Tragen und der Einrichtung der Wohnung halfen.

 

Sogar Mike hatte beim Umzug meiner Mutter mitgeholfen, das freute mich sehr. Mich wunderte warum ihn keiner haben wollte. Auch wenn er, so wie es alterstypisch ist, auch mal Unsinn machte, war er doch ein sehr netter Kerl. Und er hatte etwas besseres verdient als nur im Heim zu leben, dort hätte er spätestens mit 18 Jahren dann ausziehen müssen und wär dann allein. Ich sprach mit Stephan darüber. Mir schwirrte etwas im Kopf.

 

Dieser Neuanfang tat meiner Mutter sehr gut. Sie blühte sogar richtig auf. Sogar neue Kontakte hatte sie geschlossen. An einem Sonntag lud sie uns ein. Mutter wollte mit uns essen gehen. Als wir dann so im Restaurant saßen kam sie auf ein Thema zu sprechen was Stephan und mich für den ersten Moment sprachlos machte.

 

„Julien und Stephan, ich sehe nun wie glücklich ihr beiden zusammen seid und wie sehr ihr euch liebt.“

 

„Ja, das stimmt Mutter. Wir lieben uns wirklich sehr.“

 

„Da habe ich mir mal Gedanken gemacht. Habt ihr schon mal daran gedacht zu heiraten?“

 

„Bisher noch nicht, das kommt jetzt aber überraschend.“

 

„Ihr zwei seid für einander geschaffen, da wär es doch schön. Und ich muss sagen das ich Stephan mittlerweile sehr ins Herz geschlossen habe. Mich würde es sehr freuen wenn er mein Schwiegersohn würde.“

 

Stephan und ich sahen uns überrascht an, das war richtig rührend von meiner Mutter. Wir standen auf und nahmen sie herzlich in den Arm. Nie hätte ich gedacht das Mutter ihr Herz soweit öffnen würde.

 

„Und was haltet ihr nun von der Idee Jungs?“

 

„Also Mutter, ich könnte es mir vorstellen.“

 

„Stephan, was sagst Du dazu?“

 

„Also Frau Winter ..“

 

„Komm, jetzt hör auf mich 'Frau Winter' zu nennen.“

 

„Also, ich kann es mir auch vorstellen.“

 

Ehe ich mich versah kam Stephan auf mich zu, nahm mich bei der Hand und bat mich ihn zu heiraten. Ich sagte sofort ja. Nun stand meine Mutter auf und nahm uns in den Arm. Sie freute sich für uns und darüber mit Stephan einen netten Schwiegersohn zu bekommen.

 

Nun, wo mein Schatz und ich heirateten wollten wir Nägel mit Köpfen machen. Wir beide verstanden uns sehr gut mit Mike. Und wir kannten seinen Wunsch das er gerne eine Familie hätte. So fragten wir ihn ob er es sich vorstellen könne unser Sohn zu werden. Überrascht sah er uns an und fragte ob es unser Ernst sei. Natürlich war es das. Er willigte ein. Stephan und ich setzten uns dann mit dem Heim und dem Jugendamt in Verbindung um alles für die Adoption in die Wege zu leiten. Es war ein harter Weg, doch es klappte. Mike würde unser Sohn werden. Meine Mutter war begeistert, auch sie mochte ihn und sie hatte sich ja immer ein Enkelkind gewünscht. Nun ging ihr Wunsch in Erfüllung.

 

An unserem 15. Jahrestag heirateten Stephan und ich auf dem Standesamt. Dirk und unser Chef waren die Trauzeugen. Wir feierten im kleinen Kreis. Nur Stephan und ich, meine Mutter, unser Sohn, unser Chef und unser Freund Dirk. Es war eine gelungene Hochzeit.

 

Nun sind Stephan und ich seit 16 Jahren zusammen und begehen unseren ersten Hochzeitstag. Wir, mein Schatz und ich, saßen mit meiner, nein, nun unserer Mutter, unserem Sohn Mike und mit Dirk zusammen um den Tag gebührend zu feiern. Ich ließ die letzten Jahre Revue passieren. Welch eine glückliche Wendung. Wer hätte gedacht das ich mich noch mit meinen Eltern aussöhne und das ich selbst noch einen Sohn haben würde. Auch wenn Vater die Hochzeit nicht mehr miterlebte, so hat er doch einen Platz in meinem Herzen. Ich bin glücklich darüber das die Versöhnung kam und das meine Mutter bei mir war. Auch sie freute sich und war glücklich. Diese Trennung war beendet. Wir konnten nun zufrieden in die Zukunft schauen. Wir waren eine zufriedene Familie. Mein Mann und ich zusammen mit unserem Sohn Mike und mit meiner Mutter. Eine wirklich glückliche Wendung und mit Blick nach vorn.

 

Copyright: 12.12.2014

Autor: Harald A. Grenz

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.12.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich aus gegebenen Anlass meiner lieben Freundin Soey Rozier.

Nächste Seite
Seite 1 /