Cover

1.

Wenn ich meine Augen nicht öffne, dann ist es auch nicht real. Bleib einfach liegen Cate. Der Wecker hat sich geirrt. Ich liege in meinem Bett in meinem Loft Apartment umringt von meinen Manolo Blahniks. Meine Society Freunde haben auf Twitter bestimmt schon Bilder der letzten Partynacht gepostet. Ich bin Top-Anwältin in der Anwaltskanzl.... "Laylaaaa wo ist meine Kaffetasse?" "Keine Ahnung, ich habe sie sicher nicht gefressen." 


Die Realität schlägt mir ins Gesicht. Es ist real. Da sitz ich, Catherine St. Claire, in einer schäbigen 4-Zimmer-Wohnung in London mit zwei Gestörten. Ja diese zwei Gestörten, auch bekannt als meine Mitbewohnerinnen. Carmela Tozzi, eine Human Rights Aktivistin, die gerade alle Filme torpediert die nicht eine rassenkonforme Besetzung haben und ausserdem ein sehr lautes Organ hat. Layla Davenport, eine Sportskanone die momentan gerade auf einem Selbstfindungstrip ist. Sie lässt sich von ihrem Sugar Daddy Sami Al Asmari, einen Multi-Millionär aus Dubai finanzieren. Ihr ganzes Zimmer platzt schon aus allen Nähten mit Designer-Klamotten, Schmuck und Designer Handtaschen. Obwohl Sami Sie schon mehrmals um Ihre Hand gefragt hat, kann sie sich wegen Ihres Komplexes nicht durchringen sich zu binden. Carmela und Layla sind beste Freundinnen, seit sie sich im Sandkasten mit Sand beworfen haben. Jetzt da sie erwachsen sind, bewerfen sie sich mit Geschirr. Noch bevor ich aus dem Zimmer komme, höre ich wie das Porzellan zerbricht.


Keine Panik. Dies ist ein typischer Morgen in unserer WG. Carmela ist noch immer ohne Kaffee im Magen, was gefährlich ist. Layla simst  gerade mit ihrem Therapeuten. Ich will nur noch raus hier. Schuhe an, einen letzten Blick in den Spiegel und raus aus dem Haus. Ich bin sowieso schon zu spät dran für meinen Termin mit dem Makler, der mir ein Lokal in Knightsbridge zeigen möchte. Zum Glück liegt die U-Bahn-Station gegenüber des Appartement. Also hetze ich so schnell es geht die Treppen runter. Meine Bahn ist gerade dabei loszufahren. Doch bevor sich die Türen schliessen hechte ich rein. Dies jedoch so ungeschickt, dass ich zu Boden falle. Verdammt ich habe vergessen meine Tasche zu schliessen. Der gesamte Inhalt meiner Tasche kullerte über den Boden. Toller Auftritt, Catherine. 


„Liebes haben sie sich weh getan?“ fragte eine kleine ältere Dame mir gegenüber. Ich spürte ein leichtes zwicken am Knie und merkte, dass ich mir das Knie aufgeschlagen habe. „Es geht schon“ versicherte ich ihr. Die alte Dame reichte mir mein Mascara, welches ihr vor die Füsse fiel. Ich räumte schnell mein Zeug in die Tasche und bedankte mich bei ihr „Danke, das ist lieb von Ihnen.“ 


„Ich glaube dies gehört ebenfalls Ihnen“ hörte ich eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und da stand ein Mann in Militäruniform mit schelmischem Grinsen. Haselnussbraune Augen sahen mich an, kurzgeschnittene Haare, ein 3tage Bart, 1.80 gross und immer noch mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Ich bemerkte schnell, wieso er so grinste. In seiner Hand hielt er meinen Reserve-Tampon. Scheisse. Ich riss es ihm schnell aus der Hand. In diesem Moment hörte ich wie wir die Station erreichten. Die Tür öffnete sich und ich stürmte beschämt aus der U-Bahn. „Gern geschehen, Kleines“ ist alles was ich noch hörte, bevor sich die Türen hinter mir schlossen.  


Mein Kopf war immer noch rot als ich die U-Bahn-Station verliess. Ich habe noch eine halbe Stunde Zeit und gehe in den nächstbesten Starbucks. Während ich auf meinen Kaffee Americano wartete, ging ich schnell auf die Toilette für einen letzten Checkup. Ich sehe fürchterlich aus. Meine hellbraunen Haare standen in alle Himmelsrichtungen. Schnell band ich sie mit einem Haarband zusammen. So gut wie neu. Ich sah in den Spiegel und war zufrieden. Azurblaue Augen, Sommersprossen auf den Wangen. Ich setze ein Lächeln auf und war nun bereit den Makler zu treffen.

  
Ich schnappe mir meinen Americano und verlasse das Café. Ich bin mir nicht mehr so sicher, wo wir uns treffen wollten. Ich zückte nach meinem Notizbuch und bemerkte schnell das es nicht mehr in meiner Tasche war. Scheisse. Das muss noch auf dem Boden der U-Bahn liegen. Scheisse, Scheisse, Scheisse. Da waren meine ganzen Geschäftsideen drin. Mein Handy klingelte. Zum Glück: der Makler.

2.


Ich betrat das Lokal und war sofort verliebt. Ich konnte mir alles genau vorstellen. Links an der Wand würde die Theke stehen. Vorne am Eingang ein kleines Café mit ein paar Stühlen und Tischen. Der Laden war sehr hell, dank den grossen gebogenen Fenstern. Die Grösse würde auch gut passen und die Backstube im hinteren Teil war geradezu perfekt für mein Vorhaben. Mein Makler, Mr. Harris, bemerkte mein Interesse an dem Objekt. „Ich sehe schon, es gefällt ihnen. Nun, es liegt ein wenig oberhalb ihres Budgets dafür ist die ganze Ausstattung mit inbegriffen.“ Tatsächlich war der Laden um einiges teurer als ich es mir vorgestellt habe. „Kann man gar nichts mehr am Preis machen?“ fragte ich besorgt. „Tut mir leid, Miss St. Clair, aber da gibt es nichts zu machen. Überlegen sie es sich, der Standort ist ideal und Laufkundschaft wäre garantiert.“ Schnell rechnete ich mir meine Finanzen im Kopf aus. „Und die Kaution? Wie hoch ist sie nochmals?“ „GBP 5‘000.-" entgegnet er mir. In meiner jetzigen Situation ist das eindeutig nicht machbar. „Ich gebe Ihnen noch bis Ende der Woche Zeit, sich das zu überlegen, Miss St. Claire. Wie sie wissen ist diese Gegend sehr gefragt und das Objekt wird schnell vom Markt sein. Garantiert.“ Ich bedanke mich beim ihm und gehe genickt nach Hause. Schlimmer kann es heute nicht mehr werden.  


Schon vor der Haustür hörte ich Laylas und Carmellas Stimmen. Wenn sie eines gut konnten, dann war es streiten. Und dies stundenlang bis spät in die Nacht hinein. Manchmal verstehe ich das Konzept ihrer Freundschaft nicht. Ich ertappe mich wie ich darüber nachdachte, wieder aus dem Haus zu gehen. Aber ich war müde und so musste ich wohl in das Appartement rein. Als ich hereinkam hörte ich nur noch wie Layla schrie „Dann geh doch und hol Shrimp Peace“ und da knallte sie Carmela die Tür vor der Nase zu. Später erfuhr ich, dass Grund des Streites ein nicht biologisch gezüchteter Shrimp Cocktail war.  Wieso habe ich mich nur auf diese WG-Anzeige gemeldet. Kein Wunder war es so billig. Eigentlich müsste ich Geld dafür erhalten, dass ich mit diesen beiden Gestörten zusammen wohnen muss. Aber die Wohnung lag in der Nähe eines Parks und ich konnte jeden Morgen meine Joggingrunde drehen. Ausserdem war mein Zimmer das grösste von Allen. Ich habe es mir ganz nett eingerichtet. Gelbe Farbe an den Wänden, ein grosses Bett, eine kleine Kommode und ein Spiegel reichten mir. Ausserdem habe ich mir noch einen kleinen Fernseher zugelegt, da sonst nur Tierdokumentationen und Reality TV-Shows laufen. „Es tut mir leid Carmella“ hörte ich von draussen „Nächstes Mal schaue ich auf das Etikett, versprochen“. So schnell wie der Sturm kommt, legt er sich auch wieder. Ich sprang noch schnell unter die Dusche und wollte nur noch ins Bett. Da bemerkte ich mein schmerzendes Knie. Das habe ich ganz vergessen. Da sah ich wieder diese haselnussbraunen Augen mit dem schelmischen Grinsen vor mir. Schade, dass wir uns nicht unter anderen Umständen getroffen haben.  


Catherine, du hast andere Sorgen. Wie soll ich bloss die Kaution von GBP 5,000.- zahlen? Früher habe ich so eine Summe wöchentlich aus dem Fenster geworfen. Was habe ich es mir gut gehen lassen. Louis Vuitton Taschen sind ja auch nicht so billig. Und jedes zweite Wochenende war ich auf irgendeinem Pferderennen mit meinen Freunden oder auf Society Partys mit literweise Dom Pérignon. Doch diese Zeiten sind nun vorbei und mir ist Dank diesem ausschweifenden Life Style kein einziger Penny geblieben. Kein einziger Penny stimmt nicht ganz, insgesamt habe ich noch GBP 1'382.61. Was ist nur aus mir geworden. Eine 29-jährige Frau, die nicht mehr auf den eigenen Beinen stehen kann und auf zwei Psycho-Mitbewohnerinnen angewiesen ist. Für meine Zukunft sehe ich auch schwarz. Nach einem langen Seufzer höre ich ein Klopfen. Ein schwarzhaariger Lockenkopf schaut mich an. "Bock auf Pizza? Ist Bio." fragte Carmella. Hinter ihr stand Layla mit einem Pizzastück im Mund "Komm aus deiner einsamen Wolfshöhle. Hab mal ein bisschen Spass. Die Pizza ist gar nicht mal so schlecht. Ein paar Schrimps wären noch lecker gewesen." Carmella sieht sie an und ich merke schon wie sie Layla wieder mit einem Vortrag belehren will. Doch bevor es dazu kommt, schreite ich ein. "Bei Pizza bin ich immer dabei". So sassen wir nun alle drei am Esstisch. Layla hatte schon die Hälfte ihrer Pizza verdrückt. Ich frage mich ernsthaft wie diese Frau ihre Figur halten kann. Jedes mal wenn ich sie sehe, isst sie etwas, spricht vom essen oder denkt gar ans Essen. Sie kann sogar davon träumen. Carmella ist stolz auf ihr Werk. Ich beisse genüsslich rein und bin erstaunt wie gut die Pizza schmeckt. „Jetzt hör endlich mal auf, ständig auf dein Handy zu schauen Layla" fing Carmella auf einmal an. Na der Frieden hat nicht lange gehalten. "Aber mein Psychiater. Er gibt mir gerade ein paar Buchtipps über Selbstfindung" entgegnete Layla. "Wenn du mich fragst, hat dein Psychiater selbst einen Knacks". Bevor dieser Streit wieder ausufert, rufe ich in die Runde "Kennt ihr das Lokal an der Kensington Street, welches seit kurzem leer steht? Ich glaube da war früher mal ein libanesisches Restaurant drin." Die beiden sahen mich fragend an und vergassen weiter zu streiten. Wenigstens das habe ich heute erfolgreich geschafft. "Ja, das war der Laden von Sami's Freund Ahmed. Er hat in der Bond Street ein grösseres Lokal eröffnet. Wenn ich mich richtig erinnere, haben schon einige Leute Interesse gezeigt." Meinte Layla. "Ja, es liegt gegenüber Harrods, ein super Standort" bejahte Carmella. Ich wusste es, ein perfekter Standort für mein Lokal. Ich muss den Zuschlag bekommen.  


Nachdem mein Bauch voll Pizza war, ging ich zufrieden ins Bett. Ans Einschlafen war jedoch nicht zu denken. Die Gedanken flogen wirr in meinen Kopf herum. Ich muss dringend anfangen Geld zu verdienen. Lange wird mein Erspartes nicht mehr ausreichen. Das Lokal ist meine Chance durchzustarten. Jedoch fehlt mir noch das Geld. Die Bank würde mir kein Kredit geben, das habe ich schon abgeklärt. Meine einstigen Freunde erwiesen sich als Gutwetter Freunde. Solange man Geld hatte, war man gerngesehen, danach waren sie weg. Egal wie sehr ich hin und her überlegte, es gibt nur eine Lösung für mein Problem. Ich muss zurück nach Oxford und meinen Vater um das Geld bitten.

Mein Vater wird sicherlich nicht erfreut sein mich zu sehen. Ich habe sein enttäuschtes Gesicht immer noch vor Augen. Ich kann schon verstehen, dass meine Entscheidung für ihn nicht leicht zu akzeptieren war. Am Besten ich gehe Morgen in aller Frühe in die Kanzlei. Mein Vater geht immer früh zur Arbeit und das werde ich nun ausnutzen. Dann sieht uns niemand. Es wäre peinlich, wenn jemand von meinen alten Arbeitskollegen etwas mitbekommen würde. Wie spät ist es eigentlich? Was, schon Mitternacht? Jetzt ab in die Federn, ich muss morgen früh raus.  

 

3.


Die Sonne scheint und ich möchte nicht aufstehen, weil ich weiss, was mir bevorsteht. Ein Lichtstrahl scheint durch die Jalousien direkt in meine Augen. Es ist wohl Zeit aufzustehen und meine Zukunft in die Hand zu nehmen. Verschlafen gehe ich ins Wohnzimmer. Von Carmella keine Spur und Layla ist auch noch nicht wach. Kein Wunder, es ist nicht mal 6 Uhr. Schnell leer ich eine Tasse Kaffee Americano, schmeiss mich in meine feinen Klamotten, Zähneputzen, Makeup drauf, Haare zusammenbinden und raus.  

Die Fahrt nach Oxford hätte von mir aus auch länger dauern können. Ständig stellte ich mir verschiedene Szenarien vor. Eine schlimmer als die Andere. Ich ertappe mich, wie ich herumtrödle. Von weitem sehe ich schon die Kanzlei. St. Claire und Partner steht in grossen schwarzen Buchstaben an der Fassade. Das Haus ist seit jeher in Familienbesitz. Mein Urgrossvater eröffnete damals noch die noch unbekannte Kanzlei. Schnell wuchs es zu einem kleinen Imperium heran.  

So, jetzt stehe ich schon vor der Tür. Ich wollte gerade hinein gehen, da kam mir jemand entgegen, den ich eigentlich nicht mehr sehen wollte. Oliver Hunter steht vor mir. Ein schwanzgesteuerter Idiot der mich ständig betrogen hat. Technisch gesehen waren wir nicht wirklich zusammen, doch ich hoffte immer, dass daraus mehr wird. "Cat? Dich hätte ich hier nicht erwartet. Was willst du hier?" Begrüsst er mich. "Oliver geh mir aus dem Weg. Ich will zu meinen Vater", er machte einen Schritt zur Seite "Ich nehme an, das Geld wird langsam knapp, was? Willst du bei deinem Vater, um Geld betteln?" Ich würdige ihm keines Blickes und gehe entschlossen zum Fahrstuhl. Bei all den Mitarbeitern, muss ausgerechnet er mir begegnen. Ich habe mich kaum beruhigen können, da geht die Fahrstuhltür schon auf.

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Tag der Veröffentlichung: 02.02.2017

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