• Ferdinand, der mutige Drache
• Der tapfere Stier Willi
• Der verliebte Froschkönig Freddy
• Rebecca, die Ameisenkriegerin
• Toni, die verfressene Schnecke
• Die Abenteuer des jungen Raben Konrad
• Eduard, der Schlangenkönig
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Der Waldbrand
Kapitel 2
Ferdinands neuer Freund
Kapitel 3
Ferdinand flog in das Gebiet der Datschas
Kapitel 4
Besuch bei Ferdinands Cousin
Kapitel 5
Das Wiedersehen
Ferdinand,
der mutige Drache
Kindermärchen
Albert Christian Angermeier
Kapitel 1
Ferdinand, der mutige Drache
Es war einmal ein kleiner Drache namens Ferdinand.
Er lebte mit seiner Familie in einem weit entfernten Gebirge in einer großen Höhle.
Sein Vater Dragan und seine Mutter Emilia erzogen ihn sehr streng, was ihn aber nicht davon abhielt, mit seinem kleineren Bruder Maxi öfters Unfug anzustellen.
Da sein Brüderchen noch nicht in der Lage war Feuer zu speien, machte Ferdinand sich oft über ihn lustig.
Das mit dem Feuer war so eine Sache, wenn es lange nicht regnete, wurde das Speien auch Ferdinand verboten, und wenn er es trotzdem machte, wurde ihm von den Eltern ein ewig langer Vortrag gehalten, was dadurch alles passieren kann.
Maxi freute das immer sehr und mit Genugtuung genoss er es, wenn Ferdinand ausgeschimpft wurde.
Aber im Großen und Ganzen war ihre Kindheit schön und abenteuerlich.
Wenn morgens die Sonne aufging, bestrahlte sie den Eingang der Höhle und da wusste sein Vater, dass es Zeit war, ein Frühstück zu besorgen.
Normalerweise sind Drachen Allesfresser, aber Ferdinand war Vegetarier, weil ihm die anderen Tiere so leidtaten.
Anfangs regten sich seine Eltern darüber auf, aber nun war es schon Gewohnheit, dass sein Vater auch jedes Mal Früchte mitbrachte.
Eines Nachts stürmte der Vater in die Höhle und schrie: »Steht schnell auf, der Wald brennt!«
Die anderen drei erhoben sich und schlaftrunken sahen sie, wie sich schon Rauch in der Höhle ausbreitete.
Sie hetzten zum Eingang und sahen im Freien, das die komplette Umgebung von glutrotem Licht erhellt wurde.
Der beißende Rauch brannte in ihren Augen, das ihnen nur noch die Flucht blieb.
Der Vater schnappte Maxi mit seinem Maul und die drei starteten sofort.
Kilometerweit brannte der Wald unter ihnen und ständig mussten sie Rauchwolken durchfliegen, die anscheinend bis zum Himmel ragten.
Höher fliegen brachte ihnen also auch nicht viel und sie mussten immer wieder Schwaden durchqueren.
Ferdinand hatte totale Angst, denn so etwas Furchtbares hatte er noch nie zuvor erlebt.
Als sie das brennende Gehölz hinter sich ließen und es schafften, dem Inferno zu entkommen, dachte Ferdinand: »Was ist wohl mit meinen Freuden geschehen? Ob die sich auch in Sicherheit bringen konnten?«
Sobald sie die Gefahrenzone verlassen hatten, senkte der Vater seine Flughöhe, Ferdinand und seine Mutter folgten ihm.
Sie landeten am Ufer eines riesigen Sees.
»Hier verbringen wir die nächsten zwei Tage«, sagte sein Vater, sah die beiden Jungen an und fügte hinzu, »bleibt aber auf jeden Fall am Boden! Auf der anderen Seite des Sees leben Menschen, wenn die uns entdecken, werden wir von ihnen gejagt!«
Der Vater ermahnte sie so ernst, dass die vier ab dem Sonnenaufgang nur im Unterholz verweilten.
Am zweiten Tag wurde jedoch ihr Hunger so groß, dass Papa Drache morgens losflog, um etwas Essbares zu suchen.
Weil die Eltern nachts abwechselnd Wache abhielten, legte sich ihre Mutter tagsüber schlafen.
Für Maxi war das nicht so dramatisch, denn er schlief sowieso gerne.
Ferdinand fand es total langweilig. »Wenn ich durch dieses Dickicht streife und es erkunde, wird das schon nicht so schlimm sein!«, dachte er.
Vorsichtig schlich Ferdinand durchs Gestrüpp, bis er bei einem Bach ankam.
Dieser faszinierte ihn so sehr, dass er ihm unbedingt flussaufwärts folgen musste, um dessen Quelle zu finden.
»Wenn ich mich am Bachlauf halte, kann mir schon nichts passieren.«
Ferdinand schlenderte gedankenversunken dem Bach aufwärts entlang und bekam dabei nicht mit, wie weit er sich inzwischen schon von seinen Eltern entfernte.
In dieses Gewässer führte ein langsam fließender Zulauf, mehr ein ruhiges Rinnsal.
Ferdinands Neugierde drängte ihn, den kleinen Zulauf zu erkunden, ohne dabei jemals umzusehen.
Aus dem langsam fließenden Gewässer sprang ein Frosch und floh querfeldein.
Ferdinand verfolgte ihn konzentriert und achtete dabei nicht, in welcher Richtung er lief.
Nach etwa einer halben Stunde überkam ihn ein wahnsinniges Hungergefühl und er wusste, nun wäre es höchste Zeit umzudrehen.
Ferdinand blickte um sich, aber die komplette Umgebung sah gleich aus.
Er wusste nicht mehr den Rückweg und versuchte, dem eingedrückten Gras zu folgen.
Aber das führte ihn auch nicht zu dem kleinen Rinnsal.
Er irrte im langen Gras umher und entschloss sich anschließend für eine Richtung.
Nach stundenlangem Marschieren erreichte er das Ufer eines Sees.
»Hier sieht es aber anders aus, als an dem Platz meiner Familie.«
Plötzlich entdeckte er Hütten, und es überkam ihn ein Zittern, denn ihm wurde bewusst, dass er sich nun an dem Uferbereich aufhielt, wo Menschen lebten.
»Ich muss schnellstens zur anderen Seite kommen, ohne entdeckt zu werden.«
Im Schutz der Sträucher schlich Ferdinand vorsichtig am Ufer entlang in der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben.
Kapitel 2
Ferdinand, der mutige Drache
Plötzlich erklang hinter ihm die Stimme eines Jungen: »Wer bist du denn?«
Ferdinand drehte sich um und erblickte einen kleinen rothaarigen Jungen.
Der Kleine sah ihn überrascht an, da er zum ersten Mal auf einen Drachen stieß.
»Ich heiße Ferdinand und du?«
»Mein Name ist Roland. Was bist du?«
»Ein junger Drache. Ich lebe mit meiner Familie da drüben am anderen Ufer«, sagte Ferdinand und zeigte dabei zur gegenüberliegenden Seite des Sees, »wir sind hier, weil der Wald vor unserer Höhle gebrannt hat.«
»Das ist ja furchtbar!«
»Und was machst du hier?«, fragte ihn Ferdinand.
»Ach ich streife nur durch den Wald, weil die anderen Kinder nicht mit mir spielen wollen und es mir langweilig war.«
»Warum wollen sie denn nicht mit die spielen?«
»Für Ballspiele bin ich zu schlecht und die Puppen der Mädchen interessieren mich nicht, da erforsche ich lieber den Wald.«
»Verstehe und jetzt ziehst du alleine umher.«
»Genau. Möchtest du mit mir den Wald erkunden?«
»Das würde ich gerne, aber erst gehe ich zu meinen Eltern hinüber. Ich habe schon so einen riesen Hunger!«
»Soll ich dir von zu Hause etwas zum Essen holen?«
»Das wäre total nett von dir. Aber ich bin Vegetarier und esse weder Fleisch noch Fisch.«
»Kein Problem«, erwiderte Roland und lief los.
Ferdinand wartete etwa eine halbe Stunde, da kam Roland mit einem in Stoff gewickelten Paket zurück.
Als er es öffnete, kam ein halber Brotlaib, Obst und Gemüse zum Vorschein.
»Das Meiste davon kenne ich gar nicht«, kommentierte Ferdinand und betrachtete das Essen verwundert.
»Wir Menschen essen das schon immer. Probiere doch mal, das schmeckt total lecker!«
Ferdinand kostete und es schmeckte ihm schließlich so gut, dass er gar nicht zu Essen aufhören konnte, und aß weit über seinen Hunger.
»Ess nur langsam«, sagte Roland zu ihm, »ich habe genug mitgebracht.«
Noch nie zuvor hatte er gesehen, wie jemand solche Mengen in so kurzer Zeit verdrücken konnte.
Etwa eine halbe Stunde später rieb sich Ferdinand den Bauch und stöhnte: »Jetzt bin ich aber voll.«
»Können wir nun miteinander spielen?«
»Glaube nicht, dass ich mich jetzt noch bewegen kann.«
Traurig senkte Roland seinen Kopf: »Dir ist es also nur ums Essen gegangen. Jetzt wo du satt bist, bin ich wieder alleine!«
»Nein, so ist es bestimmt nicht. Komme doch mit zu meinen Eltern, vielleicht entdecken wir unterwegs etwas!«
»Meinst du? Bei mir zu Hause ist es meiner Familie doch eh egal, was mit mir ist. Ach was soll's, ich komme mit dir«, antwortete Roland nach kurzem Überlegen.
Zusammen schlenderten sie durch den Wald, wobei ihnen die Ortskenntnisse von Roland sehr hilfreich waren.
Als sie den Bach überquerten, sagte Ferdinand aufgeregt: »Hier bin ich dem Wasser folgend hoch gegangen. Wir müssten bald bei meiner Familie ankommen.«
Sie erreichten das Versteck im Wald und seine Mutter erblickte zuerst nur Ferdinand und moserte sofort: »Wo warst du denn?«
Maxi ging etwas weiter vor und sah Roland, den Menschenjungen und sagte überrascht: »Wen hast du denn da mitgebracht?«
Das ließ auch die Eltern neugierig werden und sie näherte sich ebenfalls Ferdinand.
»Das ist ja ein Mensch!«, rief seine Mutter entsetzt.
»Ja, aber Roland ist in Ordnung. Er hat mir sogar etwas zu essen von zu Hause geholt.«
Seine Eltern umkreisten den Jungen und begutachteten ihn von oben bis unten.
»Das ist ein Mensch, also ist er auch gefährlich!«, sagte Ferdinands Vater.
»Aber Papa, Roland möchte doch uns nichts anhaben.«
»Sei doch nicht immer so gutgläubig. Wenn es darauf ankommt, wird auch er uns jagen«, erwiderte seine Mutter.
Daraufhin verließ Ferdinand traurig das Versteck und Roland folgte ihm zum Ufer des Sees.
»Meine Eltern denken ständig das Schlechteste.«
»Die meinen es doch nur gut mit dir«, erwiderte Roland und versuchte Ferdinand aufzuheitern.
»Das weiß ich doch, aber trotzdem ist es ärgerlich.«
»Erforschen wir noch etwas den Wald?«, fragte Roland.
»Können wir, aber ich muss vorher noch meinen Eltern Bescheid sagen.«
Ferdinand ging zum Versteck zurück und kam anschließend wieder zu Roland.
»Es geht klar, aber ich soll nicht zu lange wegbleiben.«
Als die beiden erneut beim Bach ankamen, schlenderten sie anschließend flussaufwärts, bis zu der Stelle, wo das Rinnsal einmündete.
»Hier hatte ich mich heute Vormittag verlaufen«, sagte Ferdinand und deutete dabei auf das verwilderte Gestrüpp neben dem kleinen Graben.
Aber diesmal gingen sie an dem größeren Bach weiter.
»Soll ich dir eine Schlucht zeigen?«, fragte Roland.
»Natürlich. Wie weit ist es denn?«
»Ach, da sind wir schnell. Meine Eltern verboten mir zwar, dorthin zu gehen, aber wir sind doch keine kleinen Kinder mehr.«
Sie waren dann doch noch fast eine Stunde unterwegs, aber die Aussicht entschädigte sie für die Anstrengung, und sogar den verbrannten Wald konnten sie in der Ferne sehen.
Stolz fragte Roland: »Ist es hier oben nicht schön?«
»Ich möchte ja nicht angeben, aber beim Fliegen ist die Aussicht immer so«, sagte Ferdinand grinsend und fügte hinzu, »dort, ganz weit vorne ist unsere Höhle.«
»Warum bist du dann nicht geflogen, als du dich verirrt hast?«
»Weil ich dazu keine Kraft mehr hatte. Gestern gab's nichts zu essen, da wir erst ankamen, als es schon dunkel war.«
»Und jetzt bleibt ihr hier am See?«, fragte Roland und sah dabei Ferdinand hoffnungsvoll an.
»Nein«, antwortete er, »morgen fliegen wir wieder zurück.«
»Schade, aber können wir Freunde bleiben?«
»Na selbstverständlich«, antwortete Ferdinand, »ich fliege dann öfters mal hier rüber, aber du kannst mich auch gerne besuchen kommen.«
»Wenn du jetzt fliegen kannst, sind wir doch total schnell wieder zurück. Ich klemm mich einfach an deinen Rücken und halte mich fest.«
»Das wird mir aber sicher zu schwer«, antwortete Ferdinand, »zusammen haben wir einfach zu viel Gewicht.«
»Ach, das schaffst du schon! Versuchen wir es doch«, erwiderte Roland und klammerte sich an Ferdinands Rücken.
Er spannte seine Flügel und flatterte wie verrückt, aber nichts geschah und die beiden blieben auf dem Boden.
Kapitel 3
Ferdinand, der mutige Drache
Roland ließ Ferdinands Rücken wieder los und sagte: »Dann müssen wir wohl wieder zu Fuß runter!«
Die zwei benötigten über eine Stunde zurück, obwohl sie sich beeilten.
Ständig gab es etwas Neues zu entdecken und die beiden vergaßen die Worte von Ferdinands Mutter, 'nicht zulange auszubleiben'.
Als sie zum Versteck zurückkehrten, fing seine Mama sofort zu schimpfen an: »Ich sagte doch, bleibe nicht so lange weg!«
Treuherzig sah Ferdinand sie an und erwiderte kleinlaut: »Entschuldigung, wir haben so viel entdeckt und dabei die Zeit total vergessen.«
»Sei doch nicht so streng mit ihm, Emilia«, fiel ihr sein Vater ins Wort, »er stellte ja nichts Schlimmes an und ist nur etwas später gekommen.«
Sein Papa sah so etwas lockerer und ließ vieles durchgehen, wo Ferdinands Mutter schon aus der Haut fuhr, obwohl er ansonsten der Strengere von den beiden war.
Die zwei neuen Freunde gingen wieder zum Ufer des Sees.
»Tut mir leid, dass du das mit anhören musstest.«
»Ach halb so schlimm, ich bekomme zu Hause ständig geschimpft«, erwiderte Roland, »es ist eh schon spät, ich gehe dann mal lieber heim.«
Sie verabschiedeten sich und Ferdinand kehrte wieder ins Versteck der Familie zurück.
Maxi freute es natürlich, wenn Ferdinand Schimpfe bekam.
»Na hast du wieder einen Anpfiff bekommen?«, provozierte er Ferdinand.
»Maxi höre auf, noch Öl ins Feuer zu schütten«, maßregelte ihn der Vater.
»Wann fliegen wir denn morgen nach Hause?«, fragte Ferdinand.
»Gleich frühmorgens«, antwortete sein Papa.
Nach dem Essen legten sich alle frühzeitig schlafen, um am nächsten Tag fit für die Reise zu sein.
Na ja, für Ferdinand und Maxi war es eine Reise, ihre Eltern flogen oft auf der Suche nach Essbarem noch weiter.
Als es am Morgen zu dämmern anfing, starteten sie.
Maxi saß diesmal auf dem Rücken seines Vaters.
Der Flug dauerte keine halbe Stunde und sie erreichten ihre Höhle.
»Wie sieht es denn hier aus!«, sagte ihre Mutter entsetzt, »da ist ja alles voller Ruß.«
»Ist doch klar, bei dem Feuer«, versuchte der Vater sie zu beruhigen, »das bekommen wir schon wieder sauber.«
»Wir? Das kann ich doch wieder alles alleine machen!«
»Ich helfe dir Mama«, fügte Ferdinand hinzu, in der Hoffnung, so sein Zuspätkommen am Vortag wieder auszubügeln.
»Das ist lieb von dir. Maxi hilfst du auch?«, fragte sie und sah ihn dabei erwartungsvoll an.
Der befand sich jetzt in einer Zwickmühle.
Einerseits war Maxi zum Helfen zu faul, und andererseits konnte er jetzt auch nicht 'nein' sagen.
»Natürlich«, antwortete er, obwohl man ihm genau ansehen konnte, keine Lust zum saubermachen zu haben.
»Ich lasse euch dann mal alleine und suche inzwischen für uns Nahrung«, sagte der Vater und erhob sich in die Luft.
»Dann lasst uns anfangen!«, sagte Mutter, »ich hole uns Zweigwedel und Moos.«
Nach etwa einer halben Stunde kehrte sie wieder zurück und hatte alles für eine Reinigung dabei.
Das grobe Lösen des Rußes mit den Zweigen ging ja noch, aber anschließend alles mit dem Moos nach zu reinigen, war eine Plackerei.
»Ich kann nicht mehr«, stöhnte Maxi und legte sich in den hinteren Teil der Höhle.
Ferdinand und seine Mutter schrubbten weiter. Höhere Stellen reinigte seine Mama und Ferdinand kümmerte sich um die Seitenwände weiter unten.
Als sie endlich fertig wurden, war es schon Nachmittag.
»Kommt, fliegen wir zum Bach runter!«, sagte ihre Mutter.
Maxi sprang auf ihren Rücken und die drei flogen sofort los.
Beim Gewässer angekommen, tollten die beiden kleinen Drachen umher, ihre Mutter sah ihnen dabei zu und dachte sich: »na ja, Hauptsache sie werden dabei sauber.«
Zu Beginn färbte sich das Wasser noch schwarz, aber an ihrer Haut klebte immer weniger Ruß und schließlich waren sie wieder komplett davon befreit.
»Kommt, fliegen wir wieder zurück!«
»Nur noch fünf Minuten Mama«, forderte Maxi und tauchte anschließend unter, damit seine Mutter ihm nicht widersprechen konnte.
Als sie wieder bei der Höhle ankamen, war ihr Vater schon anwesend und sagte stolz: »Seht mal in die Höhle, was ich für leckere Früchte mitgebracht habe!«
»Nur Obst, kein Fleisch?«, erwiderte die Mutter vorwurfsvoll.
»Der Wald ist ja nach dem Brand leer. Die Tiere sind doch alle geflüchtet! Schon für die Früchte musste ich ewig weit fliegen!«, antwortete der Vater, verwundert über ihre Beschwerde.
Während die beiden Elternteile noch diskutierten, aßen die zwei Jungen schon genüsslich.
»Also ich könnte so etwas ständig essen«, sagte Ferdinand zu Maxi mit vollem Mund.
»Der Waldbrand wütete bis zum nächsten Tal«, berichtete der Vater, »nur die verkohlten Baumstämme stehen noch wie aufgestellte Zahnstocher.«
»Wahnsinn, hoffentlich konnten meine Freunde fliehen!«, sagte Ferdinand entsetzt.
»Also, als ich über den Wald flog, war kein einziges Tier zu sehen.«
»Kann ich mal nachsehen, ich bin auch dabei vorsichtig. Bitte, bitte?«, bettelte Ferdinand seine Eltern an.
»Ich weiß nicht, ganz alleine?«, antwortete die Mutter.
»Ich denke schon, dass er dazu alt genug ist«, unterstützte ihn sein Vater, »lass bei ihm doch die Zügel etwas lockerer«.
»Danke Papa, ich werde auch ganz gut aufpassen.«
»Aber flieg nicht zu der Höhle bei den beiden Bergspitzen!«, rief ihm seine Mutter noch hinterher, da aber war Ferdinand schon in der Luft und außer Hörweite.
Er überflog die verbrannte Fläche und dachte dabei: »Meine Güte, das Feuer war ja riesig.«
So konzentriert er auch den Waldboden absuchte, aber da war nichts, was sich bewegt hätte.
Ferdinand flog über einen breiten Fluss und auf der anderen Seite war die Vegetation noch intakt.
»Der Fluss hatte wohl das Feuer aufgehalten!«, dachte er.
Auf der grünen Seite des Flusses landete Ferdinand am Ufer und rief nach seinen Freunden.
Aber niemand antwortete.
»Ich muss wohl weiter in dem Wald suchen, wahrscheinlich sind sie tiefer hinein geflüchtet!«
Ferdinand überflog die Baumkronen und rief ständig die Namen seiner Freunde.
Dabei war ihm nicht klar, wie weit er schon in das Gebiet der Datschas vorgedrungen war, die größten Feinde der Drachen.
Unbekümmert suchte Ferdinand nach seinen Freunden und bemerkte dabei nicht, dass er schon beobachtet wurde.
Beim Rundumblick sah er, dass es eine neue und unbekannte Umgebung für ihn war.
Dieses Tal wurde beidseitig von einer hohen Bergkette eingegrenzt und war nur an zwei Seiten offen.
Je weiter Ferdinand in das fremde Gebiet flog, umso düsterer wurde die Umgebung.
Instinktiv wollte er wieder umdrehen, aber seine Neugierde trieb ihn immer weiter.
Die Berge wurden zu grauen Wänden, die senkrecht aus dem Boden sprossen und mit Sicherheit über 200 Meter in die Höhe ragten.
Diese Felsen waren durchlöchert mit Dutzenden kleineren Höhleneingängen.
»Hier war ich noch nie. Bestimmt leben in den Höhlen auch andere Drachen. Am besten ich sehe mal nach.«
Ferdinand landete vor einem Höhleneingang und schrie hinein: »Hallo, ist da jemand?«
Keine Antwort - da dachte er: »Am besten ich sehe mal nach. Ich muss ja nicht sehr tief hinein.«
Beim Betreten dachte Ferdinand noch an nichts Schlimmes, aber je weiter er vordrang und es immer dunkler wurde, überkam ihn schließlich doch die Angst.
Er ging wieder in Richtung Ausgang zurück, der nur noch durch ein kleines helles Loch erkennbar war, als plötzlich teilweise das schwache Tageslicht durch dunkle Kreaturen verdeckt wurde.
Instinktiv versteckte sich Ferdinand in einer kleinen Nische.
»Die können zwar fliegen, sind aber sicher keine Drachen.«
Die Kreaturen gingen an Ferdinand vorbei, ohne zu bemerken, dass er sich in eine Aussparung drückte.
»Hier riecht es aber komisch!«, sagte einer von den fünf Gestalten, mit einer grässlichen tiefen Stimme.
Ferdinand wusste, diese Monster konnten nichts Gutes im Schilde führen.
Sie stoppten etwas tiefer in der Höhle und schnüffelten.
»Also, ich rieche nichts«, antwortete ein weiterer und die fünf setzten ihren Marsch fort.
Die Gestalten stanken so furchtbar, dass sich Ferdinand fast übergeben musste.
Vorsichtig schlich er zum Ausgang und das Tageslicht blendete ihn so sehr, dass er momentan nichts sehen konnte.
Seine Augen hatten sich schon so an die Dunkelheit gewöhnt, dass er anfangs alles grell wahrnahm.
Ferdinand flog schnell los und hoffte, dass ihm niemand verfolgen würde.
Nach etwa 20 Minuten überquerte er den breiten Fluss und ab hier begann das verbrannte Land.
Jetzt war Ferdinand auf der sicheren Seite und er wagte erstmals einen Blick zurück.
Aufgeregt flog er weiter und schließlich erreichte seine Heimathöhle, in der ihn seine Familienmitglieder schon erwarteten und neugierig auf seine Berichterstattung waren.
Sofort fragte ihn seine Mutter »Und, hast du deine Freunde gefunden?«
Verlegen antwortete er: »Nein, aber ich war in einer Höhle, da kamen ganz gruselige Gestalten, die furchtbar stanken.«
»Das waren sicher Datscha's. Bist du denn über den Fluss geflogen?«, fragte sein Vater.
»Ich sagte doch, fliege nicht so weit!«, warf seine Mutter vorwurfsvoll ein.
»Entschuldigung, aber auf der anderen Seite des Flusses war der Wald noch intakt und ich dachte, wenn sie fliehen mussten, dann in diesen Wald.«
»Wie sollten sie denn den breiten Fluss überquert haben?«, fragte ihn sein Vater, »wenn sie schon in diese Richtung flohen, dann höchstens am Ufer des Flusses entlang.«
»Auf jeden Fall fliegst du nicht mehr alleine so weit!«, maßregelte ihn seine Mutter erneut.
Kapitel 4
Ferdinand, der mutige Drache
Ein neuer Tag begann und Ferdinand konnte in dieser Nacht kaum ein Auge schließen, da er ständig an die grässlich aussehenden Datscha´s denken musste.
Er wollte so gerne noch mehr über diese Ungetüme erfahren, aber ihm wurde ja verboten, nochmal alleine in dessen Gebiet zu fliegen.
»Was mache ich nur? Den Roland kann ich nicht mitnehmen. Er kann ja nicht selbst fliegen und mit ihm 'huckepack', geht es auch nicht. Am besten, ich besuche meinen Cousin Yorick und frage ihn.«
Ferdinand gab seiner Mutter Bescheid und flog anschließend los.
»Richte einen schönen Gruß aus!«, rief sie ihm noch hinterher und Ferdinand antwortete, »Mach ich.«
Ferdinand musste zwei Berge überqueren und konnte auf der kompletten Strecke nur verbranntes Gehölz sehen.
»Hoffentlich sind sie in ihrer Höhle!«
Ferdinand landete am Höhleneingang seiner Verwandten und rief nach ihnen, bevor er diese betrat.
»Onkel Arthur, Tante Aleen, seid ihr zu Hause?«
»Wir sind hier hinten«, antwortete eine Stimme, die sich nach seiner Tante anhörte.
Er betrat vorsichtig die Höhle, bis sich seine Augen den dunklen Lichtverhältnissen angepasst hatten.
Als Ferdinand um eine Biegung trat, sah er, wie die Familie gerade aß.
»Hallo Ferdinand, was treibt dich denn hier her?«, fragte ihn seine Tante.
»Ich muss etwas mit Yorick besprechen. Ach ja, ich soll euch einen schönen Gruß von meiner Mutter ausrichten.«
»Danke, sag auch einen zurück. Wir haben gerade zu Essen angefangen. Setze dich doch zu uns und nimm dir etwas!«, forderte ihn seine Tante auf.
»Danke, aber ich bin doch Vegetarier und außerdem haben wir schon gegessen. Ich warte auf Yorick vor der Höhle.«
Etwa 15 Minuten musste Ferdinand warten, bis Yorick herauskam.
»Was gibt's denn?«, fragte er und leckte sich zufrieden seinen Mund.
»Kommst du mit mir über den Fluss, in das Gebiet der Datscha's?«
»Wann denn?«
»Am besten jetzt gleich.«
»Da muss ich erst meine Eltern fragen.«
»Sage aber nicht, dass wir zu den Datscha's fliegen wollen.«
Etwa fünf Minuten später kehrte Yorick wieder zurück.
»Ich sagte ihnen, wir fliegen zu dir«, und die beiden erhoben sich in die Luft.
»Bist du sicher, dass ins Reich der Datscha zu fliegen, eine gute Idee ist?«, rief Yorick.
Ferdinand antwortete lautstark: »Schon alleine in die Richtung zu fliegen verbot mir meine Mutter. Aber wenn wir vorsichtig sind, wird uns schon nichts passieren.«
Sie überquerten den breiten Fluss.
»Ab jetzt müssen wir vorsichtig sein. Am besten du bleibst hinter mir!«, wies Ferdinand seinen Cousin an.
Dicht über den Baumkronen hofften sie, unentdeckt zu bleiben, was sich aber als ein Irrtum herausstellte.
Späher hatten sie schon längst entdeckt, aber verfolgten die zwei nur mit ihren Blicken und gaben keine Alarmrufe.
Die beiden sahen, wie drei dunkle Kreaturen in einem Loch an der Bergwand verschwanden.
»Da vorne ist der Eingang zur Höhle der Datscha's«, rief Ferdinand leise, »besser wir landen hier!«
Bei einer Lichtung, von der man gut den Höhleneingang einsah, landeten sie auf dem Boden und beobachteten ihn konzentriert.
Die drei dunklen Gestalten kamen wieder zum Vorschein, standen kurz auf dem Vorsprung des Höhleneinganges und flogen anschließend über den Berg.
»Komm Yorick, das ist jetzt unsere Chance!«
Schnell starteten die zwei und flogen direkt zum Höhleneingang.
»Halte dich an mich, ich war schon mal hier!«, sagte Ferdinand und schlich voraus.
Ihre Augen benötigten wieder etwas Zeit, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
»Hier habe ich mich das letzte Mal versteckt«, und Ferdinand deutete dabei auf die kleine Nische.
Kaum hatte er es ausgesprochen, hörten sie Stimmen aus Richtung des Höhleneingangs.
Sie sahen vor und erblickten die drei Gestalten, die zuvor weggeflogen waren.
Ferdinand und Yorick quetschten sich zusammen in die kleine Nische, die eigentlich gerade mal Platz für einen von ihnen bot.
Die drei Kreaturen marschierten an ihnen vorbei und bemerkten sie dabei nicht, aber der Gestank der drei roch so furchtbar, dass es Yorick würgte.
Die drei Gestalten blieben stehen und der Mittlere von ihnen fragte laut: »Wer ist da?«
Yorick bekam so sehr Angst, dass er in Richtung Ausgang flüchtete.
Ferdinand blieb zitternd in der Nische zurück.
Nicht, dass er nicht auch fliehen wollte, aber Ferdinand war starr vor Angst und er konnte sich einfach nicht bewegen.
Yorick sah sich schon davonfliegen und war sich seiner Flucht sicher, als beim Höhleneingang zwei weitere der grässlichen Kreaturen landeten.
Er versuchte, ihnen noch auszuweichen, aber wurde dann doch von diesen scheußlichen Gestalten geschnappt.
Auch sein ständiges Feuer speien, machte den Kreaturen anscheinend nichts aus.
Aber das erhellte die Höhle und Ferdinand konnte nun die abscheulichen Wesen genauer sehen.
Er gab sich alle Mühe still zu halten, jedoch sein Herz pochte wie wild und er zitterte am ganz Körper.
Die fünf führten Yorick noch tiefer in die Höhle.
Als sie an Ferdinand vorbei gingen, wurde ihr Gestank wieder so intensiv, dass er sich die Nase zuhalten musste, um nicht ebenfalls zu würgen.
Jetzt musste er handeln, denn Yorick geriet durch ihn in diese Lage.
Ferdinand schlich vorsichtig weiter ins Höhleninnere und konnte jetzt vor Dunkelheit fast gar nichts mehr sehen.
Die Augen dieser Datschas mussten lichtempfindlicher sein, denn sie gingen zielsicher den finsteren Tunnel entlang.
Um eine Biegung getastet, sah Ferdinand etwa 100 Meter von ihm entfernt, wie der dunkle Gang zu einem großen Hohlraum führte, der durch fackelndes Licht erhellt wurde.
Er näherte sich diesem und konnte tiefe Stimmen wahrnehmen.
Als Ferdinand ängstlich um die Ecke schielte, sah er seinen Cousin kniend vor einer dicken, hässlichen Gestalt.
»Junges Drachenblut soll sehr schmackhaft sein und deines wird das Erste sein, das ich trinken darf.«
Ferdinand schauerte es am ganzen Körper, als er das hörte.
Jetzt wusste er, Yorick war in
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 13.05.2022
ISBN: 978-3-7554-1369-1
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Impressum
Titel
7 wunderschöne Tiermärchen©.
Autor:
Albert Christian Angermeier ®
84518 Garching
a.c.angermeier@web.de
www.acangermeier.wixsite.com/website
Alle Handlungen und Namen sind frei erfunden