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Der kleine grüne Elefant

Es lebte einmal, in einem weit entfernten Land, ein kleiner Elefant.

Er war kein gewöhnlicher Elefant. Der arme kleine Elefant namens Cloudy war nicht wie andere Elefanten grau, nein, er war von grüner Farbe. Ein schönes grün, grasgrün.
Und er hatte ein weiteres Handycap: sein Rüssel war vieeeeeel zu lang.
Seine Eltern und Geschwister liebten ihn. Aber sie merkten leider nicht, wie sehr Cloudy unter seinem „Anders sein“ litt.

Und so lebte er ein Leben, das anders war.

Eines Tages lag er wieder einmal im tiefen, grünen Gras. Er hatte seinen Rüssel versteckt, hatte seine Vorderbeine über den Kopf geschlagen, und weinte.
Obwohl er zu Hause geliebt wurde, konnte er seinen Gefühlen nicht freien Lauf lassen, konnte nicht traurig sein, nicht wütend, und weinen konnte er dort auch nicht.

„Ein kleiner starker Elefant weint doch nicht.“ Niemand fragte jedoch, warum er weinte. Alle sagten, „komm, ist doch schon gut, jetzt wird aber nicht mehr geweint“. Es war ja wirklich gut gemeint. Also hörte er auf zu weinen, setzte seine Maske auf, lachte, und fraß seinen Kummer in sich hinein. Wenn er konnte, ging er danach auf seine Wiese. Dort durfte er traurig sein, dort durfte er weinen. Niemand sah ihn, niemand hörte ihn dort.

Eines Tages musste auch der kleine grüne Elefant in die Tierschule gehen. Und immer öfter wurde Cloudy dadurch mit seinem „Anders sein“ konfrontiert. Zunehmend häufiger flüchtete er auf seine grüne Wiese, wo sich der kleine grüne Elefant im hohen Gras verstecken konnte. Dort, wo ihn niemand sah, und ihn niemand hörte, konnte er weinen, traurig sein, nachdenken. Die anderen Tiere lachten über seine Farbe, über seinen langen Rüssel, und auch über seinen dicken Elefantenhintern, den er sich in seinem Kummer angefuttert hatte.

Cloudy grübelte zeitweise Stunden, Tage darüber, warum er so anders war, und dadurch so leiden musste. Aber eine Antwort fand er nicht. Also lebte er weiter, und litt – still und unbemerkt.

Seine Mutter, sein Vater, seine beiden jüngeren Geschwister und die Großeltern liebten und mochten ihn. Er war ein braver Elefant, machte, was seine Eltern wünschten, half seinen Geschwistern und benahm sich immer gut.

In der Schule war der grüne Elefant ein guter Schüler. Er schrieb gute Noten, war aufmerksam, arbeitete im Unterricht mit, machte auch niemals Ärger. Er war hilfsbereit, sehr sorgfältig und enorm ehrgeizig. Daher war der dicke Elefant bei seinen Mitschülern als „Streber“ auch sehr unbeliebt. Sie lachten, wenn er mal wieder über seinen langen Rüssel stolperte, oder im Sportunterricht keinen Purzelbaum schlagen konnte, wegen seines Elefantenhinterns. Trotzdem wurde er durch seine Hilfsbereitschaft sehr oft ausgenutzt. Er hoffte immer, so Freunde zu finden, aber leider war das Gegenteil der Fall.

Der arme kleine Cloudy stand oft am Rande des Schulhofes, mit Tränen in den Augen. So gerne wäre der kleine Elefant auf seine Wiese gerannt – aber die war weit weg, unerreichbar. Und so blieb ihm nur eines, tapfer sein, durchhalten, und sich eine dicke, grüne Elefantenhaut zulegen.

Er hasste die Pausen. Viel lieber wäre ihm Unterricht am Stück gewesen, um früher nach Hause zu kommen, um sich nicht so alleine fühlen zu müssen. Daheim war er nicht alleine, und dort war es auch nicht weit bis zu seiner geliebten Wiese.

Nach den Hausaufgaben und den anderen Verpflichtungen flüchtete der Elefant mit dem langen Rüssel oft an seinen sicheren Ort.

Eines Tages erlebte er dort etwas, dass er noch nie erlebt hatte.

Wieder einmal lag Cloudy im tiefen grünen Gras, war traurig, war wütend, und weinte. Die Tränen liefen ihm am langen Rüssel hinunter, er schluchzte laut.

Plötzlich hörte er eine Stimme: „Hallo, da jemand?“ Er schwieg, antwortete nicht, und verkniff sich das schluchzen. Wieder die fremde Stimme: „Hallo, bist du?“ Er hörte das Gras rascheln. Das Geräusch wurde lauter, kam näher. Der arme Cloudy bekam große Angst. Er grub den Kopf ins Gras, legte sich ganz flach auf den Boden, und hoffte, dass dieser „Jemand“ ihn nicht fand.
Plötzlich erschrak er. Neben ihm tauchte ein kleines Krokodil auf. Er schrie laut „Aaaaaaah!“
Das Krokodil versuchte ihn zu beruhigen: „Nicht Angst haben, bin nur ein Krokodil. Mein Name ist Bonny. Ich tu nichts. Warum du weinst?“ Der grüne Elefant war wütend, zornig, verärgert – nicht auf das Krokodil, nein, auf sich selbst. Jemand hatte ihn gesehen, als er seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Und das war schlimm. So schlimm, dass er das Krokodil anschrie: „Lass mich in Ruhe, ich will dich nicht sehen!“
Doch Bonny ließ sich nicht abwimmeln. „Was los?“ Cloudy merkte, dass das Krokodil nicht gehen wollte. Es interessierte sich wirklich dafür, warum er weinte. Ein komisches Gefühl für ihn. Auf einmal blickte Cloudy dem Krokodil in die Augen: „Du bist ja ein hell
weißes Krokodil!“ „Ja“, sagte Bonny, „weiß ich.“
Der Elefant fragte: „Gehst du nicht zur Schule?“ „Doch, aber gehe noch Sprachschule. Muss deutsch lernen. Bin kein deutsch Krokodil, komme aus Türkei.“ Und wieder kam die Frage: „Warum du weinen?“

Cloudy begann zu erzählen: „Nun, schau mich an.“ Er stand auf, und zeigte sich in seiner vollen Größe. „Sieh dir meinen Rüssel an, er ist viel zu lang. Ständig falle ich über ihn. Und dann meine Haut. Ich bin grün. Grün sollten eigentlich Frösche, und auch Krokodile sein. Nicht aber Elefanten. Elefanten sind grau! Seit ich zur Schule gehe, werde ich deshalb gehänselt, geärgert, verspottet und ausgegrenzt.“ Ihm standen wieder die Tränen in den Augen. Die Hänseleien taten ihm sehr weh. „Und weil ich immer gehänselt werde, habe ich mir einen dicken Elefantenhintern angefuttert. Und nun werde ich auch noch wegen meines Hinterns beleidigt und abgelehnt.“ Er weinte und schluchzte nun wieder bitterlich. Bonny ging zu ihm, und fragte, ob er ihn mal in den Arm nehmen dürfe. Cloudy nickte, und das weiße Krokodil umarmte ihn, und sagte: „Ich dein Freund sein!“ Der grüne Elefant wischte sich die Tränen ab, und fragte: „Wirklich?“ „Ja. Komm mit zu Papa und Mama“, sprach Bonny. Und so ging der kleine Elefant mit zu Bonnys Eltern. Die freuten sich über den Besuch des neuen Freundes. Als sie sagten, dass Cloudy jederzeit willkommen sei, folgte ein glückliches „Törööööööööh“.

Nun bat Cloudy das kleine weiße Krokodil, doch mit zu seinen Eltern zu kommen. Obwohl es schon spät war, nickten Bonny’s Eltern, und er folgte dem kleinen grünen Elefanten.

Seine Eltern freuten sich darüber, dass ihr kleiner Elefant endlich einen wahren Freund gefunden hatte…


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Tag der Veröffentlichung: 23.12.2010

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