Auf der Fähre vom Bahnhof Barreiro nach Lissabon sorgen Florians Joints für einen anhaltend hohen Rauschpegel. Am Praça do Comércio kommt neuer Bobel dazu. Ich gehe wie auf dickem Teppich und springe einem nach dem anderen um den Hals. Christian knutsche ich auf den Hals, Florian auf das stoppelige Kinn, Nina auf die Wange, Oliver auf die Stirn und Britta auf den Mund. Freunde, mit denen man alles teilen kann, sind mehr wert als alles Gold der Welt.
Der Bahnhof Santa Apolonia ist rustikaler, als ich ihn in Erinnerung habe. Vor den Fahrkartenschaltern lange Schlangen. Nachtzug – das hat inzwischen etwas Anrüchiges. Die letzte Fahrt von Madrid nach Lissabon bedeutete den Anfang vom Ende der Distanz.
Vor uns liegen nun zehn Stunden, in denen wir weitere Grenzen überschreiten können. Ob mir das als einzigem bewusst ist? Ein ganzes Abteil kostet uns pro Person umgerechnet 15 Mark mehr – billiger als ein Bett in der Jugendherberge, aber teurer als ein normaler Sitzplatz.
Das ist der Moment, in dem die Weiche gestellt wird. Wohin fährt der Nachtzug? Die Entscheidung treffen Oliver und Nina. Wie schön, dass es sie gibt.
Der Protest von Christian fällt schwach aus, und Britta runzelt nur die Stirn. Barzen in der Bahnhofstoilette. Christian ist Trumpf. Kann mir die Karten nicht merken. Haben wir das letzte Spiel schon beendet, oder muss ich erst reizen?
Skat ist so ein lustiges Spiel.
Kurz vor der Abfahrt knurrt der Magen vergebens. Der Wagen ist eng, die Betten niedrig. Nur die Liege in der Mitte lässt sich hochklappen, so dass man wenigstens sitzen kann. Viel Raum zum Agieren ist nicht. Die Tür zum Gang hat keine Glasscheiben und einen Riegel, den von außen nur der Zugbegleiter mit einem Vierkantschlüssel betätigen kann.
Unser Gepäck verstauen wir unter den Betten und auf den oberen Liegen, die bereits mit einem dünnen, weißen Laken bezogen sind. In einem nadelfeingestreiften Bezug steckt eine kratzige Wolldecke, auf der ein taschenbuchgroßes Kopfkissen lauert.
Die Klimaanlage rauscht, im Waggon herrschen arktische Temperaturen. Kein Problem für Oliver, der mit schnellem Blick den Regler über der Tür findet und für Wärme sorgt. In der Dämmerung rumpeln die Vororte von Lissabon vorbei.
Wir sitzen uns gegenüber. Christian zwischen Nina und Florian, ich zwischen Oliver und Britta. Atempause. Nina grinst ihr Meg-Ryan-Lächeln von einem Ohr zum anderen mit viel Zahn und ganz wenig Auge. Chris zwinkert mir zu. Unsere Beine berühren sich zwangsläufig in der Mitte des Ganges.
»Also, wir tun so, als hätte jeder einen Wunsch frei, den die anderen erfüllen müssten.«
»Ihr seid so doof mit euren Fantasien. Können wir das nicht einfach lassen?«, stöhnt Nina ungehalten.
»Und wenn niemand außer uns erfährt, dass daraus Realität geworden ist?«
»Chris«, motzt Nina und schlägt ihrem Freund locker auf die Schulter.
»Warum denn nicht? Du kannst deine Fantasie doch auch ausleben.«
»Ich hab keine Fantasien. Na und? Es muss doch nicht jeder diese Fantasien haben.«
»Doch, hast du. Hast du mir gestern selbst gesagt.«
»Chris! Das war unter uns.«
»Sie hat dir ihre Fantasie erzählt?«
»Nein, sie hat gesagt, sie hätte eine, aber die würde sie nicht ausleben, weil man das nicht macht.«
Innerhalb einer Sekunde bricht der Sturm los und wir springen auf, bestürmen Nina mit der Frage nach ihrer Fantasie, knuffen sie gegen die Schulter, zerzausen ihr das Haar. Florian stopft seelenruhig weiter Tabak in eine Tüte aus Zigarettenpapier, als gehe ihn das alles gar nichts an.
Britta drängt sich an mich, Christian greift Nina an die Brüste und Oliver kitzelt Nina in den Kniekehlen, während ich mich wundere, dass Nina überhaupt eine Fantasie hat. Dabei werden wir immer lauter, offensiver und unnachgiebiger, bis Nina endlich einlenkt.
Wie ein gerupftes Huhn hockt sie auf ihrem Sitz, außer Atem und das Gesicht hochrot. Ich lehne mich zurück. Britta kichert. Ihr T-Shirt ist verrutscht und gibt den Blick frei auf einen erregten Nippel.
Nina seufzt. »Okay, okay.«
»Komm, Nina«, drängt Britta. »Ich hab euch auch alles erzählt.«
Sie druckst noch herum, doch ihr Widerstand ist gebrochen.
Räuspernd richtet sich Nina auf.
»Aber ehrlich«, unterbricht sie Florian bei der ersten Silbe. Mit einem Feuerzeug erhitzt er einen Klumpen Haschisch und reibt Krümel davon in seinen in der Mitte gefalteten Personalausweis, in dem der Tabak einer aufgebrochenen Zigarette liegt.
»Natürlich«, motzt Nina zurück, beginnt wieder mit vielen langgezogenen Vokalen und kann vor lauter Grinsen nicht aus den Augen blicken.
»Ich wünsche mir, ich könnte Britta mal mit dem Mund. Ihr wisst schon, ich würde sie gerne lecken.«
Bamm. Die Beschleunigung presst uns in die Polster. Moral entsteht im Kopf. Barrieren schaffen wir. Warum nicht das Gleis wechseln, dem Zug eine andere Richtung geben? Während Britta rot wird, hebt Nina jammernd die Hände über den Kopf. »Ist das peinlich.«
Zwischen den Zähnen die Blättchen, in den Fingern ein Filter aus gedrehter Pappe, schüttelt Florian den Kopf. »Du hist ho verknennt.«
Nina lässt resigniert die Arme sinken. Britta zuckt schüchtern mit den Schultern. »Ist doch nur eine Fantasie, oder?«
Der Zug rattert über eine von fünfhunderttausend Schwellen auf dem Weg nach Madrid. In das Portugiesisch auf dem Gang mischt sich empörtes Englisch.
Von zehn Stunden vergehen wertvolle Sekunden.
»Und was ist deine Fantasie, Chris?«, fragt sie. Nina winkt ab.
»Der kommt doch eh wieder mit dem gleichen Mist. Ich will das mit dem Popo nicht.«
Oliver beugt sich vor und haut ihr mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. »Oh Nina, entspann dich mal. Lass ihn erzählen. Der hat sicher noch ein paar andere Fantasien.«
Hat Chris bestimmt. Erst räuspert er sich, zieht ein paar Vokale in die Länge, kratzt sich am Ohr und sagt in meine Richtung. »Ich würde gerne…«
Nina hebt wie zum Einspruch die Hand. »Es geht hier aber weiter um Fantasien, oder? Für den Kopf, nicht die Realität.«
Chris blickt in die Runde, Meg Ryan grinst unsicher. Überzeugender können fünf Menschen nicht nicken und »Jaja, natürlich« murmeln. Zehn Stunden, in denen wir weitere Grenzen überschreiten. Nicht nur mir ist das bewusst. Britta krallt ihre Hand in meine Hand. Ihre Hand ist warm und feucht. Zehn Stunden, um zu verhindern, dass ich den Rest meines Lebens Sandkörner zähle. Langsam schwindet die arktische Kälte aus dem Abteil.
Vor der Tür poltern andere Fahrgäste lautstark diskutierend durch den Gang. Portugiesisch hört sich immer noch an wie falsches Spanisch.
»Ich hab nur gesagt, ich würde gerne mal wissen, wie das ist, einen, ich meine, ihr wisst ja, wie das ist, wenn man sieht, wie einem, also, wenn Nina einen bläst, dann frage ich mich natürlich, wie das für sie so ist. Mehr hab ich nicht gesagt.«
Konkrete Hilfe kommt von Gegenüber. »Du willst mal einen Schwanz lutschen.«
Christian errötet wie ein Schulmädchen. Seine Hände knetet er im Schoß.
»Ist doch nicht schlimm«, sagt Oliver tröstend, als hätte sich Christian bei dem Versuch, das Radfahren zu lernen, das Knie aufgeschrammt. Florian schüttet aus seinem gefalteten Personalausweis die letzte Mischung von Tabak und Bobel in die Tüte und sagt trocken: »Das sollte sich doch machen lassen. Ich würde mich zur Verfügung stellen.«
Britta lacht, kaum ist die Röte verschwunden, erstaunlich hysterisch, mit weit aufgerissenem Mund und blitzenden Zähnen.
Jetzt hat er unsere Aufmerksamkeit. Sollte ich Florian jetzt sagen, dass ich bei ihm auch gerne mitfahren würde? Nein, ich habe meinen Wunsch geäußert. Mehr wäre unverschämt.
Zu welchen Fantasien fährt uns dieser Nachtzug, die wir bislang nicht mal unserem besten Freund sagen können?
Was passiert mit mir, dass ich sämtliche Einwände vergessen habe? Was hat mich früher davon abgehalten? Ich habe meine Freunde nie in meine Fantasien eingebunden, nur auf dieser Tour ist es anders.
Hier überdeckt ein geiler Schleier sämtliche Makel. Ihre Körper sind alle perfekt, sie sind so rund und lang, so geil und erregend, dass ich immer nur zugreifen will. So muss das Paradies aussehen. Doch Christian ist noch nicht fertig.
»Nein, nicht den von Trelkowski«, sagt er und sieht scheu zu mir herüber.
Damit habe ich nicht gerechnet, und jetzt winde ich mich vor Verlegenheit auf meinem Sitz. Nina hebt die Hand vor den Mund. Von Britta kommt nur ein leises Kichern und Florian, der gerade so etwas wie einen Korb bekommen hat, zuckt lächelnd mit den Schultern.
»Oha«, sage ich und spüre, wie meine Stimme bricht. Jetzt kommt Christian in Fahrt.
»Als deine Mutter mal reinkam, während wir bei dir Video geguckt haben, und sagte, sie will nur mal gucken, was wir so treiben, was glaubst du, woran ich die ganze Zeit gedacht habe?«
»Daran, dass wir den Film zum Glück nicht im Kino gesehen haben, weil er so langweilig war?«
Schweigend senkt Christian die Augen und kratzt einen Fleck von seinen Shorts. Vermutlich wissen nur wir beide, dass Christian noch nicht mit Nina zusammen war, als wir bei mir den Film gesehen haben.
Die letzten Industriegebäude verschwinden vor dem Fenster, der Zug nimmt Fahrt auf, das Rattern der Räder auf den Schienen wird lauter. Vor der Tür wieder Stimmen. Gleich kommt bestimmt der Schaffner.
»Und du?«, richtet Nina das Wort an Oliver. »Was ist deine Fantasie?«
»Abgesehen vom Dreier mit Britta?«
Britta winkt ab. Oliver grinst breit. »Ich hätte einen ganz einfachen Wunsch: Wenn Ralf so scharf darauf ist, mal seine verpasste Chance nachzuholen, dann muss ich sagen: Gerne doch.«
»He, das wollte ich sagen«, mischt sich Florian ein. Mein Herz bleibt fast stehen. Ich habe das seltsame Gefühl, als sei das Ganze hier nur ein Scherz, als würde gleich der Schaffner mit einer Karnevalströte durch die Tür springen, Konfetti werfen und ‚April, April’ rufen, bevor wir alle ins Bett gehen und jeder für sich Madrid entgegenschaukelt.
Und tatsächlich öffnet sich nach einem raschen Klopfen die Tür und der Kontrolleur betritt unser Abteil. Wir zeigen ihm die Tickets, die Reservierung und die Pässe, die er mit dem Versprechen einkassiert, sie dem Zoll zu zeigen und uns am Morgen vor der Ankunft in Madrid wieder auszuhändigen.
»Und jetzt?«, fragt Nina, als der Schaffner das Abteil verlässt. Oliver schließt den Riegel, Britta den Vorhang vor dem Fenster. »Jetzt was?«
Florian lässt sein Feuerzeug klicken. »Jetzt barzen wir erst mal.«
»Und dann?«
»Spielen wir Strip-Schwimmen.«
»Jetzt reicht es aber«, blökt Christian. »Das war doch nur dummes Gequatsche, oder nicht?«
Zögern, Kichern, verlegenes Grinsen. Er blickt zu mir, zu Oliver, zu Britta, und keiner stimmt ihm zu.
»Oder nicht?«
Schweigen ist auch eine Antwort.
Der Joint wandert von Florian über Nina, die tief inhaliert, zu Christian. Oliver zieht mit einem befeuchteten Mittelfinger eine Sabberspur knapp unterhalb der Glut einmal rund um die Zigarette über das Papier. Dann klemmt er die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger, macht eine hohle Faust und zieht die Luft zwischen den Daumen in den Mund.
Grinsend lehnt er sich zurück und studiert sein Blatt. Florian kichert, Christian runzelt die Stirn, brummt und kratzt sich am Kopf.
Endlich gibt mir Oliver die Tüte. Die Spielkarten in meiner Hand fühlen sich viel glatter an als sonst. Ich ziehe den Rauch tief ein und behalte ihn in der Lunge, bis meine Augen sich anfühlen, als wollten sie von innen verglühen.
Die Wirkung setzt unmittelbar ein. Meine Hände verlieren an Gewicht, mein Kopf kribbelt, auf meiner Zunge spüre ich ein Kichern. Ausziehen, alles ausziehen und nackt sein.
Britta barzt mit geschlossenen Augen, weil ihr der Rauch ins Gesicht steigt, hüstelt, wedelt sich vor der Nase und reicht die Tüte weiter an Florian. Ich stehe auf und drehe die Temperatur der Klimaanlage weiter hoch. Mein Blatt ist leider viel zu gut, um mich ausziehen zu müssen.
Nina legt zwei Asse und eine 7 auf die aufgedeckten Karten, darunter ein drittes Ass, und ruft triumphierend: »Blitz! Alle haben verloren!«
Ungläubiges Staunen, Protest, Motzen, Lachen. Nina schwankt, kichert und gluckst. »Okay, erst das T-Shirt. Wer fängt an?«
»Christian.«
»Ich? Wieso ich? Trelkowski soll anfangen.«
»Hömma, hömma, ich hab’s«, sagt Florian, starrt in die Runde. Alle starren zurück. Quietschend bricht er in Lachen aus und windet sich auf seinem Sitz.
»Oh, Koffer, hör auf und zieh dein Hemd aus.«
Nina ist wieder am Zug. Sie schwankt, hält die Luft an und bläst Christian den Rauch in den geöffneten Mund. Christian ist so ein Witzbold, so lustig, so, ach ja.
»Mach du doch«, erwidert Oliver, krallt sich den Joint und schwebt auf seinem Platz an der Tür.
Britta kichert bekifft und albern, als wüsste sie nicht genau, was da gerade mit uns passiert.
»Oliver ist am Zug«, sage ich und kichere. Ob die anderen das auch merken? Wie komisch das ist? Im Zug am Zug zu sein?
»Feiglinge«, flüstert Nina undeutlich und zieht sich das T-Shirt in einer schnellen Bewegung über den Kopf. Sie trägt natürlich keinen BH. Die Nippel auf den perfekten Titten sind aufgerichtet.
»Oh, du doch nicht, du hast doch gewonnen«, dröhnt Christian.
»Egal.« Ich springe förmlich aus meinem T-Shirt, die anderen zögern ebenfalls nicht länger.
Nina fragt: »Britta?«
Nina fragt erneut, oder hat sie noch gar nicht gefragt? Hat Britta schon geantwortet? Mit einem Nicken genehmige ich diese Reise.
Britta kichert wieder, wischt sich eine Strähne aus den Augen, und zieht das T-Shirt über den Kopf. Der Nachtzug schwankt. Klackklackrumms, klacklackrumms.
Auf dem Weg nach Madrid zu dritt, nein zu sechst. Sex zu sechst. Vorsicht, Bahnübergang.
Beim Mischen kichert sie albern, schwankt von einer Seite zur anderen. Warum dauert das so lange? Sie schläft ja gleich ein. Ich habe zwei magere 17 Punkte, tausche gegen 27, und diesmal ruft Oliver Blitz, legt zwei Asse auf die zwei Neuner und das dritte Ass. Unglaublich.
»Jetzt die Hose«, sagt Nina. »Wer fängt an?«
»Hömma, hömma, ich hab’s«, sagt Florian, starrt in die Runde. Alle starren zurück. Quietschend bricht er in Lachen aus und windet sich auf seinem Sitz. Hat er das nicht eben schon gemacht?
»Oh, Koffer, hör auf und zieh deine Hose aus.«
»Mach du doch«, erwidert Oliver, krallt sich den Joint und schwebt auf seinem Platz an der Tür. Seine Worte jucken herrlich subtil in meinem Hirn.
Sie hebt den Hintern an, greift in den Bund und zieht sich die Dreiviertelhose herunter. Ihr Höschen ist fliederfarben. Das von Britta ist blau. Unsere Klamotten fliegen durch das Abteil. Der Zug fährt rumpelnd über eine Weiche. Die Notbeleuchtung über dem Ausgang wird zum Weichzeichner.
Im Vorhang vor dem Fenster zeigt sich nicht die kleinste Lücke. Christian kontrolliert noch einmal den Riegel an der Tür. Jetzt sind alle bis auf die Slips nackt. Bei uns Jungs sind die Beulen zwischen den Beinen unübersehbar. Florian ist dran.
»Hat sich schon mal einer motgetisch«, sagt Christian. Ich habe die 10, Dame und König in Pik. Das ist mein Spiel. Wir schaffen es eine Runde ohne Blitz, bis Florian an der Reihe ist.
»Hömma, hömma, ich hab’s«, sagt er, starrt in die Runde. Alle starren zurück. Und dann legt er drei Asse auf den Rucksack, der uns als Tisch dient.
Proteststürme wehen durch das Abteil.
»Ausziehen«, ruft Nina, und niemand zögert. Spielkarten flattern durch das Abteil, Boxershorts hinterher. Springmesser sind nichts dagegen. Plötzlich bin auch ich nackt. Das dünne, weiße Laken auf der Liege ist kalt am Hintern. Mein juckendes Hirn schwillt an.
»Da ist er ja wieder, Herr Long-Dong-Silver«, bölkt er. Du stehst am Bahnübergang. Der Zug rast vorbei. Spring auf, fahr mit, genieß den Trip. Die letzte Schranke hebt sich. Freie Fahrt. Wir stehen alle unter Dampf und kennen keine Grenzen mehr.
Brittas Blick flackert. Sie trägt ihren Slip noch.
»Soll ich wirklich«, fragt Britta undeutlich, noch langsamer, aber mit einem benommenen Lächeln, das um ihre Lippen spielt. Sie wirkt abwesend, in Trance. Ist sie total zu?
Ich nicke heftig. Der Joint kommt wieder zu mir. Ich höre das brennende Papier knistern, presse Britta meine Lippen auf den Mund und blase ihr den Rauch in die Lunge. Ihre Lippen sind so zuckersüß. Ich möchte ihr auf die Zunge spritzen.
Bedenken lösen sich in Rausch auf. Lust auf Kupplungen, auf gerade Schienen und auf krumme, auf Puffer und heiße Kessel. Nina springt auf, ruft Halt und ruft, ich will dich ausziehen, und ruft knie dich hin, und wirft ihr Höschen auf den Sitz. Habe ich vier Hände?
»Ich weiß nicht«, sagt Britta langsam und kichert schräg.
Sie schwebt, ihre Stimme ist Seidenpapier aus China, mit dem Fell eines Pandas. »Es ist doch nur eine Fantasie.«
Florian seufzt und lehnt sich zurück, hat Olivers Hände an seinem Ticket. Es überrascht mich nicht. Er ist einfach zu geil. Ich muss wieder kichern. Brittas rechter Fuß rutscht vom Sitz, als sie sich umdreht und auf die Bank kniet.
Meine Hände an ihren Puffern, ihre Finger an meinem Triebfahrzeug. Über ihren Po spannt sich der weiße Slip, die Knie leicht auseinander, der Rücken durchgedrückt. Rangieren, bis der Schaffner kommt.
Nina, mit offenem Mund und beiden Händen über Brittas Titten, an der Taille, auf dem Po, am Gummibund. Britta hat ihre Finger im Höschen, lächelt mich mit offenem Mund und halbwachen Augen an, die Stirn gegen die Rückenlehne, die Beine über dem kalten Linoleum, den Hintern in der Luft. Sie kichert benommen.
Lokführerin Nina gibt Vollgas. Die Beschleunigung reißt sie vom Sitz in die Knie. Im letzten Moment kann sie sich an den Resten von Brittas Uniform festhalten und sie über den Hintern bis zu den Knien herunterziehen.
Seufzend akzeptiert Britta ihre Rolle als Auszubildende bei der Bundesbahn. Mit der linken Hand überprüfe ich die Auswirkungen ihres Verstoßes gegen die Kleiderordnung.
Der Waggon schwankt, im Hintergrund das Klickerdiklack der Schwellen wie eine Filmspule, die ratternd im Projektor rotiert. Auf allen Vieren lässt sich Britta von Nina, die ihre Zunge rasch, für die Mitreisenden jedoch unhörbar, bewegt, in den neuen Job einweisen.
Plötzlich spüre ich eine Hand eines Mitreisenden an meiner Schulter. Sitze ich auf seinem Platz? Demütig knie ich mich hin und gestehe, dass ich keine Ahnung habe, wohin die Reise geht. Christian heißt auf einmal Théo und sucht unter mir nach dem Zettel mit den Zugverbindungen.
Mit dem Mund.
Holzklasse habe ich gebucht, erste Klasse darf ich fahren. Hin- und Rückfahrt, Hin- und Rückfahrt, Hin- und Rückfahrt. Vor Freude schwinden mir beinahe die Sinne.
Zézette, die aussieht wie Britta, erhält die Anweisung, ihre Position zu verändern und kommt der Aufforderung nach. Denn Sitze, sagt Thumette, seien zum Sitzen da, aber ohne Schuhe dürfe sie die Füße auch auf das Laken stellen, die Beine anziehen, bis die Knie nach links und rechts zur Seite fallen.
Zunge und Finger sind anerkannte Lehrmittel auf der Fahrt nach Fantasien. Thumette ist auch hier – jetzt wird mir alles klar.
Als Zézette den Mund öffnet, klingt es wie das Klicken eines Deckels auf einer Tube mit glitzerndem Gel. Sie zeigt mir die rote Zunge und das Weiße in den Augen. Camille, bester Freund von Jean-Pierre, bereitet die Kupplung vor, ich spüre seinen Druckluftschlauch.
Notbremse ziehen oder hoffen, dass der Schaffner berücksichtigt, dass es sich um meine Jungfernfahrt handelt? Voll das falsche Gleis. Meinen Bauch trifft Atem, und ich beuge mich vor, um Jean-Pierres Pleuelstange an meinem Gaumen zu spüren. Mach die Tür auf, nimm den Mund zu voll, schluck die Stange, tiefer, tiefer.
Der Zug schwankt, wir alle sind Passagiere auf dem falschen Gleis, wir schwitzen, stöhnen und machen die Fahrt zur Reise. Hinter mir Camille, unter mir Théo, vor mir Jean-Pierre, neben mir Brittas weit gespreizte Schenkel.
Thumette Gesicht glänzt vom Prüfungsstress. Sie schiebt Zézette einen Finger in die engere Passage. Zézette wirft den Kopf zur Seite, hechelt, seufzt, presst Stöhnen heraus wie das Warnsignal eines Zuges vor dem Tunnel.
Achtung, Tunnel.
Das kalte Gel auf meinem Hintern ist unmittelbar, der Finger sehr beweglich, der Druck überraschend. Kupplungsvorgang abgeschlossen.
Mir springen die Augen aus dem Kopf. Camilles Zug beschleunigt und verlässt den Bahnhof, fährt in den Tunnel und wieder heraus, und ich platze vor Lust, vor Gier nach mehr Gefühl im Mund. Lutschen, saugen, schlucken, nach Luft schnappen. Die Rangierarbeiten werden unübersichtlich. Wir fahren alle zweigleisig und kommen zur selben Zeit an, pünktlich, nach Plan.
Salzige Wellen branden gegen meinen Gaumen, ich komme mit dem Schlucken nicht nach, spritze selbst in Théos erste Klasse, spüre Camilles Spasmen in meinem brennenden Tunnel wie das Flackern eines lodernden Feuers, doch die Sprinkleranlage ist defekt, der Brand wird nicht gelöscht.
Der Zug schwankt, ich zittere am ganzen Körper und sacke zusammen.
Schmerzhaft grelles Licht. Auf der Sitzbank gegenüber blinzeln Christian, Nina und Florian verschlafen. Der Zug steht. In die Tür pressen sich Zollbeamte. El pasaporte, por favor, sagen sie, und Passports für alle Doofen. Ich hatte einen erotischen Traum, einen Traum wie ein Drogenrausch. Darin habe ich jemandem in den Mund gespritzt. Britta? Oder war es Christian? Verrückt.
Ich habe die verwaschenen Gesichter der Akteure in meinem Traum nie wirklich erkannt, aber ich wusste, dass es sich um Florian handelt, der eigentlich Jean-Pierre heißt.
Alle Figuren stammen aus einem meiner Bücher, in dem ich immer lese, wenn ich alleine bin. Théo hat mir einen geblasen. Und zur gleichen Zeit habe ich einen Schwanz im Arsch. Ich spüre sogar noch den leichten Druck im Hintern. Verrückt. Hoffentlich bemerkt niemand die Beule unter dem Schlafsack.
Ich fingere nach meinem Brustbeutel, in dem Reisepass und Ticket stecken und den ich von oben in meine Shorts geschoben habe. Der Kunststoff klebt an der Haut, der Klettverschluss ratscht. Die Männer gehen die Dokumente durch.
Ich zupfe nervös an meinen Fingern. Die Bilder der Orgie aus meinem Traum sind zum Greifen nah, hektische Momente der Lust, der Ekstase, trunken vor Hemmungslosigkeit und ohne Scham. Britta mit Nina und alle anderen untereinander.
Ich hatte einen Schwanz im Mund und schiele zu Florian, der sich die haarigen Arme reibt. Sein Dreitagebart ist dunkel. Affe. Wie komme ich nur darauf? Nie würde ich ihm einen blasen. Niemals.
Christian kratzt sich am Kopf, nimmt den Pass entgegen, sein Ticket. Brittas T-Shirt ist verrutscht. Mein Herz klopft plötzlich. Sie ist wunderschön, selbst um zwei Uhr nachts an der Grenze zwischen Portugal und Spanien.
Als sie den Grenzer anlächelt, möchte ich sie küssen. Was ist hier los? Sekunden später löscht der Schaffner das Licht, knallt die Tür.
Murmeln, Nina flüstert etwas, Oliver hebt seinen Gips über den Schlafsack. Wessen Füße sind das an meiner Hüfte? Christians? Ninas? Die Augen brennen. Nur schlafen.
Noch zweihundertfünfundneunzigtausend Schwellen bis Madrid. Mein Nacken ist steif. Nur noch schlafen.
Ich schließe die Augen auf und erwache aus einem Sekundenschlaf mit vielen Bildern, hektischen Gefühlen und einer ganzen Geschichte, die man nicht wiedergeben kann. Sekundenschlaf mit einer Fülle von Informationen, als hätte jemand meinen Schädel aufgebohrt und einen Film in Zeitraffer direkt auf das Hirn projiziert.
Pasaporte, Abteil, ich hatte doch, deshalb konnte ich nicht, mehr Erinnerung ist nicht da. Mein Kopf an Brittas Schulter ist klarer als noch vor ein paar Augenblicken.
Florian hat einen seltsam metallischen, kratzigen Nachgeschmack auf meiner Zunge und in meiner Kehle hinterlassen. Nach einem Räuspern bleibt das Kratzen. Meine Muskeln entspannen sich.
Was hat Britta gesagt? Wenn ich mal weiß, wie es ist, penetriert zu werden, würde ich anders darüber denken.
Wie genau hat sich Olivers Fahrt in mir angefühlt? Der Rausch ist weg, aber nicht die Lust. Es muss kurz vor der Grenze sein, und keiner gähnt. Kurz vor, wie spät ist es eigentlich?
Die Fahrt ist nie zu Ende und Grenzen sind nur in unseren Köpfen. Mehr, schneller, weiter. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Oliver sich setzt. Christian hockt mit dicken Backen auf dem Boden.
Quer über das Linoleum vor ihm zieht sich eine feuchte, milchigweiße Spur.
»Ausspucken gilt nicht«, sagt Nina. »Dann weißt du mal, wie das ist.«
Anschließend verlangt er nach Wasser. Auch ich nehme einen Schluck. Nina setzt sich, wischt sich über das Gesicht.
»Und? Wie war es?«
»Gut«, sagen Christian und ich im gleichen Atemzug. Verlegenheit folgt, Blicke zu Boden, zu Britta, die erschöpft neben mir noch immer mit gespreizten Beinen auf ihrer Koje hängt, die Hände im Schoß, die Finger dort, wo bis eben noch Nina erfahren hat, wie die Fahrt auf dem anderen Gleis schmeckt.
»Ihr verbringt einfach zu viel Zeit zusammen«, sagt Oliver. Ob er auch schon wieder kann? Florian hat seinen Platz an der Tür wieder eingenommen und dreht die Klimaanlage ganz aus. Die Luft im Abteil ist stickig, und das gefällt mir.
Es riecht nach Sex, nach Lust, nach Orgie, nach Exzess. Christian setzt sich neben Nina. Sie zieht die Beine an und stellt die Füße auf die Bettkante. Ein Zug aus der Gegenrichtung rauscht knallend vorbei. Britta erschrickt.
Kurzes Schweigen bei der Grenzkontrolle. Der Zug zischt und dampft und stampft und pufft. Hat er Verspätung? Und plötzlich wieder die Durchsage über die Lautsprecher, mit Ninas Stimme: »Also, ich bin immer noch geil.«
Britta spielt ohne auch nur die Spur einer Verlegenheit mit ihren Fingern zwischen den Schenkeln Sie hebt entrückt das Becken an wie zu einer Brücke und schiebt sich den Mittelfinger von hinten in ihren Po. Nina auf der anderen Seite des Abteils, die Beine ebenfalls gespreizt, macht es ihr nach.
Beide Öffnungen werden penetriert, gefolgt von hohem, atemlosem Seufzen. Oliver hält sich die leere Hand an die Lippen und imitiert einen Zug vom Joint.
Florian flüstert ihm etwas zu, sie kichern. Der Zug nimmt nach der Grenze wieder Tempo auf. Jetzt wird die Fahrt wirklich schnell. Nächster Halt: Fantasialand.
Britta holt Luft, sieht mich an.
»Bitte, macht’s mir, jetzt. Du und Koffer, nicht Oliver.«
»Wieso nicht ich?«
»Weil ich dich hasse!«, keift sie. Speichel glänzt auf ihren Lippen. »Weil du ein Arsch bist und mich nur ausnutzt.«
Meine Hand an Brittas Schulter soll beruhigend wirken. Ihr Körper ist zum Zerreißen gespannt, ihre Arme und Hände klatschen unaufhörlich an Po, Schenkel und Bauch. Brittas Stimme wird augenblicklich sanft und beinahe kindlich.
»Du bist so anders, so viel ehrlicher«, seufzt sie und ich hoffe, dass mein Schwanz an dieser Grenze nicht stehen bleibt.
Oliver grinst, halb verlegen und betont gleichgültig. Nina zuckt hechelnd, Christian greift zu. Florian, der an einem neuen Joint arbeitet, sieht gar nicht auf, als er sich einmischt. »Und wer hat mich gefragt?«
»Als bräuchtest du eine Aufforderung«, säuselt Nina atemlos Sie hat zwei Finger im Hintern und zwei in der Möse. Feuchtes Klatschen übertönt das Rattern der nächsten hunderttausend Schwellen. Ihren Blick löst sie nicht eine Sekunde von Britta. »Dann los, macht, ich will zusehen, worauf wartet ihr?«
»Aber Koffer will ja gar nicht«, sagt Britta fast zaghaft. Grenzfall. Florian hebt den Blick und grinst. »Nicht weinen, mein Schätzelchen. War doch nur ein Scherz.«
Mein Blick geht zur Seite. Nina und Christian sehen uns zu, als seien wir zwei Comicfiguren, die vom Fernsehbildschirm in die Realität geflüchtet sind.
»Schnell«, drängt Britta. Noch immer spielt sie mit den Fingern an ihrer Möse und in ihrem Hintern. Florian nickt Oliver zu und greift nach der Tube mit dem Gleitgel. Britta hebt ein Bein auf die Liege. Ihre Knie finden links und rechts von meiner Brust auf der schmalen Sitzbank Platz. Dunkelbraune Haare fallen ihr ins Gesicht.
Jetzt wäre eine Spange gut, damit die Kamera die Lippen beim Blowjob besser zeigen kann. Sie fixiert zwischen ihren Titten hindurch meine Erektion. Langsam senkt sie den Hintern und setzt sich auf mich. Mein Schwanz gleitet mühelos bis zum Anschlag in ihre Möse. Was für ein Gefühl. Britta schließt die Augen und seufzt. Ich greife nach ihren Titten. Dann beugt sie sich vor. Jetzt ist ihr Gesicht ganz nah an meinem. Wenn ihre Augen sprechen könnten, können sie aber nicht.
Ich weiß nicht, was ich mit ihr machen soll, außer sie zurückzuweisen, weil es nicht meine Aufgabe ist, mich um unglückliche, liebeskranke Frauen zu kümmern. Fehlt nur noch die Frau vom Jugendamt.
»Und? Aufgeregt?«
»Er macht das schon richtig. Der hat doch Erfahrung.« Sie kichert. Auf welcher Seite der Grenze ist sie?
»Viel hilft viel«, sagt Florian und hockt sich hinter sie. Wie gerne wäre ich jetzt an seiner Stelle. In Brittas Blick wechseln sich Spannung und Erregung. Der Tubendeckel klickt, Florian starrt konzentriert auf Brittas Hinterteil.
Fehlt nur seine Zunge im Mundwinkel. Etwas Kühles läuft auf meine Hoden. Florian fummelt, Britta zuckt zusammen.
»Huch«, sagt sie. Ihre Augen reißt sie wieder auf. Huch. Als sei ihr der Kaffee beim Umrühren übergeschwappt. Wieder klickt der Deckel. Christian nimmt die Tube entgegen und legt sie neben sich auf die Liege. Britta reitet mich mit geschlossenen Augen, bis sich ihre Gesichtszüge entspannen und der Ritt an Schärfe zunimmt. Florian bewegt seine Hand schneller vor und zurück, Britta wird lauter.
Ich muss den Kopf ganz drehen, um die Details zu erkennen. Der Wagen schwankt. Bewegung hinter Britta. Florian zieht seine Hand zurück. »Achtung, es geht los.«
Was ich von der Penetration nicht sehen kann, entdecke ich auf Brittas Gesicht. Jeder Moment spiegelt sich in ihren Augen, auf ihrer Stirn, ihren Lippen. So gerne stünde ich jetzt hinten ihr, um es zu betrachten und gleichzeitig zu spüren.
Ungewohnt, nur zu vermuten, was sich da abspielt. Sie wartet zunächst entspannt mit geschlossenen Augen und offenem Mund. Dann kneift sie ihre Augen zusammen, bleckt die Zähne und presst ein Stöhnen hervor.
»Warte, nicht, du tust mir...«, beginnt sie.
»Wir müssen ja nicht«, sagt Florian von hinten, und sie scheint es falsch zu verstehen, denn ihre Antwort kommt viel zu schnell, ängstlich und beinahe unterwürfig. »Bitte nicht aufhören, ich …«
Die nächsten Worte gehen in einem gutturalen Stöhnen unter. Florian schiebt sich weiter vor.
»Oh, Gott«, ruft sie, hechelt und stöhnt und presst ihren Kopf in die Grube zwischen meinem Hals und meiner Schulter. Ihr Haar kitzelt.
Ich drücke meinen Hintern in die dünne Auflage der Liege und probiere mich an einem Stoß. Florian zieht sich spürbar zurück.
Jeder Zentimeter ist ein Ton höher. Vor dem eingestrichenen C stößt er ein zweites Mal zu. Auf ihrem Gesicht zeigt sich höchste Konzentration. Bei seiner nächsten Bewegung verschwinden die Falten auf ihrer Stirn.
»Gefällt dir das?«, flüstere ich. Britta öffnet die Augen. Ihre Stimme klingt gepresst. »Ich weiß noch nicht.«
»Soll ich ihm sagen, dass er aufhören soll?«
Sie schüttelt den Kopf, reißt die Augen auf und stöhnt. »Jetzt ist besser. Er ist ganz drin.«
Sie küsst mich hart, nass und fordernd, bohrt mir ihre Zunge in den Mund und reibt sich an meinem Schwanz, der so gut wie keine Fahrt aufnimmt. Dafür spüre ich Flo. Haut klatscht auf Haut. Sonjas Titten an meiner Brust, ihre harten Nippel, ihre Knie pressen sich in meine Seite, ihre Haare fallen ihr im Takt seiner Stöße in die Stirn. Die Stimme vibriert. Wohin spritze ich eigentlich?
»Oh, Gott, ist das geil.«
»Gefällt dir das?«
»Das ist so.« Luftholen. »Unglaublich.«
Das ist der Höhepunkt. Sie weiß, wie man Pornos dreht. Sie kennt es. Diese Grenze überschreiten wir gemeinsam. Und jetzt, zum Höhepunkt, kommt meine einzige Chance, und dann ist dieser Film mit Britta abgedreht, im Kasten, wie die Kätzchen. Schluss, aus, vorbei.
Flüstern. Britta scheint es in dem Moment zu ahnen, als sich Florian weiter als zuvor zurückzieht und Oliver die Tube in die Hand nimmt.
»Was macht ihr da?«
Sie stöhnt auf, und Sekunden später steht Florian an der Tür. Brittas Blick wird groß vor Schreck.
»Nicht Oliver, nicht er, ich will das nicht, nicht mit ihm.«
Sie richtet sich auf, entschlossen. Lass die Kätzchen frei, lass sie laufen, sie finden ihren Weg, sperr sie nicht zurück, hastet ein Gedanke plötzlich durch meinen Kopf, und doch halte ich sie fest umklammert. Diesen süßen Körper, dieses niedliche Gesicht.
Britta starrt mich entsetzt an, die Augen weit offen. Tür zu. Wieso muss ich so viel Kraft aufwenden? Ob Oliver oder Florian spielt doch keinen Unterschied.
Dumme Nuss, sie hat ihre Emotionen wirklich nicht unter Kontrolle. Vor ein paar Tagen noch konnte sie von Oliver nicht genug bekommen, jetzt hasst sie ihn. Meine Chance.
»Ich fänd’ es gut, wenn du es machst.«
Ich halte sie fest, verhindere, dass sie von mir herunter klettern kann. Ich möchte sie zerquetschen in meinen Armen, möchte sehen, wie sich ihr Gesicht vor Schmerz verzieht, vor Abscheu und Widerwillen gegen das, was Oliver mit ihr macht, wegen Oliver. Vielleicht hasst sie mich dann auch und ich bin wieder frei.
Mein Herz klopft. Er macht das schon.
Ihr Blick ist tiefer als ich es jemals sein werde. Ihr Körper entspannt sich. Der letzte Moment, bevor sich die Tür schließt. Oliver schiebt sich vorwärts und brummt zufrieden: »Der geht ja rein wie Butter.«
Riegel vor. Britta reißt überrascht die Augen auf, empört und voller Angst. Sie versucht vergeblich, nach vorne auszuweichen. Hass mich dafür, hass mich, ich habe es nicht besser verdient.
Olivers Stöße kommen überraschend schnell. Und wieder glättet sich Brittas gerunzelte Stirn. Ihr Mund öffnet sich, ihre Zunge schnellt hervor, bohrt sich zwischen meine Lippen. Ihre Haare werden von keiner Spange mehr gehalten. Sie sieht anders aus. Durchgefickt.
Olivers Kopf schwebt über ihrer Schulter, viel zu dicht vor mir. In seinen Augen steht die blanke Gier. Er dröhnt seinen Orgasmus durch das Abteil. Britta zuckt auf mir.
Gerade noch rechtzeitig rutsche ich unter ihrem schweißnassen Körper nach hinten, mein Schwanz gleitet aus ihr. Lippen schließen sich darum. Ich komme. Wo ist Florian? Oliver sackt auf Britta zusammen. Unglaublich.
Die Berührung am Arm erschreckt mich. Britta liegt schwer auf meiner Brust. Ihr Haar kitzelt. Christians Bein hat meinen über die Liege hängenden Arm gestreift. Nina bewegt sich von der knienden Position in die sitzende.
Die Liege quietscht und Britta hebt den Kopf, ein überraschtes Seufzen löst sich von ihren Lippen. Auf ihrer Wange glitzert es feucht. Oliver stellt sich in den Gang. Brittas Blick ist wieder viel zu tief.
»Warum hast du das zugelassen?«
»Weil es mir gefällt.«
»Musst du mich so wegstoßen?«
Wegstoßen? Sorry, Britta, aber ich kann mit deinem Problem nicht umgehen. Und irgendwie weiß ich, sehe ich an Olivers Grinsen, dass er es auch nicht kann. Niemand kann es. Wir sind alle alleine. Ich bin müde. Ich bin. Ich.
Ich schließe die Augen auf.
Ich sitze aufrecht, die Beine in den Gang gestreckt. Mein linker Arm ist eingeschlafen und kribbelt leicht, als das Blut zurückströmt. Ich habe wieder geträumt. Über der Abteiltür leuchtet gelborange das Nachtlicht.
Ich habe keine Ahnung, wie schnell wir sind. Fährt der Zug oder steht er? Es könnte ein ruhiges Stück sein, mit neuen Gleisen, auf dem der Zug schnell fahren kann, ohne zu schwanken.
Das Rattern hat aufgehört, das Schwanken.
Nicht einmal die Klimaanlage zischt noch. Fahren wir noch oder hat der Zug angehalten? Oder hat er die Schienen verlassen und fliegt nach oben, zu den Sternen, in die Unendlichkeit?
Oliver neben mir steht der Mund offen. Sein Gipsarm liegt auf seinem Bauch, die langen Beine ragen quer über den Gang auf Christians Sitz. Christian schnarcht leicht, Nina hat den Schlafsack bis zum Kinn gezogen. Ihr kurzes blondes Haar steht in alle Richtungen. Florians Kinn berührt seine Brust.
Neben mir hängt Britta auf ihrem Platz, der Kopf zur Seite gefallen. Hat sie nicht gerade noch auf mir gelegen? Ein Traum, wieder ein feuchter Traum.
Wir haben gar keinen Schlafwagen genommen, weil alle Plätze belegt waren. Oder lag es am Preis? Was hat mir Oliver in Paris gesagt? Ich habe meine Emotionen nicht unter Kontrolle? Meine Finger brennen, unter den Nägeln ist Blut.
Scheiß Träume. So viele Träume von Sex mit meinen Mitreisenden. Woher kommen die nur? Noch zweihundertdreizehntausend Schwellen bis Madrid. Mein Nacken ist steif. Nur noch schlafen.
Sind wir schon hinter der Grenze?
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2016
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