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1

Zwei Stunden von Amsterdam nach Brüssel. Im Zug spielen wir Skat, das heißt: Frank, Fabian und Gregor spielen, weil ich zu schlecht bin. Katja und Maike unterhalten sich über die Schule, über Lehrer.

In Brüssel haben wir nur eine Nacht gebucht. Ausreichend, um das Atomium, Manneken Pis und das Rathaus anzusehen. Von mehr haben wir keinen blassen Schimmer. Keiner hat an einen Reiseführer gedacht. Wir wollten uns die Informationen vor Ort holen und stoßen auf das Offensichtliche. Kein Geheimtipp, kein Sonderweg. Wir laufen in den Fußspuren Millionen anderer Touristen.

Die Jugendherberge, die ziemlich weit außerhalb liegt, hält nicht wie vorgesehen ein Familienzimmer für uns bereit. Wir müssen uns nach Geschlechtern aufteilen.

Mit uns sind noch ein paar Engländer abgestiegen, die mit viel Alkohol bewaffnet in den Fluren herumlaufen, als habe jemand eine Pille gegen den Kater erfunden. Katja und Maike tuscheln, verschwinden im Zimmer und tauchen kurz darauf wieder auf. Warum müssen Frauen immer tuscheln und ständig auf die Toilette?

Während wir auf Katja warten, zieht sich Maike ihr enges T-Shirt glatt, bis jeder Engländer auf dem Flur die Nähte ihres BHs erkennen kann. Über dem Bund ihrer Jeans wöben sich Speckröllchen. An ihrer Stelle würde ich weite Sachen anziehen.

»So eine scheiß Jugendherberge«, entfährt es mir. Maike sieht mich überrascht an.

»Die ist doch toll. Und billig.«

»Man kann sich alles schönreden.«

»Warum bist du eigentlich so negativ? Sieh es doch mal positiv.«

Ich lache. Ich kann nicht anders. Ich erinnere mich nur an das Negative, an das, was mir peinlich ist. Das verfolgt mich immerzu. Als ich im Unterricht das Falsche gesagt habe, als ich nicht zu fragen wagte, ob ich auf Toilette gehen dürfe, als ich in der Silvesternacht verprügelt wurde. Ich stell mir dann vor, was ich anders machen würde. So wie Judith und. Was noch? Frau Döring, meine Nachbarin. Und die Sache im Ferienlager. Und Anja. Hätte ich doch.

 »Ich bin nicht negativ. Ich bin nur Realist«, sage ich. »Das Leben ist nun mal Scheiße. Und wenn du Scheiße rosa anmalst, bleibt es immer noch Scheiße.«

Schließlich kommt Katja aus der Toilette. Dumme Nuss. Warum braucht die so lange?

Brüssel wirkt auf mich wie eine einzige Spekulationsruine. Unfertig, grau, trist und ungemütlich. Meine Jeansjacke müht sich vergebens, mich warm zu halten.

 »Hier hoffen alle, dass die EU irgendwann Gebäude kauft. Deshalb investiert hier niemand mehr. Die warten alle die Preissteigerungen ab«, sagt Gregor.

»Ich denke, das heißt EG?«, fragt Fabian.

»In den Maastrichter Verträgen vom 1. Februar ist beschlossen worden, die europäischen Gemeinschaften unter dem Verbund der EU zusammen zu fassen.«

»Ab jetzt?«, fragt Frank. Gregor starrt hinaus auf rostbraune Klinkerbauten, in denen bestimmt niemand mehr wohnt, so verfallen, schmutzig und unwohnlich wirken sie.

 »Nein, ab 1. Januar 1993.«

 »Und wieso redest du dann jetzt schon von der EU?«, fragt Maike.

 »Weil er ein Klugscheißer ist«, sagt Fabian und grinst dabei.

 »Weil ich von der Zukunft rede. Ich sagte: Die EU kauft irgendwann die Gebäude«, rechtfertigt sich Gregor. Ich interessiere mich mehr für das Atomium, das am Ende der Haltestelle Heyzel steht. Heyzel? Ist das nicht der Name eines Stadions? Gregor weiß die Antwort. Maike weiß nicht, wofür das Atomium steht, Gregor weiß es. Sie weiß auch nicht, wann es gebaut wurde. Er schon.

 »So was muss man sich auch nicht merken«, sagt Fabian.

 »Man muss sich gar nichts merken«, sagt Frank und dreht sich einen Joint.

Schon gar nicht, wer das Manneken Piss geschaffen hat und warum es in verschiedenen Kostümen auftritt. Wir aalen uns in unserer Unwissenheit und finden nichts Schlimmes dabei. Brüssel sehen und vergessen, einmal kurz da und schon wieder weg. Warum auch nicht, wenn Frank die Taschen voller Gras hat.

Frank sagt: »Los, ne Runde absoften...«, und wir machen das in einem Park in der Nähe der Jugendherberge. Anschließend ditschen wir um die Ecke. Wer zum Teufel ist Henry Frick? Warum hat man nach ihm einen Park benannt?

»Egal«, sagt Gregor und ich mag ihn dafür, dass er einmal etwas nicht weiß oder wenigstens nicht so tut, als wüsste er es. »Ich bin ohnehin dafür, wir sollten den Park in Joint-Garten umbenennen.«

»In die Bobel-Anlage«, schlägt Frank vor.

»In den Barz-Park«, sage ich. Maike saugt umständlich an der Tüte und Katja lehnt wieder einmal höflich ab. So kommen wir doch nicht weiter. Vor allem sie nicht.

Und bei Sonnenuntergang setzt dann der Höhenflug ein. Wir kichern uns an, sitzen auf einer Parkbank, spüren uns, sagen nichts und verstehen alles. Atemlose Oberfläche.

Aus Franks Ghettoblaster dröhnt wieder einmal Fury in the Slaughterhouse. Ich gucke durch das Plastikfester auf die rotierenden Spulen. Pure Live steht drauf und das Lied, das wir immer wieder hören, beginnt mit einem Mann, der eine Fliege fängt. Gregor erklärt wieder einmal die Songtexte. Drogenschmuggel, sagt er, und DEA. Schon okay. Sein Englisch ist einfach besser, weil er ein Austauschjahr in den USA gemacht hat. Fabian hat es nicht gesagt, aber ich glaube, er beneidet ihn auch darum.

Wir sind ein Herz und eine Seele, wenn wir nicht viel reden. Vielleicht hat sich in den letzten Monaten unser Verhältnis etwas gespannt. Das liegt sicher daran, dass er mit Maike zusammen ist.

Als ich ihn einmal fragte, wie es so sei, mit Maike im Bett, blieb er wie immer wortkarg. Kino ist daher unsere natürliche Verbindung, unser Klebstoff, die gemeinsame Welt. Dann tauchen wir ab in die Realität von Bruce Willis und Batman, von Steve Martin und Indiana Jones. Nichts ist erregender als ein Besuch im Kino. Wir gehen mindestens einmal pro Woche in die neuesten Filme.

Statt Poster von Popstars hängen in meinem Zimmer Filmplakate von Predator, Lethal Weapon, Zurück in die Zukunft, Platoon. Im Regal sind die Cinema-Hefte aufgereiht, die Filmlexika und Bücher über die besten Filme aller Zeiten, in meinem Bettkasten stapeln sich Videos. Ganz sicher macht mich Hollywood glücklicher als Burghausen.

Frank, den Maike nur Koffer nennt, Koffer von Trelkowski, bekommt einen Dreitagebart. Wieder verschwindet Katja in der Jugendherberge.

 »Sie hat ihre Tage«, flüstert mir Fabian ins Ohr. Als ob ich so eine Information brauche. Dieses Wissen belastet nur. Kurz darauf ist Katja wieder da. Ich verdränge den Gedanken an blutige Binden, Tampons, Slipeinlagen, Körperflüssigkeiten. Nichts ist unerotischer. Der Verkehrslärm verebbt hinter den Bäumen. Der Joint kreist unverdächtig. Ich bin so frei, so cool. In Brüssel, mit Fabian und Frank und Maike und Katja und Gregor. Wir sechs zusammen auf Tour, ohne Eltern und Kontrolle.

Wenn mich jemand fragen würde, wo mein Zuhause ist, würde ich immer wieder sagen: Dort, wo meine Freunde sind. Meine Mutter hat mir eine solche Aussage schon einmal übelgenommen, als eine Frau vom Jugendamt bei uns war und fragte, wo ich wohnen wolle:

Bei meiner Mutter oder bei meinem Vater. Ich sagte, ich würde gerne weiter in meine Schule gehen und bei meinen Freunden bleiben. Meine Mutter sah mich mürrisch an. »Und was ist mit mir?«, fragt sie. Ich grinste verlegen.

»Ja, natürlich. Und wegen dir.« Mein Blick ging zur Frau vom Jugendamt. Sie sah mich an, und ich glaubte, ein leichtes Nicken zu erkennen.

Meine Mutter sprach danach eine Woche lang nicht mehr mit mir.

Der Joint ist aufgeraucht. Frank will die Zigarette auf dem Boden ausdrücken.

»Nicht, das ist eine Parkanlage«, sage ich in einem Anfall von sozialem Bewusstsein. Oder weil ich mich wichtigmachen will? Man macht das nicht. In einem Park eine Zigarette auf den Boden werfen.

Gregor spottet in Franks Richtung »Drück sie doch auf der Hand aus.«

»Was gibst du mir, wenn ich das mache?«

»Ich mach es gratis«, sagte ich, schnappe mir die Zigarette und drücke sie auf dem Handrücken aus. Es ist ein kurzer Stich, wie mit einer Nadel, viel weniger schmerzhaft, als ich gedacht habe. Asche bleibt auf der Haut kleben, die sich sofort rot verfärbt.

»Was soll das denn?«, ruft Fabian und reißt meine Hand mit dem ausgedrückten Joint zurück.

»Hey, ist doch gar nichts passiert.«

Die Haut löst sich, vermutlich bekomme ich eine Blase. Na und? Der Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem in meinen Fantasien. Manchmal träume ich davon, zu fallen, in der Dunkelheit. In der Luft schweben rasiermesserscharfe Metallscheiben, und anfangs falle ich knapp an ihnen vorbei. Doch immer näher rücke ich beim Fallen an die Messer, die mir Stück für Stück etwas vom Körper schneiden.

Erst Haut, dann meine Zehen und schließlich meine Arme. Doch ich spüre keinen Schmerz. Ich falle und blute nicht einmal. Die Messer schneiden mich immer weiter in Stücke, doch das Bild hört nie auf. Es ist wie eine Endlosschleife, ich falle und werde zerschnitten, doch ich sterbe nicht.

»Bist du bekloppt? Warum hast du das denn gemacht?«

Ich zucke mit den Schultern. Keine Ahnung. Ich hatte Lust dazu. Wollte sehen, wie weh es tut. »Wusstest du, dass eine Kippe einen Kubikmeter Erde verseucht?«

  »Das ist doch Quatsch«, sagt Gregor.

Die anderen gucken mich an. Ja, fragt mich doch nach dem Grund dafür. Versucht, ihn herauszufinden. Vielleicht verstehe ich es dann auch.

 

2

 

Der Himmel ist klar, Schäfchenwolken leuchten rot im Sonnenuntergang. Ich lache uns zurück in die Herberge, wo die Engländer grölend durch den Flur torkeln. Mein Handrücken brennt. Die Blase ist da. Egal. Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt.

 Auf dem Rückweg vom Waschraum kommen mir Fabian und Maike entgegen. Hand in Hand. Mit Handtüchern über der Schulter. Maikes Titten mit Brustwarzen wie kleine Murmeln hüpfen unter ihrem engen T-Shirt über den Speckröllchen über den breiten Hüften.

Ich habe ein paar Jahre zuvor auf dem Rückweg von einer Party ein einziges Mal mit Maike geknutscht, da war ich 16 und sie 14, doch ergeben hat sich daraus nichts. Es war zwischen uns, als hätte der Kuss nie stattgefunden. Maike grinst wie Meg Ryan, und mit den kurzen, blonden Haaren sieht sie auch beinahe aus wie sie, nur fünf Kilo schwerer.

Und wie Meg Ryan kann sie nicht lüstern grinsen, das geht nicht, kein Mädchen, das ich kenne, ist dazu in der Lage. In meiner Klasse ist Sex oder Erotik geschweige denn Pornografie kein Thema. Kein Junge liest Pornos, keiner beichtet, wie häufig er sich einen runterholt oder wie es ist, Sex zu haben.

Nur die große, überschlanke Melanie stellt im Biounterricht viel zu offensive Fragen, fragt nach der analen Phase bei Kleinkindern und schreibt zum Abschied einer Mitschülerin Gedichte wie: »Losgelöst vom Klassenboden knetet Koffer seine Hoden« oder »Sehr versaut ist auch Daniel Koch, sagt’s zwar nicht und ist es doch.« Aber Melanie ist mir zu aufdringlich, zu fordernd, zu groß und zu rothaarig.

Die Haare zu glatt, die Sommersprossen zu dicht, die Brüste zu klein, die Hemden zu weit. Außerdem weiß sie gar nicht, wie versaut ich bin, zu versaut für sie. Was ich weiß, wird sie niemals erfahren. Mehr als einmal habe ich sie erfolgreich abgewimmelt, als sie nach der Schule zu mir kommen wollte, um zu lernen oder Video zu gucken.

»Viel Spaß«, sage ich, die beiden kichern nur. Diesmal kein Wichsen im Klo. Ich brauche Sex mit mir an der frischen Luft. Das letzte Licht schwindet. Ich warte ein Auto ab und überquere die breite Straße. Der Bobel-Park liegt jetzt dunkel und still.

Nur eine Laterne auf der Straße wirft gelbes Licht. Nach ein paar Schritten scheint nur noch der Mond über mir. Eichen, Weiden und Erlen in schwarzblauen Schatten. Unter meinen Schuhen knirscht der Kies.

Mit einem großen Schritt steige ich über ein Rosenbeet und lasse mich von der Dunkelheit zwischen hohen Büschen verschlucken. Ein paar Schritte weiter sehe ich kaum noch die Hand vor Augen. Ich passiere eng beieinanderstehende Eichen, taumele vor erregter Spannung. In meiner Hose pocht mein Schwanz hart und verlangend.

Nur allmählich reißt das fahle Mondlicht Konturen und Silhouetten aus der Nacht. Vor mir öffnet sich eine kleine Wiese, auf drei Seiten von hohen Hecken begrenzt, hinter mir von der Reihe Eichen.

Ich gehe nach links, hocke mich halb in eine der lichten Hecken auf den harten Boden, mache meine Hose auf und streife sie bis zu den Knien herunter. Vorsichtig hole ich mir einen runter. Im Rücken Schatten, vor mir der kleine, dunkelgrüne Streifen Rasen. Blätter streifen sanft meine Eichel.

Ich stecke mir den Mittelfinger der linken Hand in den Mund und führe ihn von hinten zwischen meine Pobacken. Langsam gleitet der Finger in die feste Öffnung. Bis über das erste Glied schiebe ich ihn in den engen Kanal und bewege ihn in meinem Arsch. Die Lust hat mehrere Potenzen. Mir wird schwarz vor Augen. Mein Körper zittert, juckt, zieht sich zusammen. Tu dir was Gutes, Daniel, wenn es sonst niemand macht. Tu dir was Gutes. Du weißt allein, wie gut das tut.

Deine Belohnung und dein Schlafmittel, dein Schlüssel, der dir das Tor zur Fantasie aufschließt. Ohne Wichsen keine Träume, und ohne Träume keine Erlösung.

In der Ferne gellt Lachen auf, Gesprächsfetzen wehen mit milder Luft heran. Schritte knirschen auf dem nahen Parkweg. Ich wichse langsamer, leiser, atme flach. Zwei verschiedene Stimmen, eine männlich, die andere weiblich. Sie lachen nicht, sie streiten wie zwei Katzen. Quengelnd. Es klingt vertraut. Sekunden später erkenne ich Gregor und Katja.

Plötzlich ist das Knirschen ganz dicht bei mir, Rascheln, Stimmen. Ich drücke mich tiefer in die Hecke und hoffe, dass in diesem Park keine Hunde erlaubt sind. Die beiden stampfen an den Eichen vorbei. Katja versucht, seine Hand zu nehmen. Ich versinke fast im Gebüsch.

Ein Ast federt zurück und gibt mir zusätzlich Tarnung. Gregor schiebt Katja weg. Sie bleiben nur drei Meter entfernt auf der anderen Seite des Rasens stehen. Er mit dem breiten Kreuz zu mir, sie die gegenüberliegende Hecke im Rücken.

»Erklär es mir, bitte.«

»Wir haben schon so oft darüber gesprochen. Ich will nicht mehr.«

»Aber ich verstehe es einfach nicht«, sagt sie und greift wieder nach ihm. Gregor weicht erneut zurück. »Gregor, bitte.« Jetzt heult sie.

»Wir sind jetzt den ganzen Weg gelaufen, nur damit wir uns hier wieder im Kreis drehen?«, sagt er und hebt die Faust, aus der sein Zeigefinger wie ein dünner Penis ragt. Katja schlägt die Hände vors Gesicht. Unter Katjas T-Shirt wippen die Titten. Ich wusste gar nicht, dass sie große Brüste hat.

Titten. Wie die der Frauen in den Pornos. Große Titten. Titten, auf die man spritzen kann. Zwischen die man seinen Schwanz legt. Titten, die beim Ficken nach unten hängen, beim Ficken von hinten. Mein Steifer presst sich warm in meine Handfläche, ich schiebe meinen Finger bis zum nächsten Knöchel tiefer in meinen Arsch und bewege ihn zappelnd. Mein Schwanz wird noch steifer.

»Was soll ich denn machen?«, heult Katja unvermittelt laut auf, nimmt die Hände vom Gesicht und ballt sie als Fäuste an der Körpermitte.

»Nichts«, sagt Gregor und dreht sich. Jetzt stehen sie beide seitlich zu mir. Katja hat wirklich große Brüste Ist mir noch nie aufgefallen. Und einen runden Hintern. Seine Worte kommen zerquetscht zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen über die speichelfeuchten Lippen. Ich verstehe ihn kaum. Sie macht einen Schritt nach vorn, versucht, Gregor zu küssen.

 »Lass es, Katja, ehrlich«, murmelt er. Die Zweige in seinem Rücken biegen sich, der erste bricht knackend. Wieder geht sie einen Schritt näher, Sehnsucht auf dem Gesicht. Gregor dreht bei einem erneuten Kussversuch den Kopf zur Seite.

»Schlaf mit mir«, fleht sie und drückt ihn weiter in das Gebüsch. Plötzlich verliert Gregor das Gleichgewicht und kippt nach hinten. Er verschwindet im Dunkelgrün der Buchenhecke. Einem überraschten Aufschrei folgt ein verärgerter Ruf.

»Gregor!«, kreischt Katja, als sei Gregor über eine Klippe gefallen. Sie hat nicht losgelassen und stürzt hinterher. Die beiden landen zur Hälfte im Busch und zur anderen Hälfte auf dem taufeuchten Rasen. Ihr T-Shirt rutscht hoch und entblößt ihren nackten Rücken.

Nie hätte ich gedacht, dass es dazu kommen könnte.

Und plötzlich höre ich das feuchte Knutschen von Küssen, Stöhnen, Seufzen, und die beiden rollen sich aus dem Gebüsch heraus auf den Rasen. Katja liegt jetzt unten und ich sehe ihre Hände an Gregors Hose, wie sie ihm den Gürtel aufmacht. Ich höre die Schnalle klimpern und den Reißverschluss knarren. Dann schiebt sie ihm die Hose herunter.

Sein weißer Hintern leuchtet im Schein des fahlen Mondes. Gregor hebt seinen Gipsarm in die Luft, als wolle er sie schlagen, aber ich glaube, dass er nur nicht weiß, wohin damit.

»Lass«, flüstert er noch, doch da hat sie sich schon umgedreht und mit einer katzengleichen Bewegung vor ihm auf den Rasen gekniet. »Ich dachte, du hast deine Tage?«

Sie greift nach hinten und zieht sich ebenfalls die Hose herunter. Und plötzlich ragt ihr nackter Po in die Höhe.

»Sind vorbei«, höre ich sie noch murmeln, als er sich zwischen ihre Beine kniet und die Schenkel auseinander drückt. Er bewegt die Hüften nach hinten. Jetzt sehe ich seine mächtige Erektion, die auf die gespreizten Halbmonde ihres Hinterns zielt. Erregung flutet durch mein Hirn wie ein Tsunami.

Ich sehe nur die gespreizten Pobacken und fange an zu sabbern. Das ist wie ein Reflex. Nichts ist geiler als ein runder Hintern. Der Finger in meinem Arsch rotiert.

Mit einer kurzen Vorwärtsbewegung bohrt er sich in sie. Ihre Antwort ist ein kehliges Stöhnen. Gregor legt seine Hände auf Katjas Hintern und beginnt, sie zu ficken. Seine Hüften treffen klatschend ihre festen Pobacken. Sie zappelt, dreht den Kopf, bettelt um einen Kuss. Gregor ignoriert sie, fickt weiter.

 »Liebst du mich?«, keucht sie unter seinen Stößen. »Du liebst mich, doch, oder?«

Ihre Worte verebben in einem lustvollen Jammern. Als er sich aus ihr zieht, glänzt sein Schwanz im Mondlicht. Federnd springt sein Steifer aus ihrer Möse. Ein letztes Mal versucht er sich an Widerstand, doch Katja drückt ihren Körper nach hinten, um seinen harten Schwanz einzufangen.

Sie macht ein Hohlkreuz, auf allen Vieren, den Kopf ganz nach unten.

»Mann, Katja«, faucht Gregor.

Mit einem kurzen Blick nach unten stößt er wieder zu. Tief dringt er in sie ein, klatschend, resignierend. Ihr Stöhnen versickert gurgelnd zwischen Laub, Moos und Erde. Seine Stöße werden schneller, tiefer, härter.

Ich habe keine Sekunde lang aufgehört zu erigieren. Mein Schwanz ist hart wie ein Stück Holz. Mit dem Finger noch immer in meinem Hintern und meiner Faust an meinem Steifen ahme ich Gregors Bewegungen vor mir nach, stelle mir vor, ich sei es, der Katja von hinten fickt, die doofe Katja, die dumme Nuss, die sich von hinten ficken lässt, ihn, den Penner, und mich niemals ranlassen würde, selbst wenn ich wollte, so wie alle anderen Mädchen mich nie rangelassen haben. Mein Herz schlägt zäh und schwer, mein Kopf dröhnt, die Lust macht mich atemlos.

Der Finger in meinem Po wird vom kräftigen Muskel umschlossen, stimuliert das Innere des engen Kanals. Ich schiebe ihn bis zum Anschlag hinein, ziehe ihn wieder heraus, ficke meinen Arsch mit dem Finger, bewege ihn und spüre reinste, pure Lust, während vor meinen Augen zwei meiner Mitschüler ficken, meine Freunde, die ich zuvor nicht einmal nackt gesehen habe.

Ficken = Lust. Ganz egal, wer da fickt.

Die Frequenz des Klatschens von Haut auf Haut nimmt zu. Er fickt sie von hinten, das Gesicht verzerrt wie ein Tier, grunzt und ächzt, hält sich dabei an ihren Hüften fest. Seine Pobacken spannen sich, entspannen sich, spannen sich. Katjas vordere Hälfte rutscht unter seinen Stößen immer tiefer in das Gebüsch. Als Gregor kommt, legt er den Kopf in den Nacken, macht zwei, drei letzte Stöße und lässt sich rücksichtslos nach vorne auf sie fallen. Sie bricht unter seinem Gewicht zusammen.

Mein Saft spritzt weit, meine Sinne schwinden. Ich bin nur noch Schwanz, nur Lust, ergebe mich ganz der Flut und kippe nach hinten. Sterne ergießen sich über den dunklen Himmel, der Mond schwimmt darin wie ein verlorenes Markstück.

Orgasmus = Glück, die Rechnung geht wieder auf.

Momente später höre ich, wie er von ihr herunter kriecht, sich die Hose hochzieht, den Gürtel schließt und seine Kleidung ordnet. Ich rappele mich auf. Katja liegt noch immer keuchend in der Hecke. Ist sie auch gekommen?

 Scham überschwemmt mich, so wie zuvor die Lust. Ich habe meinen Freunden beim Sex zugeguckt. Wie ein Spanner. Ich bin pervers, oder nicht? Weil ich selber keinen Sex habe, muss ich anderen zugucken. Wie bei einem Porno.

»Komm«, sagt er. Gregors Stimme ist nicht mehr so sicher. Sie dreht sich auf die Seite. Dunkle Flecken auf ihrer Stirn, Blätter auf den Wangen. Äste streifen ihr Gesicht. Ihr Slip hängt an einem Knöchel.

»Du bist in mir gekommen, oder?«

»Du nimmst doch die Pille, oder nicht?«

»Nicht mehr.«

Sie schlüpft in den Slip und in ihre Hose.

»Du verarschst mich, oder?«

Katja sieht zu ihm herauf wie ein Dackel.

»Wenn ich schwanger wäre, würdest du mich heiraten, oder?«

»Warum machst du das?«, fragt Gregor. »Warum kannst du nicht einfach akzeptieren, dass Schluss ist?«

 Sie steht auf, zieht sich die Hose hoch und geht auf ihn zu, hebt die Hand. Er weicht zurück. Eine merkwürdige Mischung aus Trauer und Triumph spielt um ihre Mundwinkel. Ihre Finger nähern sich ihrem Gesicht.

 »Weil ich dich liebe«, sagt sie leise. Ihre Augen sind voller Angst. dann berührt sie ihn. Er zuckt zusammen.

 »Es geht nicht gut mit uns beiden, das weißt du, oder?«, sagt er. Sie schüttelt den Kopf. Dann wirft sie sich an ihn, presst ihn wie eine Puppe in ihre Arme. Sie verschwindet beinahe hinter seinem breiten Rücken, nur ihr Kopf ragt über seine Schulter, ihre Augen traurig und voller Hoffnung. In meine Richtung. Und dann treffen sich unsere Blicke.

Ihre Augen wach und groß. Ihr Mund geöffnet in sprachloser Überraschung. Ich erschrecke. Tief presse ich mich in den Schatten der Hecke. Blätter rascheln. Zuletzt sehe ich, wie sie in einer hilflosen, bittenden Geste einen Finger auf den Mund legt.

Leise verlasse ich meine Deckung, haste verwirrt durch den Park zurück zur Straße, überquerte sie, renne atemlos durch den gelben Nebel der Straßenlaternen. Der beleuchtete Eingang der Jugendherberge wirkt wie ein Leuchtturm am Horizont.

Fühlst du etwas, kannst du Katjas Sehnsucht nachvollziehen? Nein, du kannst es nicht, du weißt nur, dass du es können müsstest. Sie liebt ihn und er will sie nicht. Sie liebt ihn so sehr, dass sie mit ihm schläft und du, du findest es nur geil, holst dir beim Anblick einen runter. Wie in einem Porno.

Aber das allein verwirrt mich nicht. Ich habe nicht nur auf ihren runden Hintern, die langen Beine, die großen Titten gesehen, ich habe auf Gregors Schwanz gestarrt und mir vorgestellt, ich wäre an Katjas Stelle und es sei Gregors Schwanz, der mich penetriert.

Warum kannst du dir keine Liebe vorstellen, aber dafür Sex mit Jungs? Warum kannst du deine Freunde nur als Lustobjekt sehen? Bist du normal? Bist du krank? Was würde deine Mutter sagen? Und dein Vater?

Orgasmus = Glück.

 

3

 

Fabian und Frank liegen in unserem Zimmer auf den Betten und lesen.

»Wo hast du gesteckt?«, fragt Fabian.

Du hast zugesehen. Und dir einen runtergeholt, weil es dir gefallen hat. Aber du hast nichts verstanden. Erst recht nicht, warum dich Gregors Schwanz genauso fasziniert hat wie Katjas Hintern.

»Spazieren.«

»Zeig mal deine Hand.«

Ich zeige ihm die Blase. Seine Fürsorge könnte einem die Tränen in die Augen treiben. Könnte.

Und als ich später die Augen schließe, sehe ich Katja, den Finger auf den Lippen, ihren Po und verstehe nicht, warum sie das gemacht hat. Ich sehe Gregors hartes Ding und frage mich, ob Fabians Schwanz auch so aussieht. Lange liege ich wach in dieser Nacht. Dann dringen plötzlich vermummte Gestalten in unser Zimmer, packen mich, legen mir Fesseln um die Handgelenke und schleppen mich in den Flur.

Ich versuche zu schreien, doch ich bekomme keinen Ton heraus. Die Angst lähmt mich wie eine Giftspritze. Die Gestalten tragen mich die Treppe hinunter. Meinen Mund verschließt ein breites Stück Klebeband.

 »Du hast deinen Rucksack vergessen«, sagt mein Vater und reicht mir einen Turnbeutel. Danke, Papa, dass du dir die Mühe gemacht hast.

 Die Straße vor der Herberge ist leer, die Luft lauwarm, das gelbe Licht der Laternen weich. Als mich die Gestalten fallen lassen, stürze ich weich in duftenden Rasen. Meine Angst ist verschwunden. Hände auf mir. Meinen Schrei verhindert eine Hand auf meinen Lippen. Weich und warm. Kichern und Lachen, und auf einmal ziehen mich viele Hände aus. Ich wehre mich vergeblich.

Erst gleiten meine Shorts über die Knie, anschließend mein Hemd. Es ist zu dunkel, um hinter die Masken zu blicken. Schließlich bin ich nackt, aus meiner Angst ist Erregung geworden. Ich fühle mich frei. Die Hände sind überall. Der Park ist eine Wiese im Hochsommer, die Luft schmiegt sich an meinen Körper.

Die Gestalten lassen ihre Masken fallen. Dahinter strahlen die Gesichter von Katja und Fabian. Als sie mir zwischen die Beine greifen, ist mir unwohl. Was zwischen meinen Beinen liegt, gehört mir alleine. Und dann wache ich auf und mein Herz schlägt hektisch.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.08.2016

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