Cover

Jahresringe



Raureifkristalle glitzern
in rissigen Furchen
verödeter Äcker
vergänglicher Glanz

letztes Licht
am Saum dunkler Wälder
umhüllt vom Nebel
schliert davon

Jahresringe im Windbruchholz
Ästen und Wurzeln beraubt
von Fäulnis zerfressen
tragen Klagen
krächzender Häher
über die Zeit


Gefahr



hasengleich
ruhelos ruhig
geduckt in krautiger Furche
hoffend der Schuss
verfehlt sein Ziel
bleibt er Gefangener
im Fadenkreuz der Spinne
bis das Netz der Meute reißt


Erinnerung



Vergangenheit klopft an
Einlaß verlangend
in Gegenwärtiges
später Jahre

bohrt
drängt
aller Gegenwehr
zum Trotz

Gewesenes meldet sich
zu Wort
verlangt
gehört zu werden


Es las Gustavo Zappa



höre das Weinen der Schiffe
seit jenem Abend
mit Gustavo
vernehme Stimmen
die durch Wände dringen
spüre den Wind
in stiller Nacht
beschütze Blumen
die in Mauern wachsen
damit sie blühen
niemals sterben


Vertraute Wege



Gedanken
auf Gestrigem beharrend
erwarten die Nacht
streifen ab
die Last der Jahre
schweben dunstig
über dem See
sich zu ertränken
für ein Morgen
noch ehe
der neue Tag beginnt


Heimkehr

(für Heidi)

Steingeschichtete Mühsal
Wurzel vieler Generationen
vertraut und doch fremd
bröckelndes Tuffsteingemäuer
salpetriger Wundbrand
schmerzt das Haus

Fachwerkgestrebe moosig morsch
unbestechliche Zeitzeugen
Speicher beherbergen Regenfäule
schweigend schwebt Leere überm Hof
Parzellenflicken einst der Garten
ein alter Kirschbaum nur der Rest

gelbe Saat am Uhufelsen
Orchideen Vogelsang
steil der Weg hinauf zum Jamisch
muschelkalkig karges Land
jede Flur ruft ihren Namen
Kirschberg Moosgau Schneidewand


blinde Fenster spiegeln Träume
Verflossenes ohne Wiederkehr
neue Zeit in alten Mauern
die Erinnerung verblaßt
Wetterhähne kräh´n von Dächern
ein Ende ist auch Neubeginn


In unseren Tagen



Tage versinken
im Gestrüpp der Verlogenheit
um aufzustehen
mit dem Morgenrot

bereit zu neuer Lüge


Waldschenke



im Garten
ohne Einkehr
regieren Schachtelhalm
und Nessel
verschmutzte Säulen
das Weiß
vergangener Zeiten
schamhaft verbergend
warten auf ein Morgen
vergebens


Wegelos



Spuren
ortscheitgespannter
zügelgelenkter Kraft
im Rapsgelb
Kornwind
Wiesenduft
am Kreuzweg
ein Bildstock
mahnt zur Besinnung

Asphaltbänder
geradlinig
spurlos
grau
durchkreuzen
endlose
Monotonie

fernab
im wegelosen Land
eine Betsäule mahnt
vergeblich

Danach



Sonnenstrahlen blenden
verdecken
Grauen und Leid
Trauer und Haß

Klirrende Kälte
steigt aus Ruinen
erstarrte Leiber
klagen an

Spuren im Schnee
vom Blute getränkt,
schreien die Wahrheit
in den Tag!


Malerwinkel



Bachabwärts plätschert
Kinderlachen
Geschrei und Zank
im Giebelhaus
Erker beugen sich
vornüber
die Rathausuhr
schweigt in den Tag
hält an die Zeit
die längst entronnen
für einen einz´gen
Wimpernschlag


Entlang der Chirel



Den Weg überwuchert
gefiederte Vergangenheit
spreuschuppig eingerollt
im Rippenfarn

geschundene Wurzeln
fliehen Uferschatten
Bärlappblätter
verdecken die Spur
fischen im Licht
der Bachkristalle
saugen Leben
opfern Halt

Strömung zerbricht
am blanken Felsen
vereint sich talwärts
zu neuer Kraft


Rosa Carina



rosa carina
taubedeckte Erinnerung
einer Sommernacht
als ihr duftender Blütenkelch
sich mir geöffnet
gab sein Geheimnis preis


Herbst

(für Heidi)

an Händen geführt
ohne sie zu berühren
zueinander gesprochen
ohne ein einziges Wort
lodernde Feuer geschürt
ohne daran zu verbrennen
in Sonnen geschaut
ohne zu erblinden
Gipfel erklommen
ohne zu stürzen
Nächte durchwandert
ohne sich zu verlieren

wärmende Glut bewahrt
für Freuden im Herbst


Ein weiter Weg



großziehen
erziehen
verziehen
hinziehen
herziehen
niederziehen
herausziehen
wegziehen
umziehen
überziehen
hinabziehen
emporziehen
umherziehen
heimziehen
zurückziehen

und doch nicht
angekommen

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.09.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Wer sein Gedicht erklärt weiß nicht, dass er es damit tötet!

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