Es war mal wieder so weit. Der Winterball meiner Großtante Jenna stand an. Wie jedes Jahr am 28. Dezember versammeln sich die Familie, Freunde und Prominente in der Villa um gemeinsam das Jahr zu feiner. Obwohl wir mittlerweile im 21. Jahrhundert angekommen sind, hat man das Gefühl als ob man zur Zeit der französischen Revolution lebt. Die meisten Gäste haben bereits die Hälfte der durchschnittlichen Lebenserwartung überschritten und haben entweder so reich geerbt, dass sie nicht mehr Arbeiten müssen oder die Männer arbeiten nur noch um ihre Frauen zu Hause nicht ertragen zu müssen. Ich hasse die Veranstaltung. Man muss sich nett anziehen, muss gerade sitzen und wehen man verzieht eine Miene. Das aller schlimmste ist jedoch, dass es mein Geburtstag ist. Und jedes Jahr zwingen mich meine Eltern aufs Neue an der Veranstaltung teil zu nehmen. Als ob es schon nicht genug Bestrafung ist im Winter kurz nach Weihnachten Geburtstag zu haben. Aber dieses Mal wird es das letzte Mal sein, denn es ist mein 18. Geburtstag und mit meiner Volljährigkeit, kann ich nun entscheiden was auch immer ich machen will und wozu ich keine Lust habe. Meine Eltern sind getrennt und meine Mutter hat sich damals geweigert das Geld meines Vaters anzunehmen weswegen ich im Gegensatz zu den meisten der verwöhnten Teenager hier verhältnismäßig normal aufgewachsen bin. An dem heutigen besagten Tag reißen sich jedoch meine Eltern immer wieder zusammen und tuen auf heile Welt, da eine öffentliche Scheidung nur den Ruf der Familie kaputt machen würde. Ja meine Familie. Ein einziger beschissener, verlogener Misthaufen. Unser Chauffeur fährt gerade den Wagen vor, als meine Mutter mir noch einmal die Wichtigsten Verhaltensregeln predigt. Dabei hasst sie diesen Abend in Wirklichkeit genauso wie ich. „Hast du gehört Alice? Auch wenn du das Essen nicht magst, musst du dich zusammenreißen und es aufessen.“ Ich hasse das Essen auf Veranstaltungen wie dem Winterball. Hauptsache es klingt irgendwie außergewöhnlich und besonders, wenn man es auf der Karte liest. Wir sind fast da und ich streiche noch einmal mein Ballkleid glatt. Es ist himmelblau und hat einen großen runden Ausschnitt. Am Rücken ist es etwas tiefer geschnitten. Ich habe es beim Shoppen gefunden und mir von meinem Dad zu Weihnachten gewünscht. Es ist bodenlang und die dazu passende High heels machen mich ein ganzen Stück größer als meine Mum. In der Eingangshalle wir schon deutlich das Großtante Jenner mal wieder alles gegeben hat. Überall stehen Kerzenleuchter welche zusammen mit dem riesigen Kronleuchter den großen Raum in ein warmes Licht tauchen. Trotzdem bin ich froh, dass ich noch einen warmen Pelzmantel trage, da das Feuer im riesigen Kamin es nicht schafft, den Raum über 17 Grad zu heitzen. Wohlgemerkt ist der Pelz nicht aus echtem Fell, da ich nicht so auf Tiertötung stehe. Wir haben noch nicht einmal die Hälfte des Raumes durchquert, als sich uns ein älterer Mann in den Weg stellt. „Die Familie Middleton, wie schön sie zu sehen.“ Obwohl er lächelt, kaufe ich ihm die Freundlichkeit nicht ab. Und wie bei noch so vielen Personen in diesem Raum habe ich keine Ahnung wie er heißt. „Alice sie sind ja eine richtige Dame geworden. Wissen sie denn schon auf welche Universität sie gehen werden?“ Natürlich die wichtigste Frage überhaupt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass mir dieser Mann zum Geburtstag gratulieren wird, aber die Frage nach meiner Zukunft ist die nun unpassendste die er mir stellen konnte. Denn im Gegensatz zu den meisten andern Mädchen in diesen Hallen habe ich keine Lust zu studieren um dann kurz danach einen reichen Typen zu heiraten dem ich dann zu Hause das Schoßhündchen spiele kann und meine größte Sorge ist, dass ich bei der nächsten Charity Gala keinen neuen Schmuck zum Tragen habe. Wenn ich auch studiere, möchte ich danach auch anfangen zu arbeiten. Irgendwas muss ich diesem Herrn jetzt jedoch antworten weshalb auch er sich mit meiner Standard Ausrede zufrieden geben muss. „Ich habe so viele Zusagen von verschiedenen Universitäten bekommen, dass ich mich noch gar nicht entscheiden konnte. Natürlich gehören alle zu den 10 Besten ganz Großbritanniens.“ Das ist nämlich das, worauf es ankommt, dass man an einer Uni studiert hat, mit dessen Namen man etwas anfangen kann. Glücklicherweise taucht da ein weiterer Mann auf und verstrickt den Herrn in eine Unterhaltung, sodass wir unseren Weg zur Garderobe fortsetzen können. Kurz nach dem ich meinen Mantel losgeworden bin, kommt auch schon Eden auf mich zu. Sie ist eine Enkelin Jenners und könnte Model sein. Sie trägt ein rotes bodenlanges Kleid und ihre blonden Haare fallen ihr in Wellen über die Schulter. Wie die meisten dieser Familie habe ich auch blonde Haare, allerdings würden meinen sowohl ein Schnitt als auch ein ordentliches Pflegeschampoo gut tun. Eden ist eigentlich ganz in Ordnung und wir warten früher echt gut befreundet, aber mittlerweile haben wir kaum noch Kontakt. „Alice, wie schön dich zu sehen. Alles Gute zu deinem Geburtstag! Hier ist schon mal ein Glas Champagner für dich.“ Dankend nehme ich das Glas entgegen und stoße mit ihr an. Alle Mädchen meines Alters sind an ihrem Geburtstag betrunken, warum sollte ich eigentlich nicht auch ein bisschen Spaß haben dürfen?! Ich exe das Glas mit einem Mal leer und gebe es einem der Kellner. Eden guckt dem Bediensteten hinterher. „Eden bitte im letzten Jahr hat es einem jungen Kerl seine Arbeit gekostet, weil du ihn meintest vögeln zu müssen bitte tu das diesem armen Typen nicht auch noch an, er hat es nicht verdient.“ Wir beide drehen uns um und stehen Mary Edens älterer Schwester gegenüber, die gespielt mitleidig guckt. Ich muss lachen. „Schwesterherz es tut mir leid, wenn ich nicht wie du als Jungfrau sterben möchte also halte die bitte aus meinen Angelegenheiten raus.“ Mary kann ihre nun trotzige Miene nicht lange halten und wir alle müssen anfangen zu lachen. Gott sei Dank ist das Eis gebrochen. Eden wirkt dem Kellner zu, damit wir uns neuen Champagner nehmen können und kommt ihm dabei ein bisschen zu nah. Aus dem Augenwinkel sehe ich Mary die Augen verdrehen. Trotzdem stoßen wir alle noch einmal an und trinken auch das zweite Glas aus. Wenn das so weiter geht stehen die Chancen am Ende des Abends völlig betrunken zu sein gar nicht so schlecht. Wir betreten die große alle in der drei riesige Tafeln stehen. Ganz vorne steht noch mal eine große Tafel vor Kopf. Wie immer gibt es Tischkärtchen und ich kann mir schon jetzt denken, dass ich vermutlich bei meinen Eltern zwischen irgendwelchen wildfremden Menschen sitzen werde. „Keine Sorge Alice. Mary und ich haben die Zeit schon genutzt und die Tischordnung ein bisschen sagen wir mal modifiziert. Du sitzt bei uns.“ Erleichtert atme ich auf. Wenigstens ein Fortschritt seit den letzten Jahren. Wir nehmen unsere Plätze ein und ich gucke mir die Speisekarte an. Wie zu erwarten habe ich keine Ahnung was jetzt am Ende auf dem Teller serviert wir aber gut schlimmer als letztes Jahr kann es nicht werden. Wenn ich eins nicht mag, dann ist es Fisch und natürlich gab es den letztes Jahr direkt als Vorspeise. Obwohl die meisten Gäste ihre Plätze schon eingenommen haben, ist der Platz neben mir immer noch leer. Auf dem Tischkärtchen steht der Name Jasper und ich hoffe nur, dass das nicht irgendein alter Knacki ist, der mir gleich sein ganzes Wissen über das Leben erzählen wird. Gegenüber sitzen die beiden Schwestern die sich gerade über die Kleider der paar andern jungen Mädchen austauschen, welche anscheinend auch von ihren Eltern mitgeschleppt wurden. Außer Harriet die gerade auf ihren 12cm Stilettos auf uns zu gestöckelt kommt. Sie ist Jennas Lieblingsnichte und nutzt diesen Ruf auch Schamlos aus. „Na meine beiden Lieblingscousinen wie geht es euch so? Eden, hattest du das Armband nicht schon auf dem letzten Winterball an?“ Ich sehe, dass Eden sich zügeln muss um Harriet nicht augenblicklich ins Gesicht zu springen. Ihre Schwester antwortet schnell genug, bevor es zum Streit kommen kann. „Danke der Nachfrage Harriet uns geht es gut. Ich glaube deine Oma wollte dich sehen. Geh doch bitte zu ihr.“ Ohne uns noch weiter zu beachten dreht Harriet sich um und stapft auch schon davon. „Dieses fiese Schlampe! Sie ist so ein Miststück ich würde sie am jetzt und auf der Stelle umbringen.“ Eden ballt die Hände zu Fäusten sodass ihre zarten Knöchel zum Vorschein treten. Bis der erste Gang aufgetischt wird, kann es nicht mehr lange dauern, denn die Meisten Gäste sitzen schon und nur noch wenige Plätze sind frei. Darunter auch der Platz neben mir. Mr. Jasper scheint es wohl nicht für nötig zu halten überhaupt pünktlich zu kommen. Viel Zeit mich darüber aufzuregen habe ich jedoch nicht, da in dem Moment ein Kellner mich fragt, welchen Wein ich gerne haben möchte. Da ich mich leider in diesem Gebiet überhaupt nicht auskenne, nehme ich einfach den dritten auf der Karte und hoffe, dass es nicht der schlechteste ist. Aber wie ich Jenner kenne, wird jeder Tropfen hier der Beste sein und von ihr zuvor Vorgekostet. Er schenkt mir ein ich trinke einen kleinen Schluck und gebe ihm dann das okay, dass es ruhig mehr sein darf. Noch bevor die Kelner den ersten Gang servieren können, habe ich das Gals gelehrt. Zwei Champagner und ein Glas Wein in unter einer Stunde ich muss mich echt selbst loben. Nach kurzer Zeit merke ich doch, wie ich schon ein bisschen benommen werde und meine Reaktionen etwas langsamer. Vielleicht hat es ja den Vorteil, dass ich gleich Mr Jasper Tischgespräche besser ertrage, falls er überhaupt auftauchen sollte. Als ich Eden gerade fragen will, was denn Matjes Tatar ist, wechselt ihr Gesichtsausrück erst von gelangweilt zu erschrocken bis sich einfach nur erstaunen auf ihren Zügen wiederspiegelt. Ich will schon glatt fragen, ob der Bedienstete aus der Eingangshallte auch das Essen mit serviert, als der Stuhl neben mir weggezogen wir uns sich eine große Gestalt neben mich setzt.
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2017
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