die Zeit vergeht schnell, und es ist schon wieder an der Zeit, eine neue Ausgabe des Terra Utopia Magazins zu erstellen.
Die letzte Ausgabe ist bei den Leserinnen und Lesern sehr gut angekommen und verzeichnet stabile Downloadzahlen.
In der hier vorliegenden Nummer haben wir für Sie wieder eine bunte Mischung aus Storys, SF-Lyrik, Rezensionen, Interviews, Autorenportraits und Neuvorstellungen zusammengefasst.
Um auch die nächsten Magazine so bunt und vielfältig gestalten zu können, sind wir auch weiterhin auf der Suche nach Mitarbeitern, nach Artikeln, Rezensionen und Storys.
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Hermann Schladt
Herausgeber
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Impressum
Das Terra Utopia Magazin erscheint 6 x im Jahr und steht bei allen wichtigen eBook-Shops kostenlos zum Download bereit.
Verlag:
vss-verlag Hermann Schladt
Walter-Hesselbach-Str. 89
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SF-Story von Volker Wittmann
Die „Stellaris“ lag schon länger als eine Woche vor Metalluna 31. Das langte, fand Gerun. Gewiss, der Asteroid strotzte vor Bodenschätzen. Aber das war auch der einzige Grund ihn anzufahren. Im übrigen stellte der Kleinplanet ungefähr das Gegenteil dessen dar, was die stellvertretende Kapitänin des terranischen Frachters als Urlaubsort wählen würde. Im grünen Licht des B-Klasse-Sterns Zuben al Schemali bot die zerlöcherte Landschaft unter dem Raumfrachter den Anblick eines riesenhaften, verschimmelten Käses. So etwas von schauderhaft suchte seinesgleichen im Orionarm der Milchstraße. Stirnrunzelnd wandte sich Gerun ab.
Zum Glück hatte der Transporter seine Ladung längst gelöscht, meist Maschinen und Versorgungsgüter für die hiesigen Erzbergwerke. Neue Fracht war übernommen, hauptsächlich seltene Erden für Terra. Jetzt machte sich das Schiff endlich klar zum Auslaufen. Da dockte unverhofft noch eine Fähre an.
Hoher Besuch
Der Direktor des Minen-Konsortiums machte ersten Kapitänin Luitgard seine Aufwartung. Die höchste Herrin an Bord nach Gott empfing den erlauchten Besuch sogleich an der Luftschleuse. Zuständig für die Sicherheit an Bord schaltet Stellvertreterin Gerun gewohnheitsmäßig auf das nächst gelegene Überwachungs-Hologramm. Der gut aussehende Terraner mit den grauen Schläfen hatte offenbar Gewichtiges mitzuteilen, was er nicht einmal den abhörsicheren Kanälen des Hyperfunks anvertrauen wollte.
Wahrscheinlich ging es wieder um den lästigen Geheimdienstkram. Jeder in der Mannschaft wusste, dass die „Stellaris“ im Auftrag der Solaren Abwehr Waffen beförderte. Erst kürzlich waren beim Bruch einer Kiste mit der Aufschrift „Landwirtschaftliche Geräte“ Strahlengewehre und Antimaterie-Granaten zum Vorschein gekommen. Als Absender firmierte ein „Versandt-Haus Grünberg“ in Alashan, eine der Deckandressen der Firma Horch und Guck auf Terra.
Die Holos auf Geruns Bildwand folgten dem Weg von Madame Luitgard, die den Gast unter angeregtem Gespräch geradewegs in Richtung auf ihre Kajüte geleitete. Schau an, ging es Stellvertreterin durch den Kopf. Wieso nicht auf die Brücke? Sogar Lippenstift hatte die Kapitänin aufgelegt, wie eine Nahaufnahme offenbarte. Kein Wunder, wenn die Klatschmäuler der Besatzung seit längerem einen Techtelmechtel mit dem Bergbau-Boss wittern.
Fritz Schmitz
Doch weder zu einer Liebelei der Chefin noch zu den Machenschaften der Maulwürfe passte ein blasser, terranischer Junge im Schlepp der graumelierten Landratte. „Das ist Fritz Schmitz,“ stellte der Direktor den Milchbart vor. „Seine Eltern sind kürzlich bei einem Grubenunglück ums Leben gekommen. Er würde gern bei euch anmustern. Vielleicht könnt ihr noch einen Schiffsjungen gebrauchen.“ Gerun folgte dem Gespräch mit wachsender Aufmerksamkeit.
Die erste Kapitänin maß den Burschen vom seinem wirren Scheitel bis zur Sohle seines abgetragenen Schuhwerks. „Mal sehen,“ meinte sie. „Warte hier!“ beschied sie den Jungen. Dann schloss sich die Kabinentür zischend hinter ihr und ihrem Gast.
Draußen ließ sich Fritz geduldig auf seinem Seesack nieder. Zum Zeitvertreib kramte er in seinen Taschen nach Essbarem.
„Wer bist du denn?“ fragte da eine schnodderige Stimme. Der wartende Spund blickte schüchtern auf. Vor ihm stand ein breit grinsender Treibauf in ölverschmierter, einstmals blauer Arbeitskluft. Er mochte kaum älter sein als Fritz. Der Schalk quoll dem Luftikus aus allen Nähten.
„Dich habe ich hier noch nie gesehen,“ stellte der Tausendsassa fest. „Wohl neu, was?“ Fritz nickte stumm.
„Schon mal bei der Handels-Marine gefahren?“ wollte der Hansdampf wissen. Kopfschütteln war die Antwort.
Jetzt grinste der Hallodri noch breiter: „Da hast du dir für’n Anfang den richtigen Seelenverkäufer ausgesucht. Der alte Kasten ist nur deshalb noch nicht untergegangen, weil wir immer nur in Schwerelosigkeit dahin fahren.“
Der Neue versuchte ein verlegenes Lächeln.
Im selben Augenblick erschütterte ein trockener Ruck alle Spanten des Schiffs. Erschrocken klammerte sich Fritz an seinen Seesack. „Was war das denn?“ keuchte der blasse Grünschnabel.
„Haste schon die Raumkrankheit?“ erkundigte sich der Bruder Leichtfuß scheinheilig. „Entspann dich wieder! Das war nur ein Stottern der Gravitoren, die das bordeigene Schwerfeld erzeugen. Die Dinger sind auch nicht mehr auf dem neuesten Stand.“
Doppelramsch geplatzt
Jetzt ging die Kapitänskajüte wieder auf. Madame Chef stand auf der Schwelle. „Ah, Leichtmatrose Eduard!“ rief sie dem Luftikus zu. „Du kommst wie gerufen. Zeig unserem neuen Schiffsjungen seine Koje und den Rest der „Stellaris.““
Dem Windhund gefror das Grinsen. „Ich wollte gerade meine Freischicht antreten,“ wandte er ein.
„Umso besser,“ gab die Kapitänin ungerührt zurück. „Willkommen an Bord, Fritz!“
Sobald Luitgard mit dem Besucher außer Hörweite war, maulte der Leichtmatrose los: „Deinetwegen muss ich meine Verabredung zu einem gemütlichen Doppelramsch platzen lassen. Eigentlich könnte ich jetzt in die Kantine gehen, um Karten zu dreschen.“
Fritz bedauerte achselzuckend: „Tut mir leid.“
Doch Eduard war nicht nachtragend. „Wie heißt du denn,“ fragte er versöhnlich.
„Fritz Schmitz.“
„Was für ein Name!“ staunte Eduard. „Wo kommst’n her?“
„Aus Phillippsburg am Oberrhein,“ gab Fritz bereitwillig Auskunft.
„Wo ist denn das?“
„In Nordbaden. Das gehört zu Deutschland, liegt auf Terra.“
Eduard wußte nicht recht, wovon der frischgebackene Schiffsjunge redete. Er selbst war auch Terraner. Aber er hatte das Licht von Sol auf einem Mondstützpunkt erblickt. Von Terra kannte er nur die meist recht hässlichen Umgebungen der Raumhäfen. Genauer gesagt, die Kneipen in der Nachbarschaft.
Rattenschau
Die beiden Dachse nahmen den Lastenaufzug zu einem der Zwischendecks. Der Personen-Fahrstuhl blieb öfter stecken, wie der flotte Leichtmatrose wissen ließ. Doch auch bei störungsfreiem Betrieb hielten mitunter Pärchen aus der Besatzung willkürlich irgendwo im Schacht, um ungestört zu knutschen. Jedenfalls durfte man oft länger an den Türen warten.
Rasch hatte Fritz seine wenigen Habseligkeiten in der Koje verstaut. Dann eröffnete Springinsfeld den Rundgang mit der verheißungsvollen Ankündigung: „Dann schauen wir mal, ob die Ratten das Schiff schon verlassen!“
Bilateria
Als erstes mußten die Spaziergänger das Gerümpel einer Baustelle übersteigen. Schutt versperrte den Gang hinter den Mannschafts-Quartieren fast zur Hälfte. Eine fünfarmige Polypen-Frau besserte die Verstrebung eines Schotts aus. Sprinklerdüsen einer Standbrause sprühten feine Rinnsale auf sie nieder, um das Meereswesen feucht zu halten. Das ablaufende Naß rann in einem Rost unter ihren unzähligen, durchscheinenden Füßchen. Dazu verbreitete die Polypenartige einen fremdartigen Geruch, etwa wie Seetang in Vanille-Tunke.
Eduard schien die Frau gut zu kennen. „Ahoi, Bilateria,“ rief er ihr zu. „Kratz nicht den ganzen Rost ab! Er ist das einzige was unser fahrbares Wrack noch zusammenhält.“
Die Polypenartige ließ sich nicht stören. Wie unter Zeitlupe machte sie sich mit mehreren Glieder zugleich unverwandt zu schaffen. Werkerinnen wie sie galten nicht als besonders stark oder schnell. Aber sie waren als unglaublich emsig, ausdauernd und zäh bekannt.
Spielschulden
Ohne ihre Arbeit zu unterbrechen kräuselte Bilateria ihre zerbrechliche Fontanelle und wisperte in spitzem Fistelton: „Statt Sprüche zu klopfen, solltest du lieber mit anfassen.“
Der Leichtmatrose grinste besonders breit: „Für heute habe ich mir meine Heuer schon verdient. Da fällt mir ein, du hast noch Spielschulden bei mir. Wann seh ich denn mein Geld?“
„Das wirst du noch früh genug bekommen,“ zirpte Bilateria sanft. „Besser, ich behalte es noch eine Weile, damit du nicht alles auf einmal vertrinkst.“
Eduard verbreiterte sein Grinsen: „Du hast gut flüstern unter deiner Dauerbrause, weil du nicht weißt, was Durst ist.“
Die Seefrau sachte sirrend: „Und du weißt meist nicht, wann du genug hast.“
Von der Polypenmaid hatte der Tunichgut jedenfalls für diesmal die Nase voll. „Du kannst mich mal!“ beendete er den Wortwechsel. „Komm Fritz, lassen wir die Säuselliese weiter planschen.“ Noch im Fortgehen hörten sie das dünnen Stimmchen der Fünfarmigen: „Du mich auch.“
Alarm
Der grüne Schiffsjunge hatte staunend zugehört. Jetzt fragte er neugierig: „Wer war denn das?“
Der Leichtmatrose machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, die tranige Nixe kommt gelegentlich zur Kartenrunde. Aber das dauert bei ihr, sag ich dir. In der Zeit, die sie zum Mischen braucht, hätte eine Terrranerin einen Raumfrachter bevölkert. Jetzt sollten wir erst einmal …“
Weiter kam er nicht. Mitten im Satz unterbrachen ihn auf- und abschwellende Sirenentöne. In kurzen Abständen verkündeten grelle, pulsierende Inschriften an den Wänden: „Alarm!“ Blinkende Richtungspfeile zeigten die Fluchtwege an. Mannschafts-Angehörige vor und hinter ihnen fielen in den Laufschritt. Das ganze Zwischendeck geriet in Aufruhr.
Jetzt hörte Fritz erstmals das durchdringende Organ der Bordpositronik: „Unerwarteter Ausbruch der grünen Sonne Zuben al Schemali“, meldete die Stimme. „Ausläufer des Strahlensturms nähern sich dem Gürtel der Asteroiden. Alle unverzüglich den nächsten Schutzraum aufsuchen!“
„Los,“ rief Eduard plötzlich ungewohnt ernst. „ab in den Bunker!“
So rasch es sein löcherigen Socken zuließen, hetzte Fritz hinter dem Leichtmatrosen her. Was-haste-was-kannste folgten die beiden der aufgestörten Herde des Schiffspersonals. Im beschleunigen Trab ging es um Ecken und Biegungen, eine Wendeltreppe hinunter, wieder einige Stufen hinauf, zwischen Stapeln und Rohrleitungen hindurch, vorbei an vergitterten Schächten, dann über eine ebenso löchrige wie abschüssige Rampe
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: vss-verlag
Bildmaterialien: vss-verlag
Lektorat: Armin Bappert
Tag der Veröffentlichung: 06.10.2015
ISBN: 978-3-7396-1695-7
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