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Schmökerkiste – Band 21

Albert F. De Bary – Der Zauber des Schamanen

La Salle, Teil 13

1. eBook-Auflage – März 2015

© vss-verlag Hermann Schladt

Titelbild: Armin Bappert unter Verwendung des Originalcovers der Romanheftserie

Lektorat: Hermann Schladt

 

DER ZAUBER DES SCHAMANEN

 

Albert F. De Bary

 

 

1


„Hallo, was war das?“

Leutnant Mathieu verhielt ruckartig sein Pferd; Sergeant O’Donnel, der dicht hinter ihm ritt, stieß einen Verwünschungsruf aus und war mit wenigen Sätzen neben ihm. Hinter ihnen klapperten die Hufe und klirrten die Zaumzeuge der übrigen Reiter.

Mathieu hob den rechten Arm; in der schon stark fallenden Dämmerung war die Bewegung von hinten noch eben erkennbar. Das Klappern und Klirren hörte auf, die Reiter hielten.

„Diese verdammten Teufel! Nun guck dir das an!“ sagte Leutnant Mathieu. Er drehte sich halb im Sattel und zerrte an einem langen, dünnen und spitzen Gegenstand, der unmittelbar hinter ihm im Leder der Sattelkuppe steckte.

„Ein Pfeil! Wieder ein Pfeil!“ sagte Sergeant O’Donnel. „Schräg von hinten genau in den Sattel geschossen. Zehn Zentimeter höher und Ihr gäbt eine wunderschöne Leiche ab, Leutnant!“

Mathieu betrachtete nachdenklich den langen, dünnen, hinten gefiederten und vorn mit einer harten Obsidianspitze versehenen Pfeil. Er zog und zerrte an einem Gegenstand, der sich dicht über der Fiederung an dem Pfeil befand. Der Gegenstand war ein Fetzen Tuch, ein kleiner dunkler Lappen, ein Stückchen Stoff.

„Der Kerl kann schießen“, sagte Leutnant Mathieu „ich glaube nicht, dass der Pfeil mir ins Kreuz gehen sollte. Auch das ist wieder nichts anderes als eine Art Brief, eine indianische Botschaft sozusagen. Sonderbare Manieren haben die Leute hierzulande, weiß Gott!“

„Tatsächlich wieder dasselbe“, knurrte O’Donnel. Hinter ihnen schnaufte ein Pferd. Sattelzeug klirrte.

„Ja“, sagte Leutnant Mathieu, „der Fetzen Tuch stammt von Pater Hennepins Kutte. Unzweifelhaft. Sauber mit dem Messer herausgeschnitten, wie bisher auch. Wenn das ein paar Wochen so weitergeht, ist der gute Pater sein Ehrenkleid, los, oder er muss es sich, wenn er zurückkommt, aus lauter kleinen Lappen wieder zusammenflicken.“

Sergeant O’Donnel ließ einen mächtigen, keulenartig. zurechtgeschnittenen Eichenknüppel, der .ihm an einem Lederriemen am Handgelenk baumelte, ein paarmal durch die Luft sausen, als gälte es. Köpfe zusammenzuschlagen. „Wenn ich einen der Hunde erwische!“ knurrte er.

„Klar ist, dass etwas geschehen muss“, sagte Leutnant Mathieu. „Ich habe gar keine Lust, ins Fort zu reiten -und Hauptmann Tonty zu melden, das einzige Ergebnis unseres Ausrittes bestände in drei Osagenpfeiien und drei Stofflappen aus dem Gewand Pater Hennepins.“

„Ich habe den Eindruck, wir geben hier sozusagen zwölf vortreffliche Schießscheiben ab“, knurrte O’Donnel.

Des Leutnants junges Gesicht war finster verkniffen. Seine Augen suchten die Umgebung ab. Aber das war ein ziemlich hoffnungsloses Unternehmen. Die Reiter befanden sich in einer verhältnismäßig schmalen Felsschlucht. Linker Hand stieg der Berg in ziemlich jäher Steigung an die zwanzig Meter hoch an; das Gestein war rissig und stellenweise mit einer dünnen Grasnarbe, mit allerlei Gestrüpp und verkrüppelten Kiefern bewachsen. Zur Rechten zog sich eine sprunghaft wechselnde, wild zerklüftete Bergkette dahin, die hier und da den Blick in die bewaldete Niederung freigab. Jetzt freilich war dort nichts als gähnendes Dunkel. Die Sonne stand schon hinter den Wäldern und war zudem von schweren, nachtschwarzen Wolken verdeckt, die tief unter dem bleigrauen Himmel, segelnden Schiffen gleich, dahinjagten. In längstens einer halben Stunde würde es Nacht sein.

Der Pfeil war von links hinten gekommen. Unmöglich konnte er von der Höhe herunter abgeschossen worden sein. Die Genauigkeit, mit der er getroffen hatte, ließ keinen Zweifel daran, dass er aus nächster Nähe gezielt worden war. Leutnant Mathieu kämpfte mit der Versuchung, abzusitzen und den Berg absuchen zu lassen. Aber die Sinnlosigkeit solchen Tuns lag auf der Hand. Die einzelnen Büsche und die verkrüppelten Bäume, die hier und da an der Schrägwand wuchsen, waren jetzt schon kaum zu erkennen. An sich konnte hinter jedem dieser Büsche und Bäume, konnte in jeder der zahllosen, nur noch als dunkle Schatten erkennbaren Felsspalten ein Indianer lauern. Aber das war nicht anzunehmen. Nach allem, was in letzter Zeit geschehen war; war das unwahrscheinlich. Hier handelte es sich zweifellos um einige wenige Rothäute, vielleicht nur um eine. Höchst wahrscheinlich lauerte der Meisterschütze immer noch in seinem Versteck oder wenigstens in der Nähe und beobachtete jede ihrer Bewegungen. Sie wären noch nicht von den Pferden herunter, dann hätte er sich schon in Sicherheit gebracht, wäre irgendwo untergetaucht, wo kein Mensch ihn zu finden vermochte.

Wenn Leutnant Mathieu gleichwohl noch zögerte, dann nur deshalb, weil er sich überlegte, was zweckmäßig zu tun sei. Ursprünglich hatte er das Fort noch in der Nacht wieder erreichen wollen, wenigstens aber das Kickapuh-Dorf, das sich bald nach dem Baubeginn in der Nähe angesiedelt hatte.

Mathieu kannte die Gegend genau; die letzte Woche hatte ihm hinreichend Gelegenheit gegeben, sie kennen zu lernen: An sich befand er sich hier in den Jagdgebieten der Kickapuhs. Die Kickapuhs waren ein kleines Algonkinvolk, irgendwann in diese Gegend versprengt. Ohne die verhältnismäßig nahe Nachbarschaft des großen Miamibundes hätten sie sich hier kaum zu halten vermocht. Denn nördlich von ihnen, zwischen Mississippi und Michigansee, befanden sich die Jagdgründe der Winnebagos, die dem Stammesverband der Sioux angehörten, und südwestlich, jenseits des Missouri, jagten die Osagen, ein anderes Sioux-Volk. Die Osagen, die die Weite der freien Prärie gewöhnt waren, kamen in der Regel nicht soweit herauf; allenfalls streiften einmal einzelne Jäger auf langer Jagdfahrt bis über den großen Strom, oder kleinere Trupps brachten Felle und Pelze zum Tausch.

Der Pfeil aber, der dem Leutnant Philip Mathieu von der Besatzung, des Forts Illinois in den Sattel geschossen wurde und der mit einem Fetzen von der Kutte des Patei's Hennepin geschmückt war, war ein Osagenpfeil. Die Osagen streiften irgendwo in der Gegend, und sie schleppten den guten Pater Hennepin mit sich herum. Und außerdem befanden sich der Verräter Denon und der Deserteur Croisel bei ihnen. Daran war seit den jüngsten Vorgängen in Fort Illinois nicht zu zweifeln.

Seit einer Woche war Leutnant Mathieu mit Sergeant O’Donnel und zehn Reitern hinter ihnen her, aber bisher hatte er noch nicht einmal den Schwanz eines Osagenpferdes zu Gesicht bekommen. Dafür hatten die Burschen ihm in der gleichen Zeit, als höhnischen Gruß gewissermaßen, drei mit Tuchfetzen aus des Paters Kutte geschmückte Pfeile geschickt. Der erste war vor vier Tagen hart an seinem Kopf vorbei in den Stamm einer Platane gefahren, der zweite hatte ihm vorgestern die Fellmütze von Kopf gerissen und war darin stecken geblieben, so haargenau gezielt, dass er die Schädeldecke eben noch streifte, ohne sie zu ritzen, und der dritte war ihm soeben in den Sattel gefahren.

Leutnant Mathieu fand, dass das nun ein Ende haben müsse. Er musste die Osagen und er musste vor allem den Pater Hennepin finden und, die beiden weißen Verbrecher dazu. Er war überzeugt, dass sie alle zusammen nicht sehr weit zu suchen waren. Fraglich war nur, was die Indianer mit dieser sonderbaren Pfeilpost beabsichtigten. Mit jedem der drei Schüsse hätten sie ebenso ihn selbst oder einen seiner Männer von den Pferden herunterholen können. Er knirschte vor Wut mit den Zähnen, als er diese Möglichkeit bedachte. Aber die nüchterne Überlegenheit sagte ihm, dass die Osagen offenbar nicht beabsichtigten, ihn oder seine Soldaten zu töten. Was also wollten sie? Nur höhnen? Oder ihn warnen? Oder vielleicht sonst noch etwas? Mathieu war seit drei Jahren in Kanada, er hatte in all dieser Zeit zwischen Indianern und Waldläufern gelebt, war erfahren in indianischen Sitten und Gebräuchen und glaubte nicht an „verrückte Einfälle“ von Indianern. Er war überzeugt, dass vieles, was eine Rothaut tat, einem Weißen wohl unverständlich erscheinen konnte, aber sicherlich einen wohlüberlegten Grund hatte.

Die Augen der auf den Pferden sitzenden Männer suchten die Felswände ab, aber da rührte und regte sich nichts. Mathieu gab das Zeichen zum Aufbruch.

„Wir reiten bis zum Bach“, sagte er zu dem neben ihm reitenden Iren. „Die Pferde müssen saufen. Dort bleiben wir bis morgen früh, dann werden wir weitersehen. Ich will zur Hölle fahren, wenn ich nach Hause reite, ohne diesen Halunken auf die Spur gekommen zu sein.“

Sie ritten langsam in langer Reihe, mit einer Pferdelänge Abstand hintereinander. Der Boden war steinig, das Klappern der Hufe wurde von den Felswänden als Echo zurückgeworfen. Dazwischen mischte sich das Rauschen des Windes in den Wipfeln der Bäume auf der Höhe.

Eine halbe Stunde später stiegen sie von den Pferden. Die Nacht war da.

Der Gebirgsbach kam in ziemlich starkem Gefälle von der Höhe herunter. Er hätte sich im Laufe der Jahrhunderte ein schmales, aber ziemlich tiefes Bett in das Gestein gegraben. Zur Rechten bildeten die Hänge zweier mäßig hohen Berge ein tiefes Tal, durch das der Bach nun dahin strömte, sich im Dunkel verlierend, um weiter östlich, jenseits des Höhenzuges, zum Waldbach zu werden, zwischen den steil ragenden Wänden des Urwaldes in

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: bookworm by vss
Bildmaterialien: vss-verlag
Lektorat: Hermann Schladt
Tag der Veröffentlichung: 12.03.2015
ISBN: 978-3-7368-8307-9

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