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Schmökerkiste – Band 14

Albert F. De Bary – La Salle hält Gericht

La Salle, Teil 6

1. eBook-Auflage – August 2014

© vss-verlag Hermann Schladt

Titelbild: Armin Bappert unter Verwendung des Originalcovers der Romanheftserie

Lektorat: Hermann Schladt

Albert F. De Bary

 

LA SALLE HÄLT GERICHT

 

 

1

 

Paul Caron fluchte Stein und Bein, und zwar verfluchte er sich selbst, nannte sich einen vertrauensseligen Idioten, ein hirnloses Wickelkind, einen Säugling, dem die Milchflasche entzogen werden müsse . . . „Einen Verstand wie ein besoffener Kuhkäse hast'du, Paul Caron!“ knirschte er, „nicht so viel Überlegung hast du, wie in einem stinkenden Biberschwanz steckt, du solltest dich, dich, Paul Caron, Klein-Paulchen nennen und nicht diesen dreckigen Flaps, den Brodel . .

Das war das Schlimmste, was Paul Caron sich antun konnte, denn niemand verachtete er so wie den ungeschlachten, verfressenen, „vor Schmutz und Dummheit stinkenden Unflat“, den riesenhaften und bärenstarken Paul Brodel, einen von La Salles Leuten, der von den stets spottlustigen, streit- und lebenslüsternen Kameraden wegen seiner einhundertundsiebenundachtzig Zentimeter betragenden Länge - „Aber ausgewachsene Zentimeter!“ wie Klein Paulchen stolz zu sagen pflegte - eben Klein-Paulchen genannt wurde. Paul Caron hasste ihn vor allem deshalb so sehr, weil Brodel mit einer einfältigen, gutmütigen Treue an seinem Herrn hing. Denn sonst pflegte sich Caron über dreckige Hände, ungewaschene Gesichter und jede sonstige Art von Schmutz nicht besonders aufzuregen; er nahm es selbst nicht so genau damit.

Aber er hatte ja Grund zu seiner Wut, Da saß er, das schlaueste Huhn unter der gackernden Hühnerschar des Sieur de la Salle, da saß er am Ufer des Erie und klapperte vor Frost mit den Zähnen, obwohl es Sommer war, hatte kein Gewehr mehr, hatte sogar seinen indianischen Bogen verloren, war naß von oben bis unten, naß bis unter die Haut, weil er im ersten Schreck - „Kaulquappen könnte man eimerweise saufen vor Wut!“ - weil er, statt davonzupaddeln, als der Kopf Wenongas neben ihm im Wasser auf getaucht war, im ersten Schreck versucht hatte, dem Miami-Häuptling mit dem Paddel „eins auf die Birne“ zu hauen.

„Niemals hätte er mich eingeholt, niemals — wie könnte ein Schwimmer ein Kanu einholen! — wenn ich einfach davongefahren wäre! Dann säße ich jetzt auf dem »Greif, für fünftausend Livres Pelzwerk unterm Hintern, und wenn der rote Schuft so dumm gewesen wäre, mich an den Kutter zu verfolgen, hätte ich ihm von Bord aus eine Kugel in seinen Strohkopf gejagt, dass ihm sein bisschen Grütze ausgelaufen wäre, denn ich hätte getroffen . . . Hätte, hätte, hätte!“ schrie er jetzt fast, „ich möchte mich selber verprügeln, wenn ich nur wüßte, wie man das macht . .

So quasselte der wütende Verbrecher mit sich selbst, da er niemand hatte, den er hätte anbrüllen können, nicht einmal seinen verehrten Herrn und Meister, Charles Denon, die „heulende Squaw“, wie der Häuptling der Seneca. ihn zu Carons unaussprechlichem Vergnügen genannt hatte.

„Na warte, Baptiste, warte - Mir das! Wenn du mir nochmal in die Krallen läufst - ich presse dir deine saubere Schnapsgurgel mit diesen beiden Händchen hier zusammen!“

Aber daran durfte er schon garnicht denken, dass er diesen Lumpen und Gauner Baptiste selbst herangeholt, dass er selbst ihm den Mund nach der Ladung des „Greif“ wässerig gemacht hatte, und dass der nun so schlau gewesen war wie - „wie du auch gewesen wärst an seiner Stelle, Paul Caron, du dummes Schwein!“ dass dieser Baptiste also mit dem Kutter auf und davon gesegelt war, vor Paul Carons Nase, „direkt vor meiner Nase, vor der besten Spürnase westlich von Quebec!“

Aber dann grinste er bösartig, kalte Wut im Leibe:

„Na, ich will ja nicht wissen, wer von euch Gaunern gesund in Montreal ankommt - da wird einer dem anderen wohl das Messerchen durch die Kehle ziehen - und Baptiste, der jetzt so höhnisch grinsen mag wie er will über den saudummen Caron - Himmel, Hölle, Marterpfahl, ich darf garnicht daran denken, wie der Gauner mich jetzt wohl auslacht . . - Baptiste wird der erste sein, sobald sie nur erst an Land sind . . . Aufm Wasser brauchen sie ihn, aber dann - da müsste ich doch den Abitibi-Louis schlecht kennen . . . Der hat sich heute schon die beiden Rippen ausgesucht, zwischen die er ihm das Messerchen rennen wird - -. -!“

Es war finstere Nacht am Ufer des Erie, und Paul Caron klapperte, obwohl er doch garnicht verzärtelt war, vor Kälte und vor Wut, und es blies ein Wind, der wahrlich nicht von Pappe war. Caron troff vor Nässe wie ein junger Hund, den man hatte ersäufen wollen ...

Da musste er aber schon wieder mal grinsen:

„Tja, mein süßer Wenonga, so denn doch nicht, edler Häuptling . . das hätte dir vielleicht gepaßt, mich im Wasser kalt zu machen!“

Er hatte in der einfallenden Nacht gerade noch sehen können, wie der Miami-Häuptling mit vier Indianern nach Osten davonpaddelte - wie gut, dass der Mond gerade aufgegangen war! Sie waren dicht an seinem Standort vorübergekommen, Standort buchstäblich genommen, denn da hatte er wirklich gestanden, hatte sich die Beine in den Leib gestanden, mitten im Schilf, bis zur Brust im Wasser, weil er den schwarzen Bestien, den beiden Bluthunden La Salles, keine Fährte hinterlassen wollte und fast noch weniger dem Miami-Häuptling . . . als er dann noch ein zweites Kanu nach Norden hatte davonpaddeln sehen, im silbernen Schein des Mondes deutlich zu erkennen, da hatte er leise vor sich hingepfiffen:

„Die sollen den Erie abriegeln, im Osten und im Norden . . . Da werdet ihr wohl zu spat kommen, wenn ich den Baptiste richtig kenne! Der versteht zu segeln . . wenn sie ihn nicht umbringen, vorher . . . dumm genug dazu sind sie . . wäre mir wahrhaftig beinahe lieber, der verrückte Kerl, dieser hochmütige La Salle bekäme die Pelze wieder, als dass die sich über mich lustig machen, der Abitibi-Louis und Baptiste und die anderen Idioten!“

Jetzt also saß er hier oben am Ufer, fror wie ein nackter Neger am Nordpol, fluchte immer von neuem vor sich hin und beschloss schließlich, sich erst einmal zu wärmen. Die Miamis, vor allem dieser gefährliche Wenonga, waren weg, und nachts würden sie ihn kaum suchen Außerdem hoffte er, die nasse Fährte, die er hinterließ, werde seinen Geruch fortnehmen, wenn sie etwa die Hunde allein nach ihm aussenden würden.

Er war in den Wochen, die sie hier an der Maumi-Mündung zugebracht hatten, täglich unterwegs gewesen, hatte die Gegend hier nach allen Richtungen durchstreift, er war ein Waldläufer von langer Erfahrung, und was er in seiner Kindheit bei den Seneca gelernt, das hatte er auch nicht vergessen: er suchte und fand auch im Dunklen das Tal des Baches, der unweit in den See mündete. Sicher ist sicher, dachte er, trat vorsichtig in das Gewässer und watete wohl eine Stunde und länger darin aufwärts:

Dass er sein Pulverhorn noch hatte, wußte er. Er durfte nicht daran denken, dass sein Gewehr im See lag, sonst bekam er einen erneuten WutanfalJ. Das war untergegangen, als der verfluchte Miami sein Boot umgestürzt hatte . . . Und seinen Bogen hatte er dabei auch gleich verloren . . .

Als der Bach eine scharfe Biegung machte, erkannte er, dass er den gesuchten Ort erreicht hatte: einen kleinen Kessel, der auf allen Seiten von hohen Steilwänden umgeben war. Obwohl der Mond nun schon viel höher stand, war es hier doch stockdunkel, denn die Wände des Kessels waren noch dazu mit hohen, dichten Tannen bestanden.

Paul Caron verließ den Bach, tastete sich mit vorgestreckten Händen vorwärts, bis er an die Sandmauer stieß. Noch ein paar Schritte seitwärts, und er hatte eine gerade noch vom Monde beschienene Stelle erreicht.

Er nahm das kleine Beil, das ihm am Gürtel hing, kappte einige trockene, abgestorbene Äste von einer nicht weit entfernt stehenden Fichte, suchte trockene Nadeln und trockenes Laub zusammen, es war alles sehr mühsam in der Finsternis, aber er hatte Geduld, er brach die schwächeren Äste in kleinere Stücke, spaltete die stärkeren mit dem Beil, schnitt sich einen Haufen trockener Späne mit dem Messer, schichtete alles sorgfältig auf, öffnete dann das Pulverhorn, schüttete sehr vorsichtig etwas Pulver auf die Späne und Tannennadeln, verschloß sorgfältig wieder das Horn, nahm dann einen Feuerstein aus der Tasche und schlug mit der Messerklinge Funken daraus. Sofort brannte das Pulver hoch, er warf schnell ein paar bereit gehaltene Späne, euf die züngelnden Flammen, auch trockene Tannennadeln, aber die Vorsicht war unnötig, es hatte schon gezündet, prasselnd und sprühend hatten insbesondere die trockenen Nadeln schon Feuer gefangen, er legte Äste und Zweige auf, und

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: bookworm by vss
Bildmaterialien: bookworm by vss
Lektorat: Hermann Schladt
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2014
ISBN: 978-3-7368-2936-7

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